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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2022, RV/2100482/2021

Fehlen von Wiederaufnahmegründen, Aufhebung der angefochtenen Bescheide

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend

1. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-03/2008
2. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 04-06/2008
3. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 07-09/2008
4. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 10-12/2008
5. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-12/2010
6. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-12/2011
7. Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für 01-12/2012

Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In den angefochtenen Bescheiden wurden die Verfahren über die Erstattung von Vorsteuern für die einzelnen im Spruch bezeichneten Zeiträume wiederaufgenommen. Weiters erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt.

Der Außenprüfungsbericht vom umfasst die Zeiträume 2008-2013 und führt unter den Feststellungen Folgendes aus:

"Tz. 7: Prüfungsfeststellungen und Prüfungsergebnis:
Bei der Fa. N. handelt es sich um ein Telekommunikationsunternehmen in Norwegen, welches in Österreich Vorsteuern im Erstattungsweg beantragt hat. Die beantragten Vorsteuern resultieren aus Rechnungen von österr. Telekommunikationsunternehmen, die die Vorschreibung von Roaming-Gebühren für die Nutzung der Netze in Österreich mit Umsatzsteuer verrechnet haben. Sofern die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandunternehmers (= N.) an Leistungsempfänger im Drittland (= deren Kunden) oder an Nichtunternehmer im EU-Raum erbracht wird und diese in Österreich genutzt oder ausgewertet wird (was im gegenständlichen Prüfungsfall der Fall ist), wird der Leistungsort durch die VO BGBI. II 383/2003 nach Österreich verlagert und kann somit die Erstattungsverordnung BGBl 1995/279 nicht zur Anwendung kommen. Die Firma N. hat somit nach Ansicht der BP in Ö. steuerbare und steuerpflichtige Leistungen und somit sowohl seine Umsätze, als auch seine Vorsteuern im Veranlagungsverfahren zu erklären. Der Vorsteuer-Erstattungsantrag für 1/2008-12/2013 in Höhe von € 188.357,08 wird daher abgewiesen. Das Unternehmen hat für sämtliche Zeiträume eine Umsatzsteuererklärung beim FA Graz-Stadt abzugeben. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Tz. 8 Vorsteuer:
… Zahlentabellen
Telekommunikationsdienstleistungen
Verschiebung des Ortes der sonstigen Leistung nach Österreich - wo die Leistung genutzt oder ausgewertet wird (BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221).
.) Generalklausel: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 629)
§ 3 Abs. 12 UStG 1994 enthält die Generalklausel. Kommt keine Spezialbestimmung zur Anwendung, ist für die Bestimmung des Leistungsortes der Ort maßgeblich, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (das ist dort, wo sich die Leitung des Unternehmens befindet). Allerdings gibt es bei den Telekommunikationsleistungen in Bezug auf den Ort dieser sonstigen Leistung folgende Sonderregelung:

