Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.07.2022, RV/5100220/2022

Familienbonus Plus bei einem Grenzpendler

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0079. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 des ***FA*** vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Am erging an den Beschwerdeführer (Bf) der Einkommensteuerbescheid 2020, welcher in der Begründung u.a. den Hinweis enthielt, dass der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zustehe, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt werde. Da dies nicht der Fall sei, habe der Familienbonus Plus nicht gewährt werden können.

Der indexierte Unterhaltsabsetzbetrag sei für beide Kinder für volle zwölf Monate gewährt worden.

In der fristgerecht gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde brachte der Bf vor, dass er noch das Formular Beih 38 nachreichen werde, um den Familienbonus Plus in Anspruch nehmen zu können.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Familienbonus Plus stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt werde. Bisher sei für das Kind, das im EU-EWR-Raum oder der Schweiz lebe, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen worden sei, könne der Familienbonus Plus für ein Kind in EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden.

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regle, welcher Mitgliedstaat für denselben Zeitraum für denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnten.

Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet sei, kein Antrag gestellt, könne der andere Mitgliedstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.

Der Familienwohnsitz (Kindesmutter und Kinder) befinde sich in Deutschland, der Bf sei in Deutschland beschäftigt. Somit übten weder die Kindesmutter noch der Bf in Österreich eine Beschäftigung aus.

Der Familienbonus Plus könne für die in Deutschland lebenden Kinder des Bf daher nicht berücksichtigt werden.

Der Bf stellte am einen Vorlageantrag. In diesem brachte er vor, dass ein positiver Bescheid über den Bezug von Ausgleichszahlung der Familienbeihilfe mit dem Ordnungsbegriff ***2*** für 2020 an ***1*** (Ehefrau/Kindesmutter) vorliege. Die Voraussetzung für den Familienbonus Plus sei daher erfüllt. Ein Gesuch zur Wiederaufnahme/Erweiterung der Familienbeihilfe für das Jahr 2019 (nach Ablehnung mit dem Ordnungsbegriff ***3*** trotz gleicher Rahmenbedingungen) sei ebenso fristgerecht eingereicht worden.

Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht zwei an ***1*** gerichtete Bescheide je vom vor. Beide Bescheide ergingen zum Ordnungsbegriff ***2***.

Mit einem Bescheid wies das ***FA*** einen Antrag vom auf Ausgleichszahlung für ***4*** und ***5*** für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2021 ab.

In der Bescheidbegründung verwies das Finanzamt auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung, die regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei.

Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Da weder die Bescheidadressatin noch der Kindesvater in Österreich eine Erwerbstätigkeit ausübten und erstere mit den Kindern auch keinen Wohnsitz in Österreich habe, bestehe kein Anspruch auf Differenzzahlung in Österreich.

Mit einem zweiten Bescheid forderte das ***FA*** den Kinderabsetzbetrag und die Ausgleichszahlung gemäß Verordnung (EG) 883/2004 für die Kinder ***4*** und ***5*** für September 2020 zurück.

Die Bescheidbegründung ist ident mit der des erstgenannten Bescheides.

Mit Schreiben vom wurde das Finanzamt um Stellungnahme zu nachstehender Sach- und Rechtslage ersucht:

"Mit beiliegendem Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, wies der VwGH in einem vergleichbaren Fall (der Antragsteller des Familienbonus Plus wohnte in Österreich und arbeitete als Grenzgänger in Deutschland, sowohl Kindesmutter als auch Sohn lebten in Deutschland) eine Amtsrevision ab und bestätigte die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5100069/2021, mit welchem dieses den strittigen Familienbonus Plus zuerkannte.

Nach diesem Erkenntnis (mit Verweis auf Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG22, § 33 Tz. 34/2) ist u.a. entscheidend, dass der Familienbonus Plus zusteht, wenn die Voraussetzungen für eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung im Sinne des § 4 FLAG dem Grunde nach erfüllt sind. In diesen Fällen ist der Bezug der österreichischen Familienbeihilfe ausnahmsweise keine Voraussetzung für den Familienbonus Plus.

Nach den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes (RV/5100069/2021) wäre es darüber hinaus unsachlich, dem in Österreich wohnenden und Einkommensteuer zahlenden Antragsteller den Familienbonus Plus für den in Deutschland bei der Kindesmutter lebenden Sohn vorzuenthalten; die Beschäftigung des do. Antragstellers als Grenzgänger sei einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten.

