Haftung gemäß § 9 BAO: keine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn ein anderer Geschäftsführer für die abgabenrechtlichen Belange der Primärschuldnerin zuständig war.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Julius Morak & Mag. Franz Harrand Wirtschaftstreuhand GmbH & Co KG Steuerberatungsgesellschaft, Bahnstraße 7, 2345 Brunn am Gebirge, über die Beschwerde das Haftungspflichtigen vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Vertreter, der Vertreterin der belangten Behörde und der Schriftführerin zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid - ersatzlos - aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde Herr ***Bf1*** als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 ff BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der A-GmbH, Wien, im Ausmaß von € 677.763,55 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.
Die Haftung werde hinsichtlich folgender Abgabenschuldigkeiten geltend gemacht:
Lohnsteuer 05/2009 in Höhe von € 27.814,61
Dienstgeberbeitrag 05/2009 in Höhe von € 3.782,60
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 05/2009 in Höhe von € 780,68
Körperschaftsteuer 2007 in Höhe von € 99.398,21
Anspruchszinsen 2007 in Höhe von € 2.298,19
Lohnsteuer 06/2009 in Höhe von € 13.526,01
Dienstgeberbeitrag 06/2009 in Höhe von € 12.640,12
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/2009 in Höhe von € 1.123,57
Umsatzsteuer 05/2009 in Höhe von € 143.472,73
Körperschaftsteuer 07-09/2009 in Höhe von € 36.626,00
Umsatzsteuer 06/2009 in Höhe von € 314.801,82
Dienstgeberbeitrag 2006 in Höhe von € 6.082,25
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006 in Höhe von € 540,64
Lohnsteuer 2006 in Höhe von € 14.876,12.
Summe € 677.763,55.
Als Begründung wurde nach §§ 9 und 80 BAO sowie § 1298 ABGB Folgendes ausgeführt:
"1.) Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
2.) Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufene Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
3.) Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
4.) Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und wird subsidiär geltend gemacht unter der Voraussetzung der objektiven Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden.
5.) Sie waren vom bis zur Insolvenzeröffnung im Firmenbuch eingetragener handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa. A-GmbH (FN 100). Sie waren somit mit der Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten betraut.
6.) Schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Die Haftungsinanspruchnahme setzt eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören vor allem die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet, die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war.
7.) Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten: Gemäß § 21 Abs 1 UStG 94 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuß unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 UStG selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.
8.) Der Geschäftsführer haftet auch dann für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.
9.) Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. Eine solche Ausnahme besteht auch für die Kapitalertragssteuer.
10.) Es wird auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auf Nebenansprüche erstrecken.
11.) Die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide sind dem Konvolut beigefügt."
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird der Haftungsbescheid wie folgt angefochten:
"1. Beschwerde gemäß § 243 BAO
Die Beschwerde richtet sich gegen die rechtswidrige Inanspruchnahme unseres Mandanten im Wege der Haftung gemäß den §§ 9 und 80 BAO.
Wir beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften ersatzlos aufzuheben.
Als Begründung führen wir an, dass aus der Begründung im angefochtenen Haftungsbescheid, welche fast ausschließlich aus Standardbegründungen besteht und nicht auf den konkreten Sachverhalt eingeht, nicht zu entnehmen ist, worauf sich die Behauptung der Abgabenbehörde hinsichtlich der schuldhaften Pflichtverletzung unseres Mandanten stützt, sowie auf welche Überlegungen und Beweise sich die Ermessensentscheidung zur Heranziehung unseres Mandanten zur Haftung stützt. Bereits im Jahr 2011 (gemeint wohl richtig: ) hat das Bundesfinanzgericht (GZ. RV/7103046/2011) den am erlassenen Haftungsbescheid zum gleichen Sachverhalt unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde - unter Hinweis auf die amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde hinsichtlich des tatsächlichen Haftungsbetrages - aufgehoben. Nun wurde von der Abgabenbehörde ein neuerlicher Haftungsbescheid mit einer wesentlich geringeren Summe erlassen, welcher die wortgleiche (!) Begründung in den Punkten 1-10 enthält, nur der Punkt 11 mit dem Hinweis auf die Übersendung der der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide wurde der Begründung hinzugefügt. Ansonsten ist die Bescheidbegründung jedoch wörtlich ident! Somit geht die Abgabenbehörde weder auf die einzelnen Abgabenarten konkret, noch auf jene Beweise ein, welche bereits im ersten Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid aus dem Jahr 2011 vorgebracht worden sind. Diese würden beweisen, dass unser Mandant kein schuldhaftes Verhalten hinsichtlich einer Gläubigerbevorzugung bzw. einer Ungleichbehandlung gesetzt hat.
