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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.05.2022, RV/5101277/2020

Ausgaben für Fußpflege und ein Hörgerät als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019

In seiner am elektronisch eingebrachten Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 machte der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit einer Behinderung in Höhe von 2.986,38 € geltend.

Erstes Vorhalteverfahren

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. ersucht, die geltend gemachten Ausgaben für außergewöhnliche Belastungen nachzuweisen.

Am legte der Bf. elektronisch eine Aufstellung der Ausgaben und entsprechende Belege vor.

Einkommensteuerbescheid 2019 vom

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde Einkommensteuer für das Jahr 2019 in Höhe von 5.601 € fest. Als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt wurden nur die Ausgaben für Medikamente (981,26 €), den Reha-Aufenthalt (367,92 €) und die Orthopädie (102,14 €) anerkannt (in Summe: 1.451,32 €).

Begründend wurde ausgeführt, dass die beantragten Kosten für das Hörgerät (1.132,56 €) nicht mit der Behinderung in Zusammenhang stehen würden und daher als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen seien. Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nicht ärztliches Personal seien grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, wenn diese Leistung ärztlich verschrieben oder die Kosten teilweise von der Sozialversicherung ersetzt werden. Die Aufwendungen für die Fußpflege (402,50 €) seien nicht verordnet bzw. keine Ersätze geleistet worden.

Beschwerde vom

In der am elektronisch eingebrachten Beschwerde wurde die vollständige Berücksichtigung der geltend gemachten Ausgaben als außergewöhnliche Belastungen ohne Abzug eines Selbstbehaltes beantragt. Auf der Homepage des Finanzministeriums werde unter Hilfsmittel - im Gegensatz zur Heilbehandlung - nicht auf einen Zusammenhang mit der Behinderung hingewiesen. Das Hörgerät sei von einem Facharzt verordnet worden. Auch die diabetische Fußpflege sei im Arztbrief des Kepler Universitätsklinikum vom verordnet worden.

Zweites Vorhalteverfahren

Im Ergänzungsersuchen vom machte die belangte Behörde darauf aufmerksam, dass der Abzug eines Selbstbehalts nur bei Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung entfallen würde. Der Bf. werde daher ersucht bekannt zu geben, inwieweit verausgabte Aufwendungen im Behinderungszusammenhang stehen würden. Es sei zum Behindertenpass ein ausführliches Gutachten vorzulegen. Das Vorliegen der Zwangsläufigkeit der Ausgaben könne durch eine ärztliche Bestätigung (Verordnung) oder durch den Umstand eines Kostenersatzes durch die Sozialversicherung nachgewiesen werden. In der Beilage zur Beschwerde werde jedoch lediglich eine Therapieempfehlung zur diabetischen Fußpflege ausgesprochen.

Mit Antwortschreiben vom legte der Bf. die Bestätigung eines Facharztes für innere Medizin vom vor, worin dargelegt wird, dass "die diabetische Fußpflege nicht nur empfohlen (siehe div. Arztbriefe seit 2016), sondern erforderlich ist" sowie ein Schreiben des Bundessozialamtes vom , worin der Grad der Behinderung mit 70 % angegeben wird.

