Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2022, RV/7101930/2018

Befreiung nach §15 Abs.3 GebG bei Einräumung eines Fruchtgenussrechtes, gleichzeitig mit der Schenkung der Liegenschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch INTER-TREUHAND PRACHNER Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Hauptplatz 7, 3430 Tulln, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel,(nunmehr FinanzamtÖsterreich) vom betreffend Festsetzung der Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG , Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig

Entscheidungsgründe

Am schlossen die Beschwerdeführerin, (Bf), und ihre Schwester, als Geschenknehmer, mit ihren Eltern, ***1*** und ***2***, als Geschenkgeber, den verfahrensgegenständlichen Schenkungsvertrag, in Form eines Notariatsaktes, ab,

Mit Vertragspunkt erstens a) und b) wird festgehalten, dass die Geschenkgeber Eigentümer zu je 28/1640 Anteilen an der Liegenschaft Katastralgemeinde ***3***, Grundstücksnummer ***4*** Grundstücksadresse: ***5*** sind, und dass damit das Eigentum an der Wohnung Top 10 samt Garten verbunden ist.

Mit Vertragspunkt zweitens wird festgehalten, dass die Geschenkgeber die o.a. Liegenschaftsanteile ihren Töchtern je zur Hälfte schenken, und dass die Geschenknehmer diese Schenkung annehmen.

Mit Vertragspunkt fünftens wird festgehalten:

"Zum Zwecke der Erhaltung im Familienbesitz verpflichten sich die Geschenknehmer (Namen werden angeführt) ohne ausdrückliche Zustimmung ihrer Eltern (Namen werden angeführt) die Ihnen aufgrund dieses Vertrages gehörigen in Punkt 1 a) und b) beschriebenen Liegenschaftsanteile gemäß § 364c ABGB weder zu veräußern noch zu belasten.

Die Geschenknehmer nehmen die Einräumung des vorbezeichneten Veräußerung-und Belastungsverbot an.

Die Geschenkgeber behalten sich vor und die Geschenknehmer räumen hiermit weiters ihren Eltern jeweils das lebenslange und unentgeltliche Fruchtgenussrecht, ob der in Punkt Erstens a) und b) näher beschriebenen Liegenschaftsanteilen ein.

Die Geschenkgeber haben den Geschenknehmern für die vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteile die Substanzverminderung hinsichtlich der vermieteten oder betrieblich genutzten Teile abzugelten. Aus Vereinfachungsgründen wird diese Abgeltung in Höhe der jährlichen steuerlichen Absetzung für Abnutzung sowie der fünfzehntel Teilbeträge für die Herstellungskosten vereinbart. Die Abgeltungszahlung hat spätestens bis 31.12 des jeweiligen Jahres zu erfolgen.

Die Geschenknehmer nehmen die Einräumung dieses Fruchtgenussrechtes an.

Für die Ausübung dieses Fruchtgenussrechtes verpflichten sich die Fruchtgenussberechtigten sämtliche Kosten Abgaben und Zinsen im Zusammenhalt mit den vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteilen selbst zu tragen, insbesondere alle Aufwendungen für Versicherungen und für die erforderlichen Bau-, Instand-und Erhaltungsmaßnahmen zu tragen."

In Vertragspunkt neuntens wird festgehalten, dass die Geschenknehmer die Kosten der Errichtung und grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages sowie alle daraus zur Vorschreibung gelangenden Steuern, Gebühren und Abgaben tragen.

Für die Liegenschaftsschenkung ist die Grunderwerbsteuer vom Notar selbst berechnet (Bemessungsgrundlage:3facher Einheitswert lt. Schenkungsvertrag) und einbezahlt worden. Im Zuge der Überprüfung der, von diesem durchgeführten, Selbstberechnungen, stellte die belangte Behörde fest, dass zu dem o.a. Vertragspunkt fünftens die gebührenrechtliche Würdigung unterblieben ist.

Im verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren wurden der belangten Behörde von der rechtlichen Vertretung der Bf, das Anlageverzeichnis für das Jahr 2016 sowie Kontenblätter, betreffend die Betriebskosten für das Jahr 2015 vorgelegt. Demnach betrug der Jahreswert der Kosten für Instandhaltung € 9.552,07, für Wasser-Kanal-Müllgebühr € 3.105,57, Strom, Gasverbrauch € 15.128,39 sowie an Grundsteuer € 395,00 (Gesamtbetrag sohin:28.181,03) und der Jahreswert der Substanzabgeltung € 1.847.32.

