Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.06.2022, RV/7104144/2020

Frühestmöglicher Beginn der Berufsausbildung - Rückforderung von Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juli 2019 bis November 2019 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 07-11/2019 zurückgefordert.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde als Begründung Folgendes ausgeführt:

"1. Meine Tochter hat im Mai 2019 die Maturaprüfung an der BISOP Baden bestanden.

2. Zeitgleich findet die Aufnahmsprüfung an der "Graphischen" statt, wobei neben dem 2tägigen Prüfungstermin eine umfangreiche Mappe mit Zeichnungen vorzulegen ist - Arbeitsaufwand mindestens 3 bis 4 Wochen

3. Nachdem die Maturaprüfung und Aufnahmeprüfung-Vorbereitung unmöglich gleichzeitig zu schaffen ist, war die Aufnahmsprüfung für die "Graphische" erst im nächsten Jahr möglich. Für die "Graphische" Kolleg ist Matura Voraussetzung. Meine Tochter hat sich entschlossen, nicht pro forma ein anderes Studium zwischenzeitlich zu inskribieren und die erforderlichen Prüfungen für die Gewährung der Familienbeihilfe zu absolvieren, wohl wissend, dass sie das Studium nie beenden wird. Anstelle dessen hat sie sich entschlossen, zwischenzeitlich zu "jobben" und sich auf Jobsuche zu begeben. Konsequenz: Anstelle Sozialleistungen zu konsumieren - Familienbeihilfe, Freifahrscheine, alle Begünstigungen einer Studienanmeldung "pro forma" mit Absolvierung einiger Prüfungen, ohne diesen Job jemals auszuüben (de facto also Missbrauch der sozialen Begünstigungen einer Studienanmeldung mit Absolvierung einiger Prüfungen), hat sie sich entschlossen, zwischenzeitlich zu arbeiten und Steuern zu zahlen. Als Konsequenz wurden mir die Familienbeihilfe für Juli bis November 2019 zurückgefordert. In diesem Zeitraum war sie nicht berufstätig und ohne Einkommen.

Meine Tochter war auch nur geringfügig beruflich tätig und liegt daher mit dem erzielten Einkommen deutlich unter der jeweiligen Zuverdiensthöhe in den Jahre 2019 und 2020 für die Gewährung der Familienbeihilfe."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Tochter des Bf. maturierte im Juni 2019 am Bundesinstitut für Sozialpädagogik in Baden. Ab dem Wintersemester 2020 besuchte sie die Höhere Graphische Bundes Lehr- und Versuchsanstalt Wien XIV. Vom 2-8/2020 war sie beim Amt der Nö Landesregierung nichtselbständig beschäftigt.

In der Beschwerde hat der Bf. im Wesentlichen vorgebracht, dass eine Vorbereitung auf die Matura und gleichzeitig auf die Aufnahmeprüfung für die Graphische für die Tochter des Bf. im Frühjahr 2019 nicht möglich gewesen sei.

Da der Antragsteller auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich verzichtet hat, erfolgt sofortige Vorlage an das Bundesfinanzgericht.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt geht aus den im Verfahrensgang genannten Unterlagen des Bf. hervor, die mit dem Vorlagebericht übermittelt wurden und vom Finanzamt nicht bestritten wurden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter anderem Anspruch auf Familienbeihilfe "für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird".

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Tochter des Bf. ab Juli 2019 zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 mit einer weiteren Berufsausbildung begonnen hat.

Nach Ansicht des Finanzamtes und des Bundesfinanzgerichts hätte die Tochter des Bf. die tatsächliche Berufsausbildung im Wintersemester 2019 mit einer Ausbildung beginnen müssen, um das Erfordernis des frühestmöglichen Beginns gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 zu erfüllen.

Weiters wird angemerkt, dass die Möglichkeit zeitnah nach der Regelmatura im Frühsommer 2019, wie sie die Tochter der Bf. wie der Großteil der Maturanten abgelegt hat, bspw. im darauffolgenden Herbst 2019 ein adäquates Studium zu beginnen, grundsätzlich bestanden hätte.

