Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.08.2022, RV/6100413/2013

Erlassung eines Sicherstellungsauftrages gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens Verdächtigen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100413/2013-RS1
Handelt es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Sicherstellungsauftrag, der gemäß § 232 Abs. 3 BAO gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens Verdächtigen erlassen worden ist, ist dieser aufzuheben, wenn der Verdächtige nicht verurteilt wurde (vgl. ErläutRV 38 BlgNR 24. GP 12).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***VorsRi***, den Richter***Ri*** als Berichterstatter sowie die fachkundigen Laienrichter ***LaiRi1*** und ***LaiRi2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, Abgabestelle unbekannt, über die Berufung (nun Beschwerde) vom gegen den Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See (nun Zollamt Österreich) vom , Steuernummer ****, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom erließ das Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See gegen ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, in dem die Sicherstellung voraussichtlich vorsätzlich verkürzter Abgabenansprüche (Abgabenbeträge) in Höhe von insgesamt € 1,494.087,03 angeordnet werden. Diese im Bescheid im Einzelnen angeführten Abgaben betreffen einerseits die ***GmbH1*** (Körperschaftsteuer der Jahre 2007, 2008, 2010 und 2011, Kapitalertragsteuer 2007 bis 2010 sowie Umsatzsteuer 2007 bis 2010), andererseits die ***GmbH2*** (Körperschaftsteuer 2010, Kapitalertragsteuer 2009 und 2010 sowie Umsatzsteuer 2009).
Das Finanzamt stützt diesen Sicherstellungsauftrag auf die Norm des § 232 Abs 3 BAO, wonach die Abs 1 und 2 leg cit sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden, gelten.
Begründend verweist das Finanzamt auf die Feststellungen, die im Zuge der laufenden Außenprüfung bei den genannten Gesellschaften bisher getroffen wurden. Belege und andere Unterlagen seien trotz wiederholter Aufforderung nicht vorgelegt worden. Im Kern gehe es dabei um die unterpreisige Veräußerung von Liegenschaften, Häusern und Wohnungen entweder an den Bf selbst oder an ihm nahe stehende Gesellschaften. Der Bf sei bis Ende September 2010 handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***GmbH1*** und bis Ende Jänner 2010 Geschäftsführer der ***GmbH2*** gewesen; er habe auch nach Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion tatsächlich die Geschäfte weiter geführt. Er sei die de facto bestimmende Person bei Entscheidungen in allen geschäftlichen Belangen gewesen.
Gegen den Bf werde von der Staatsanwaltschaft Salzburg ein Finanzstrafverfahren wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung geführt, hinsichtlich der Gesellschaften sei ein Finanzstrafverfahren nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz anhängig.
Die Einbringung der Abgaben erscheine aus folgenden Gründen gefährdet: Der Bf habe kurz vor der Übertragung der beiden GmbHs an andere Personen alle wesentlichen Grundlagen (Vermögen) an die ***GmbH3*** übertragen und diese dadurch wesentlich begünstigt. Es liege eindeutig eine Vermögensverschiebung zugunsten der ***GmbH3*** vor. Um einen Zugriff auf ihm bzw seiner geschiedenen Gattin gehörenden Grundstücke zu erschweren, seien gegenseitige Belastungs- und Veräußerungsverbote grundbücherlich eingetragen worden. Dazu komme, dass der Bf seine unternehmerischen Aktivitäten auch ins Ausland verlagere. Eine von ihm in ***Deutschland***, gegründete und beherrschte GmbH habe offenkundig eine Scheinrechnung über € 290.000.-- an die ***GmbH3*** gestellt, um dieser einen ungerechtfertigten Aufwandsposten zu verschaffen. Eine Gegenleistung sei nicht zu erkennen. Die Rechnung sei nicht bezahlt worden, allerdings seien Sicherstellungen auf zwei im Eigentum der ***GmbH3*** befindlichen Grundstücken erwirkt worden. Auch hier sei zu vermuten, dass eine unterpreisige Liegenschaftstransaktion geplant war.
Der Bf sei nicht in der Lage, aus seinen laufenden Einkünften allfällige Haftungen aus den Ergebnissen der Betriebsprüfungen zu bedecken (erklärte Einkünfte 2009: € 15.389; 2010: € 23.954.--). Das Grundvermögen des Bf sei durch Belastungs- und Veräußerungsverbote zugunsten der geschiedenen Gattin dem exekutiven Zugriff entzogen. Das dem Finanzamt bekannte bewegliche Vermögen reiche bei weitem nicht aus um die voraussichtliche Abgabeforderung abzudecken.
Schließlich stellten die wiederholten Firmensitz- und Wohnsitzwechsel ein Indiz für eine wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung dar. Bei den angegebenen Adressen in ***X*** bzw ***Y*** handle es sich nach Erhebungen des Finanzamtes um reine Bürogebäude, die vom Bf als Briefkastenadresse benutzt würden.

