Fahrtkosten, Pendlerpauschale und Verpflegungsmehraufwand im Falle einer Dienstnehmerin, die ausschließlich in Räumlichkeiten der Kunden des Dienstgebers tätig wird
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr "Finanzamt Österreich") vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
A. Erklärung, Ersuchen um Ergänzung
Im Rahmen der am eingereichten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2018 wurden von Frau ***Bf*** (in der Folge "Beschwerdeführerin" oder "Bf") Werbungskosten für - unter anderem - beruflich veranlasste Reisekosten in Höhe von EUR 5.435,71 geltend gemacht.
Als Reaktion auf diese Erklärung sind seitens des Finanzamtes insgesamt zwei Ergänzungsersuchen an die Bf ergangen, in denen die Bf gebeten wurde, weitere Unterlagen zum Nachweis der geltend gemachten Werbungskosten zu übermitteln. Übermittelt wurden Aufstellungen zu den geltend gemachten Tagesdiäten sowie zum geltend gemachten Kilometergeld (inklusive eines Fahrtenbuchs und einer Aufstellung der von ihr betreuten Kunden ihres Dienstgebers). Es wurde zudem mitgeteilt, dass ab dem eine weitere Person/Kollegin mit ihr mitgefahren sei, sodass ab diesem Tag ein erhöhtes Kilometergeld von EUR 0,47 geltend gemacht werde. Außerdem werde ein Fahrkostenzuschuss des Arbeitgebers in Höhe von EUR 702,00 geleistet, der werbungskostenmindernd zu berücksichtigen sei.
Im am ergangenen Einkommensteuerbescheid 2018 wurden vom Finanzamt anstelle der geltend gemachten Werbungskosten lediglich ein Pendlerpauschale in Höhe von EUR 348,00 sowie der Pauschbetrag für Werbungskosten von EUR 132,00 berücksichtigt. Begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei den beantragten Fahrten zwischen Wohnungsort und Arbeitsstätte nicht um Reisekosten im Sinne des EStG 1988 handle. Diese Fahrten seien mit dem Pendlerpauschale und Pendlereuro zu beantragen (Verweis auf § 16 Abs. 1 Z 6 EStG).
B. Beschwerde und Beschwerdevorentscheidung
Gegen diesen Bescheid wurde mittels Schreiben vom (abgegeben bei der Einlaufstelle des belangten Finanzamtes am ) fristgerecht Beschwerde erhoben.
Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Im Auftrag meines Arbeitgebers führe ich in verschiedenen Firmen (eine Liste der Orte und Firmen wurde bereits im März 2019 dem Finanzamt übermittelt) Reinigungsarbeiten durch. Dazu benötige ich verschiedene Geräte und Reinigungsmittel, wie Staubsauger, Glas, - Boden und Sanitärreiniger, Staubwedel und Staubtücher, Moppstangen und Mopps. Es ist unmöglich, diese Gegenstände mit öffentlichem Verkehrsmittel im ganzen Flachgau von Ort zu Ort zu transportieren. Dieser Transport ist nur mit einem Kfz möglich. Es handelt sich hier und notwendige und beruflich veranlasste Fahrtkosten und es wurde auch daher Kilometergeld beantragt.
Im Steuerjahrbuch 2019, gültig für das Jahr 2018, herausgegeben für Steuerzahler vomBundesministerium für Finanzen, Sektionen I und IV, wird unter Punkt "ABC der Werbungskosten" auf Seite 95 unter "Kraftfahrzeug" vom Finanzministerium angeführt, dass beruflich veranlasste Kosten für ein privates Kfz entweder in Form von Kilometergeld oder tatsächliche Kosten als Werbungskosten berücksichtigt werden. Für mich ist es nicht möglich ohne Auto meine Arbeitsmittel zu transportieren und meine Arbeit auszuüben. Es wird daher beantragt, die beantragten Kilometergelder als Werbungskosten abzusetzen.
Ein Fahrtenbuch wurde dem Finanzamt am und da die Spalten im Fahrtenbuch für meine Fahrstrecken zu klein waren dazu eine genaue Aufstellung (eine Ergänzung des Fahrtenbuches über Fahrstrecken) übergeben.
