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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2022, RV/2100557/2021

Vergessene Absetzbeträge als Wiederaufnahmsgründe?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2011 -2013 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Für die Jahre 2011-2013 hatte der Beschwerdeführer (Bf.) Einkommensteuererklärungen elektronisch beim Finanzamt eingebracht und ergingen dazu die Erstbescheide dazu für das Jahr 2011 am für das Jahr 2012 und 2013 jeweils am .

Am brachte der Bf. einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens für 2011-2013 ein und führte er als Wiederaufnahmsgrund an, dass er am das Finanzamt Graz-Stadt informiert hätte, dass er in seinen Einkommensteuererklärungen 2011-2013 übersehen habe, Absetzbeträge geltend zu machen und er diese im Rahmen der damaligen Außenprüfung geltend machen wollte.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag abgewiesen mit der Begründung:

"Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt die Bestimmung jedoch voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des 303 Abs 1 lit b iVm Abs 2 lit b BAO ist damit abzuleiten., dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist. Sowohl die vermeintliche Unterhaltsleistung (Nachweis nicht erbracht) als auch die übrigen beantragten Änderungen müssen dem Antragsteller zum Zeitpunkt der Erklärungsabgabe bereits bekannt gewesen sein. Somit begründen diese im Zeitpunkt der Antragstellung keine neu hervorgekommenen Tatsachen der Antrag auf Wiederaufnahme war somit abzuweisen."

Dagegen wurde Beschwerde erhoben und machte der Bf. darin folgendes geltend:

"… Im Ersuchen um Ergänzung vom hat die säumige Behörde nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie keine - neu hervorgekommenen Tatsachen - erkennt und somit mich nicht ersucht hat, diesen in der Bescheidbegründung behaupteten Mangel zu beheben. Weiters ist mir seit mehr als 17 Jahren bekannt, dass ich Vater bin. Die neu hervorgekommene Tatsache ist aber, dass mir am die Tatsache bekannt wurde, dass ich den beantragten Absetzbetrag und Freibetrag nicht geltend gemacht habe."

Aufgrund der am dazu ergangenen Beschwerdevorentscheidungen wurden vom Bf. fristgerecht Vorlageanträge gestellt.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerden zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer(Bf.) beantragte die Wiederaufnahme der Verfahren zur Einkommensteuer 2011-2013 mit der Begründung, er habe es verabsäumt den Unterhaltsabsetzbetrag sowie den Kinderfreibetrag für ein nicht haushaltszugehöriges Kind zu beantragen. Die Abgabenbehörde wies die Anträge ab, zumal kein Grund für die Wiederaufnahme der Verfahren vorlag. In seiner Beschwerde dagegen erklärte der Bf., dass er seit mehr als 17 Jahren weiß, dass er Vater ist, aber erst 2015 bemerkt hat, dass er Unterhaltsabsetzbetrag und den Kinderfreibetrag für ein nicht haushaltszugehöriges Kind nicht geltend gemacht hat.

Die Beschwerdevorentscheidungen wiesen die Beschwerde als unbegründet ab, wogegen der Bf. Vorlageantrag einbrachte.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Abgabenakten des Finanzamtes und sind unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

§ 303 BAO

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Wiederaufnahmsantrag hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird;
b) die Bezeichnung der Umstände (Abs. 1), auf die der Antrag gestützt wird."

Bei der Wiederaufnahme auf Antrag bestimmt die betreffende Partei den Wiederaufnahmsgrund. Sie gibt im Wiederaufnahmsantrag an, aus welchen Gründen sie eine Wiederaufnahme des Verfahrens als notwendig erachtet (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren, 2. Auflage (2016), § 303 Anm 3).

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat - bei Geltendmachung des Wiederaufnahmetatbestandes der neu hervorgekommenen Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs 1 lit. b iVm Abs. 2 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem derartigen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl ; ; ; ; unter Verweis auf Papst, ÖStZ 2017, 49 ff, sowie Fuchs, ÖStZ 2017, 70).

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (; ).

"Vergessene" Absetzbeträge begründen jedoch nach der oa. einen Wiederaufnahmegrund aus dem Titel neuhervorgekommener Tatsachen.

Der Bf hat in seinen Einkommensteuererklärungen 2011-2013 weder einen Unterhaltsabsetzbetrag noch einen Kinderfreibetrag beantragt.

Wie der Bf. in seinen Beschwerden selbst erklärt, ist es ihm bereits seit mehr als 17 Jahren bekannt, dass er ein Kind hat.
Weiters wurde vom Bf. selbst ausgeführt (siehe Antrag auf WA vom ) , dass er bei Einreichung der Abgabenerklärungen die Geltendmachung des Unterhaltsabsetz-sowie Kinderfreibetrages für ein nicht haushaltszugehöriges Kind übersehen hat.

Da somit nach der Aktenlage zum Zeitpunkt der Einbringung der strittigen Wiederaufnahmeanträge aus Sicht des Bf. keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel vorlagen, waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung liegen demnach nicht vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100557.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at