Kein Verspätungszuschlag bei Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Abgabenerklärung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100382/2021-RS1 | Mit dem Verspätungszuschlag wird nur die Nichtabgabe der Steuererklärung, nicht jedoch die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung geahndet. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Wagramer Straße 19, 1220 Wien,
betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 01-12/2011 und die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Festsetzung Umsatzsteuer 01-12/2011
I. beschlossen:
Die Vorlageanträge vom werden gemäß § 256 Abs. 3 BAO in Verbindung mit § 264 Abs. 4 BAO hinsichtlich Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 01-12/2011 und Festsetzung Umsatzsteuer 01-12/2022 als gegenstandslos erklärt. Damit gilt die Beschwerde gemäß § 264 Abs. 3 BAO wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
und betreffend die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Verspätungszuschläge für Umsatzsteuer 01-12/2012, 01- 12/2013, 01-12/2014, 01-12/2015 und 01-12/2016
II. zu Recht erkannt:
Die Bescheide betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 01- 12/2012, 01-12/2013, 01-12/2014, 01-12/2015 und 01-12/2016 werden - ersatzlos - aufgehoben.
III. Gegen diesen Beschluss bzw. dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin, die ***Bf1***. (im Folgenden Bf), ist ein Telekommunikations-Unternehmen mit Sitz im Hong Kong.
Im Streitjahren 2011-2016 machte die Bf. Vorsteuern im Erstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 idF BGBl 2014/158 geltend und beantragte fristgerecht die die Erstattung von für Roaming-Gebühren in Rechnung gestellter Umsatzsteuer, da die Bf. davon ausging, keine Umsätze in Österreich zu erzielen.
Das Finanzamt erstattete zunächst die Vorsteuerbeträge und setzte im weiteren Verfahren (nach Wiederaufnahmen) für die Streitzeiträume Umsatzsteuer fest.
Gleichzeitig setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom Verspätungszuschläge betr. Umsatzsteuer 2011 - 2016 wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen fest und begründete dies wie folgt:
"Die Festsetzung des Verspätungszuschlages erfolgte aufgrund der Bestimmungen des § 135 BAO unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO). Die für die Entrichtung zustehende Frist ist der gesondert zugehenden Buchungsmitteilung zu entnehmen."
Die Bf. bekämpfte die Festsetzungsbescheide u.a. mit der Begründung, dass sie dem "Erstattungsverfahren" unterliege, weil sie keine Umsätze im Inland erzielt hätte.
Die Beschwerde betr. Verspätungszuschläge vom begründete die Bf. damit, dass sie gar nicht verpflichtet sei, Umsatzsteuererklärungen einzureichen, weil sie dem "Erstattungsverfahren" unterliege, in welchem sie ohnedies Erklärungen eingereicht hätte.
Im Zuge der Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Verspätungszuschläge in neuer Höhe festgesetzt, wobei Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag für den Zeitraum 2011 mit Null festgesetzt wurden.
Mit Vorlageanträgen vom beantragte die Bf. die Behandlung der Beschwerden betreffend Umsatzsteuer-Festsetzung 01-12/2011, 01- 12/2012, 01-12/2013, 01 - 12/2014, 01-12/2015 und 01-12/2016 sowie der Verspätungszuschläge für dieselben Zeiträume durch das BFG.
Mit Eingabe vom nahm die Bf. die Vorlageanträge betr. Umsatzsteuer-Festsetzung 01-12/2011 und Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 01-12/2011 zurück, weil ihrem Begehren bereits mit Beschwerdevorentscheidung vom inhaltlich Rechnung getragen wurde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt und Beweiswürdigung
Der Sachverhalt stellt sich so wie im Verfahrensgang angegeben dar und wird von keiner Partei bestritten.
Rechtslage
§ 135 BAO. Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, kann die Abgabenbehörde einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist; solange die Voraussetzungen für die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung gegeben sind, tritt an die Stelle des festgesetzten Betrages der selbst berechnete Betrag. Dies gilt sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Verspätungszuschläge, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Zurücknahme des Vorlageantrages
Gemäß § 256 Abs. 3 BAO ist eine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn sie zurückgenommen wird. Dies gilt gemäß § 264 Abs. 4 lit. d BAO sinngemäß auch für Vorlageanträge.