.) Sonderfälle des Ortes der sonstigen Leistungen: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3d, Rz. 621)
Die Sonderregelungen des
§ 3a Abs. 9 lit. c UStG 1994 und des § 3a Abs. 11 UStG 1994 betreffen sonstige Leistungen, die von einem Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandgebiet aus betreibt, erbracht werden und die im Inland genutzt oder ausgewertet werden.
Gem. § 3a Abs. 16 kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 14, Z. 6, 7, 12 (= die Telekommunikationsdienste) oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.
Dies hat er auch durch die Telekommunikationsverordnung gemacht:
Die Verordnung zu § 3a besagt im § 1: "Liegt bei einer in
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird." (BGBl II 2009/221 ab ).
Es kann/darf damit im Drittland nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen, da der Leistungsort eindeutig und unmissverständlich in Österreich liegt, nämlich dort, wo diese sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Da der Antragsteller nach der Verordnung BGBl II Nr. 102/1997, bzw.
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl II Nr. 221/2009, in den Prüfungsjahren steuerpflichtige Umsätze in Österreich getätigt hat, kann die Erstattungsverordnung BGBl Nr. 279/1995 nicht zur Anwendung kommen. Das heißt, dass die beantragten Vorsteuern im Veranlagungsverfahren beantragt werden müssen. Die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 sieht vor, dass der Leistungsort einer Telekommunikationsleistung vom Drittland ins Inland verlagert wird, wenn in Österreich die Nutzung oder Auswertung erfolgt. Dieser Sachverhalt/Umstand ist zweifelsfrei gegeben.
Auch wenn das ausländische Unternehmen die Roaming-Gebühren/-Leistungen (die von den österr. Telekommunikationsunternehmen für die Verwendung der österr. Telefonnetze verrechnet wurden) mit USt weiterfakturiert hat, ändert dies It. Ansicht der BP nichts an der Leistungsortbestimmung. Vielmehr dient It. Ansicht der BP die Bestimmung des Leistungsortes dazu, um eben von Vornhinein derartige Unsicherheiten bei der steuerlichen Beurteilung zu vermeiden. Damit bzw. anhand des österr. USt-Bescheides, kann der jeweiligen Finanzverwaltung im Drittland die Versteuerung in Österreich (die im Rahmen einer Veranlagung unter Bekanntgabe der Umsätze durchzuführen ist) - zur Vermeidung der Versteuerung im jeweiligen Drittland (und somit einer eventuellen Doppelbesteuerung) - nachgewiesen werden. Demzufolge hat das ausländische Telekommunikationsunternehmen seine Umsätze (inkl. den Aufschlägen auf die von den österr. Telekommunikationsunternehmen verrechneten Roaming-Gebühren/-Leistungen) im Rahmen einer Veranlagung bekanntzugeben (widrigenfalls es in Österreich zu einer Schätzung dieser Umsätze kommt).