Beschwerdevorentscheidung vom

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Vorlageantrag vom

Am brachte der Bf. elektronisch einen Vorlageantrag ein. Er leide schon seit Jahren an Diabetes, die wegen der Schädigung der Blutgefäße und Nervenbahnen insbesondere beide Füße schwer in Mitleidenschaft gezogen habe. Dadurch bestehe immer die große Gefahr, dass Wunden an den Füßen auftreten und sich infizieren könnten. Diese möglichen Komplikationen könnten zu einer Amputation von Zehen oder einem Fuß oder Bein führen. Im Februar 2020 sei eine drohende Amputation einer Zehe gerade noch verhindert worden. Ende 2019 seien überdies kleinere Verletzungen mittels Lasertherapie im Rahmen einer Reha zur Vermeidung schlimmerer Folgen behandelt worden. Überdies sei er gezwungen, Blutverdünnung einzunehmen, sodass er grundsätzlich jede Verletzung vermeiden müsse. Daraus ergebe sich zwingend, dass die Fußpflege nur durch besonders geschulte Fachkräfte erfolgen könne. Die Komplikationen an den beiden Füßen seien eine unmittelbare Folge der Diabetes. Maßnahmen zur Verhinderung von schweren Schäden seien eindeutig als Behandlungskosten anzusehen. Es sei ihm mehrmals von verschiedenen Ärzten empfohlen worden, seine Füße nur von Fachkräften behandeln zu lassen. Das verlangte Sachverständigengutachten könne nicht beigebracht werden, da dieses nicht dem Bescheid des Bundessozialamtes angeschlossen gewesen sei.

Vorlagebericht vom

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte deren Abweisung. Der Bf. habe das in § 35 EStG geforderte ärztliche Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Es könne daher von Seiten des Finanzamtes nicht beurteilt werden, ob die strittigen Kosten (Kosten für Hörgerät 1.132,56 €, Kosten für die diabetische Fußpflege 402,50 €) in Zusammenhang mit der Behinderung (70 %) stehen. Die für die diabetische Fußpflege angefallenen Kosten (402,50 €) würden nur mittelbar mit der Erkrankung Diabetes zusammenhängen, da diese nicht unmittelbar zur Heilung oder Linderung dieser Erkrankung aufgewendet werden. Nachdem die Kosten für die diabetische Fußpflege keine Krankheitskosten darstellen würden, könnten sie bereits von vornherein nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes () würden Kosten für Fußpflege nicht Kosten der Heilbehandlung im Sinn der Verordnung darstellen, da Fußpflege nicht nur von Personen mit diversen Krankheiten, sondern auch von gesunden Personen in Anspruch genommen werde. Fußpflege sei demnach als Körperpflege im weiteren Sinn zu definieren. Auch bei glaubhaftem Vorliegen einer Diabeteserkrankung, unter Notwendigkeit der Verhinderung von Folgeschäden, sei eine außergewöhnliche Belastung durch die so entstandenen Kosten nicht gegeben, da sonst der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen nicht gewährt wäre. Denn auch bei nicht mit Vorerkrankungen Belasteten stelle Fußpflege logischerweise die Verhinderung von Folgekrankheiten (aufgrund nicht vorgenommener Fußpflege) dar, wie Körperpflege an sich durch das Ausüben von Hygienemaßnahmen Krankheiten verhindere ().

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt/Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteilen und dem beim Sozialministeriumservice Landesstelle OÖ angeforderten ärztlichen Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes vom .

Der Bf. leidet u.a. an Diabetes und an einer Herzkrankheit. Laut Schreiben des Bundessozialamtes vom wurde bei ihm ein Grad der Behinderung von 70 % festgestellt.

In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung macht der Bf. außergewöhnliche Belastungen (ohne Selbstbehalt) in Zusammenhang mit seiner Behinderung im Ausmaß von 2.986,38 € geltend.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 fanden nur die Ausgaben für Medikamente (981,26 €), Orthopädie (102,14 €) und den Reha Aufenthalt (367,92 €) Anerkennung (in Summe: 1.451,32 €). Die Ausgaben für das Hörgerät (1.132,56 €) wurden als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt beurteilt. Die Ausgaben für die Fußpflege (402,50 €) waren hingegen nach Ansicht der belangten Behörde von vornherein nicht unter die Tatbestände der §§ 34 f EStG 1988 zu subsumieren.

Der Bf. wurde mehrmals von der belangten Behörde aufgefordert, das dem Bescheid des Sozialministeriumservice vom zugrundeliegende Sachverständigengutachten vorzulegen. Der Bf. kam diesem Ersuchen nicht nach und behauptete, über dieses nicht zu verfügen. Diese Behauptung erscheint unglaubwürdig, da ein Sachverständigengutachten Grundlage des Bescheides ist und jedenfalls der betreffenden Person zugestellt wird. Das Bundesfinanzgericht hat daher im Amtshilfeweg das Sozialministeriumservice ersucht, das Gutachten zu übermitteln.

