Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.07.2022, RV/7100285/2015

Ohne Nachweis der Zustellung muss der vom Beschwerdeführer behauptete Zeitpunkt der Zustellung angenommen werden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Christian Mitteregger, Ziegelofengasse 99, 3400 Klosterneuburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Einkommensteuer 2003 wodurch der Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2003 gem § 295 Abs 1 BAO geändert wurde, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003, ausgestellt am vom damaligen Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg, wurde mit Bescheid vom gem § 295 Abs 1 BAO aufgrund bescheidmäßiger Feststellungen zu einer anderen Steuernummer geändert. Am sowie am erfolgten weitere Bescheidänderungen gem § 295 Abs 1 BAO. In weiterer Folge wurde der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom mit Bescheid vom gem § 299 BAO mangels korrekter Bescheidadressierung des Feststellungsbescheides aufgehoben. Gleichzeitig erließ das Finanzamt am einen neuen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 als Änderung gem § 295 Abs 1 BAO zu Einkommensteuerbescheid vom . Die zusätzlichen Bescheidbegründungen der Bescheide vom (ebenfalls datiert am ) ergingen separat in einem gemeinsamen Schreiben, welches mittels Rsb nachweislich am durch die damalige steuerliche Vertretung übernommen wurde. Die Zustellung beider Bescheide vom (Bescheid gem § 295 Abs 1 BAO und Bescheid gem § 299 BAO) wurde hingegen mittels Standardversand ohne Rückschein veranlasst.

Mit Bescheidbeschwerde vom beantragte die Beschwerdeführerin den Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom (wodurch der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom gem § 295 Abs 1 BAO geändert wurde) ersatzlos aufzuheben, da dieser erst am zugestellt worden und folglich gem § 209 Abs 3 BAO verjährt wäre.

Das Finanzamt wies die Bescheidbeschwerde am gem § 260 BAO als unzulässig zurück mit der Begründung, der Bescheid sowie die händische Bescheidbegründung wären am versendet worden, wobei die händische Bescheidbegründung nachweislich (mittels Rsb-Nachweis) am übernommen worden wäre.

Im Vorlageantrag vom (nachweislich eingebracht am ) weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass lediglich die händische Bescheidbegründung, nicht jedoch der Bescheid selbst am zugestellt worden wäre. Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides gem § 295 Abs 1 BAO für das Veranlagungsjahr 2003 vom wäre erst in der Beilage zu einer Beschwerdevorentscheidung im Zusammenhang mit einer zuvor rechtzeitig eingebrachten Bescheidbeschwerde vom zu einem anderen Beschwerdethema am erfolgt.

Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht legte der damalige steuerliche Vertreter dem Verwaltungsgericht ein Schreiben des damaligen Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom im Zusammenhang mit einem anderen Klienten vor, in welchem der steuerlichen Vertretung mitgeteilt wurde, dass das Bundesrechenzentrum alle Bescheide eines Tages zu einer Steuernummer in einem durchnummerieren würde, unabhängig davon, auf wieviele Kuverts diese dann verteilt würden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob das Recht auf Abgabenfestsetzung für die Einkommensteuer 2003 gem § 209 Abs 3 BAO iVm § 4 Abs 2 Z 1 BAO verjährt ist.

  1. Rechtzeitigkeit der Beschwerde

Nachstehender Sachverhalt steht unstrittig fest:

Die Zustellung des Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 2003 vom (Änderung gem § 295 Abs 1 BAO zu Bescheid vom ) wurde ohne Zustellnachweis vorgenommen. Dieser Bescheid umfasst 3 Seiten, wobei auf der letzten Seite "ES FOLGT SEITE 4" abgedruckt ist. Der Bescheid vom mit welchem der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom gem § 299 BAO aufgehoben wurde und ebenfalls in der Finanzdatenbank als eigenes Dokument abrufbar ist, umfasst lediglich eine Seite, wobei am Ende dieser Seite "SEITE 4" abgedruckt ist. Dieser Aufhebungsbescheid wurde ebenfalls nicht mit Zustellnachweis versendet.

