Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nur bei besonders gelagerter Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
(1) Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seinem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2020 machte er Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv. € 14.119,- als Werbungskosten geltend.
(2) Über Vorhalt des Finanzamtes legte der Bf. mit am bei der Behörde eingelangter Eingabe verschiedene Unterlagen vor:
Laut Meldezettel ist der Bf. seit mit Hauptwohnsitz in K (Stmk.) (H-Weg 2) gemeldet. Seit besteht eine Nebenwohnsitzmeldung in Baden (V-Straße 15).
Der Familienwohnsitz in K (Stmk.) sei von der Arbeitsstätte in Wien 135 km entfernt (laut vorgelegtem Routenplaner-Ausdruck).
Auf Grund der Pflegebedürftigkeit seiner Eltern habe er die Fahrtstrecke (von seiner Arbeitsstätte in Wien nach K (Stmk.)) dreimal pro Woche mit dem eigenen Fahrzeug zurückgelegt; Aufzeichnungen (Fahrtenbuch oä.) gebe es darüber nicht. Kosten für Familienheimfahrten habe er nicht beantragt, sondern nur solche für die doppelte Haushaltsführung (s. die Angaben des Bf. in seiner oa. - undatierten - Eingabe).
Seit hat der Bf. eine Wohnung in Baden (V-Straße 15) gemietet (s. vorliegenden Mietvertrag vom ). Die Gesamtbruttomiete beträgt monatlich € 980,-.
Die Ehegattin des Bf. ist seit mit ihrem Hauptwohnsitz in K (Stmk.) (H-Weg 2) sowie seit mit Nebenwohnsitz in Baden (V-Straße 15) gemeldet.
(3) Im angefochten Bescheid ließ das Finanzamt die geltend gemachten Ausgaben nicht zum Abzug zu und begründete dies wie folgt: "Der Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) befindet sich dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Nachdem Sie und Ihre Ehegattin in 2500 Baden wohnhaft sind, liegt keine berufliche Veranlassung für eine doppelte Haushaltsführung vor."
(4) Die dagegen erhobene Beschwerde begründet der Bf. wie folgt:
"Der gemeinsame Lebensmittelpunkt meiner Gattin und mir ist nicht in Baden bei Wien, sondern in K (Stmk.), das begründet sich wie folgt:
1.) Meine Gattin und ich arbeiten beim BMLVS in der S-Straße, Wien, dadurch sind wir aufgrund der Distanz zum Familienwohnsitz gezwungen einen zweiten Wohnsitz in der Nähe der Arbeitsstätte (seitens des Arbeitsgebers wird/wurde keine Unterkunft zur Verfügung gestellt, Bestätigung wurde übermittelt) zu haben. Die Eltern bzw. der Freundeskreis befindet sich aber ausschließlich in K (Stmk.). Des Weiteren darf angemerkt werden, dass ich und meine Gattin in dem gesellschaftlichen Wirken in K (Stmk.) nachweislich (Feuerwehr K (Stmk.)-H-Dorf usw.) sehr integriert sind.
2.) Aufgrund der Pflegebedürftigkeit meiner Eltern ist der Lebensmittelpunkt bzw. der Familienwohnsitz in K (Stmk.) nicht nur notwendig, sondern auch unerlässlich. (Arztbesuche usw.)
3.) Aufgrund des Schenkungsvertrages, der meinem Antrag beilag, war ersichtlich, dass meinen Eltern ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wurde. (…)"
Mit dem erwähnten "Schenkungsvertrag" (Übergabsvertrag vom ) haben die Eltern des Bf. diesem die Liegenschaft EZ 1234 KG H-Dorf (mit dem darauf errichteten Einfamilienhaus mit der Anschrift "H-Weg 2") übergeben. Als Gegenleistung für diese Übergabe haben sich die Eltern des Bf. (als Übergeber) ua. das lebenslange Wohnungsgebrauchsrecht an den Räumlichkeiten im Erdgeschoß des oa. Einfamilienhauses ausbedungen (Punkt 8. des Übergabsvertrages).