In diesem ärztlichen Sachverständigengutachten vom , auf welchem sowohl der Behindertenpass als auch der Bescheid beruhen, wurde der Gesamtgrad der Behinderung mit 70 % festgelegt. Als Ergebnis der am erfolgten Untersuchung des Bf. wurden folgende körperliche Funktionseinschränkungen festgestellt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1
Ischämische Cardiomyopathie bei coronarer Herzkrankheit, Zustand nach Stent-Implantation, Vorhofflimmern - diese Erkrankung stellt das Hauptleiden dar.
50 %
2
Arterielle Hypertonie
20 %
3
Diabetes mellitus
40 %
4
Degenerative Veränderung der Wirbelsäule
20 %
5
Hauterkrankung, Verdacht auf Granuloma anulare
30 %

Die Herzerkrankung stellt das Hauptleiden dar. Nachfolgende ärztliche Begutachtungen durch das Bundessozialamt/Sozialministeriumservice bzw Neufestsetzungen des Behindertenstatus haben nicht stattgefunden.

Zu den Ausgaben für das Hörgerät

Im Sachverständigengutachten vom wurde eine das Hörvermögen betreffende Behinderung des Bf. nicht festgestellt. Vielmehr ergab eine Überprüfung, dass der Bf. nicht schwer hörbehindert ist. Aus diesem Grund wurde auch von einer Zusatzeintragung auf Grund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen abgesehen. Auch im Arztbrief des Kepler Universitätsklinikum vom wird keine diesbezügliche Behinderung angeführt.

Dass der medizinische Bedarf für die Anschaffung eines Hörgerätes vorliegt, steht außer Streit und wird durch die vorgelegten ärztlichen Unterlagen bestätigt. Dass die Schwerhörigkeit aber auf die Diabeteserkrankung bzw auf die weiteren Funktionseinschränkungen zurückzuführen ist, konnte nicht nachgewiesen werden. Auf Grundlage der vorliegenden Fakten ist vielmehr davon auszugehen, dass das verminderte Hörvermögen des Bf. auf dessen Alter und nicht auf die konkreten Behinderungen zurückzuführen ist.

Zu den Ausgaben für die Fußpflege

Die Fußpflege des Bf. wurde im Jahr 2019 im "Fachinstitut für Fußpflege, Maniküre und Nailart" durchgeführt. Hierzu legte der Bf. den Arztbrief des Kepler Universitätsklinikum vom vor, worin eine medizinische Fußpflege "angeraten" bzw eine "Empfehlung" dazu ausgesprochen wurde sowie eine nachträglich ausgestellte (datiert mit ) Bestätigung eines Facharztes für Innere Medizin, wonach eine diabetische Fußpflege "erforderlich" sei. Eine vor Inanspruchnahme der Fußpflege erstellte ärztliche Verordnung konnte ebenso wenig beigebracht werden, wie ein Nachweis dafür, dass die Sozialversicherung Teile der Ausgaben übernommen hat.

Streitpunkt

In Streit steht ausschließlich die Abzugsfähigkeit der Ausgaben für Fußpflege (402,50 €) und das Hörgerät (1.132,56 €) als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:

"1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)."

Die Belastung ist nach § 34 Abs 2 EStG 1988 außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs 3 leg.cit.).

Die Belastung beeinträchtigt nach § 34 Abs 4 EStG 1988 wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen näher geregelten Selbstbehalt übersteigt.

Nach § 34 Abs 6 EStG 1988 können unter anderen folgende Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

  1. Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

  2. Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen u.a. durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält der Steuerpflichtige keine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm gemäß § 35 Abs 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (Abs 3) zu.

§ 35 Abs 5EStG 988 zufolge, können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs 6).