Gegen diesen Sicherstellungsauftrag hat der Bf mit Schriftsatz vom berufen und im Wesentlichen eingewendet, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 232 BAO nicht erfüllt seien. Die vermeintlichen Abgabennachforderungen würden tatsächlich nicht bestehen. Selbst wenn sie zu Recht bestünden, wären etwaige Sicherstellungsaufträge primär gegen die Abgabenschuldnerinnen, dh gegen die Gesellschaften zu erlassen gewesen. Aufgrund seiner ehemaligen Geschäftsführertätigkeit könne er nicht mit Sicherstellungsmaßnahmen belangt werden. Die Haftungsbestimmungen der §§ 9 und 80 BAO würden sich nur auf den jeweils aktuellen Geschäftsführer beziehen, er sei lange vor Erlassung des angefochtenen Bescheides als Geschäftsführer aus allen betroffenen GmbHs ausgeschieden. Zur Abgabenentrichtung sei die Körperschaft verpflichtet und nicht die ehemaligen Geschäftsführer. Aus der Behauptung der Behörde, dass er nach wie vor im Hintergrund die Geschäfte führe, könne eine relevante Rechtsfolge gegen ihn nicht abgeleitet werden; § 9 BAO stelle nicht auf eine faktische Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten ab.
Es entspreche der Lehre und ständigen Rechtsprechung, dass bei potentiell Haftungspflichtigen die Abgabenpflicht als Gesamtschuld erst mit der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung entstehe. Bei persönlichen Haftungen sei die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nur zwischen Erlassung des Haftungsbescheides und Vollstreckbarkeit des Haftungsbetrages zulässig. Bis heute sei ihm kein Haftungsbescheid zugestellt worden, der Sicherstellungsauftrag daher auch aus diesem Grunde rechtswidrig.
Die Behörde habe weiters in nicht korrekter Weise von der Ermessensübung Gebrauch gemacht. Aus dem Blickwinkel der Verfahrensökonomie sei die Erlassung des Sicherstellungsauftrages unzweckmäßig, weil die Behörde selbst feststelle, dass er weder über die notwendigen Einkünfte noch über verwertbares Vermögen verfüge, um die vermeintliche Abgabenverpflichtung zu erfüllen. Die Abgabenforderung sei bei ihm uneinbringlich, der Sicherstellungsauftrag habe nur Verwaltungsaufwand zur Folge und gehe von seinen Auswirkungen her ins Leere. Damit verstoße das Finanzamt gegen das Gebot der Sparsamkeit des Verwaltungshandelns.
Da beim Bf weder ein drohendes Konkurs- oder Ausgleichsverfahren vorliege, noch Exekution von dritter Seite geführt werde, keine Abwanderungsabsicht, keine Vermögensverschleuderung und keine Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte gegeben sei, liege auch keine wesentliche Erschwerung der Einbringung iSd § 232 BAO vor. Bei den auf den Liegenschaften der Ehegatten wechselseitig eingeräumten Belastungs- und Veräußerungsverboten handle es sich um eine in Österreich übliche Vorgangsweise, die zudem mit den vermeintlichen Abgabenforderungen der GmbHs nichts zu tun hätten. Er habe keine Maßnahmen gesetzt, die die Annahme der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgaben rechtfertigten.
Auch mit § 232 Abs 3 BAO lasse sich eine rechtsgültige Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht rechtfertigen. Auch wenn ein Strafverfahren anhängig sei, müssten die Voraussetzungen der Abs 1 und 2 vorliegen. Die bloße Einleitung eines Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Salzburg stelle keinen tauglichen Rechtsgrund für die Erlassung des angefochtenen Bescheides dar.
Aus den dargelegten Gründen werde die ersatzlose Aufhebung des Sicherstellungsantrages beantragt. Verfahrensrechtlich werde eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Berufungssenat beantragt.

Mit Eingabe vom hat Rechtsanwalt ***JH*** (inzwischen verstorben) gegenüber dem unabhängigen Finanzsenat (UFS) bekannt gegeben, dass er den Bf vertritt, und eine Vorlageerinnerung gemäß § 276 Abs 6 BAO eingebracht.