Im vorliegenden Beschwerdefall war der Beschwerdeführer laut Abfrage des ZMR bis und erneut ab in Österreich mit einem Hauptwohnsitz gemeldet.

Laut vorgelegtem Einkommensteuerbescheid 2020 wurde er mit seinen in Deutschland erzielten Einkünften in Österreich zur Einkommensteuer veranlagt.

Eine Rückforderung der für September 2020 zuerkannten Ausgleichszahlung erfolgte mit Bescheid vom u.a. deshalb, weil weder die Kindesmutter noch der Beschwerdeführer in Österreich eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hätten und letzterer mit den Kindern auch keinen Wohnsitz in Österreich gehabt habe.

Nach der dargestellten Rechtslage kann die Rückforderung nicht damit begründet werden, dass der Kindesvater keine Erwerbstätigkeit in Österreich ausgeübt hat.

Sollten nach Ansicht des Finanzamtes dennoch Gründe vorliegen, die dagegen sprechen, dass in den einzelnen Monaten des Beschwerdejahres die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Ausgleichs- oder Differenzzahlung dem Grunde nach erfüllt gewesen sind, mögen diese bekannt gegeben werden.

Sollten keine Gründe genannt werden, ist beabsichtigt, der Beschwerde antragsgemäß stattzugeben und den Familienbonus Plus für die beiden in Deutschland lebenden Kinder zuzuerkennen."

Das Finanzamt verwies in seiner Stellungnahme vom auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004, die regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei. Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnten. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet sei, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen:

Da weder der Kindesvater in Österreich eine Erwerbstätigkeit ausübe und die Kindesmutter und der Beschwerdeführer mit den Kindern auch keinen Wohnsitz in Österreich hätten, bestehe schon kein Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich dem Grunde nach. Es gelte immer das Beschäftigungslandprinzip, das in diesem Fall eindeutig in Deutschland liege. Die Versteuerung der Bezüge spiele dabei keine Rolle. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ziele eindeutig auf die Beschäftigung ab.

Artikel 67

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Artikel 68

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.

Zum beigelegten Erkenntnis des , nahm das Finanzamt nicht Stellung.

Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Akten, dem Vorbringen des Bf und der Amtspartei.

Rechtslage:

Nach § 33 Abs. 3a EStG 1988 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.

3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.

c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

d) Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.

Nach der zu § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 ergangenen Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung (BGBl II Nr. 257/2018 idF BGBl II Nr. 141/2019) betrug der Familienbonus Plus bei Kindern, die sich ständig in Deutschland aufhalten, bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, im Beschwerdejahr für jeden Kalendermonat 121,75 €.

In einem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fall (der dortige Beschwerdeführer hatte seinen Wohnsitz in Österreich und arbeitete als Grenzgänger in Deutschland, seine geschiedene Ehegattin und sein jüngerer Sohn lebten in Deutschland) bestätigte der VwGH jüngst eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (), das der Beschwerde Folge gegeben und den beantragten Familienbonus Plus zuerkannt hatte ().

Nach diesem Erkenntnis ist der Familienbonus Plus auch dann zu gewähren, wenn kein Antrag auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichszahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 gestellt wurde, aber alle inhaltlichen Anspruchsvoraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind.

Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem einschlägigen Unionsrecht kam das Bundesfinanzgericht in der o.a. Entscheidung zum Schluss, dass der in Österreich wohnende Bf zwar in Deutschland beschäftigt sei, als Grenzgänger mit den aus dieser Tätigkeit resultierenden nichtselbständigen Einkünften jedoch dem alleinigen Besteuerungsrecht Österreichs unterliege. Die Beschäftigung des Bf als Grenzgänger sei deshalb in verfassungskonformer Interpretation einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten. Es wäre unsachlich, dem in Österreich wohnenden und Einkommensteuer zahlenden Bf die diese Personensteuer mildernde Berücksichtigung des Familienbonus Plus für seinen in Deutschland lebenden Sohn, für den er Unterhalt zahle, bei Nichtbeanspruchung durch die Kindesmutter vorzuenthalten.

