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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.06.2022, RV/7101208/2022

Anrechnungszeitpunkt einer verschmelzungsbedingt übergegangenen Mindestkörperschaftsteuer (Aufhebung des Vorerkenntnisses des BFG)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache der A-GmbH, Anschrift-GM, als Gruppenmitglied und der B-GmbH, Anschrift-GT, als Gruppenträger über die Berufung (nunmehr Beschwerde) vom gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 des Finanzamts Wien 1/23 (nunmehr Finanzamt Österreich), St.Nr. ***1***, vom zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die A-GmbH (Beschwerdeführerin bzw. Bf.) war im Streitzeitraum Mitglied einer Unternehmensgruppe im Sinne des § 9 KStG 1988 mit der B-GmbH als Gruppenträger.

In einer Beilage zur Körperschaftsteuererklärung für das maßgebliche Jahr 2011 verwies die Bf. darauf, dass per eine Verschmelzung der ebenfalls als Gruppenmitglied fungierenden D-GmbH auf die Bf. erfolgt sei. Damit seien aber auch Vorgruppenmindestkörperschaftsteuern dieser übertragenden Gesellschaft iHv 12.029,02 Euro noch im Veranlagungsjahr 2011 auf die Bf. übergegangen.

Mit Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 vom stellte das Finanzamt das Einkommen der Bf. fest, ohne die geltend gemachte Mindestkörperschaftsteuer anzurechnen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die übernehmende Körperschaft bei einer Verschmelzung die verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer in jenem Veranlagungszeitraum geltend machen könne, in welchem der Verschmelzungsstichtag liege. Da im gegenständlichen Fall der Verschmelzungsstichtag der sei und das Veranlagungsjahr 2011 der Bf. als übernehmender Gesellschaft bereits am geendet habe, liege der Verschmelzungsstichtag nicht im Veranlagungsjahr 2011. Die Mindestkörperschaftsteuer könne somit erst im Veranlagungsjahr 2012 angerechnet werden.

Gegen diesen Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 erhoben die Bf. und die B-GmbH als Gruppenträger mit Schriftsatz vom durch ihre steuerliche Vertreterin Berufung.

Vom Bundesfinanzgericht wurde dieser nunmehrigen Beschwerde mit dem Erkenntnis vom , GZ. RV/7101072/2013, unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenats und des Bundesfinanzgerichts Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wurde dahingehend abgeändert, dass die Mindestkörperschaftsteuer (wie beantragt) angerechnet wurde. Das Bundesfinanzgericht sprach zudem aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, da zur maßgeblichen Frage des Anrechnungszeitpunkts einer verschmelzungsbedingt übergegangenen Mindestkörperschaftsteuer höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt (vgl. zu diesem Erkenntnis u.a. Hirschler/Sulz/Oberkleiner, BFGj 2021, 276).

Das Finanzamt Österreich, Dienststelle Wien 1/23, erhob daraufhin gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG.

Während sich die Bf. am Revisionsverfahren nicht beteiligte, brachte die B-GmbH durch ihre steuerliche Vertreterin eine Revisionsbeantwortung ein und beantragte darin die Abweisung der Revision.

Seitens des Verwaltungsgerichtshofs wurde letztlich mit Erkenntnis vom , Zl. Ro 2021/13/0015, das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof führte dabei nach Darstellung des Verfahrensgangs Folgendes aus:

"Die Revision ist aus dem vom Bundesfinanzgericht aufgezeigten Grund zulässig, sie ist auch begründet.
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.
Nach § 96 Abs. 1 GmbH-Gesetz können Gesellschaften mit beschränkter Haftung unter Ausschluss der Abwicklung verschmolzen werden. Die Verschmelzung kann insbesondere durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Geschäftsanteilen dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme) erfolgen (Z 1 leg. cit.).
Wenn auch zivilrechtlich die Gesamtrechtsnachfolge vorgesehen ist, so ist für die Frage des (möglichen) Überganges einer steuerrechtlichen Position aber entscheidend, ob diese Position nach Bestimmungen des materiellen Steuerrechts übertragbar ist (vgl. ; , Ra 2020/15/0076).
Es ist im vorliegenden Verfahren unstrittig, dass die bisher noch nicht verrechneten Mindeststeuern iSd § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Zuge einer dem UmgrStG unterliegenden Verschmelzung auf den Rechtsnachfolger übergehen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht:
Zunächst ist zu bemerken, dass das UmgrStG die hier strittige Mindeststeuer nach § 24 Abs. 4 KStG 1988 nur im Rahmen der Umwandlung (Artikel II UmgrStG) behandelt. Die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, eingefügte Bestimmung des § 9 Abs. 8 UmgrStG regelt den Zeitpunkt des Übergangs der Mindeststeuern auf die Rechtsnachfolger im Falle einer Umwandlung. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 276) abzuleiten ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Mindeststeuerbeträge nach § 24 Abs. 4 KStG 1988 im Rahmen einer dem UmgrStG unterliegenden Gesamtrechtsnachfolge (bei Untergang des Rechtsvorgängers) auf den jeweiligen Rechtsnachfolger übergehen. Eine gesonderte Regelung betreffend Umwandlungen erfolgte nur deswegen, weil bei Umwandlungen auch natürliche Personen, auf die § 24 Abs. 4 KStG 1988 an sich nicht anwendbar wäre (vgl. dazu auch ), Rechtsnachfolger sein können (vgl. dazu näher Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Unternehmenssteuerrecht, 927).
Strittig ist im vorliegenden Verfahren, ab welchem Zeitraum diese Mindeststeuern beim Rechtsnachfolger zu berücksichtigen sind.
Im Falle einer Umwandlung sind diese Mindeststeuern ab dem dem Umwandlungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr zuzurechnen (§ 9 Abs. 8 UmgrStG).
Betreffend die hier vorliegende Verschmelzung enthält das Gesetz - wie bereits erwähnt - keine Regelung.
Gesellschaftsrechtlich geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft (erst) mit der Eintragung der Verschmelzung bei der übernehmenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über (§ 225a Abs. 3 Z 1 Aktiengesetz; § 96 Abs. 2 GmbHG). Der Verschmelzungsstichtag ist (lediglich) der Tag, von dem an die Handlungen der übertragenden Gesellschaften als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft vorgenommen gelten (§ 220 Abs. 1 Z 5 Aktiengesetz; § 96 Abs. 2 GmbHG). Dieser Zeitpunkt ist nur im Verhältnis zwischen den beteiligten Gesellschaften von Bedeutung und entfaltet ausschließlich obligatorische Wirkung (vgl. Schindler/Brix in Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum GmbHG, § 96 Tz 48). Diese Bestimmung wird in dem Sinn verstanden, dass (erst) ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag die Geschäfte und Maßnahmen der übertragenden Gesellschaft als für Rechnung der übernehmenden Gesellschaft erfolgt gelten (vgl. neuerlich Schindler/Brix, aaO, Tz 48; vgl. auch Kofler/Six in Kofler, UmgrStG
10, § 2 Tz 44: mit der Wortfolge "von dem an" sei im Ergebnis "nach dem" gemeint).