Das gesamte Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. B. vom September 2010 wurde dem Vorlageantrag vom beigelegt und ist somit seither aktenkundig. Die Behörde ist jedoch in keinster Weise auf diesen Beweis eingegangen, und hat auch nicht begründet, worin sie entgegen der Meinung des Sachverständigen ein schuldhaftes Verhalten unseres Mandanten sieht. Somit liegt nahe, dass dieser Beweis von der Behörde gar nicht gewürdigt worden ist. Die Staatsanwaltschaft Wien hat weiters gegen unseren Mandanten unter anderem wegen Betrug, betrügerischer Krida, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung ermittelt und in allen Punkten die Ermittlungen am eingestellt, da keine stichhaltigen Beweise für die vorgebrachten Vorwürfe vorgelegen haben (siehe beigefügte Benachrichtigung über die Einstellung des Verfahrens). Somit ist bewiesen, dass unser Mandant weder kridaverdächtiges noch gläubigerschädigendes Verhalten gesetzt hat. Auch wird dadurch nachgewiesen, dass unserem Mandanten keine schuldhafte Pflichtverletzung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachgewiesen werden konnte, da er auch hinsichtlich des § 159 StGB das Verfahren eingestellt worden ist.
Zur Gleichmäßigkeit der Verteilung der vorhandenen Mittel vor Insolvenzeröffnung halten wir fest, dass das Abgabenkonto der A-GmbH am noch den Saldo € 0,00 hatte und bis zur Insolvenzeröffnung noch Zahlungen ans Finanzamt in Höhe von insgesamt € 171.252,80 geleistet worden sind. Ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit wurden die Zahlungen insgesamt eingestellt. Auch dieser Punkt wurde im Gutachten geprüft und keine Gläubigerbevorzugung seitens des Gutachters festgestellt.
Hinsichtlich der materiellen Unrichtigkeit des Haftungsbescheides halten wir fest, dass die Lohnabgaben für Juni 2009 zwar ans Finanzamt in voller Höhe gemeldet, jedoch sind die Löhne und Gehälter für Juni 2009 nachweislich nicht mehr entrichtet worden (siehe Gutachten Dr. B. Seite 35f). Daher hätten die Lohnabgaben ab Juni 2009 nicht mehr ans Finanzamt gemeldet werden dürfen, da mangels Lohnzahlungen auch keine Verpflichtung zur Entrichtung der davon abgeleiteten Lohnabgaben mehr bestanden hat. Eine Berichtigung dieser Lohnabgabenmeldung ist leider sowohl seitens unseres Mandanten als auch später seitens des Ausgleichs- bzw. Masseverwalters unterblieben, obwohl die Lohnabgaben für Juli und August 2009 wieder storniert worden sind. Somit trifft unseren Mandanten bezüglich der Lohnabgaben Juni 2009 keine persönliche Haftung und kann diese auch insoweit nicht geltend gemacht werden. Weiters sind in der UVA für Juni 2009 für hohe Ausgangsrechnungen die Umsatzsteuer gemeldet worden, obwohl der Masseverwalter später mit den einzelnen Kunden Vergleiche über die Höhe der zu bezahlenden Beträge geschlossen hat und von den Kunden nur mehr Bruchteile dieser Rechnungen tatsächlich an den Masseverwalter entrichtet worden sind. Somit sind die Umsatzsteuerbeträge viel zu hoch ausgewiesen und mangels einer späteren Entrichtung werden diese Beträge auch nicht geschuldet. Eine Haftung unseres Mandanten ist diesbezüglich daher ebenso ausgeschlossen.
Herr ***Bf1*** hat als Geschäftsführer der A-GmbH mit dem ihm frei zur Verfügung stehenden Mitteln alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt, was gutachterlich nachgewiesen ist. Herr ***Bf1*** hat weiters stets dafür Sorge getragen, dass die Abgabenerklärungen und Meldungen von Selbstberechnungsabgaben fristgerecht eingebracht wurden. Eine Haftungsinanspruchnahme der gesetzlichen Vertreter für nicht einbringliche Abgaben, welche infolge schuldhafter Verletzung ihrer Pflichten uneinbringlich wurden, ist in diesem Fall nicht gegeben. Wie im Vorhergehenden bereits darauf hingewiesen wurde, kam es vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu keiner Bevorzugung von Einzelgläubigern oder Gläubigergruppen, da die fälligen Verbindlichkeiten immer gleichmäßig befriedigt wurden. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Mandanten als wesentliches Merkmal zur Begründung einer persönlichen Haftung liegt daher nicht vor.