Am hob der EuGH () die Indexierung der Familienbeihilfe sowie weiterer Familienleistungen (z.B. Familienbonus Plus, Unterhaltsabsetzbetrag) wegen des Verstoßes gegen Unionsrecht auf.

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 AEUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig; ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt ( mwN; vgl. Bundesfinanzgericht , RV/3100437/2021).

Erwägungen:

Der Bf beantragte den Familienbonus Plus für seine beiden in Deutschland bei ihrer Mutter lebenden Kinder, die 2014 und 2019 geboren sind.

Der Bf lebte im Beschwerdejahr in Österreich und arbeitete als Grenzpendler in Deutschland.

Aufgrund der zur Gänze geleisteten Unterhaltszahlungen anerkannte das Finanzamt im angefochtenen Einkommensteuerbescheid den Unterhaltsabsetzbetrag für volle zwölf Monate (nach § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 in der für das Beschwerdejahr geltenden Fassung stand für das erste Kind ein Unterhaltsabsetzbetrag von 29,20 € und für das zweite Kind ein Unterhaltsabsetzbetrag von 43,80 € monatlich zu).

Obwohl das Finanzamt in der Bescheidbegründung auf den indexierten Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988) verwies, der nach der o.a. Verordnung BGBl II Nr. 257/2018 idF BGBl II Nr. 141/2019 für Deutschland für das erste Kind 28,44 € und für das zweite Kind 42,66 € monatlich betragen hätte, wurden im angefochtenen Bescheid tatsächlich die für Österreich geltenden (höheren) Beträge, nämlich 876,00 € [(29,20 + 43,80) x 12], anerkannt.

Nach Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 stehen an erster Stelle die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche.

Das Finanzamt verwies in seiner Stellungnahme vom ungeachtet des Erkenntnisses des , und des VwGH-Erkenntnisses vom , Ra 2021/15/0067, wiederum darauf, dass kein Anspruch auf Ausgleichs- oder Differenzzahlung in Österreich dem Grunde nach bestehe, weil der Bf in Österreich keine Erwerbstätigkeit ausübe.

Dem aus dem o.a. Erkenntnis abgeleiteten Umstand, dass der Bf gemäß Art. 15 Abs. 6 DBA Deutschland mit seinen in Deutschland als Grenzgänger erzielten nichtselbständigen Einkünften der Einkommensteuer in Österreich unterlag und diese Beschäftigung als Grenzgänger in verfassungskonformer Interpretation einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten war, trat das Finanzamt nicht entgegen.

Welche konkreten Gründe dagegen gesprochen hätten, im Beschwerdefall die in Österreich versteuerten Einkünfte des Bf als Grenzgänger nicht einer in Österreich ausgeübten Beschäftigung gleichzuhalten, ließ das Finanzamt offen. Ebenso wenig brachte es vor, dass nicht alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt gewesen wären oder die Kindesmutter den Familienbonus Plus beansprucht hätte.

Unter diesen Umständen konnte die für die Nichtgewährung des Familienbonus Plus und die Abweisung des Antrags auf Ausgleichszahlung angeführte Begründung, der Bf habe in Österreich keine Beschäftigung ausgeübt, nicht aufrechterhalten werden.

Die vom EuGH festgestellte Unionsrechtswidrigkeit der Indexierung des Familienbonus Plus und des Unterhaltsabsetzbetrages waren im Beschwerdeverfahren zu beachten und § 33 Abs. 3a Z 2 und Abs. 4 Z 4 EStG 1988 sowie die dazu ergangene Verordnung des BMF, BGBl II Nr. 257/2018 idF BGBl II Nr. 141/2019, auch für das Beschwerdejahr 2020 nicht mehr anzuwenden (vgl. ; ).

Entgegen der Bescheidbegründung, den indexierten Unterhaltsabsetzbetrag für beide Kinder für volle zwölf Monate gewährt zu haben, hatte das Finanzamt den Unterhaltsabsetzbetrag unter Außerachtlassung der Indexierung gemäß § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 bereits in voller Höhe berücksichtigt.

Aufgrund des stand auch der Familienbonus Plus unter Außerachtlassung der Indexierung gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 in voller Höhe zu (je Kind monatlich 125,00 €, in Summe daher 3.000,00 €).

Der Beschwerde war daher antragsgemäß stattzugeben.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die strittige Rechtsfrage wurde im Einklang mit dem VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, gelöst. Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100220.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at