(5) Die abweisende Beschwerdevorentscheidung begründete das Finanzamt folgendermaßen:
"Voraussetzung ist für die Berücksichtigung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung ist die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes.
Wesentlich für die Frage der Zumutbarkeit der Wohnsitzverlegung ist die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen. Dieser liegt in der Regel bei einer verheirateten Person an jenem Ort, an dem sie mit ihrem Ehepartner in einer Ehegemeinschaft lebt, d.h. einen gemeinsamen Haushalt unterhält und kann nach allgemeiner Lebenserfahrung von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eheleute und somit von deren Familienwohnsitz gesprochen werden.
Nachdem Sie seit mit ihrer Ehegattin in 2500 Baden, V-Straße 15 in einem gemeinsamen Haushalt leben, begründet dies ihren Familienwohnsitz. Der Familienwohnsitz befindet sich daher in Baden. Die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes in 8*** K (Stmk.), H-Weg 2 begründet keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten gemäß § 16 EStG 1988."
(6) Im Vorlageantrag wird "betreffend die Beschwerdegründe" auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.
(7) Im Vorlagebericht an das führt die Abgabenbehörde ua. aus:
"Die Beschwerdevorentscheidung wurde am elektronisch zugestellt (Databox). Am wurden vom steuerlichen Vertreter über Finanz Online ein Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist und der Vorlageantrag eingebracht. (…)Der Vorlageantrag ist gem. § 264 Abs 1 BAO als nicht fristgerecht eingereicht zurückzuweisen."
(8) Das BFG führte ergänzende Ermittlungen durch. Über entsprechenden Vorhalt des BFG teilte der Bf. dem BFG mittels Eingabe vom ua. Folgendes mit:
Er sei seit an seiner Arbeitsstelle in Wien beschäftigt. Vor Anmietung der Wohnung in Baden habe er eine Wohnung in Guntramsdorf gemietet.
Gegenüber seinen Eltern habe er folgende konkreten Unterstützungsleistungen erbracht:
"Tägliche Körperpflege
An- und Auskleiden
Katheter-Pflege
Einnahme von Medikamenten
Mobilitätshilfe im engeren Sinn
Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten
Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände
Pflege der Leib- und Bettwäsche
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn
Zubereitung von Mahlzeiten:
Die Zubereitung und Auslieferung der Mittagsmahlzeiten erfolgte durch die Volkshilfe.
Die Zubereitung des Frühstücks und des Abendessens erfolgte durch die Familie Hildebrand.
(…)
Die Eltern wurden nicht von einem Betreuungsdienst gepflegt und/oder betreut…"
Unter Einem übermittelte der Bf. dem BFG folgende Unterlagen:
- Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom , mit welchem der Mutter des Bf. ab das Pflegegeld der Stufe 2 zuerkannt wurde;
- Bescheid der PVA Landesstelle Steiermark vom , mit welchem dem Vater des Bf. ab das Pflegegeld der Stufe 3 zuerkannt wurde;
Der Bescheid listet (auf S. 7) folgende Verrichtungen auf, bei denen ein Pflegebedarf festgestellt wurde:
"Tägliche Körperpflege
Zubereitung von Mahlzeiten
An- und Auskleiden
Katheter-Pflege
Einnahme von Medikamenten
Mobilitätshilfe im engeren Sinn
Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten
Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände
Pflege der Leib- und Bettwäsche
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn"
- zwei ärztliche Entlassungsbriefe des LKH Hochsteiermark vom 16.3. bzw. , welche stationäre Krankenhausaufenthalte des Vaters des Bf. betreffen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Strittig ist die Anerkennung von Kosten der doppelten Haushaltsführung (Miete, Strom, Heizung, GIS) iHv. € 14.119,-, die dem Bf. im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung, die er in Baden gemeinsam mit seiner Ehegattin bewohnt, entstanden sind.
Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:
Der Bf. ist von Geburt an mit seinem Hauptwohnsitz in K (Stmk.) gemeldet.
Seit ist er (beim selben Arbeitgeber) in Wien beschäftigt.