Weiters ist für die haftungsgegenständlichen Abgaben aus den Jahren 2006 bis 2009 bereits die Einhebungsverjährung eingetreten, welche einer Inanspruchnahme zur Haftung unseres Mandanten ebenfalls entgegensteht.
Somit ist der gegenständliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Verletzung Verfahrensvorschriften ersatzlos aufzuheben.
2. Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO
Für den Fall der Vorlage unserer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zu Entscheidung, beantragen wir die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO.
Wir ersuchen um Stattgabe unserer Beschwerde."
Der Beschwerde wurde eine Ablichtung einer Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer wegen Betrugs u.a. Straftaten der Staatsanwaltschaft Wien vom beigelegt, wonach Betrugsvorsatz, kridaträchtige Handlungen, (allenfalls betrügerisches) Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie die Zueignung von anvertrautem Gut mit Bereicherungsvorsatz nicht erweislich sind.
Mit Beschwerdevorentscheidung des damaligen Finanzamtes 2/20/21/22 vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Haftung von € 677.763,55 auf € 628,974,87 abgeändert mit folgender Begründung:
"Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO sind somit
• eine Abgabenforderung gegen die Vertretene (Gesellschaft),
• die Stellung als Vertreter,
• die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung,
• eine Pflichtverletzung des Vertreters,
• dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und
• die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Laut Firmenbuch war der Beschwerdeführer im Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung am der A-GmbH (FN 100) deren selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer. Er zählt damit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertretern und kann somit zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden.
Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht im gegenständlichen Fall fest aufgrund der unbestrittenen Feststellungen, dass der Konkurs laut Beschluss des Gerichtes vom xx.xx.2018, GZ. ***1***, nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben wurde und die Firma A-GmbH gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde.
Außer Streit steht weiters, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben in der Zeit fällig geworden sind, für die der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der A-GmbH bestellt war.
Mit dem Haftungsbescheid vom wurde dem Beschwerdeführer eine detaillierte Aufgliederung des Haftungsbetrages nach Abgabenarten und Zeiträumen bzw. der jeweiligen Höhe und Fälligkeit nach zur Kenntnis gebracht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ( mwN). Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer ist vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen.
Der entsprechende schriftliche Nachweis einer anteiligen Befriedigung und damit einer Gleichbehandlung aller Gläubiger wurde nicht erbracht, somit von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer der Freispruch wegen § 159 StGB vor einer Geschäftsführerhaftung nicht befreit, da es gem. § 9 BAO ohne Bedeutung ist, ob dem Beschwerdeführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit getroffen hat oder nicht.
Hinsichtlich des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen - welches in der Beschwerde vom Beschwerdeführer angeführt wird - darf darauf hingewiesen werden, dass dieser festgestellt hat: "Dass die Geschäftsführer die Befriedigung von Gläubigern der Gesellschaft nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vereitelt oder geschmälert haben, ergab sich schon zwangsläufig durch die Fortführung der Geschäftsaktivitäten in den Monaten ab Juni 2009" (Gutachten des Buchsachverständigen Dr. B. vom zu GZ ***2***).
Da laut Gutachten des Buchsachverständigen Dr. B. bis einschließlich Mai 2009 die Löhne und Gehälter immer pünktlich und vollständig bezahlt wurde und ab Juni 2009 keine Löhne und Gehälter mehr ausbezahlt wurden, wurde der Beschwerde teilweise statt gegeben und die Haftung um die Lohnsteuer 06/09 in der Höhe von € 13.526,01, den Dienstgeberbeitrag 06/09 in der Höhe von € 12.640,12, den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/09 in der Höhe von € 1.123,57, um die Lohnsteuer 2006 in der Höhe von € 14.876,12, den Dienstgeberbeitrag 2006 in der Höhe von € 6.082,25 sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006 in der Höhe von € 540,64 eingeschränkt.
Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.
Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Ist eine Einbringlichmachung bei der Primärschuldnerin unzweifelhaft nicht möglich, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().