Lt. Ansicht der BP stellt selbst eine Rechnungskopie vom Unternehmen mit USt-Ausweis oder eine Bestätigung der ausländischen Steuerbehörde, dass "Roaming-Leistungen" im Ausland der Umsatzsteuer unterliegen - keinen Beweis für die Abfuhr der Umsatzsteuer dar. Die Vorlage bzw. Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde, dass Roaming-Gebühren/- Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, beweist keinesfalls, dass die gegenständlichen Umsätze auch dort erklärt und die Umsatzsteuer daraus abgeführt wurde. Vielmehr müsste -in übersetzter und beglaubigter Form - der Eingang ins dortige Rechenwerk, in die dortige Umsatzsteuererklärung und auch die Abfuhr der Umsatzsteuer ans dortige Finanzamt eindeutig und unmissverständlich bewiesen werden. Denn selbst bei Vorliegen einer solchen Bestätigung seitens der ausländischen Finanzbehörde (wo ausschließlich der Gesetzestext wiedergegeben wird) kann damit keinesfalls bewiesen werden, dass das ausländische Unternehmen die Umsatzsteuer aus genau diesen Leistungen ("Roaming-Leistungen") abgeführt hat. Aber selbst wenn dieser Beweis erbracht werden kann, so dient er vielmehr als Grundlage dazu, von den Finanzbehörden in den jeweiligen Drittländern die Umsatzsteuer zurückzufordern, da der Leistungsort lt. Telekommunikationsverordnung in Österreich gelegen ist, da hier die Leistung sowohl genutzt, als auch ausgewertet wird. Es besteht somit die Möglichkeit, dass auf Basis der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 es in den einzelnen Ländern zu einer berichtigten Erklärung kommt, sodass die vormals gemeldete Umsatzsteuer wieder korrigiert wird. Lt. Ansicht der BP bedurfte es gerade deshalb der Telekommunikationsverordnung, da ansonsten für die BP die Überprüfung der steuerlichen Gegebenheiten und Umstände bei den Telekommunikationsleistungen weder möglich, noch nachvollziehbar ist, zumal bei einer UMA-Prüfung auch nicht die Möglichkeit besteht, in die Bücher der ausländischen Unternehmen Einsicht zu nehmen.
Daher ist lt. Ansicht der BP mit der Telekommunikationsverordnung und der einhergehenden Leistungsortverschiebung ins Inland (= Österreich) eine administrierbare Lösung gefunden worden. Vom Wahlrecht zur Anwendung des günstigeren EU-Rechts wurde nicht Gebrauch gemacht. Dies hätte in der Form ausgeübt werden können, dass die österr. Telekommunikationsanbieter/-unternehmen mit Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuer in dem jeweiligen Land abgeführt wird, ohne Umsatzsteuer hätten fakturieren müssen. (Anzumerken ist an dieser Stelle, dass das Wahlrecht dem österr. Telekommunikationsunternehmen zusteht, und nicht dem ausländischen Unternehmen.) Demzufolge wäre es auch nicht zu einem Erstattungsantrag gekommen.
In diesem Zusammenhang ist auf das "Melbourne Agreement" zu verweisen, welches auch von den österr. Telekommunikationsanbietern unterzeichnet wurde. Basierend darauf wurde vereinbart, Roamingleistungen - unter gewissen Voraussetzungen - ohne Umsatzsteuer abzurechnen (siehe dazu unten angeführten UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 642i).
.) neue Telekommunikationsdienste: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 642i)
Die Verordnung des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003, hinsichtlich der Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung ist zu beachten. Liegt der Leistungsort der Telekommunikationsdienste gemäß § 3a UStG 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, und unterliegt sie dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandunternehmer auf das für sie günstigere EU Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann. Nur in solchen Fällen kommt es ausnahmslos dazu, dass der Leistungsort nicht in Österreich gelegen ist, und somit keine Veranlagung in Österreich gemacht werden muss. Demzufolge kommt es aber auch zu keinem Erstattungsansuchen, da die Rechnungen ohne österr. Umsatzsteuer fakturiert worden wären. Nachdem dies nicht der Fall ist, hat die BP jedenfalls davon auszugehen, dass dem österr. Telekommunikationsunternehmen keine derartigen Erklärungen und Steuerbescheide seitens des ausländischen Unternehmen vorgelegt wurden bzw. werden konnten, womit jedenfalls der Ort der Telekommunikationsleistung sich in Österreich befindet. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass auch der BP diese Beweise nicht vorgelegt wurden bzw. vorgelegt werden konnten. Jedenfalls hat aber das österr. Telekommunikationsunternehmen von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht. Eine nachträgliche "Sanierung" ist It. Ansicht der BP ausgeschlossen, da die österr. Telekommunikationsunternehmen bereits mit Umsatzsteuer fakturiert haben. Da der Leistungsort bei den Telekommunikationsdiensten dort gelegen ist, wo die Leistung ausgeführt oder ausgewertet wird (= eindeutige und präzise Bestimmung), kann es somit 1t. Ansicht der BP zu keiner Doppelbesteuerung kommen. Eine eventuell irrtümlich im Ausland (Drittland) bezahlte Umsatzsteuer aus diesem Titel wäre somit von den jeweiligen ausländischen Finanzbehörden auf Basis der Verordnung
BGBl. II Nr. 383/2003 mittels einer berichtigten Erklärung zu refundieren. Ab 2015 gilt eine neue Leistungsort-Regelung für elektronisch erbrachte Leistungen. Die Schlüssigkeit und Rechtsrichtigkeit der oben angeführten Begründung wird It. Ansicht der BP auch durch den Umstand Rechnung getragen, dass es ab 2015 diese neue Leistungsort-Regelung für verschiedene elektronisch erbrachte Leistung gibt. Konkret ändert sich ab der Leistungsort für Telekommunikationsleistungen, etc., die Unternehmen im EU-Gemeinschaftsgebiet an Nichtunternehmer erbringen. Künftig gelten diese Dienstleistungen an dem Ort als ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger (Nichtunternehmer) seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es ist dann der Steuersatz des Landes anzuwenden, in dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz hat. Ob es in diesem Zusammenhang zu einer Änderung oder Beibehaltung der Verordnungsermächtigung (und somit eventuell wieder zu einer Leistungsortverschiebung nach Österreich, wo die Leistung genutzt oder ausgewertet wird) kommt, bleibt noch abzuwarten.