Tagesgelder:
Warum die Tagesgelder als Werbungskosten nicht anerkannt wurden, wurde imEinkommensteuerbescheid 2018 nicht begründet. Ich beantrage daher, die Tagesgelder als Werbungskosten anzuerkennen. Ein Kalender mit Abfahrts- und Rückkehrzeiten wurde am dem Finanzamt übermittelt.
In der am ergangenen Beschwerdevorentscheidung wurden insgesamt Werbungskosten in Höhe von EUR 1.953,83 berücksichtigt. Begründend wurde (im Rahmen eines mit datierten und mit unterzeichneten Schreibens) wie folgt ausgeführt:
Fahrtkosten:
Für Fahrten zwischen zwei oder mehreren Arbeitsstätten stehen Fahrtkosten (in Höhe desKilometergeldes) zu. Die Fahrten von der Wohnung zur ersten Arbeitsstätte und die Fahrten von der Hauptarbeitsstätte zurück zur Wohnung sind mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten. Ein Pendlerpauschale steht in ihrem Fall jedoch nicht zu, da die Voraussetzungen nicht vorgelegen sind.
[Aufstellung der zuerkannten Kilometer, aus Übersichtsgründen nicht im Detail, sondern nachfolgend in komprimierter Form dargestellt]
KM gesamt im Zeitraum bis : 2.815,70 * 0,42 = EUR 1.182,59
KM gesamt im Zeitraum bis : 2.951,20 * 0,47 = EUR 1.387,06
Abzüglich des Arbeitgeberzuschusses in Höhe von EUR 700 betrage das anerkannte Kilometergeld somit EUR 1.869,65 (1.182,59 + 1.387,60 - 700).
Verpflegungsgeld:
Die Rechtfertigung für die Annahme von Werbungskosten bei Reisebewegungen liegt in dem dabei in typisierender Betrachtungsweise angenommenen Verpflegungsmehraufwand gegenüber den ansonsten am jeweiligen Aufenthaltsort anfallenden und gemäß § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähigen (üblichen) Verpflegungsaufwendungen. Bei längeren Aufenthalten ist in der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise von der Möglichkeit der Inanspruchnahme der üblichen (günstigeren) Verpflegungsmöglichkeiten auszugehen, deren Aufwendungen als Teil der Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig sind.
Die Abgeltung des Verpflegungsmehraufwands setzt eine Reise voraus. Eine Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 liegt vor, wenn
sich der Steuerpflichtige zwecks Verrichtung beruflicher Obliegenheiten oder sonst aus beruflichem Anlass mindestens 25 Kilometer vom Mittelpunkt der Tätigkeit entfernt und
eine Reisedauer von mehr als drei Stunden vorliegt und
kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird.
Wird an einem Einsatzort, in einem Einsatzgebiet oder bei Fahrtätigkeit ein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet, stehen Tagesgelder nur für die jeweilige Anfangsphase (fünf bzw. fünfzehn Tage) zu.
Mittelpunkt der Tätigkeit kann nicht nur ein einzelner Ort (politische Gemeinde), sondern auch ein mehrere Orte umfassendes Einsatzgebiet sein. Personen, die ein Gebiet regelmäßig bereisen, begründen in diesem Einsatzgebiet (Zielgebiet) einen Mittelpunkt der Tätigkeit. Dies wird insbesondere auf Rauchfangkehrer, Vertreter oder Außendienstmitarbeiter von Behörden zutreffen. Grundsätzlich ist es dabei unmaßgeblich, ob sich die Wohnung des Arbeitnehmers innerhalb oder außerhalb des Einsatzgebietes befindet. Ein Einsatzgebiet kann sich auf einen politischen Bezirk und an diesen Bezirk angrenzende Bezirke erstrecken. Der Mittelpunkt der Tätigkeit der Abgabenpflichtigen sind die politischen Bezirke Salzburg Land und die daran angrenzenden Bezirke Braunau und Vöcklabruck (=Einsatzgebiet). Der Arbeitgeber befindet sich ebenfalls im Einsatzgebiet. Alle geltend gemachten Reise befinden sich innerhalb des Einsatzgebietes der Abgabenpflichtigen. Somit liegen auch keine Reise iSd § 16 EStG vor, daher konnte auch kein Verpflegungsaufwand als Werbungskosten berücksichtigt werden.
