Prioritätsregeln für die Zuerkennung der Familienbeihilfe bei länderübergreifendem Sachverhalt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri***
in der Beschwerdesache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
betreffend den Bescheid des ***FA*** vom hinsichtlich Abweisung eines Antrages auf Familienbeihilfe für ***1*** und ***2*** ab 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Familienbeihilfe steht für ***1*** ab Jänner 2021, für ***2*** ab Februar 2021 zu.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der angefochtene Bescheid enthielt die Begründung:
"Die Familie lebte in Österreich. Der Kindesvater ist in der Schweiz erwerbstätig. Die Kindesmutter übte in Österreich keine Erwerbstätigkeit aus. Somit besteht der vorrangige Anspruch auf Familienleistungen ab 01/2021 in der Schweiz".
In ihrer Beschwerde erläuterte die Beschwerdeführerin dazu:
Sie habe bei Rücksprache mit der Arbeiterkammer Vorarlberg und der ostschweizerischen Ausgleichskasse für Handel und Industrie die Auskunft erhalten, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich für ihre beiden Kinder bestehe, weil ein karenziertes Angestelltenverhältnis als "erwerbstätig" einzustufen sei.
Sie befinde sich nämlich in einem aufrechten, jedoch karenzierten (bis ) Arbeitsverhältnis bei der Firma ***3*** GmbH & Co. KG. Ihr Gatte sei in der Schweiz beschäftigt und als Grenzgänger beim österreichischen Finanzamt registriert. Es würden von der ostschweizerischen Ausgleichskasse keine Familienleistungen bezogen. Dies könne auf Wunsch nachgewiesen werden.
Es erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, in der ausgeführt wurde:
Für die Familienleistungen sei gemäß Verordnung EG Nr. 883/2004 jener Staat vorrangig zuständig, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Bei Ausübung von Erwerbstätigkeiten in mehreren Staaten, sei jener Staat für die Familienleistungen zuständig, in dem das Kind lebe.
Die gesetzliche Karenzzeit von zwei Jahren habe im Fall der Beschwerdeführerin nach Geburt ihrer Tochter ***1*** am geendet. Die Vereinbarung zwischen ihr und ihrem Dienstgeber über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutzgesetz (bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes) hinausgingen, seien Sonderurlaube. Diese seien nicht mit der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt.
Ab liege somit kein gleichgestellter Sachverhalt im Sinne der Verordnung EG Nr. 883/2004 mehr vor. Die weitere Karenzierung ab der Geburt des zweiten Kindes sei nur eine Verlängerung des Sonderurlaubes und keine Verlängerung eines gleichgestellten Sachverhaltes.
In der Folge brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Sie führte nach Verweis auf das schon bisher Vorgebrachte aus:
Ihre Tochter ***1*** sei am geboren. Im Anschluss an den Mutterschutz habe sie eine Karenz bis zum zweiten Geburtstag des Kindes gemäß § 15 MSCHG angemeldet. Während dieser Zeit sei sie wieder schwanger geworden. Ausgehend von dem errechneten Geburtstermin für ***2*** - - habe der Mutterschutz gemäß § 3 Abs. 1 MSchG am begonnen
Sie habe sich daher bis einschließlich in gesetzlicher Karenz befunden, anschließend, von bis zur Geburt von ***2*** am im Mutterschutz. In der Zeit des Mutterschutzes gelte ein zwingendes absolutes Beschäftigungsverbot. Dies dürfe ihr nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Da eine gesetzliche Karenz einer Beschäftigung gleichgestellt werde, müsse dies ebenso für einen gesetzlich verpflichtenden Mutterschutz gelten.
Es treffe nicht - wie vom Finanzamt behauptet - zu, dass sie sich in einer mit ihrem Arbeitgeber vereinbarten "Freistellung" befunden habe, davon könne absolut keine Rede sein.
