Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.06.2022, RV/7101514/2022

Familienbeihilfe: Rückforderung, da im Streitzeitraum kein gültiger Aufenthaltstitel für das anspruchsvermittelnde Kind vorliegt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Bf., Adresse, vertreten durch
s-dax.com steuerberatung gmbh, 3011 Untertullnerbach, Hauptstraße 32, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis April 2020, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Das Finanzamt forderte vom Beschwerdeführer (Bf) mit Bescheid vom die für die am xx.xx.2014 geborene A.B. (Enkeltochter des Bf.) für den Zeitraum Juni 2019 bis April 2020 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 26 FLAG 1967 mit der Begründung zurück, dass Familienbeihilfe ab dem Monat ausgezahlt werde, in dem Asyl zuerkannt worden sei. Es gelte das Datum des Asylbescheides (§ 3 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Gegen den Rückforderungsbescheid wurde am Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass auf Grund des Obsorgebeschlusses vom unverzüglich Mitte Juni 2019 ein entsprechender Antrag auf humanitäres Bleiberecht des Kindes vom Bf. gestellt worden sei. Ab diesem Zeitpunkt sei der Aufenthalt des Kindes legal. Im Falle legalen Aufenthalts im Inland im gemeinsamen Haushalt der obsorgeberechtigten Person(en) sei Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 2 u. 4 FLAG zu gewähren.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Gem. § 3. (1) FLAG 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

Für A.B. wurde gem. § 55 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AsylG die Aufenthaltsbewilligung vom bis zuerkannt.

Die Auszahlung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2019 bis April 2020 erfolgte zu Unrecht und ist daher zurückzufordern."


Der Bf. stellte am ohne Begründung einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt:

Der Bf. ist österreichischer Staatsbürger.

A.B., geboren am xx.xx.2014, ist seine Enkeltochter.

Der Bf. wurde mit Obsorgebeschluss vom mit ihrer Erziehung betraut.

A.B. besitzt die mongolische Staatsbürgerschaft.

Sie hat seit einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG aus berücksichtigungswürdigen Gründen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK . Vorher hatte sie keinen gültigen Aufenthaltstitel. Der Antrag auf internationalen Schutz war abgewiesen und dem Kind kein Asylstatus zuerkannt worden. Auch der Status einer subsidiär Schutzberechtigten war nicht zuerkannt worden.

Beweiswürdigung:

Die allgemeinen personenbezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Feststellungen bezüglich Aufenthaltstitel sind dem im Verwaltungsakt erliegenden Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister IZR entnommen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für in dieser Bestimmung festgelegte Voraussetzungen erfüllende Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe.

Im Sinne des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 sind Kinder einer Person

  1. deren Nachkommen,

  2. deren Wahlkinder und deren Nachkommen,

  3. deren Stiefkinder,

  4. deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 Niederlassungs-und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

In den §§ 8 und 9 NAG sind alle Aufenthaltstitel aufgezählt, die bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen zu einem Bezug von Familienbeihilfe berechtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Regelung des § 3 FLAG 1967 ist es seit erforderlich, dass sowohl der anspruchsberechtigte Elternteil als auch das anspruchsvermittelnde Kind bzw. jene Person mit Eigenanspruch über einen dieser Aufenthaltstitel verfügt.

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz trat gemäß § 82 Abs. 1 NAG mit in Kraft. Die Übergangsbestimmungen sind in § 81 NAG geregelt.

§ 8 NAG lautet:

(1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

1. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß §§ 20d Abs. 1 Z 1 bis 4 oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

2. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

3. Aufenthaltstitel "Blaue Karte EU", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 5 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

4. "Niederlassungsbewilligung", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;

5. "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;

6. "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt;

7. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

8. Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" (Z 7) zu erhalten;

9. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

10. "Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).

(2) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.

(3) Die Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Z 10) von Ehegatten, eingetragenen Partnern und minderjährigen ledigen Kindern hängt vom Bestehen der Aufenthaltsbewilligung des Zusammenführenden ab (§ 69).

(4) Unbeschadet der §§ 32 und 33 ergibt sich der Berechtigungsumfang eines Aufenthaltstitels aus dem 2. Teil."

§ 9 NAG betrifft die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.

§ 2 FLAG 1967 legt die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

§ 3 FLAG 1967 stellt ergänzend für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates haben, weitere besondere Voraussetzungen auf. § 3 leg.cit. enthält Regelungen für den Familienbeihilfenbezug durch Fremde und für Fremde, also jeweils durch oder für Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG). § 3 Abs. 2 leg.cit. bezieht sich auf den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Kinder (§ 2), die nicht österreichische Staatsbürger sind.

Das FLAG knüpft hierbei an die Bestimmungen des NAG betreffend die jeweiligen Aufenthaltstitel an, sofern sich aus dem Unionsrecht nichts anderes ergibt.

Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1), und das anspruchsvermittelnde Kind (Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 oder nach § 9 NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen kommen.

Im vorliegenden Fall lag unstrittig im Rückforderungszeitraum kein Aufenthaltstitel der Enkeltochter des Bf. vor.

Da die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 - neben dem Vorliegen der allgemeinen anspruchsbegründenden Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe - in jedem Fall das Vorliegen von Aufenthaltstiteln gemäß § 8 und 9 NAG sowohl für den Antragsteller als auch das anspruchsvermittelnde Kind verlangen (s. auch die Homepage https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/familie/familienbeihilfe/familienbeihilfe-fuer-drittstaatsangehoerige.html ), hat dies zur Folge, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu verneinen ist, wenn entweder nur der Anspruchsberechtigte oder nur das Kind über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt (vgl. ; ; ; ; vgl. auch Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Zufolge der vorstehenden rechtlichen Ausführungen irrt der Bf., wenn er vermeint, dass ihm die Familienbeihilfe im Rückforderungszeitraum zustand, da sich das Aufenthaltsrecht und damit der Anspruch auf Familienbeihilfe vom gültigen Aufenthaltstitel des Kindes ableitet (). Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels wirkt ex nunc, d.h. erst ab dem Zeitpunkt der Erteilung und nicht rückwirkend (vgl. mit Hinweis auf ).

Es mag sein, dass sich das Enkelkind des Bf. im Beschwerdezeitraum auf Grund der Bestimmungen des FPG rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Darauf kommt es aber nicht an (vgl. ).

Demgemäß ist in gegenständlichem Fall auch nicht zu prüfen, ob Familienbeihilfe, trotz fehlenden Aufenthaltstitels für einen bestimmten Zeitraum, was beschwerdegegenständlich Streitpunkt ist, gewährt werden könnte, da ex lege ein formaler Anknüpfungspunkt an einen für den jeweiligen Zeitraum fehlenden Aufenthaltstitel iSd NAG § 8 (und § 9) vorliegt, und bei fehlendem Aufenthaltstitel für einen bestimmten Zeitraum eine unabdingbare Voraussetzung für den allfälligen Anspruch auf Familienbeihilfenbezug nicht erfüllt ist, was für den Streitzeitraum Zeitraum zutrifft. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. ; ; Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Das Finanzamt forderte daher vom Bf. zu Recht die für den Streitzeitraum bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurück.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Unzulässigkeit der Revision:

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur folgt.

Wien, am

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