Es war daher zweckmäßig, den Beschwerdeführer zur Haftung für jene Abgaben, die aufgrund seines pflichtwidrigen Verhaltens bei der Gesellschaft uneinbringlich geworden sind, heranzuziehen."
Im Vorlageantrag vom wird wie folgt ausgeführt:
"1. Vorlageantrag
Im Namen und Auftrag unseres Mandanten, Herrn ***Bf1*** beantragen wir innerhalb offener verlängerter Frist unsere Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid ausgestellt am , beim Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Unserer Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom , eingelangt am , Rechtsmittelfrist verlängert bis nur teilweise stattgegeben.
Hinsichtlich der Anträge und Begründung verweisen wir vollinhaltlich auf unsere oben genannte Beschwerde und möchten diese noch wie folgt ergänzen:
Gemäß den beigefügten Unterlagen ist ersichtlich, dass im Rahmen des Insolvenzverfahrens der A-GmbH, welche mit xx.xx.2009 ein Ausgleichsverfahren angestrebt hatte, dieses jedoch am xx.xx.2019 (gemeint wohl richtig: 2009) in einem Konkursverfahren endete, sehr hohe Kundenforderungen aushafteten. Leider sind diese großteils gar nicht bzw. nur mit geringen Vergleichssummen bezahlt worden, welche damals durch den Masseverwalter geschlossen worden waren. Weiters wurden in den letzten Jahren einige Kunden auf Zahlung geklagt, It. beigefügtem Schreiben des Masseverwalters wurden diese jedoch auch verloren, wodurch es zusätzlich zu Ausfällen bei den offenen Kundenforderungen kam. Weiters wurden Bankgarantien von Kunden gezogen, welche den Schaden für die Gesellschaft noch zusätzlich erhöhte. Gemäß der beigefügten Aufstellung ist ersichtlich, dass der Gesamtbetrag der nicht einbringlichen Kundenforderungen netto € 3.884.500,24 beträgt. Davon beträgt der bisher versteuerte und It. UVAs somit geschuldete Umsatzsteuerbetrag insgesamt € 586.117,82!
Unser Mandant wird jedoch im Zuge des Haftungsbescheides für die UVA Mai 2009 in Höhe von € 143.472,73 sowie für Juni 2009 mit € 314.801,82 zur Haftung herangezogen, obwohl diese Beträge letztendlich von den Kunden nie bezahlt wurden. Gemäß § 16 UStG ist aufgrund der Änderung der Bemessungsgrundlage eine Berichtigung der Umsatzsteuer vorzunehmen.
Dies ergibt aufgrund der beigefügten Aufstellung eine Gutschrift in Höhe von € -586.177,82. Dieser Betrag übersteigt bei weitem den von unserem Mandanten geforderten Haftungsbetrag für Umsatzsteuer. Weiters haftet unser Mandant nur bei Verschulden sowie einem tatsächlichen Ausfall und somit einem entstandenen Schaden für die Abgabenbehörde. Dieser Schaden liegt hier insofern nicht vor, da es zu keiner Umsatzsteuerschuld und somit keinem Haftungsbetrag kommt, wenn die bisher der Umsatzsteuer unterworfenen Kundenforderungen nicht bezahlt werden und somit gemäß § 16 UStG eine Berichtigung der Umsatzsteuer vorzunehmen ist. Da mangels Zahlung durch die Kunden diese auch keinen Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen hatten, erleidet die Abgabenbehörde durch die Nichtbezahlung der Umsatzsteuervoranmeldungen keinen Schaden, da sie die Vorsteuern auch nicht erstattet hat. Da die ursächliche Abgabenforderung durch die Berichtigung zur Gänze wegfällt, ist der wesentlichste Grund für die Erlassung eines Haftungsbescheides - nämlich eine Abgabenforderung gegen die Gesellschaft - weggefallen und somit erweist sich der Haftungsbescheid insoweit er Umsatzsteuerforderungen betrifft jedenfalls als rechtswidrig.