§ 2 Abs. 3 UmgrStG fingiert, dass das Einkommen der übertragenden Körperschaft so zu ermitteln ist, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des Verschmelzungsstichtages erfolgt wäre. Nach § 3 Abs. 1 Z 4 UmgrStG gilt für die übernehmende Körperschaft § 2 Abs. 3 leg. cit. mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages. Diese Regelungen für die übertragende und die übernehmende Körperschaft gewährleisten einen nahtlosen Übergang in körperschaftsteuerlicher Hinsicht (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum UmgrStG in der Stammfassung, BGBl. Nr. 699/1991, 266 BlgNR 18. GP 16 f; vgl. weiters Zöchling/Tüchler in Wundsam u.a., UmgrStG
5, § 3 Tz 21). Das unter Einsatz des übergehenden Vermögens erzielte Einkommen ist somit (erst) mit dem Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen (vgl. Kofler/Six in Kofler, UmgrStG10, § 2 Tz 41). Das Vermögen wird ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tag dem Rechtsnachfolger zugerechnet (vgl. Brandstätter/Puchner, SWK 2007, 1311 ff [1312]; vgl. weiters Hirschler/Sulz/Oberkleiner, BFGj 2018, 443 ff [446 f]: Grundsatz des Umgründungssteuerrechts, wonach der Rechtsnachfolger die übernommenen Rechtspositionen mit Beginn des dem Umgründungsstichtag folgenden Tages erwirbt).
Für den Übergang des vermögenswerten Anspruchs betreffend Mindeststeuern kann nichts anderes gelten. Diese Mindeststeuern standen bis zum Ablauf des Verschmelzungsstichtags der [
D-GmbH] zu. Für das mit dem Verschmelzungsstichtag endende Wirtschaftsjahr der [D-GmbH] (§ 2 Abs. 1 UmgrStG) war eine Veranlagung nach § 24 KStG 1988 oder - wie im vorliegenden Fall - eine Feststellung nach § 24a KStG 1988 vorzunehmen, in deren Rahmen (letztmals für die [D-GmbH]) auch eine Anrechnung der Mindeststeuern nach § 24 Abs. 4 Z 4 KStG 1988 (oder Zurechnung an das beteiligte Gruppenmitglied oder Gruppenträger nach § 24a Abs. 4 Z 2 KStG 1988) erfolgen konnte. Erst mit Beginn des auf den Verschmelzungsstichtag folgenden Tages standen diese (allenfalls durch die Anrechnung oder Zurechnung mit dem letzten Wirtschaftsjahr der [D-GmbH] reduzierten) Mindeststeuern der Rechtsnachfolgerin (der [Bf.]) zu. Bei dieser waren diese Mindeststeuern daher erst im Rahmen der Veranlagung (Feststellung Gruppenmitglied) jenes Veranlagungszeitraums zu berücksichtigen, in dem jenes Wirtschaftsjahr endete (§ 7 Abs. 5 KStG 1988), in welches der Tag nach dem Verschmelzungsstichtag fiel. Im Rahmen der Veranlagung (Feststellung Gruppenmitglied) des Kalenderjahres 2011 konnten die von der [D-GmbH] stammenden Mindeststeuern sohin bei der [Bf.] nicht berücksichtigt werden.
Soweit die [
B-GmbH] in der Revisionsbeantwortung für ihren Standpunkt auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 87/13/0080, verweist, ist zu bemerken, dass jenes Erkenntnis noch zum Strukturverbesserungsgesetz (insoweit betreffend Verlustvorträge) ergangen ist; die dort zu behandelnde Rechtslage wurde bereits mit der Stammfassung des UmgrStG geändert (vgl. z.B. , mit Hinweis auch auf die Gesetzesmaterialien). Für die hier strittige Frage des Zeitpunkts des Übergangs des Guthabens aus Mindeststeuern kann daraus nichts gewonnen werden.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
"

Vom Verwaltungsgerichtshof wurde mithin eindeutig klargestellt, dass entgegen der vom Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom vertretenen Rechtsansicht bei der Bf. im Rahmen der Veranlagung des Kalenderjahres 2011 die von der D-GmbH stammenden Mindestkörperschaftsteuern iHv 12.029,02 Euro noch nicht berücksichtigt werden können.

Die Berufung bzw. Beschwerde vom gegen den Feststellungsbescheid Gruppenmitglied 2011 vom ist demnach im zweiten Rechtsgang unter Verweis auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist unzulässig, da im Hinblick auf das besagte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2021/13/0015, die maßgebliche Rechtsfrage eindeutig geklärt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ro 2021/13/0015
VwGH, Ra 2015/15/0003
VwGH, Ra 2020/15/0076
VwGH, Ro 2016/13/0001
VwGH, 87/13/0080
VwGH, Ro 2017/15/0044
BFG, RV/7101072/2013
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101208.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at