Mit dem, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten, Bescheid setzte die belangte gegenüber der Bf. für das, in Vertragspunkt fünftens eingeräumte, Fruchtgenussrecht die Gebühr gemäß § 33 TP 9 GebG im Betrage von € 7.831,48 fest. Als Bemessungsgrundlage wurde der Betrag von € 391.574,67 berechnet, welcher sich aus den, gemäß § 16 BewG, kapitalisierten Werten der o.a. Substanzabgeltung (= € 24.098,36) und der gesamten o.a. Betriebskosten (= € 367.485,31) zusammensetzt.

Dagegen erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde. Sie beantragte die Festsetzung der Gebühr mit € 481,79, ausgehend vom kapitalisierten Wert der Substanzabgeltung von € 24.089,36.

Die belangte Behörde wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab.

Dagegen brachte die Bf. einen Vorlageantrag gemäß § 264 Abs.1 BAO ein. Das Bundesfinanzgericht, (BFG), möge über diese Beschwerde entscheiden.

Im Beschwerdeverfahren brachte die Bf. im Wesentlichen folgendes vor:

Die Betriebskosten würden auf Ebene des Vermieters- im Vollanwendungsbereich des MRG- keine Bereicherung und somit kein Entgelt, sondern einen reinen Durchlaufposten darstellen. Laut beiliegenden Kontoblatt betrage der Privatanteil sämtlicher Betriebs/-Instandhaltungskosten € 8.176,68 p.A. Die Jährliche Substanzabgeltung für die 20%ige betriebliche Nutzung betrage € 1.847,32. Den Geschenknehmern stehe für die 80%ige private Nutzung der Geschenkgeber keine Substanzabgeltung zu. Demgegenüber betrage der Aufwand für die Geschenknehmer € 7.389,28. Dieser Aufwand würde sich de facto mit den, von den Geschenkgebern übernommenen Betriebs-Instandhaltungskosten von € 8.176,78 aufheben. Damit liege praktisch keine Entgeltlichkeit vor. Es sei üblich, dass Geschenkgeber, die den Schenkungsgegenstand weiterhin nutzen, selbstverständlich auch die laufenden Kosten übernehmen. Dass, im zu beurteilenden Schenkungsvertrag, dieser Umstand expressis verbis mit Vertragspunkt fünftens festgeschrieben worden ist, könne nicht zu Vergebührung nach § 33 TP 9 GebG führen. Alle Vertragsparteien seien durch den Abschluss des Schenkungsvertrages de facto nicht anders gestellt als davor. Es liege in der Einräumung des Fruchtgenussrechtes kein Leistungsaustausch vor, welche die Vorschreibung der Gebühr nach § 33 TP 9 GebG rechtfertige. So fände-beispielsweise -mit der Bezahlung der Kosten für Strom und Wasser durch die Geschenkgeber an die Anbieter kein Leistungsaustauch zwischen Geschenkgeber und Geschenknehmer statt. Das streitverfangene Rechtsgeschäft falle unter das Grunderwerbsteuergesetz, und sei deshalb von der Gebührenpflicht ausgenommen. Das Recht der Gebrauchsüberlassung sei Bedingung der Schenkung gewesen.

Die belangte Behörde hielt folgendes dagegen:

Soweit mit Schenkungsvertrag über eine Liegenschaft auch die entgeltliche Einräumung eines Fruchtgenussrechtes erfolgt ist, liege für diese Einräumung die Gebührenpflicht nach § 33 TP 9 GebG vor, wonach sich die Gebühr nach dem Wert des bedungenen Entgeltes bestimmt. Soweit darüber hinaus noch ein Restwert des kapitalisierten Fruchtgenussrechtes verbleibt, stelle dieser Wert eine Gegenleistung für den Liegenschaftserwerb dar, und falle unter das Grunderwerbsteuergesetz. Demnach liegen zwei Rechtsgeschäfte vor, von denen eines grunderwerbsteuerpflichtig, das andere gebührenpflichtig sei. Unter "Wert2 iSd § 33 TP 9 GebG können-nach der Rechtsprechung des VwGH- grundsätzlich dieselben Überlegungen wie für den Wert nach § 33 TP 5 GebG gelten. So sei die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes gegen AfA-Ersatz als entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit ( subjektive Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung) zu beurteilen .Laut ständiger Rechtsprechung des VwGH seien Betriebskosten, als Kosten ohne deren Tragung der Berechtigte nicht in den Genuss der Sache kommt, Teil des gebührenbestimmenden Entgeltes; und sei es für die Einbeziehung einer Verpflichtung in die Bemessungsgrundlage nicht entscheidend, ob diese Verpflichtung gegenüber dem Vertragspartner zu erbringen ist. Entscheidend sei, zu welchen Leistungen sich der Fruchtgenussberechtigte verpflichtet hat. Gemäß § 17 Abs.1 GebG seien, sämtliche von den Fruchtgenussberechtigten, lt. Vertragspunkt Fünftens, übernommenen Leistungen und nicht nur die Substanzabgeltung für die betriebliche Nutzung der Liegenschaftsanteile, in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen gewesen.