Die Körperschaftsteuervorauszahlung 2009 wurde mit € 50.000,00 festgesetzt, dies würde einen Gewinn von € 200.000,00 voraussetzen. Eine Gesellschaft, welche in diesem Jahr in Konkurs gegangen ist, und tatsächlich einen Verlust in Höhe von mehreren Millionen Euro erlitten hat, schuldet nur die Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von € 1.750,00. Somit ist der geltend gemachte Vorauszahlungsbetrag von € 36.626,00 zu unrecht zu hoch festgesetzt. Eine Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde bereits eingebracht. Die Veranlagung des Jahres 2009 erfolgte mangels Abgaben von Steuererklärungen durch den Masseverwalter im Schätzungswege mit einem Gewinn von € 200.000,00. Diese Schätzung entbehrt jeglicher Grundlage, wurde jedoch vom Masseverwalter nicht bekämpft und wird daher nun von unserem Mandanten ebenfalls angefochten. Somit ist eine Geltendmachung der Haftung für eine offensichtlich falsch festgesetzte Körperschaftsteuer ebenfalls unzulässig, da die Abgabenschuld nur entsteht, wenn der It. Gesetz definierte Sachverhalt verwirklicht wird, welcher zu einer Abgabenschuld führt. Mangels erzieltem Gewinn ist für das Jahr 2009 keine Körperschaftsteuerpflicht entstanden, welche über die Mindestkörperschaftsteuer hinausgeht. Somit ist der Haftungsbescheid auch in diesem Punkt rechtswidrig ergangen. Weiters liegt der Fälligkeitszeitpunkt für die Entrichtung der Vorauszahlung für das 3. Quartal 2009 in der 60 Tage-Frist vor Insolvenzanmeldung, in welchem keine Zahlungen von unserem Mandanten für die Gesellschaft getätigt worden sind. Das gleiche gilt für die Fälligkeit der Körperschaftsteuer 2007 in Höhe von € 99.398,21, sowie der Lohnabgaben für Mai 2009, welche am bzw. am zur Zahlung fällig waren. Der 60 - Tage-Zeitraum vor Insolvenzeröffnung begann am xx.xx.2009, daher ist auch hier keine Schädigung der Abgabenbehörde eingetreten, da ab diesem Zeitpunkt gar keine Zahlungen mehr erfolgt sind, somit alle Gläubiger gleich behandelt worden sind und es zu keiner quotalen Schädigung der Abgabenbehörde gekommen ist.
2. Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO
Wir beantragen die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 1 BAO.
Wir ersuchen um Stattgabe unserer Beschwerde."
Dem Vorlageantrag angeschlossen sind rund 90 Seiten Unterlagen über Schlussrechnungen, Garantien, Haftrücklass und Sicherstellungsurkunden etc.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gemäß § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der entsprechenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, dessen schuldhafte Pflichtverletzung sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit ().
Uneinbringlichkeit der Abgaben nach Insolvenzverfahren:
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (; ). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (; ). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (; ).
Nachdem zunächst am ein Ausgleichsverfahren angestrebt wurde, hat das Handelsgericht Wien mit Beschluss vom das Konkursverfahren über das Vermögen der A-GmbH eröffnet. Nach Verteilung an die Massegläubiger gem. § 124a IO wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien das Konkursverfahren aufgehoben.
Entscheidungen über Rechtsmittel müssen zudem berücksichtigen, ob die haftungsgegenständliche Abgabenschuld zwischen Erlassung des Haftungsbescheids, Einbringung der Beschwerde und materielle Entscheidung in der Sache durch das Bundesfinanzgericht entrichtet wurde. Die im Bescheid aufgelisteten Haftungssummen (Ausnahme: die Umsatzsteuervorauszahlung 05/2009 mit einem Betrag von € 141.718,73 gegenüber den im Haftungsbescheid dargestellten Betrag von € 143.472,73) haften am Abgabenkonto als von der Einbringung ausgesetzte Abgaben noch zur Gänze unberichtigt aus. Die nach Abschluss des Insolvenzverfahrens überwiesene Quote von € 4.458,82 wurde am mit Fälligkeitstag am am Abgabenkonto der GmbH gebucht und bei Ausstellung des Haftungsbescheides schon berücksichtigt.
Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO:
§ 238 BAO regelt die - für die Erlassung eines Haftungsbescheides relevante - Verjährung fälliger Abgaben. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe (). Für Abgaben des Jahres 2004 war dies rechnerisch mit Ablauf des Jahres 2009 eingetreten, sofern keine Unterbrechungshandlung gesetzt worden wäre.
Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Unterbrechungshandlung im Sinne des § 238 Abs. 2 BAO zählt, dass sie nach außen in Erscheinung tritt und erkennbar den Zweck verfolgt, den Anspruch gegen einen bestimmten Abgabenschuldner durchzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Amtshandlung zur Erreichung des angestrebten Erfolges konkret geeignet ist und ob der Abgabenschuldner von der Amtshandlung Kenntnis erlangte (vgl. z.B. Ritz, BAO5, § 238 Tz 12, mit Hinweisen auf die hg. ständige Judikatur; ; ).