Mit Schriftsatz vom hat der Vertreter beim Finanzamt "Beschwerde" gegen die aufgrund des Sicherstellungsauftrages vollzogene Beschlagnahme eines Bargeldbetrages erhoben. Darin wird - soweit für gegenständliches Verfahren relevant - Folgendes vorgebracht: Zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages sei der Bf in ***X*** ansässig gewesen. Örtlich zuständig sei daher das Finanzamt Salzburg-Land. Dieses Finanzamt habe keinerlei Aufträge (wie Erhebungs- Prüfungsaufträge, Ersuchen um Amtshilfe) an das Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See erlassen, die dieses berechtigen würden, gegen den Bf Verfahrensschritte zu setzen, geschweige denn, Bescheide zu erlassen. Der Abgabenakt des Bf sei gemäß § 50 BAO am an das örtlich und sachlich zuständige Finanzamt Salzburg-Land abgetreten worden, dieses habe damit Verfahrenshoheit erlangt. Es liege in den Akten kein Delegierungsantrag vor, aus dem sich ergebe, dass das Finanzamt Salzburg-Land örtlich nicht zuständig sei. Der Sicherstellungsauftrag sei gesetzwidrig im Namen des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See unter der Steuernummer des Finanzamtes Salzburg-Land an den Bf, per Adresse ***X*** ergangen, obwohl dieser damals bei den in Rede stehenden GmbHs weder Geschäftsführer noch Gesellschafter gewesen sei. Das Finanzamt Salzburg-Land habe einen derartigen Bescheid weder vorbereitet, noch in Auftrag gegeben noch genehmigt. Die Approbation durch die Vorständin des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See sei unrichtig und widerspreche den Dienstanweisungen des BMF. Auch sachlich werde ein unrichtiger Sicherstellungsbetrag verfügt. Es handle sich völlig unrealistisch um angeblich nicht abgeführte Beträge von rund € 1,49 Millionen, die Unternehmen betreffen, für die der Bf längst nicht mehr tätig sei.

Mit Anbringen vom hat der damalige Vertreter mitgeteilt:

"Unter der Voraussetzung, dass der Sicherstellungsbescheid vom Unabhängigen Finanzsenat tatsächlich bescheidmäßig aufgehoben wird und der Unabhängige Finanzsenat als Sachinstanz nicht nur formal erkennt, sondern auch ausspricht, dass der Sachverhalt vom bescheidausfertigenden Finanzamt unrichtig ermittelt wurde, ziehen wir auf Wunsch des Unabhängigen Finanzsenats (***HR***) - zur Möglichkeit der raschen ökonomischen Abwicklung der Berufung - den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat gerne zurück."

Die Berufungsentscheidung des UFS (Aufhebung) vom , RV/0185-S/12, ist vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2013/15/0156, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben worden.

Die am bei dem UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen sind vom Bundesfinanzgericht gemäß § 323 Abs 38 BAO als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Wurde eine Berufung vor dem , ohne vorher eine Berufungsvorentscheidung zu erlassen, der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgelegt, so ist § 262 BAO (Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung) gemäß § 323 Abs 42 nicht anwendbar.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die gegenständliche Beschwerdesache, die der Gerichtabteilung 7012 zugeteilt war, der Gerichtsabteilung 7007 zugeteilt.
Zu diesem Zeitpunkt war über das Vermögen des Bf das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. Das Schuldenregulierungsverfahren wurde durch Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens ***2018*** aufgehoben.

Eine Nachfrage beim Landesgericht Salzburg im August 2021 über den do Verfahrensstand zu ***GZ*** hat ergeben, dass der Bf vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 214 FinStrG vollinhaltlich freigesprochen worden ist.

Die mündliche Verhandlung ist am antragsgemäß durchgeführt worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zum Anbringen vom (Zurückziehung des Antrages auf mündliche Verhandlung) ist festzustellen:

Eine bedingte Prozesshandlung ist nur dann zulässig, wenn der Ablauf des Verfahrens bereits durch unbedingte Prozesshandlungen sichergestellt ist, wenn sie von einem bestimmten, im Verfahrensablauf eintretenden, "innerprozessualen" Ereignis abhängig gemacht wird und ihre Beachtung nicht geeignet ist, die Vorhersehbarkeit des weiteren Prozessablaufs für die Berufungsbehörde oder den Prozessgegner in unerträglicher Weise zu beeinträchtigen (, ua).
Bedingte Prozesshandlungen sind nicht zulässig, wenn die Prozesshandlungen einen unmittelbaren Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens haben können: Derartige Prozesserklärungen einer Partei ("Bewirkungshandlungen") sind schon wegen ihrer konstitutiven, unmittelbare Rechtsfolgen hervorrufenden, Wirkung generell bedingungsfeindlich. Der durch die Prozesserklärungen bestimmte Prozessablauf darf nicht durch die Bindung an unvorhersehbare Ereignisse beeinträchtigt und verzögert werden. Die Entscheidung darüber, in welcher Form das Verfahren fortgesetzt wird, soll nicht von einem ungewissen Ereignis abhängen (, ua).
Nach den va Grundsätzen ist die Setzung einer Bedingung unzulässig, wenn die Prozesshandlung einen unmittelbaren Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens hat. Wird einem solchen Antrag eine Bedingung beigesetzt, ist dieser Antrag nicht zulässig.
Der Antrag des Bf vom auf mündliche Verhandlung ist daher weiterhin aufrecht und war die Verhandlung antragsgemäß durchzuführen.

Im Rechtsmittelverfahren betreffend Sicherstellungsauftrag ist zu prüfen, ob die Erlassung des Sicherstellungsauftrages in Bezug auf das Vorliegen von Gefährdungs- und Erschwerungsmomenten dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Dazu bedarf es zunächst Feststellungen in der Richtung, ob bzw wann der Abgabenanspruch entstanden ist. Dies setzt nach § 4 BAO die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Nach der Rechtsprechung muss die Verwirklichung des Tatbestandes in der Begründung des Sicherstellungsauftrages entsprechend dargetan werden. Die Begründung muss jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt einer Entscheidung zugrunde gelegt wurde ().
Noch bevor auf die Frage einzugehen ist, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 232 BAO im vorliegenden Fall erfüllt sind und der angefochtene Bescheid daher zu Recht erlassen wurde, ist die Frage nach der (örtlichen) Zuständigkeit zu klären.

Der angefochtene Bescheid ist - wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis , feststellt - mit Datum vom Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See erlassen worden.
Grundsätzlich stellt die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages eine Maßnahme der Abgabeneinhebung dar, die Zuständigkeit für dessen Erlassung liegt dementsprechend bei dem für die Einhebung der Abgaben zuständigen Finanzamt. Im Gegenstandsfall waren die ***GmbH1*** und die ***GmbH3*** im Bereich des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See ansässig, sodass sich aus § 21 AVOG idmF für die Erhebung der Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und der Abzugssteuern die sachliche und örtliche Zuständigkeit dieses Finanzamtes ergeben hat (Betriebsfinanzamt). Gemäß § 49 Abs 2 BAO sind unter Erhebung alle der Durchführung der Abgabenvorschriften dienenden abgabenbehördlichen Maßnahmen zu verstehen. Zu diesen Maßnahmen gehören alle der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienenden Maßnahmen, die die Ermittlung, Festsetzung, Einhebung und zwangsweise Einbringung zum Ziel haben. Die Einhebung ist Teil der Erhebung. Diese Zuständigkeit gilt zB auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Haftender gemäß §§ 9 und 80 BAO in Anspruch genommen wird.

§ 232 BAO idmF bestimmt:

"1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."

Nach § 232 Abs 3 ist ein Sicherstellungsauftrag bereits vor Entstehung des Haftungsanspruches nach § 11 ab Anhängigkeit des Strafverfahrens zulässig.

Anhängig ist ein Strafverfahren
- bei verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit mit der ersten Verfolgungshandlung (§ 14 Abs 3 FinStrG),
- bei gerichtlicher Zuständigkeit bereits dann, wenn gerichtliche Ermittlungen, Vorerhebungen geführt werden (vgl Rathgeber, SWK 2009, S 732).

Im gegenständlichen Fall hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz am mit Anlassbericht gemäß § 100 Abs 2 Z 2 StPO an die Staatsanwaltschaft Salzburg berichtet, dass gegen den Bf wegen gewerbsmäßiger Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 iVm 38 Abs 1 FinStrG ermittelt wird.
Am hat die Staatsanwaltschaft ua die Durchsuchung der Doppelhaushälfte des Bf in ***S***, angeordnet.
Die in § 232 Abs 3 BAO genannten Voraussetzungen waren daher zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages erfüllt.