Das Finanzamt konnte den Zeitpunkt der Zustellung des Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 2003 (datiert vom ), mit welchem der Einkommensteuerbescheid vom gem § 295 Abs 1 BAO abgeändert wurde, nicht nachweisen. Die Bescheidbegründungen für beide Bescheide (dh sowohl für den Bescheid nach § 299 BAO als auch für den Bescheid nach § 295 Abs 1 BAO, jeweils datiert vom ) erfolgte separat in einem gemeinsamen Schreiben und wurde nachweislich mittels Rsb am zugestellt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet hingegen nicht die rechtzeitige Zustellung des Bescheides, datiert am , mit welchem der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom gem § 299 BAO aufgehoben wurde.

Rechtlich folgt daraus:

Gem § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Für den Fristbeginn maßgebend ist grundsätzlich der Tag der Bekanntgabe des Bescheides. Die Zustellung der bloßen Bescheidbegründung löst nicht den Beginn der Beschwerdefrist aus, da die Bescheidbegründung allein keinen rechtsmittelfähigen Bescheid darstellt.

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument gem § 26 Abs 1 ZustG zugestellt, indem es in die für die Abgabenstelle bestimmte Abgabeneinrichtung eingelegt oder an der Abgabenstelle zurückgelassen wird. Nach § 26 Abs 2 ZustG gilt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Das Gesetz bestimmt weiter, dass im Zweifel die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs 2 ZustG hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei strittigen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl ). Die Vermutung des § 26 Abs 2 ZustG, wonach die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt gilt, tritt somit nicht ein.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin behauptet, der Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 vom , mit welchem der Bescheid vom gem § 295 Abs 1 BAO abgeändert wurde, sei am zugestellt worden. Das Finanzamt konnte nicht feststellen, wann dieser Bescheid zugestellt worden war. Zwar ist es nach der allgemeinen Lebenserfahrung im Zusammenhang mit der üblichen Verwaltungspraxis durchaus wahrscheinlich, dass beide Bescheide (dh sowohl der Bescheid gem § 299 BAO als auch der Bescheid nach § 295 Abs 1 BAO) vom im selben Kuvert versendet wurden, jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO und der neue nach § 295 Abs 1 BAO abgeänderte Einkommensteuerbescheid für das Veranlagungsjahr 2003 in separaten Kuverts befunden haben, zumal diese Bescheide (obwohl beide zusammen durchgehend nummeriert) auch als einzelne Dokumente in der Finanzdatenbank gespeichert und abrufbar sind. Allein die Tatsache, dass beide Bescheide in einem durchnummeriert wurden ist kein Beweis dafür, dass sich diese gemeinsam in einem Kuvert befunden haben müssen.

Da es der belangten Behörde nicht gelungen ist die Tatsache der Zustellung des angefochtenen Bescheides nachzuweisen, muss nach der oben zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der von der Beschwerdeführerin behauptete Zeitpunkt der Zustellung, somit am angenommen werden.

Die Beschwerdefrist endete folglich am . Die Beschwerde wurde nachweislich am , somit innerhalb der Beschwerdefrist beim Finanzamt eingebracht und erfolgte daher rechtzeitig.

  1. Verjährung

Gem § 209 Abs 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer (nicht hinterzogenen) Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs. Hinsichtlich der Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch gem § 4 Abs 2 Z 1 BAO für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Nach Ablauf von zehn Jahren nach Beginn der Verjährung ist daher eine Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.

Für die zu veranlagende Einkommensteuer 2003 war somit (mangels Feststellungen zu Hinterziehung) Verjährungsbeginn am . Da der angefochtene Bescheid länger als zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruchs (am ) zugestellt wurde, ist das Recht auf Abgabenfestsetzung nach § 209 Abs 3 BAO verjährt.

Die Beschwerde erweist sich somit als begründet und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Unzulässigkeit der Revision ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs 2 ZustG, wonach bei Zustellungen ohne Zustellnachweis der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 26 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 4 Abs. 2 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100285.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at