§ 9 Abs. 1 Insolvenzordnung (IO): Durch die Anmeldung im Insolvenzverfahren wird die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Schuldner beginnt von neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluß über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden ist
Da in der Beschwerde Einhebungsverjährung eingewendet wird ist festzuhalten, dass aus dem Akt zu ersehen ist, dass die Primärschuldnerin am einen Antrag auf Eröffnung eines Ausgleichsverfahrens gestellt hat und das Verfahren am in ein Konkursverfahren mündete. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens war eine Einhebungsverjährung für die im Haftungsbescheid dargestellten Abgaben der Jahre 2006 bis 2009 noch nicht eingetreten.
Das Konkursverfahren wurde am (siehe oben) beendet.
Da die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist, iSd § 9 Abs. 1 IO von neuem zu laufen beginnt (vgl. ; ; ), der nunmehr angefochtene Bescheid innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist ab Beendigung des Insolvenzverfahrens am erlassen wurde, ist die Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben im Gegensatz zur in der Beschwerde geäußerten Rechtsansicht gemäß § 238 BAO nicht verjährt.
Schuldhafte Pflichtverletzung als Voraussetzung gemäß § 9 BAO:
Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist jedoch nicht gefordert, weshalb auch leichte Fahrlässigkeit genügt (z. B. , , 95/15/0137). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Unterbleibt der Nachweis, kann die Behörde die uneinbringlichen Abgaben dem Vertreter zur Gänze vorschreiben (). Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die z.B. der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (). Dem Vertreter obliegt es, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen.
Unbestritten war bis zur mündlichen Verhandlung am , dass dem Beschwerdeführer laut Eintragung im Firmenbuch von bis als alleinigem selbstständig vertretungsbefugten Geschäftsführer der Primärschuldnerin und von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am über deren Vermögen neben einem weiteren Geschäftsführer die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.
In der mündlichen Verhandlung am wurde von der steuerlichen Vertreterin eingewendet, dass ab für die kaufmännischen Belange der A-GmbH ausschließlich Herr C. verantwortlich gewesen ist. Er war schon als Prokurist für die abgabenrechtliche Belange der A-GmbH zuständig und ab seiner Bestellung zum Geschäftsführer innerhalb der GmbH alleinverantwortlich. Der Beschwerdeführer war ab diesem nur mehr für die technischen Belange der A-GmbH (Baustellenbetreuung) verantwortlich.
Einem in der Verhandlung vorgelegten Konvolut an Unterlagen (das nach Einsichtnahme zurückgegeben wurde) ist zu entnehmen, dass C. die abgabenrechtlichen Pflichten der A-GmbH wahrgenommen hat.
Demnach hat er als Verfüger über die Firmenkonten die erforderlichen Überweisungen vorgenommen.
Aus dem Akt ist dazu eine Aussage des damaligen steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers vor dem (Niederschrift über die mündliche Verhandlung) zu entnehmen:
"Die Zahlungsabwicklung und die Detailnachweise wurden von Herrn Kronika durchgeführt (Mitgeschäftsführer); sollte dieser Nachweis der Abgabenbehörde zu wenig sein, wird die Einvernahme von Herrn C. als Zeuge beantragt." (Anmerkung: dieser Beweisantrag wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht nochmals gestellt.)
Im hg. Akt RV/7103046/2011 erliegt das Gutachten des zu GZ. ***2*** des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bestellten Sachverständigen Dr. B. vom , der immer von Geschäftsführern spricht, nicht von einer bestimmten Person.
Dass eine schriftliche Vereinbarung innerhalb der A-GmbH getroffen worden wäre, wonach der andere Geschäftsführer und nicht der Beschwerdeführer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut gewesen wäre, wurde vom Beschwerdeführer bis zur mündlichen Verhandlung am nicht behauptet und war auch aus der Aktenlage so nicht ersichtlich.
Nachdem die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung jedoch ergeben hat, dass der Beschwerdeführer nicht für die abgabenrechtlichen Pflichten der A-GmbH im Zusammenhang mit den haftungsgegenständlichen Abgaben verantwortlich war, liegen die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme als Haftender gemäß § 9 BAO mangels schuldhafter Pflichtverletzung durch den Beschwerdeführer nicht vor.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Ein Eingehen auf weitere Beschwerdepunkte war daher obsolet.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101800.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at