C. Vorlageantrag
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung wurde seitens der Bf fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. In diesem wurde - verkürzt dargestellt - wie folgt ausgeführt:
Kilometergeld:
Die Tätigkeit sei am begonnen und die Fahrten seien von der Wohnung aus angetreten worden. Im Steuerbuch 2019 (Seite 52) werde zum Thema "Dienstreisen" mitgeteilt, dass Fahrten zum Einsatzort zwischen Wohnung und Einsatzort ab dem Folgemonat durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten seien. Demnach seien die Fahrtkosten im ersten Monat Werbungskosten und es stehe daher das gesamte Kilometergeld für die Fahrten im Juli 2018 zu (das wären 1.567,50 Kilometer).
Die Bf führe im Rahmen ihrer Arbeit Fahrten zwischen mehreren Mittelpunkten der Tätigkeit durch, für die (gemäß Rz 294 EStR) Fahrtkosten in Form des Kilometergeldes beantragt werden.
Gemäß den von der Bf geführten Aufzeichnungen sei das Gebiet rund um Salzburg ihre Hauptarbeitsstätte iSd Rz 294 EStR. Somit stünden ihr die Fahrtkosten in jenem Umfang zu, insoweit die Strecke "Wohnung - Hauptarbeitsstätte - Wohnung" überstiegen werde. Von der Wohnung der Bf bis in das Zielgebiet seien es durchschnittlich etwa 24 Kilometer (Hin- und Rückfahrt), diese Distanz sei somit von den täglichen Gesamtkilometern abzuziehen. Für die übersteigenden Kilometer seien somit die Fahrtkosten zurecht beantragt worden:
[Anmerkung der erkennenden Richters: Bei der Berechnung der Fahrtkosten wurde seitens der Bf offenbar der Juni 2018 übersehen, da nur ein Betrag von EUR 3.004,51 begehrt wurde.]
Tagesgelder:
Die Bf sei in dem gegenständlichen Reisegebiet erstmalig seit Juli 2018 tätig und sie habe somit Anspruch auf Tagesgelder für 5 bzw. 15 Tage für Entfernungen über 25 Kilometer (Verweis auf Seite 63 des Steuerbuches 2019). Die Bf führt an, dass sie ihren Kalender vom belangten Finanzamt nicht mehr zurückerhalten habe, die Reisezeiten werden somit aus der Erinnerung beantragt.
In Summe werde für insgesamt vier Dienstorte Taggeld beantragt. Dies seien in Summe 189 Stunden, woraus die Bf ein Taggeld von insgesamt EUR 588,90 errechnet [Anmerkung des erkennenden Richters: Bei der Berechnung dürfte der Bf ein Fehler unterlaufen sein; rechnerisch ergibt sich aus 189 Stunden á EUR 2,20 lediglich ein Taggeld von EUR 415,80].
D. Verfahren vor dem BFG
Auf Basis eines diesbezüglichen Vorhaltes wurde seitens der Bf mitgeteilt, dass sie die Räumlichkeiten ihres Dienstgebers im Rahmen ihrer Tätigkeit nicht aufgesucht habe, sondern ausschließlich in den Räumlichkeiten der Kunden ihres Dienstgebers tätig geworden sei. Sie habe die Fahrt zum ersten Tätigkeitsort direkt von Zuhause aus angetreten und die nachfolgenden Tätigkeitsorte sodann in der - schon bekannt gegebenen - Reihenfolge abgefahren.
Aufgrund der Pensionierung der ursprünglich zuständigen Richterin wurde die Beschwerde am in die Zuständigkeit der Geschäftsabteilung des Richters ***R*** übertragen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist für ihren Dienstgeber als mobile Raumpflegerin tätig. Als solche wird sie an ihren Arbeitstagen an mehreren Orten (d.h. bei mehreren Kunden ihres Dienstgebers) tätig. Somit unterscheiden sich die Tätigkeitsorte und die zu bewältigende Strecke zwar von Tag zu Tag, das von der Bf betreute Gebiet (bestehend aus dem Kundenpool ihres Dienstgebers) bleibt allerdings unverändert. Die Fahrt zwischen den Tätigkeitsorten bzw. der Transport der für die Tätigkeit benötigten Putzutensilien (zB Wischmopp, Staubsauger, Putzmittel) erfolgt mit dem eigenen PKW. Im Zusammenhang mit diesen beruflich veranlassten Fahrten beantragt die Bf die Anerkennung der Fahrtkosten als Werbungskosten, wobei die Berechnung auf Basis des amtlichen Kilometergeldes von EUR 0,42 bzw. 0,47 erfolgen soll, sowie die Anerkennung des Verpflegungsmehraufwandes im Zusammenhang mit den getätigten Dienstreisen.