Der frühestmögliche Zeitpunkt für den Studienbeginn ist jener, zu dem ein die Aufnahmevoraussetzungen Erfüllender mit dem Studium beginnen hätte können. Nicht von Relevanz ist, ob zur Studienvorbereitung Vorbereitungskurse zu absolvieren oder Aufnahmsprüfungen zu bestehen waren. Daher kann es dahingestellt bleiben, ob neben der Maturavorbereitung auch die Vorbereitung auf die Aufnahmsprüfung möglich gewesen wäre.

Beispielsweise fällt der Beginn eines Wunschstudiums durch ein Kind, das nach mehreren Aufnahmeprüfungen an verschiedenen Ausbildungsstätten nach über einem Jahr an einer bestimmten Universität aufgenommen wurde, nicht mehr unter den Tatbestand des frühestmöglichen Zeitpunkts des Studiumbeginns (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG,2. Aufl. 2020, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs. 1 lit b-l) [Rz 132].

Insgesamt ist daher das Bundesfinanzgericht zum Erkenntnis gelangt, dass der Beginn des Studiums der Tochter der Bf. im Herbst 2020 nach Ablegen der Matura im Frühsommer 2019 nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt ist. Diesbezüglich wird auch auf obige Ausführungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt des Beginns des Studiums Bezug genommen.

Das Bundesfinanzgericht ist zur Ansicht gelangt, dass im beschwerdegegenständlichen Zeitraum keine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 idgF vorlag, und weiters, dass kein frühestmöglicher Studienbeginn der Tochter der Bf. iSd § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 idgF (im Herbst 2020 nach bestandener Regelmatura im Frühsommer 2019) erfolgte.

Da die Voraussetzungen für Anspruch auf Familienbeihilfe iSd § 2 Abs. 1 lit. b und lit. d FLAG 1967 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung aus oben angeführten Gründen nicht erfüllt sind, ist die Beschwerde abzuweisen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, sind nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (siehe zB. ).

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auf zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge sinngemäß anzuwenden.

Was unter "Berufsausbildung" zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dann vor, wenn neben dem laufenden Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung das ernstliche und zielstrebige, nach Außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg deutlich zum Ausdruck kommt (). Der VwGH hat hierzu in ständiger Rechtsprechung u.a. noch folgende Kriterien entwickelt (vgl. z.B. ; ; ):

- Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen.

- Das Ablegen von Prüfungen ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Diese liegt daher nur vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung von vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist.

- Die Voraussetzungen einer Berufsausbildung können vorliegen, wenn das Kind die erforderlichen Prüfungen ablegen will und sich darauf tatsächlich und zielstrebig vorbereitet. Dies ist dann anzunehmen, wenn die Vorbereitung auf die Prüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt.

Bei einer Berufsausbildung im Rahmen eines Studiums, d.h. bei Besuch einer in § 3 StudFG 1992 genannten Einrichtung, sind die Anspruchsvoraussetzungen nur dann erfüllt, wenn die im zweiten bis letzten Satz des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG näher festgelegten Voraussetzungen vorliegen. Nach dieser Bestimmung gelten die im Studienförderungsgesetz 1992 angeführten Regelungen auch für die Gewährung der Familienbeihilfe. Anspruch auf Familienbeihilfe liegt demnach nur vor, wenn nach § 16 StudFG 1992 ein günstiger Studienerfolg vorliegt.

Ein günstiger Studienerfolg liegt vor, wenn der Studierende

1. sein Studium zielstrebig betreibt

2. die vorgesehene Studienzeit nicht wesentlich überschreitet

3. Nachweise über die erfolgreiche Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vorlegt (§§ 20 bis 25 StudFG).

Als Zeiten der "Berufsausbildung" gelten daher nur solche Zeiten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die Tochter des Bf. im Streitzeitraum unbestrittenermaßen keine Lehrveranstaltungen besucht.

Da die Voraussetzungen für Anspruch auf Familienbeihilfe iSd § 2 Abs. 1 lit. b und lit. d FLAG 1967 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung aus oben angeführten Gründen nicht erfüllt sind, ist die die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den strittigen Zeitraum ist somit zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung stützt sich auf die darin zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daher liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at