Die Anwendbarkeit der Verordnung EG Nr. 883/2004 werde nicht angezweifelt. Demgemäß müsse eine Beschäftigung bzw. eine einer solchen gleichgestellte Situation für die Begründung der primären Zuständigkeit in Österreich gegeben sein. Das bloße Ruhen der Hauptverpflichtungen aus ihrem Dienstverhältnis nehme ihr nicht die Eigenschaft einer Dienstnehmerin. Die Voraussetzung der Erwerbstätigkeit sei erfüllt, da sowohl die Karenz als auch der gesetzliche Mutterschutz jedenfalls eine Ausübung einer Beschäftigung im Sinne der Verordnung gleichzustellen seien. Daher sei Österreich auch ab Jänner 2021 vorrangig zur Zahlung der Familienbeihilfe verpflichtet.
Es treffe zu, dass sie in der Zeit des Mutterschutzes kein Wochengeld bezogen habe, jedoch sei durchgehend jedenfalls eine Teilversicherung, nämlich eine Pensionsversicherung aufgrund der Kindererziehungszeiten, vorgelegen.
Selbst wenn man davon ausginge, dass der gesetzliche Mutterschutz keiner Erwerbstätigkeit gleichzuhalten wäre, was sie ausdrücklich bestreite, sei jedenfalls ab der Geburt des zweiten Kindes wieder von einer neuen gesetzlichen Karenz nach §15 MSchG und damit einer Erwerbstätigkeit in Österreich auszugehen. Sie stelle daher den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Familienbeihilfe ab Februar 2021 zu gewähren.
Ermittlungen durch die Richterin:
Über Anruf und Befragung durch die Richterin teilte die Beschwerdeführerin telefonisch sinngemäß mit:
"Mein Mann hat erst ab in der Schweiz gearbeitet, vorher war er in Österreich berufstätig. Die Familienbeihilfe für das erste Kind, ***1***, habe ich bis Ende 2020 in Österreich erhalten, danach wurde sie eingestellt.
Das Finanzamt hat erklärt, der Mutterschutz, in den ich wegen meinem zweiten Kind ***2*** kam, entspräche einer Arbeitslosigkeit. Die Karenz von ***1*** und der Mutterschutz für ***2*** haben sich überschnitten. Ich wurde während der Karenzzeit wieder schwanger.
Die Karenz, in der ich mich nach Geburt von ***1*** befand, war sowohl gesetzlich, als auch vereinbart.
Für ***2*** erhielt ich kein Wochengeld. Ich musste mich für vier Wochen selbstversichern. Da mein Mann Grenzgänger wurde, konnte ich nicht bei ihm mitversichert sein. Das waren vier Wochen bis zur Geburt von ***2***. Inzwischen bin ich wieder in der inländischen Sozialversicherung versichert und zwar ab dem Geburtstermin. Es gab keine Zeitspanne, in der ich nicht versichert war.
Ich befinde mich immer noch in ungekündigter Stellung bei meinem Arbeitgeber, ich war nie arbeitslos."
Über Nachfrage wurde der Richterin überdies von Seiten der Familienbeihilfenstelle des Finanzamtes im Wege einer E-Mail mitgeteilt:
"Die Familienbeihilfe für das Kind ***1*** wurde aufgrund der Covid 19- Ausnahmeregelung bis gewährt. Der Anspruch wäre grundsätzlich bereits ab erloschen, durch die erwähnte Ausnahmeregelung verlängerte sich der Anspruch auf den ."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin und ihr Gatte übten berufliche Tätigkeiten im Inland aus.
Am wurde das erste Kind, ***1***, geboren.
Nach Verstreichen der Mutterschutzfrist meldete die Beschwerdeführerin eine Karenz bis zum zweiten Geburtstag des Kindes gemäß § 15 MSchG bei ihrem Arbeitgeber an.
Sie erhielt Familienbeihilfe für ***1*** bis aufgrund der Covid 19-Ausnahmeregelung.
Sie wurde während der Karenzzeit wieder schwanger.
Geburtstermin für das zweite Kind war der , ausgehend von diesem Datum begann der Mutterschutz gemäß § 3 Abs. 1 MSchG am .
Die Beschwerdeführerin erhielt kein Wochengeld.
Ab war der Gatte der Beschwerdeführerin als Grenzgänger in die Schweiz berufstätig.
Ab war die Beschwerdeführerin selbstversichert gemäß § 16 Abs. 1 ASVG.
Am wurde das zweite Kind, ***2***, geboren.