Tz. 9
Aufgrund der vorgenommenen abgabenbehördlichen Prüfung ergeben sich Feststellungen, die zu einer Änderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen führen.
Tz. 10 Wiederaufnahme des Verfahrens:
Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen Umsatzsteuer 1/2008-12/2013, Tz. 8.

Begründung des Ermessensgebrauches:
Die Wiederaufnahme erfolgte unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtausauswirkung. Bei der im Sinne des
§ 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."


In der zahlenmäßigen Darstellung wurden Umsätze und Vorsteuern mit Null ausgewiesen. Die Prüfungsfeststellungen der angefochtenen Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens und Sachbescheide hatten zur Folge, dass die in den strittigen Zeiträumen seinerzeitig erstatteten und auch ausbezahlten Vorsteuern wieder zurückgefordert wurden.

In ihrer Beschwerde führte die Beschwerdeführerin (Bf.) u.a. i.W. Folgendes aus:

"Im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Verfahrens der Vorsteuererstattung für die Jahre 2008, 2010, 2011 und 2012 möchten wir anführen, dass hier uE kein Neuerungstatbestand i.S.d. § 303 Abs. 1 BAO vorliegt. Im Zuge der Einbringung des Antrags auf Vorsteuererstattung für die Jahre 2008, 2010, 2011 und 2012 der N. wurden sämtliche Belege, für welche eine Erstattung der Vorsteuern beantragt wurde, sowie eine Ansässigkeitsbescheinigung der Gesellschaft im Original beigelegt. Damit war dem Finanzamt auch die Tatsache bekannt, dass die Gesellschaft in einem Drittland ansässig ist.
Dem zuständigen Finanzamt wurden somit sämtliche Unterlagen für die Würdigung des Sachverhaltes von Anfang an offen gelegt. Gemäß Ritz (
BAO, 5. Aufl. 2014, § 303 Rz 24) ist für das Vorliegen eines Neuerungstatbestandes, welchen die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO erfordert, maßgebend, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (zB 2006/15/0314; , 2006/15/0006; , 2009/15/0135; , 2011/15/0157).
Die Wiederaufnahme auf Grund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen; sie dient aber nicht dazu, bloß die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen (vgl.
BAO, 5. Aufl. 2014, § 303, Rz. 24).
Im vorliegenden Fall wurden der Behörde jedenfalls alle entscheidungsrelevanten Unterlagen bereits mit dem Erstattungsantrag vorgelegt. Es kam zu keinen Nachfragen von Seiten der Behörde betreffend die Jahre 2008, 2010, 2011 und 2012. Aufgrund der Tatsache, dass am , am , am , am am , am und am die Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume 01-03/2008, 04-06/2008, 07-09/2008 und 10-12/2008, und die Jahre 2010, 2011 und 2012 erlassen wurden, ist davon auszugehen, dass von Seiten des Finanzamtes aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine vollständige rechtliche Würdigung des Sachverhaltes möglich war. Es erfolge in den Bescheiden vom u.E. lediglich - trotz offengelegten Sachverhaltes - die Abänderung einer bereits getroffenen rechtlichen Würdigung, womit eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig ist."