Das BFG hat hiezu erwogen:

Rechtslage

Gemäß § 15 Abs. 3 GebG sind Rechtsgeschäfte, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, Grunderwerbsteuergesetz, Kapitalverkehrsteuergesetz (I. Teil Gesellschaftsteuer und II. Teil Wertpapiersteuer) oder Versicherungssteuergesetz fallen, von der Gebührenpflicht ausgenommen; dies gilt auch für Rechtsgeschäfte, sofern und insoweit diese unter das Stiftungseingangssteuergesetz fallen.

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird gemäß § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Werden in einer Urkunde mehrere Rechtsgeschäfte derselben oder verschiedenen Art, die nicht zusammenhängende Bestandteile des Hauptgeschäftes sind, abgeschlossen, so ist gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz GebG die Gebühr für jedes einzelne Rechtsgeschäft zu entrichten.

Gemäß § 33 TP 9 GebG unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Gebühr von 2 v.H. von dem Werte des bedungenen Entgeltes.

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen Kaufverträge oder andere Rechtsgeschäfte, die den Anspruch auf Übereignung begründen - soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen - der Grunderwerbsteuer.

Nach § 4 Abs 1 GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014 ist die Steuer vom Wert der Gegenleistung (§ 5) zu berechnen.

Nach § 4 Abs. 2 Z. 1 GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014 gilt abweichend von Abs. 1 Folgendes:

1. Bei den nachstehend angeführten begünstigten Erwerbsvorgängen ist die Steuer vom Dreifachen des Einheitswertes (§ 6), maximal jedoch von 30% des gemeinen Wertes, wenn dieser nachgewiesen wird, zu berechnen:

a) bei Übertragung eines Grundstückes an den in § 7 Abs. 1 Z 1 und 2 angeführten Personenkreis;

Gemäß § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 ist bei einem Kauf Gegenleistung der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen.

Erwägungen

Zur Verwirklichung des Tatbestandes nach § 33 TP 9 GebG

Voraussetzung der Erfüllung des Tatbestandes des § 33 TP 9 GebG ist , dass die Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt wird. Soll nach dem Willen der Vertragsparteien die eine Leistung durch die andere "vergolten" werden, so liegt damit eine "subjektive Äquivalenz" und Entgeltlichkeit vor (, , und Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz12 zu § 33 TP 9 GebG).

Auf das Vorliegen einer solchen Äquivalenz kann auch aus dem Sachverhalt geschlossen werden (vgl. nochmals ).

Entgeltlichkeit verlangt aber nicht Gleichwertigkeit der Leistungen (vgl. ).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes ist ein Zuwendungsfruchtgenussrecht gegen AfA-Ersatz als entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit (subjektive Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung) zu beurteilen. Zum gebührenpflichtigen Entgelt gehören auch die übernommenen Betriebskosten, die zu zahlenden Versicherungsprämien (Gebäudeversicherung) und sonstige übernommene öffentliche Abgaben (vgl. ).

Auch ein Vorbehaltsfruchtgenuss gegen Gegenleistung im Zuge einer Grundstücksschenkung wurde vom Bundesfinanzgericht gebührenrechtlich als Schenkung des Eigentums und Einräumung des Fruchtgenussrechtes durch den Geschenknehmer beurteilt, da das GebG - anders als die ertragssteuerliche Sichtweise - nicht zwischen Vorbehalts- und Zuwendungsfruchtgenuss unterscheidet, sondern primär auf die Gegenleistung für den Fruchtgenuss abstellt (vgl. ).