Strittig ist die Höhe der zustehenden Fahrtkosten bzw. die Frage, ob für die Fahrten der Bf ein Verpflegungsmehraufwand geltend gemacht werden kann.
Beweiswürdigung
Der obig festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Akteninhalt, den bisherigen Ausführungen der Beschwerdeführerin sowie den von ihr übermittelten Aufzeichnungen/Informationen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
A. Fahrtkosten
a. Rechtsgrundlagen
Die maßgebliche Bestimmung des § 16 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015 lautet - auszugsweise - wie folgt:
§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:
[…]
6. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
[…]
b. Erwägungen
Wie sich bereits aus dem Gesetz ergibt, sind die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag iSd § 33 Abs. 5 Z 1 EStG 1988 sowie - bei Erfüllung der gesetzmäßigen Voraussetzungen - dem Pendlerpauschale iSd § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 abgegolten (vgl. ). Über die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinausgehende Aufwendungen eines Dienstnehmers für Fahrten zwischen verschiedenen Arbeitsstätten führen in ihrer tatsächlichen Höhe, in der Regel bemessen mit dem Kilometergeld, zu Werbungskosten (). Für die Berücksichtigung von Fahrtkosten als Werbungskosten ist weder die Zurücklegung größerer Entfernungen noch das Überschreiten einer bestimmten Dauer erforderlich. Der Anspruch auf Fahrtkosten besteht grundsätzlich unabhängig vom Anspruch auf Tagesgelder (vgl. ).
Arbeitsstätte ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird (zB Büro, Lager, etc). Dies können aber auch Räume eines Kunden sein, wo der Arbeitnehmer dauernd tätig wird (vgl. ). Gemäß dem festgestellten Sachverhalt ist die Beschwerdeführerin an jedem Arbeitstag und somit regelmäßig bei diversen Kunden ihres Dienstgebers als Raumpflegerin im Einsatz. Eine Liste ihrer Tätigkeitsorte wurde von der Bf im Rahmen des bisherigen Verfahrens vorgelegt. Da sie ihre - ihrem Dienstgeber geschuldete - Arbeitskraft somit ausschließlich in den Räumlichkeiten der Kunden ihres Dienstgebers entfaltet, sind diese Räumlichkeiten als Arbeitsstätte der Bf zu qualifizieren (in diesem Sinne auch ).
Von der Pauschalierungsregelung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988 erfasst sind die Fahrten von der Wohnung zur (ersten oder einzigen) Arbeitsstätte und von der (letzten oder einzigen) Arbeitsstätte zur Wohnung (-G/02). Demnach ist dem Finanzamt grundsätzlich beizupflichten, wenn es auf Basis der von der Bf vorgelegten Aufzeichnungen den ersten Streckenabschnitt (Wohnung - erste Arbeitsstätte) sowie den letzten Streckenabschnitt (letzte Arbeitsstätte - Wohnung) für die Berechnung der Fahrtkosten ausklammert.
Auch an jenen Tagen, an denen die Bf zunächst von ihrem Wohnort aus eine Arbeitsstätte aufsucht, zur Wohnung zurückkehrt und nachgelagert zu einer (anderen) Arbeitsstätte fährt, gilt das oben Gesagte. Nur Fahrten zwischen den Arbeitsstätten sind nicht von der Abgeltungswirkung des Verkehrsabsetzbetrages (bzw. gegebenenfalls des Pendlerpauschales) erfasst. Kehrt die Bf somit nach dem erstmaligen Aufsuchen einer Arbeitsstätte an den Wohnort zurück, ist die Fahrt vom Wohnort zur (nächsten) Arbeitsstätte ebenfalls von der Abgeltungswirkung umfasst und es können für diese Strecke demnach keine Fahrtkosten als Werbungskosten berücksichtigt werden (siehe , VwSlg 4065 F/1970t, wonach die Kosten einer zweiten Heimfahrt bei Selbständigen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind).