Gemäß § 264 Abs. 3 dritter Satz BAO gilt bei Zurücknahme eines Vorlageantrages die Bescheidbeschwerde wieder als durch die Beschwerdevorentscheidung erledigt.
Da die Bf. mit Anbringen vom den Vorlageantrag betreffend Verspätungszuschlag für Umsatzsteuer 01-12/2011 und Festsetzung Umsatzsteuer 01-12/2022 zurückgezogen hat, war dieser gemäß § 264 Abs. 4 lit. d BAO iVm § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos zu erklären.
Die o.a. Beschwerden gelten damit durch die Beschwerdevorentscheidungen vom (Festsetzung USt und VZ mit Null) als erledigt.
Verspätungszuschlag
Der gesetzliche Zweck der Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und die Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Mit Verspätungszuschlägen wird die Säumnis bei Erfüllung der Abgabenerklärungspflicht und die daraus für die Finanzverwaltung/den Fiskus entstehenden Folgen und Risken geahndet ().
Im Beschwerdefall hat die Bf. rechtzeitig Erstattungsanträge eingebracht. Damit hat die Bf. ihre Abgabenerklärungspflicht erfüllt, auch wenn die Abgabenerklärungen der Höhe nach unrichtig waren, weil die Bf. die Minderung der Bemessungsgrundlage und die Umsätze nicht in die Erklärungen aufgenommen hat.
Mit dem Verspätungszuschlag wird jedoch nur die Nichtabgabe der Steuererklärung und nicht die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung geahndet. Damit besteht bereits dem Grunde nach keine Grundlage für die Verhängung des Verspätungszuschlages.
In weiterer Folge hat das Finanzamt bei Überprüfung des Sachverhaltes festgestellt, dass die Bf. Umsätze im Inland erzielt hat und daher nicht dem Erstattungsverfahren unterliegt. Das Finanzamt verhängte nunmehr offenbar Verspätungszuschläge für die Nichtabgabe von Umsatzsteuer-(Jahres)erklärungen. Diese hat die Bf. jedoch deshalb nicht eingebracht, weil sie die Rechtsauffassung vertrat, keine Umsätze im Inland zu erzielen.
Diese (Rechts)frage ist vor dem BFG in einem anderen Verfahren strittig, wurde jedoch - zumindest dem Grunde nach - zwischenzeitig vom bzw. , "SK Telecom Co. Ltd" zu Lasten der Rechtsauffassung der Bf. entschieden.
Obwohl die Bf. keine Umsatzsteuer-Jahreserklärungen oder Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht hat, hat sie durch die Einreichung von Erstattungsanträgen den Normzweck erfüllt: Durch die in den Erstattungsanträgen gemachten Angaben war es dem Finanzamt möglich, die Umsatzsteuer festzusetzen.
Im Übrigen liegt die Festsetzung von Verspätungszuschlägen dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen (), wobei ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines für das Ermessen wesentlichen Verschuldens ausschließen kann ().
Die Bf. hat nur Erstattungsanträge eingereicht, weil sie die Auffassung vertreten hat, dass die VO 383/2003 idF 221/2009 unionsrechtswidrig sei. Dass es sich dabei um eine vertretbare Rechtsansicht handelt, ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass das BFG in der Rechtssache "SK Telekom" deshalb ein Vorabentscheidungsersuchen eingebracht hat.
Mit einem Verspätungszuschlag soll nur das Fehlverhalten, Abgabenerklärungen nicht fristgerecht einzubringen, sanktioniert werden. Keinesfalls soll ein drohender Verspätungszuschlag Abgabepflichtige daran hindern, eine andere Rechtsauffassung als das Finanzamt zu vertreten.
Die Bescheide betr. Verspätungszuschläge waren daher wie im Spruch ersichtlich aufzuheben, weil die Bf. fristgereicht Erklärungen eingereicht hat. Die Erklärungen waren zwar im Nachhinein gesehen unrichtig, jedoch beruhte die Unrichtigkeit auf einer vertretbaren Rechtsauffassung, weshalb die Bf. auch kein für die Verhängung eines Verspätungszuschlages wesentliches Verschulden trifft.
Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 135 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Kuderer in SWK 35/2022, 1350 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100382.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at