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde um folgende Ergänzungen der Beschwerde:
"Bitte übermitteln Sie eine Bestätigung/ein Schreiben der zuständigen norwegischen Finanzbehörde in beglaubigter deutscher oder englischer Übersetzung, aus der/dem hervorgeht, dass der konkrete Steuerpflichtige (mit Angabe seines korrekten Namens) in den streitgegenständlichen Jahren Telekommunikationsdienstleistungen an seine Kunden in Norwegen erbracht hat, und dass er diese Telekommunikationsdienstleistungen, auch wenn die Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, in Norwegen zu versteuern hatte bzw. auch tatsächlich versteuert hat. Legen Sie bitte unter Bezugnahme auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (bzw. weitere Unterlagen, etwa Steuererklärungen, Steuerbescheide etc.) dar, welcher konkrete Umsatzsteuersatz (genaue Höhe) auf besagte Telekommunikationsdienstleistungen in den streitgegenständlichen Jahren in Norwegen anzuwenden war."

In ihrer Vorhaltsbeantwortung verweist die Bf. unter wörtlicher Zitierung auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom , RV/2100255/2015 und kommt in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, da sie ein im Drittland ansässiges Unternehmen ist, sei eine Orientierung an einer "vergleichbaren Steuer" im Drittland nicht relevant.

In der erlassenen abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte u.a. neben rechtlichen Erwägungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens in tatsächlicher Hinsicht Folgendes aus:
"Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens festgestellt wurde, kann als neue Tatsache angesehen werden und waren dies Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen der Bf. an ihre Kunden waren Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt waren.
Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigt, ist es eben gerade, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergibt. Das Finanzamt setzte die Vorsteuern mit "0" fest, da es auf Grund der VO BGBl II 1997/102, BGBl II 383/2003 (VO zu Telekommunikationsdienstleistungen) zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich gekommen ist und die Erstattungs-VO somit nicht mehr Anwendung findet."

Salvatorisch verwies sie zusätzlich auf die weitere Begründung der Beschwerdevorentscheidung über die Sachbescheide.
Mit Schriftsatz vom stellt die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend u.a. Folgendes aus:
"Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar" (vgl Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 307, Rz 3).
Darüber hinaus muss festgehalten werden, dass dem Finanzamt bereits bei Einbringung der Anträge auf Vorsteuererstattung für die Zeiträume 01-03/2008, 04-06/2008, 07-09/2008,10-12/2008, 01-12/2010, 01- 12/2011 und 01-12/2012 sämtliche Unterlagen für die rechtliche Beurteilung (im Original) vorlagen. Gemäß Ritz (
BAO, 6. Aufl. 2017, § 303, Rz. 24) ist für das Vorliegen eines Neuerungstatbestandes, welches die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO erfordert, maßgebend, ob der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können (z.B. 2006/15/0314; , 2006/15/0006; , 2009/15/0135; , 2011/15/0157). Die Tatsache, dass die Bf. für die Zeiträume 01-03/2008, 04-06/2008, 07-09/2008, 10-12/2008, 01-12/2010, 01-12/2011 und 01-12/2012 Vorsteuern für von österreichischen Mobilfunknetzbetreibern in Rechnung gestellte Roaminggebühren geltend gemacht hat, war bereits aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlich. Der Behörde waren alle entscheidungsrelevanten Unterlagen im Original bereits bei Einbringung des Antrages auf Vorsteuererstattung für die Zeiträume 01-03/2008, 04-06/2008, 07-09/2008, 10-12/2008, 01-12/2010, 01-12/2011 und 01-12/2012 bekannt und vorgelegt. Darüber hinaus wurde auch eine Ansässigkeitsbescheinigung der Gesellschaft im Original vorgelegt. Es kam zu keinen Nachfragen von Seiten der Behörde und aufgrund der Tatsache, dass die Bescheide über die Erstattung von Vorsteuern für die Zeiträume 01-03/2008, 04-06/2008, 07-09/2008, 10-12/2008, 01- 12/2010, 01-12/2011 und 01-12/2012 erlassen wurden, ist davon auszugehen, dass von Seiten des Finanzamtes aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine vollständige rechtliche Würdigung des Sachverhaltes möglich war. Es erfolgte in den Bescheiden vom uE lediglich - trotz offengelegten Sachverhaltes - die Abänderung einer bereits getroffenen rechtlichen Würdigung, womit eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig ist."