Die Berechnung der Fahrtkosten wurde durch das BFG auf Basis der von der Bf vorgelegten Unterlagen durchgeführt. Demgemäß stehen der Bf somit - nach Abzug des erhaltenen Dienstgeberzuschusses - Fahrtkosten in Höhe von EUR 1.784,52 zu. Die genaue Berechnung ist dem beigefügten Berechnungsblatt zu entnehmen.
Seitens des Finanzamtes wurde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung - ohne weitere Begründung - angemerkt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung eines Pendlerpauschales nicht vorliegen. Wie das Finanzamt zu dieser Auffassung gelangt, wurde nicht ausgeführt. Wie oben dargestellt, sind die Räumlichkeiten der Kunden ihres Dienstgebers als Arbeitsstätten der Bf zu qualifizieren. Dass die Beschwerdeführerin die Fahrt zur ersten Arbeitsstätte vom Wohnort bzw. von der letzten Arbeitsstätte zum Wohnort antritt, ist ebenfalls unstrittig. Die bloße Tatsache, dass die Beschwerdeführerin über keine "Hauptarbeitsstätte" verfügt, soll ihr nach Ansicht des BFG nicht zum Nachteil gereichen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. e EStG 1988 ist Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Abweichend davon ist das Pendlerpauschale zu zwei Dritteln (wenn der Arbeitnehmer an mindestens acht und maximal zehn Tagen von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt) oder zu einem Drittel (wenn der Arbeitnehmer an mindestens vier und maximal sieben Tagen von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt) zu gewähren.
Das kleine Pendlerpauschale gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 steht zu, wenn die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 20 km beträgt und die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar ist.
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Bei mindestens 20 km bis 40 km | EUR 696 jährlich |
Bei mehr als 40 km bis 60 km | EUR 1.356 jährlich |
Bei mehr als 60 km | EUR 2.016 jährlich |
Das große Pendlerpauschale gemäß § 6 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 steht zu, wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich der halben Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unzumutbar ist und die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als zwei Kilometer beträgt.
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Bei mindestens 2 km bis 20 km | EUR 372 jährlich |
Bei mehr als 20 km bis 40 km | EUR 1.476 jährlich |
Bei mehr als 40 km bis 60 km | EUR 2.568 jährlich |
Bei mehr als 60 km | EUR 3.672 jährlich |
Zunächst ist der Beschwerdeführerin dahingehend beizupflichten, dass der Transport von diversen (zum Teil sehr unhandlichen) Putzutensilien in öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar ist und somit in realitätsnaher Betrachtung die Anfahrt zur Arbeitsstätte mit dem PKW zurückgelegt werden muss (in diesem Sinne auch der , wonach der Transport von Werbematerial und Warenmuster in öffentlichen Verkehrsmitteln unzumutbar ist).
Gemäß § 1 Abs. 6 Pendlerverordnung ist für den Fall, dass die zeitlichen oder örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung während des gesamten Kalendermonats nicht im Wesentlichen gleich sind, jene Entfernung maßgebend, die im Kalendermonat überwiegend zurückgelegt wird. Liegt kein Überwiegen vor, ist die längere Entfernung maßgebend.
Dass die zeitlichen und örtlichen Umstände der Erbringung der Arbeitsleistung auf Ebene der Bf während des gesamten Kalendermonats nicht im Wesentlichen gleich sind, steht nach dem erhobenen Sachverhalt fest. Es ist somit auf die überwiegend zurückgelegte Entfernung oder - mangels Überwiegen - auf die längere Entfernung abzustellen. Aus den von der Bf vorgelegten Aufzeichnungen ist erkennbar, dass gewisse Arbeitsstätten primär als "erste Arbeitsstätten" bzw. als "letzte Arbeitsstätten" angefahren wurden. Soweit der Weg von der Wohnung zu bzw. von gewissen Arbeitsstätten zur Wohnung monatlich mindestens vier Mal zurückgelegt wird, steht nach Auffassung des erkennenden Richters für diese Fahrten ein (wenn auch möglicherweise nur aliquotes) Pendlerpauschale zu. Die Tatsache, dass sich die auf der Hinfahrt zurückgelegte Strecke von jener auf der Rückfahrt zurückgelegten Strecke unterscheidet, schadet nicht (in diesem Sinne auch das ).