Zu den Einwendungen des Bf in der Berufung bzw Beschwerde, er sei bei Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht mehr Vertreter der beiden betreffenden Gesellschaften gewesen, ist festzustellen, dass der Bescheid nicht an den Abgabepflichtigen oder Haftenden ergangen ist, sondern an den Bf, gegen den ein Strafverfahren wegen Begehung des (vorsätzlichen) Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 iVm 38 Abs 1 FinStrG anhängig war.
Aus den genannten Gründen musste auch keine Haftung bescheidmäßig geltend gemacht werden. Eine Haftung nach § 11 BAO iZm vorsätzlichen Finanzvergehen kommt ja erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung in Betracht.
Die Abs 1 und 2 des § 232 gelten im vorliegenden Fall eben nur sinngemäß.

Das Ziel des Sicherstellungsverfahrens besteht darin, dem Abgabengläubiger bereits zu einem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch zwar dem Grunde nach besteht (was vom Bf nicht in Abrede gestellt wird), er aber noch nicht realisierbar ist, wegen Drohung der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung ein Pfandrecht zu verschaffen, dessen Rang auch für die nachfolgende Exekution zur Einbringung maßgebend ist (vgl ).

Dem Bf ist zuzustimmen, dass die Erlassung des Sicherstellungsauftrages gegen ihn im Ermessen der Abgabenbehörde lag. Die Ausübung des Ermessens wird im angefochtenen Bescheid jedoch ausreichend begründet.
Wegen Unzweckmäßigkeit wäre zwar in Fällen, in denen keinerlei Besicherungsmöglichkeiten bestehen, von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen, dies ist aber hier nicht der Fall, auch wenn das dem Finanzamt bekannte bewegliche Vermögen des Bf nicht ausreicht, um die voraussichtliche Abgabenforderung abzudecken.

Zum Vorbringen, es liege keine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgaben vor und es drohe insbesondere kein Konkurs- oder Ausgleichsverfahren der betreffenden Gesellschaften ist darauf hinzuweisen, dass die ***GmbH2*** per ***2012*** und die ***GmbH1*** per ***2015*** gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sind.
Trotz seiner Beteuerung, es könne keinen Zweifel daran geben, dass er sich einem exekutiven Zugriff nicht entziehen möchte, hat der Bf laut ZMR-Abfrage ***keinen*** Wohnsitz mehr im Inland und hat dieser seine Abgabestelle geändert, ohne das Verwaltungsgericht zu informieren. Der seinerzeitige Vertreter ist verstorben und weder der ehemalige Masseverwalter noch der Treuhänder konnten dem Bundesfinanzgericht Auskunft über den Aufenthaltsort oder die aktuelle Abgabestelle des Bf geben.
Neben den im Sicherstellungsauftrag genannten Tatsachenfeststellungen des Finanzamtes und dem Verhalten des Bf (etwa die Verschiebung von Vermögen und der häufigen Wechsel seines Wohnsitzes) konnte daher auch aus den Umständen des Einzelfalls geschlossen werden, dass der rasche Zugriff der Abgabenbehörde durchaus gerechtfertigt ist.

Was die Höhe der Abgabenschuld betrifft ergibt sich schon aus der Natur der "Sofortmaßnahme" (zB ; , 2008/15/0288; , 2012/15/0165), dass die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich ist ().
Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (zB ; , 2006/15/0204; , 2007/13/0056).

Das Landesgericht Salzburg hat dem Bundesfinanzgericht auf Nachfrage allerdings mitgeteilt, dass der Bf rechtskräftig freigesprochen worden ist.
In § 232 Abs 3 BAO wird dem Umstand Rechnung getragen, dass insbesondere die Spruchsenats- bzw Gerichtsverfahren länger dauern und entsprechende Mittel, die zur Abdeckung der Abgaben dienen, bis zur Verurteilung nicht mehr vorhanden sind. Mit der Sicherstellung ist gewährleistet, dass im Fall eines Schuldspruches ein entsprechender Haftungsbescheid vollstreckt werden kann. Wird der Verdächtige nicht verurteilt, so sind die Sicherstellungsmaßnahmen von Amts wegen aufzuheben (vgl ErläutRV 38 BlgNR 24. GP 12).

Auch wenn der Sicherstellungsauftrag im Zeitpunkt seiner Erlassung dem Grunde nach gerechtfertigt war und nach Erlassung des Sicherstellungsauftrages eingetretene Umstände im Rahmen der Rechtsmittelentscheidung in der Regel nicht zu berücksichtigen sind, ist dieser im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Freispruch des Verdächtigen aufzuheben.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte VwGH-Judikatur und die oa Erläuterungen zur Regierungsvorlage - nicht erfüllt.

Salzburg, am

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