Seit hat der Bf. einen Nebenwohnsitz in Baden gemeldet; die bezügliche Wohnung hat er mit Vertrag vom gemietet. Davor hatte er seinen Angaben zufolge eine Wohnung in Guntramsdorf (NÖ) angemietet.
Die Ehegattin des Bf. hatte bis Mai 2008 ihren Hauptwohnsitz in Niederösterreich (N, L); seit Mai 2008 liegt der gemeldete Hauptwohnsitz in K (Stmk.) (H-Weg 2). Seit besteht eine Nebenwohnsitzmeldung in der oa. Mietwohnung des Bf. in Baden. Laut ihren Lohnzetteln ist die Ehefrau des Bf. bereits seit mehreren Jahren beim selben Dienstgeber wie der Bf. beschäftigt.
Die Eltern des Bf. wohnen in K (Stmk.) (H-Weg 2). Die bezügliche Liegenschaft haben sie mit Notariatsakt vom gegen Einräumung des lebenslangen Wohnungsgebrauchsrechtes dem Bf. übergeben.
Die Mutter des Bf. bezieht seit Juli 2011 ein Pflegegeld der Stufe 2, der Vater seit September 2020 ein Pflegegeld der Stufe 3. Der Vater des Bf. ist am verstorben.
Der Bf. begründet die steuerliche Geltendmachung der Kosten für die Wohnung in Baden (Miete, Strom, Heizung, GIS) mit der Pflegebedürftigkeit seiner Eltern; er sei deshalb dreimal pro Woche nach K (Stmk.) gefahren. Dort liege auch sein Familienwohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt.
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Liegt der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen außerhalb der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort, dann können die (Mehr)Aufwendungen für "Familienheimfahrten" bzw. "doppelte Haushaltsführung", wie zB für die Wohnung am Beschäftigungsort und die Kosten für Familienheimfahrten, nur dann steuerlich berücksichtigt werden, wenn die doppelte Haushaltsführung beruflich bedingt ist.
Die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden können, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann die unterschiedlichsten Ursachen haben; sie kann ihre Ursache auch in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehegatten haben (zB ; ; , mwN).
Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (zB ; ). Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (zB ).
Eine besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger (; , 2006/13/0087), deren Mitübersiedlung unzumutbar ist (), kann grundsätzlich ein für die Beibehaltung sprechender Grund sein (vgl. zB Jakom/Lenneis EStG, 2021, § 16 Rz 56). Der bloße Umstand, dass aufgrund des Alters der Eltern wahrscheinlich mit deren Pflegebedürftigkeit zu rechnen ist, begründet noch keinen Grund, aus welchem das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar erkannt werden könnte (). Eine teilweise Unterstützung der betagten Eltern durch die Kinder bei ihrer Haushalts- und Lebensführung an den Wochenenden, Feiertagen und im Urlaub entspringt dem familiären Beistandsgebot und bildet allein keine ausreichende Grundlage für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung ().
Der Bf. bringt vor, seine Ehegattin und er hätten ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt (und somit ihren Familienwohnsitz) in K (Stmk.). Demgegenüber vertritt das Finanzamt (in der Beschwerdevorentscheidung) die Ansicht, der Familienwohnsitz befinde sich in Baden.
Das BFG ist ebenfalls der Auffassung, dass der Familienwohnsitz des Bf. und seiner Ehegattin in Baden liegt. Dies in Anbetracht der Umstände, dass der Bf. und seine Gattin schon seit vielen Jahren gemeinsam in Baden bzw. Niederösterreich wohnhaft sowie beide in Wien (beim selben Arbeitgeber) beschäftigt sind und die Gattin des Bf. unzweifelhaft persönliche Nahebeziehungen (Hauptwohnsitz in NÖ bis 2008, Wohnungseigentum in N bis 2017) zum Raum "N - Baden" hat.