In der weiteren Folge wurden die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch im Erkenntnis vom VwGH geteilt (). Ausgehend von dieser Rechtsansicht wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.

Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren unbestritten entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.

Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung gründet sich entsprechend auf der im Verfahrensgang dargestellten Aktenlage. Widersprechend zur damals geübten Verwaltungspraxis und Rechtslage (s.u.) wurden Vorsteuern erstattet, die im wiederaufgenommenen Verfahren rückgefordert wurden. Nachvollziehbare tatsächliche Wiederaufnahmegründe wurden in den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

§ 303 BAO:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) …
[BGBl I 2013/14]

§ 307 BAO:
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(2) (aufgehoben durch BGBl I 2002/97)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
[BGBl I 2009/20]

§ 3a UStG 1994 (bis BGBl. I 40/2014) lautet:

(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.
(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;
2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;
3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
5. die Datenverarbeitung;
6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;
7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;
8. die Gestellung von Personal;
9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;
10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;
11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;
12. die Telekommunikationsdienste;
13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;
14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
15. die Gewährung des Zugangs zu einem Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder zu einem an ein solches Netz angeschlossenes Netz, zum Elektrizitätsnetz oder zu Wärme- oder Kältenetzen sowie die Fernleitung, Übertragung oder Verteilung über diese Netze und die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.
(15) Erbringt ein Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt,
1. die Vermietung von Beförderungsmitteln oder
2. eine sonstige Leistung, die im Abs. 14 Z 1 bis 13 und 15 bezeichnet ist, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, mit Sitz im Inland, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte ausgeführt wird.
(16) Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12 oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden. Das gilt nicht für Leistungen im Sinne des Abs. 14 Z 14, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221:

Auf Grund des § 3a Abs. 10 Z 13 und 14 sowie Abs. 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 wird verordnet:

§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
§ 2. Als Telekommunikationsdienste gelten solche Dienstleistungen, mit denen Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang.
§ 3. (1) Die Verordnung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(2) Die
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten, BGBl. II Nr. 102/1997, ist nicht mehr auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(3) § 1 in der Fassung der Verordnung
BGBl. II Nr. 221/2009 ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden.

Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
Rz 643:
"Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich. Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.
Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß
§ 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich."

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Auf Grund der oa. Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom VwGH geteilt ().
Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.
Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die nach den Ausführungen der Außenprüfung auch mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.
Bereits aus den Rechnungen kann unschwer auf einen inländischen Leistungsort und damit auf die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens indiziell geschlossen werden. Daraus ist zu erkennen, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war der belangten Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses ein Vorsteuererstattungsverfahren hindernden Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen) wurden Vorsteuererstattungen gewährt. Damit wurden in den Wiederaufnahmebescheiden keine neuen Tatsachen aufgezeigt.
In den angefochtenen Bescheiden finden sich in Tz. 8 des Berichtes über die Außenprüfung nahezu ausschließlich rechtliche Würdigungen zu den neu erlassenen Sachbescheiden. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Nach der Rechtsprechung des VwGH gehört der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides (; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen. Entsprechend der Judikatur des VwGH () erscheint es ausreichend, dass der Wiederaufnahmetatbestand dem Betriebsprüfungsbericht zu entnehmen ist. Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann (Verbot des Nachschiebens von Wiederaufnahmegründe im Rechtsmittelverfahren). "Neue" Wiederaufnahmegründe könnten (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Eine zweite Wiederaufnahme kann sich nicht auf denselben Wiederaufnahmegrund wie die erste, gescheiterte Wiederaufnahme stützen (vgl ). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.
Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen ().
Die Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht hat. Der frühere Bescheid tritt durch eine (erfolgreiche) Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gänze außer Kraft ().
Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei getrennt () zu beurteilende Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; , 2000/14/0142; , 2006/15/0367; , 2007/15/0041; ).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Feststellung fehlender Wiederaufnahmegründe ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen wird auch auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung - Telekommunikationsd., BGBl. II Nr. 102/1997
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100482.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at