Dabei stützte sich das BFG auf das Erkenntnis in dem vom Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen wurde:

"Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass beim Verkauf einer Liegenschaft unter Vorbehalt des Fruchtgenusses der Wert dieser vorbehaltenen Nutzung der Gegenleistung zuzurechnen ist (Hinweis E , 1861/51, VwSlg 814 F/1953). Soweit aber der Verkäufer für das Fruchtgenussrecht an Teilen der erworbenen Liegenschaften ein Entgelt zu leisten hat - und hierüber also ein vom Kaufgeschäft unabhängiges selbständiges Rechtsgeschäft geschlossen hat (vgl auch § 33 TP 9 GebG 1957) -, liegt eine der Gegenleistung iSd § 5 GrEStG 1987 zuzurechnende vorbehaltene Nutzung nicht vor."

Da dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichthofes zur Grunderwerbsteuer ergangen ist, wurde darin die Frage der Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG auf die Einräumung der Dienstbarkeit nicht thematisiert.

Zur Anwendbarkeit der Befreiung nach § 15 Abs. 3 GebG

Im erst jüngst ergangenen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichthof zur Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG wie folgt ausgeführt:

"Zweck des § 15 Abs. 3 GebG ist es zu vermeiden, dass ein Rechtsgeschäft, das nach einem der erschöpfend angeführten Abgabengesetze steuerbar ist, nicht überdies noch mit einer Rechtsgebühr belegt wird (vgl. etwa die bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Bd. I10, Rz 66 zu § 15 GebG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Die Frage, ob ein einheitlicher Vertrag oder zwei (oder mehr) selbständige Rechtsgeschäfte mit mehreren verschiedenen Leistungspflichten vorliegen, ist gemäß § 914 ABGB nach dem Willen der Vertragsparteien zu beurteilen (; Fellner, aaO, Rz 68 zu § 15 GebG, mwN).

Für das Vorliegen eines einheitlichen Vertrages spricht etwa die Zusammenfassung und gleichzeitige Annahme mehrerer Leistungen in einem Schriftstück (). Selbst getrennt abgeschlossene Verträge sind dann als Einheit aufzufassen, wenn die Beteiligten trotz mehrerer (in ein oder mehreren Urkunden enthaltener) getrennter Verträge eine einheitliche Regelung beabsichtigen und wenn zwischen den mehreren Verträgen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht (, und , 2003/16/0126).

Enthält ein einheitlicher Vertrag verschiedenen Vertragstypen entnommene Elemente, ist er gebührenrechtlich nach seinem überwiegenden rechtlich und wirtschaftlichen Zweck zu beurteilen. Für die Rechtsnatur eines Vertrages ist die nach § 914 ABGB ermittelte Absicht der Parteien hinsichtlich der Wirkungen des Vertrages maßgebend. Dabei kommt es vor allem auf den von den Parteien bei Abschluss des Vertrages verfolgten, objektiv erkennbaren Zweck des Vertrages an (, mwN).

Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ist allein anhand der Inhalte der nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen "Schenkungsverträge" von einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Begründung aller darin vorgesehenen Berechtigungen und Verpflichtungen und damit von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien der Schenkungsverträge etwa die Einräumung des Fruchtgenussrechtes nach Punkt VII. auch losgelöst von einer vorherigen Schenkung in Betracht gezogen hätten (ohne vorheriger Übertragung des Eigentums allerdings wohl nur vom Revisionswerber an seinen Sohn, weil eine Dienstbarkeit an der eigenen Sache zivilrechtlich nicht in Betracht kommt), sind weder dem angefochtenen Erkenntnis noch dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu entnehmen.

Damit ist von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von Schenkungen gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von Beträgen in Höhe der AfA - auszugehen.

Das im angefochtenen Erkenntnis für eine gegenteilige Sicht ins Treffen geführte Erkenntnis vom , 98/16/0349, hatte den Verkauf eines Grundstückes gegen Vorbehalt des Fruchtgenusses gegen Entgelt zum Gegenstand und befasste sich mit der Bestimmung der Gegenleistung für den Erwerb der Liegenschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG in Ansehung des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes und des Entgelts für das Fruchtgenussrecht; die Bestimmung der Gegenleistung nach § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG unter Berücksichtigung des Fruchtgenussrechtes und des Entgelts hiefür setzte gerade die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts voraus.