Seit dem Geburtstermin des zweiten Kindes ist die Beschwerdeführerin wieder in der Pflichtversicherung der inländischen Sozialversicherung erfasst.
Die Beschwerdeführerin hat wieder eine Karenz nach dem MSchG bis zum zweiten Geburtstag des Kindes () angemeldet.
Sie befindet sich nach wie vor in ungekündigter Stellung bei ihrem Arbeitgeber.
Sie war durchgehend versichert.
Die Feststellungen zum Sachverhalt gründen sich auf unstrittigen Akteninhalt - etwa einen Versicherungsdatenauszug und eine Karenzbestätigung an den Krankenversicherungsträger nach Geburt von ***2*** - auf Auskünfte, welche die Beschwerdeführerin telefonisch der Richterin erteilte sowie auf die Beantwortung einer E-Mail von Seiten der Familienbeihilfenstelle des Finanzamtes.
Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Strittig ist: Hat die Beschwerdeführerin in Österreich Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder ab 2021?
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Liegt ein Sachverhalt vor, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten der Europäischen Union berührt, ist die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit anzuwenden.
Im Verhältnis mit der Schweiz ist die neue Koordinierung gemäß Art. 3 des Beschlusses I/2012 des Gemischten Ausschusses über die Freizügigkeit vom , ABl vom , L 103, seit anzuwenden. Die neue Koordinierung gilt daher im Raum EU/EWR/Schweiz durchgängig seit (Gebhart in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 53 Rz 60, 61).
Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. j umfasst der sachliche Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 unter anderem alle Rechtsvorschriften, die den Zweig der sozialen Sicherheit "Familienleistungen" betreffen.
Zu den im österreichischen Recht vorgesehenen Familienleistungen in diesem Sinne gehören ua die im FLAG 1967 geregelte Familienbeihilfe, der im EStG 1988 geregelte Kinderabsetzbetrag sowie das Kinderbetreuungsgeld im Sinne des KBGG (Gebhart in Lenneis/Wanke, FLAG2 § 53 Rz 148, 149).
Gemäß Art. 1 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.
Gemäß Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Gemäß Abs. 3 lit. a leg cit. unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaates.
Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten gemäß Art. 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 Prioritätsregeln:
An erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
Üben demnach beide Elternteile eine Erwerbstätigkeit aus oder befinden sich in einer gleichgestellten Situation, wobei ein Elternteil die Erwerbstätigkeit im Wohnsitzstaat ausübt oder sich in einer gleichgestellten Situation befindet, so zahlt vorrangig der Mitgliedsstaat des Wohnortes die Leistung aus. Der Mitgliedsstaat, in dem der andere Elternteil eine Erwerbstätigkeit ausübt, zahlt die Differenz zu dieser Leistung aus (Ausgleichszahlung; vgl. ).
Der Beschluss Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der Sozialen Sicherheit vom zur Auslegung des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 893/2004 hinsichtlich der Prioritätsregeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen lautet:
"1. Für die Zwecke des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als "durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst", wenn sie erworben wurden
a) aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit oder auch
b) während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit
i) wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten im Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder
ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder
iii) unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist."
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 knüpft hinsichtlich der Feststellung der für eine Person zum Tragen kommenden Rechtslage an die Ausübung einer Beschäftigung bzw. an einen dieser gleichgestellten Sachverhalt an. Maßgeblich ist dabei die nationale Definition der Beschäftigung (vgl. mit Hinweis auf OGH, , 10ObS117/14z).
In der oben zitierten BFG-Entscheidung wird dazu ausgeführt:
"Darunter fällt wohl jede rechtmäßige, erlaubte Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt. Nach österreichischem Recht erfüllen etwa alle ASVG-Versicherten über der Geringfügigkeitsgrenze das Begriffserfordernis.
Zeiten der Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit sind nach der österreichischen Gesetzeslage der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt, wenn es sich um eine Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz handelt. Unter Karenz versteht man dabei die arbeitsrechtliche Freistellung von der Arbeitsleistung anlässlich der Geburt eines Kindes gegen Entfall der Bezüge ohne Sozialversicherung.
Vereinbarungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer über zusätzliche Freistellungen, die über die Dauer der gesetzlichen Karenz nach dem Mutterschutz- oder Väterkarenzgesetz (bis maximal zum 2. Geburtstag) hinausgehen, sind hingegen als Sonderurlaube zu qualifizieren, die grundsätzlich nicht unter die Gleichstellung mit der Ausübung einer Beschäftigung fallen.
Eine Rechtsprechung zu Zeiten einer vereinbarten Karenz besteht bisher nur zur VO (EWG) 1408/71. Der EuGH führt zur Frage, ob die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne dieser Verordnung während des Zeitraumes der vereinbarten Karenz nach Ablauf des 24. Lebensmonats Kindes zu bejahen sei, aus, dasseine Person als Arbeitnehmer qualifizieren sei, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem System der sozialen Sicherheit versichert sei.
Im Anschluss an diese Entscheidung bejahte der Oberste Gerichtshof die Arbeitnehmereigenschaft der damaligen Klägerin mit der Begründung, dass für Kindererziehungszeiten bis zum 48. Lebensmonat des Kindes eine Teilversicherung in der Pensionsversicherung bestehe. Vor diesem Hintergrund kann eine der Beschäftigung gleichgestellte Situation zusammenfassend dann angenommen werden, wenn ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorübergehend unterbrochen wird, dem Grunde nach aber fortbesteht, und dies nach nationalem Recht zumindest zu einer Teilversicherung führt".
Für den Streitfall ist daher zu klären, ob ab Jänner 2021 eine Beschäftigung der Beschwerdeführerin in Österreich bzw. ein einer solchen gleichgestellter Sachverhalt vorlag und es demnach zu einer Anwendbarkeit des österreichischen Rechts kommt.
Das Finanzamt sah ab dem keinen gleichgestellten Sachverhalt im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 als vorliegend (siehe Stellungnahme zum Vorlagebericht). Es ging dabei offenbar davon aus, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Karenz für das erste Kind mit dem Arbeitgeber eine Freistellung in Form eines Sonderurlaubes vereinbart hatte, die grundsätzlich nicht mit der Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt ist.
Nach Aktenlage und allen von Seiten des BFG angestellten Ermittlungen ergibt sich:
Der Ehemann der Beschwerdeführerin war ab in der Schweiz beschäftigt. Sie selbst befand sich bis in Karenz nach dem Mutterschutzgesetz und in einem aufrechten (karenzierten) Dienstverhältnis. Sie war ab selbstversichert gemäß § 16 ASVG, womit der Zeitraum zwischen Ablauf der Mutterschaftskarenz nach dem 1. Kind () und Geburt des 2. Kindes (), in welchem sie sich zudem in der Mutterschutzfrist befand (§ 3 Abs. 1 MSchG), sozialversicherungsmäßig abgedeckt ist. Seit ist sie wieder in der Pflichtversicherung nach dem ASVG erfasst.
Überdies bestand für die Beschwerdeführerin aufgrund der Geburt ihres 2. Kindes Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz (§ 10 MSchG) und lag daher auch insofern ein karenziertes, aufrechtes Arbeitsverhältnis vor (vgl. ). Seit besteht wieder eine Karenz nach dem Mutterschutzgesetz bis zum zweiten Geburtstag des 2. Kindes (), nicht aber - wie von Finanzamtsseite behauptet - ein mit dem Arbeitgeber vereinbarter Sonderurlaub.
Die Beschwerdeführerin befand sich daher im Streitzeitraum ab Jänner 2021 überwiegend in einer Karenz nach dem Mutterschutzgesetz, war stets in einem aufrechten, karenzierten Dienstverhältnis und auch stets sozialversichert.
Es lag/liegt daher im zu beurteilenden Zeitraum ab 2021 eine einer Beschäftigung gleichzuhaltende Situation vor, weshalb die Rechtsvorschriften Österreichs anzuwenden sind und die Beschwerdeführerin Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 für die Kinder ***1*** ab Jänner 2021 (§ 10 Abs. 2 FLAG 1967) und ***2*** ab 2021 hat.
Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es waren gegenständlich Sachverhaltsfragen zu klären, wie sie einer Revision nicht zugänglich sind.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 § 16 Abs. 1 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 § 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 1 lit. a VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2 § 10 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 MSchG, Mutterschutzgesetz 1979, BGBl. Nr. 221/1979 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100231.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at