Basierend auf der von der Beschwerdeführerin übermittelten Aufstellung legt sie in jedem Monat überwiegend zwischen 20 und 40 Kilometer bei der Hinfahrt zur ersten Arbeitsstätte bzw. bei der Rückfahrt von der letzten Arbeitsstätte zurück. Dass die Benützung eines Massenbeförderungsmittels aufgrund der Tatsache, dass die Bf im Rahmen ihrer Tätigkeit etliche und zum Teil äußerst unhandliche Putzutensilien (zB Wischmopp, Staubsauger) mitzuführen hat, nicht zumutbar ist, wurde bereits oben festgehalten. Der Beschwerdeführerin steht somit dem Grunde nach das große Pendlerpauschale für die Strecke zwischen 20 und 40 Kilometer zu. Für die konkrete Berechnung wird auf die beigefügte Aufstellung verwiesen.
Basierend auf den obigen Ausführungen und der beigefügten Aufstellung steht der Beschwerdeführerin für die Monate Juli bis Dezember 2018 somit ein Pendlerpauschale von insgesamt EUR 656,00 sowie ein Pendlereuro von EUR 28,44 zu.
Der Beschwerde war somit in diesem Punkt zum Teil Folge zu geben und der Einkommensteuerbescheid 2018 entsprechend abzuändern.
Abschließend noch der Hinweis, dass die Verweise der Beschwerdeführerin auf die Ausführungen in den Lohnsteuerrichtlinien 2002 für das Verfahren vor dem BFG unbeachtlich sind. Diese Richtlinien stellen einen bloßen Auslegungsbehelf zum EStG 1988 und somit keine für das BFG beachtliche Rechtsquelle dar.
B. Verpflegungsmehraufwand
a. Rechtsgrundlagen
Die maßgeblichen Bestimmungen des EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 118/2015 lauten wie folgt:
§ 16. (1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Werbungskosten sind auch:
[…]
9. Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlassten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Dabei steht das volle Tagesgeld für 24 Stunden zu. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen
[…]
b. Erwägungen
Nur wenn eine beruflich veranlasste Reise vorliegt, kann ein Verpflegungsmehraufwand nach § 16 Abs 1 Z 9 EStG 1988 mit den pauschalen Tagessätzen geltend gemacht werden (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20 § 16, Rz 172).
Eine Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 liegt dann vor, wenn sich der Steuerpflichtige zwecks Verrichtung beruflicher Obliegenheiten oder aus sonstigem beruflichem Anlass mindestens 25 km vom Mittelpunkt seiner Tätigkeit entfernt, eine Reisedauer von mehr als drei Stunden bei Inlandsreisen und mehr als fünf Stunden bei Auslandsreisen vorliegt und kein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet wird ().
Mittelpunkt der Tätigkeit kann auch ein mehrere Orte umfassendes Einsatzgebiet sein. Personen, die ein Gebiet regelmäßig bereisen, begründen daher in diesem Einsatzgebiet (Zielgebiet) einen Mittelpunkt der Tätigkeit (E , 96/13/0132, 1998, 8; E , 99/13/0001). Dies wird insbesondere auf Rauchfangkehrer, Gebietsvertreter oder Außendienstmitarbeiter von Behörden (zB Gerichtsvollzieher, Betriebsprüfer) zutreffen (Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20 § 16, Rz 178).
Ein Einsatzgebiet kann sich auf einen politischen Bezirk und an diesen Bezirk angrenzende Bezirke erstrecken. So ist etwa der VwGH (Entscheidung vom , 96/13/0132) bei Reisebewegungen innerhalb des Sprengels mehrerer Bezirksgerichte von einem einheitlichen Einsatzgebiet ausgegangen.
Basierend auf den obigen Ausführungen ist dem Finanzamt somit zuzustimmen, wenn es als Mittelpunkt der Tätigkeit der Bf nicht die einzelnen Arbeitsstätten, sondern das von ihr konkret befahrene Gebiet qualifiziert und somit das Vorliegen einer Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG verneint. Zudem sei an dieser Stelle noch auf die Rechtsprechung des VwGH und BFG hingewiesen, wonach Tagesgelder als Werbungskosten nur dann steuerlich zu berücksichtigen sind, soweit eine Nächtigung erforderlich ist (vgl. Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16, Rz 119, Stand und die dort angeführte Rechtsprechung).
Der Beschwerde war in diesem Punkt somit der Erfolg zu versagen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das gegenständliche Erkenntnis der angeführten Rechtsprechung folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | -G/02 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100476.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at