Dem weiters vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis vom , 2003/16/0126, lag der Fall zu Grunde, dass dort Sparbücher zum Ankauf von Wohnungseigentum "geschenkt" wurden, wofür der Empfänger in einem getrennt abgeschlossenen Vertrag an den um die Valuta erworbenen Wohnungen ein Wohnrecht einräumte; der Verwaltungsgerichtshof billigte damals ausgehend von dem von der Abgabenbehörde festgestellten engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Rechtsgeschäfte deren Beurteilung als Einheit und daraus folgend die Übergabe der Sparbücher als Entgelt für die Einräumung des Wohnrechts.

Die im angefochtenen Erkenntnis zitierten Judikate vom und vom gingen daher von einer Einheit der damaligen Rechtsgeschäfte aus.

Im Revisionsfall ist daher im Einklang mit der unter Rz 9 zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einheitlichen Rechtsgeschäften auszugehen.

Mit Ablauf des ist die Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG, soweit sich diese auf das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz bezieht, für Rechtsvorgänge, für die die Steuerschuld nach dem entsteht, inhaltsleer geworden. Im Revisionsfall ist vielmehr entscheidend, dass für die gegenständlichen Schenkungsverträge das Grunderwerbsteuergesetz maßgebend ist und damit der Tatbestand der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG "Rechtsgeschäfte, die unter das ... Grunderwerbsteuergesetz ... fallen" eingreift.

Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung genügt es, dass ein Rechtsgeschäft überhaupt dem genannten Verkehrsteuergesetz unterliegt; es ist also nicht erforderlich, dass eine nach diesen Gesetzen anfallende Steuer auch tatsächlich vorgeschrieben wurde (vgl. Fellner, aaO, Rz 66 ff zu § 15 GebG, mwN).

Indem das Gericht die Einheitlichkeit der gegenständlichen Schenkungsverträge und damit die Reichweite der Befreiungsbestimmung des § 15 Abs. 3 GebG auch für die in Punkt VII. der Verträge vorgesehenen Vereinbarungen verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben ist."

Im vorliegenden Fall ergibt sich ebenso wie im Fall des vorstehenden, höchstgerichtlichen Erkenntnisses, aus dem nach § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen, eindeutigen Urkundeninhalt der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Rechtsvorgängen. Es wurde neben der Schenkung der Liegenschaft von den Eltern an ihre Kinder (Bf. und Schwester) gleichzeitig die Einräumung des lebenslänglichen Fruchtgenussrechtes an dieser Liegenschaft zu Gunsten der Eltern vereinbart und verpflichteten sich die Eltern, solange sie leben, jährlich die, im o.a. Vertragspunkt fünftens, angeführte Substanzabgeltung zu leisten sowie sämtliche, im genannten Vertragspunkt, angeführte Kosten, Abgaben und Zinsen und Aufwendungen selbst zu tragen. Der damit zweifellos gegebene zeitliche und sachliche Zusammenhang spricht auch hier dafür, dass die, zwischen der Bf. und ihren Eltern getroffenen, Vereinbarungen miteinander kausal verknüpft sind und es ist damit von einheitlichen Rechtsgeschäften, nämlich von einer Schenkung gegen Vorbehalt des Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft - dieses wiederum gegen laufende Zahlung von den o.a. Beträgen Tragung der o.a. Kosten auszugehen.

Unstrittig ist, dass die Schenkung der Liegenschaft gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 der Grunderwerbsteuer unterliegt. Für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung nicht darauf an, ob die tatsächliche Bemessung der Grunderwerbsteuer vom Wert des vorbehaltenen Fruchtgenussrechtes (als Gegenleistung iSd § 5 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987) oder vom Dreifachen des Einheitswertes (nach § 4 Abs. 2 Z. 1 lit. a GrEStG 1987 idF BGBl I Nr. 36/2014) vorgenommen wurde und ist die Einräumung der Dienstbarkeit (lebenslängliches Fruchtgenussrecht) an die Bf. somit gemäß § 15 Abs. 3 GebG gebührenfrei.

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben und der angefochtene Gebührenbescheid - ersatzlos- aufzuheben.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die für die Stattgabe der Beschwerde gegen den Gebührenbescheid maßgeblichen Rechtsfragen wurde durch das Erkenntnis geklärt

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101930.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at