Nach § 34 Abs 6 letzter Satz EStG 1988 kann der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Die dazu ergangene Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. II Nr. 430/2010) lautet auszugsweise:

§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung, (….) so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
(…..)
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Erwägungen

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche Behinderung, so stehen ihm die in § 34 Abs 6 EStG 1988 (Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung) und in § 35 EStG 1988 vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen nach Maßgabe der zitierten Verordnung zu.

Zum Hörgerät

Der Bf. sieht in der Anschaffung eines Hörgerätes den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastung - und zwar ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes - erfüllt. Fraglich ist daher, ob die Ausgaben für das Hörgerät unter § 34 Abs 6 EStG 1988 iVm §§ 1 und 4 der Verordnung zu subsumieren sind.

Der Grad der Behinderung des Bf. beträgt 70 %, weshalb § 1 Abs 2 der Verordnung (mindestens 25 %) erfüllt ist.

Nach § 4 der Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Hilfsmittel im Sinne dieser Verordnung sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit der Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw zu mildern (Jakom, EStG 2021, § 35 Rz 25).

Werden Kosten für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung geltend gemacht, bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichtes (; , 2013/13/0063; , 93/15/0079; ; , RV/2101307/2016; , RV/4100487/2018; , RV/3100585/2015) eines unmittelbaren, ursächlichen Zusammenhangs der geltend gemachten Kosten mit der bescheinigten Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zugrunde liegt. Kosten, die der Behandlung anderer Leiden dienen, können nur als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt berücksichtigt werden. Die Beurteilung der Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang der geltend gemachten Kosten mit der Behinderung, die der Minderung der Erwerbsfähigkeit zugrunde liegt, gegeben ist, kann - sofern der Zusammenhang nicht offensichtlich ist - nur auf der Grundlage ärztlicher Sachkunde erfolgen.

Im gegenständlichen Fall gründet sich die mit ärztlichen Sachverständigengutachten vom festgestellte und dem Bescheid vom zugrunde gelegte Behinderung des Bf. auf einer ischämischen Cardiomyopathie bei coronarer Herzkrankheit (Haupterkrankung, Grad der Behinderung 50 %), einer arteriellen Hypertonie (Grad der Behinderung 20 %), Diabetes mellitus (40 %), einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule (Grad der Behinderung 20 %) und einer Hauterkrankung (Grad der Behinderung 30 %). Eine das Hörvermögen betreffende Behinderung des Bf. wurde hingegen nicht festgestellt. Im Gutachten finden sich auch keine Hinweise auf Folgeerkrankungen der festgestellten Behinderung, die das Hörvermögen des Bf. betreffen würden. Vielmehr wurde im besagten Gutachten - nach Überprüfung des Hörvermögens - festgestellt, dass der Bf. nicht schwer hörbehindert ist, weshalb auch keine Zusatzeintragung auf Grund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen erfolgt ist.

Eine Berücksichtigung der Anschaffungskosten des Hörgerätes als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt aus dem Titel der Behinderung kommt folglich nicht in Betracht.

Es war daher in einem weiteren Schritt das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 34 EStG 1988 zu prüfen.

Die Tatbestandsmäßigkeit der Ziffern 1 (Außergewöhnlichkeit der Belastung) und 2 (Zwangsläufigkeit) des § 34 Abs 1 EStG 1988 liegt im Beschwerdefall vor. Gemäß Ziffer 3 dieser Bestimmung muss die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Da aber die konkrete Belastung den in § 34 Abs 4 EStG 1988 definierten Selbstbehalt nicht übersteigt, ergibt sich keine Änderung der Bemessungsgrundlage.

Der Beschwerde war somit hinsichtlich dieses Begehrens kein Erfolg beschieden.

Zur Fußpflege

Gemäß § 4 der Verordnung sind u.a. Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Als Kosten der Heilbehandlung gelten Arzt-, Spitals-, ärztlich verordnete Kur- und Therapiekosten sowie Kosten für Medikamente, sofern sie mit der Behinderung in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Kosten, die nicht unter diese Kategorien der Aufwendungen fallen, sind mit dem gesetzlich vorgesehenen Pauschbetrag abgegolten. Darüber hinaus sind auch die Kosten der Behandlung von nachgewiesenen Folgeerkrankungen der die Behinderung auslösenden Krankheit abzugsfähig (Jakom 2021, § 35 Rz 27).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, Ro 2020/13/0008; , 2013/15/0254; , 2012/15/0136) führt nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen daher zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist. Zudem stellt nicht jede Aufwendung, die vornehmlich der Steigerung des Wohlbefindens des Steuerpflichtigen dient, eine außergewöhnliche Belastung dar.

Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme ist eine ärztliche Verordnung, ein ärztlicher Therapieplan oder ein Gutachten erforderlich (). Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen werden (; , Ra 2017/13/0039; , 2001/15/0164).

Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die durchgeführten Maßnahmen unter Anleitung einer fachkundigen Person - dh eines Arztes oder Therapeuten - eindeutig die Bedeutung und Wirkung der therapeutischen Behandlung des spezifischen Krankheitsbildes haben und die Wirkung der Behandlung auf das Leiden geprüft werden kann (; , RV/0973-L/07; BFH , III R 67/96). Auch nach der Rechtsprechung des OGH können nur Maßnahmen unter ärztlicher Aufsicht, die durch speziell geschultes Personal erbracht werden, den therapeutischen Zweck gewährleisten bzw. medizinisch unerwünschte Nebenwirkungen hintanhalten und somit die Qualifikation als "Heilmittel" oder "Heilbehandlung" für sich in Anspruch nehmen ().

Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens handelt es sich bei den Ausgaben für eine Fußpflege um Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht ausschließlich von Kranken, sondern mehrheitlich von Gesunden verausgabt werden, um ihre Gesundheit zu erhalten oder ihr Wohlbefinden zu steigern. Zudem ist in einem Fußpflegestudio in aller Regel kein ärztliches bzw. medizinisch geschultes Personal tätig. Gerade aus diesem Grund fordern Lehre und Rechtsprechung als Nachweis für die Anerkennung der entsprechenden Aufwendungen jedenfalls eine ärztliche Verordnung, aus der sich die medizinische Notwendigkeit - im Weiteren die Zwangsläufigkeit - der betreffenden Maßnahme klar ergibt und die noch vor Beginn der Behandlungsleistungen zu erfolgen hat ().

Der Bf. machte Kosten für Fußpflege als außergewöhnliche Belastung (ohne Selbstbehalt) geltend und begründete dies mit einer dringenden medizinischen Notwendigkeit.

Grundsätzlich können auch Kosten der Behandlung von nachgewiesenen Folgeerkrankungen der die Behinderung auslösenden Krankheit unter § 4 der Verordnung subsumiert werden, wenn eine diesbezügliche ärztliche Verordnung vorliegt. Zum Nachweis des Vorliegens einer Heilbehandlung im Sinne der Verordnung legte der Bf. lediglich ein im Nachhinein erstelltes ärztliches Schreiben vor, worin festgehalten wurde, dass eine diabetische Fußpflege erforderlich sei. Eine vor Inanspruchnahme der Fußpflege erstellte ärztliche Verordnung konnte ebenso wenig beigebracht werden, wie der Nachweis dafür, dass die Sozialversicherung Teile der Ausgaben übernommen hat. Dass nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt, wurde bereits eingangs festgehalten. Die vom Bf. geltend gemachten Fußpflegekosten stellen daher selbst bei Vorliegen einer Diabeteserkrankung unter Notwendigkeit der Verhinderung von Folgeschäden keine ärztlichen Therapiekosten dar, sondern werden vom Behindertenpauschbetrag abgedeckt. Damit war den Fußpflegekosten in Höhe von 402,50 € die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung im Sinn der §§ 34 f EStG 1988 abzusprechen.

Die Beschwerde war daher auch in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Zur Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde keine Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs 4 B-VG zukommt, sondern waren die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101277.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at