Es kann aber letztlich dahingestellt bleiben, wo der Familienwohnsitz des Bf. liegt, denn in steuerlicher Betrachtung wäre ihm eine Verlegung des Familienwohnsitzes in den Nahebereich der Arbeitsstätte aus folgenden Gründen in jedem Falle zumutbar gewesen:
Nach oben dargestellter Rechtslage kann eine besonders gelagerte Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen. Allein aus dem Bezug von Pflegegeld der Stufe 2 (Mutter des Bf.) oder/und der Stufe 3 (Vater, 9-11/2020) ist allerdings nicht automatisch abzuleiten, die Eltern seien im Streitjahr auf ständige und besonders gelagerte Pflege angewiesen gewesen (zB RV/0001-F/12).
Das BFG ersuchte den Bf. mit Vorhalt vom um konkrete Darlegung der Gründe für die Pflegebedürftigkeit der Eltern und um Vorlage entsprechender ärztlicher Befunde, Atteste etc. In seiner Antwort vom übermittelte der Bf. dazu lediglich die oa. Bescheide über die Pflegegeldgewährung, enthielt sich jedoch jeglicher konkreten Darlegung, aus welchen Krankheiten/Gebrechen der Eltern sich eine besonders gelagerte Pflegebedürftigkeit ableitet. Die vorgelegten Bescheide enthalten diesbezüglichen keine Ausführungen. Die stationären Krankenhausaufenthalte des Vaters (11.3.-16.3 sowie 6.6.-), die sich aus den beigebrachten Entlassungsbriefen ergeben, sind jedenfalls keine hinreichenden Belege für eine erhöhte bzw. intensive Pflegebedürftigkeit.
Die Frage des BFG nach den konkret gegenüber den Eltern erbrachten Unterstützungsleistungen (bzw. nach der Häufigkeit ihrer Erbringung) beantwortete der Bf. in seiner Eingabe vom im Wesentlichen mit der wortgleichen Wiedergabe der Aufzählung jener Verrichtungen, für die im Pflegegeldbescheid des Vaters ein Pflegebedarf festgestellt wurde (s. oben). Wenn damit offenbar dargetan werden soll, der Bf. habe diese Tätigkeiten täglich verrichtet ("tägliche Körperpflege", "Zubereitung des Frühstücks und des Abendessens"), so steht dies nicht nur mit seinen Angaben in der Vorhaltsbeantwortung an das Finanzamt, wonach er dreimal pro Woche zwecks Pflege der Eltern nach K (Stmk.) fahre, in Widerspruch, sondern ist dies - bei einer (einfachen) Fahrtstrecke von 135 km und einer Fahrzeit von 90min - nach Ansicht des BFG nicht glaubhaft. Der Bf. vermag sein Vorbringen auch nicht durch entsprechende Aufzeichnungen (zB Fahrtenbuch) zu untermauern. Abgesehen davon würde sich bei täglichen Fahrten zwischen Wien und K (Stmk.) die Miete einer Wohnung in Baden ohnehin völlig erübrigen.
In Ermangelung entsprechender Aufzeichnungen sowie in Anbetracht der oa. Fahrstrecke bzw. Fahrzeit erscheint es dem BFG aber auch nicht glaubhaft, dass der Bf. - wie gegenüber dem Finanzamt vorgebracht - dreimal wöchentlich zu den Eltern gefahren sein soll.
Unter der Annahme einer normalen (geregelten) Arbeitszeit des Bf. (von acht Stunden) verbliebe bei einer Heimfahrt während der Arbeitswoche unter Berücksichtigung der Fahrzeit von rund eineinhalb Stunden je Strecke (und unter Einrechnung einer Ruhezeit von ca. 6-7 Stunden) überdies kaum Zeit, um über das familiäre Beistandsgebot hinausgehende, intensive Betreuungsleistungen zu erbringen.
In der Antwort vom gibt der Bf. überdies an, Frühstück und Abendessen seien "durch die Familie Hildebrand" zubereitet worden. Diese Formulierung legt den berechtigten Schluss nahe, dass die Betreuung der Eltern in wesentlichem Ausmaß (auch) durch andere nahe Angehörige als den Bf. bzw. dessen Ehegattin (die ja wie der Bf. in Wien beschäftigt ist bzw. mit diesem gemeinsam die Wohnung in Baden nutzt und daher nicht in der Lage ist, während der beruflichen Abwesenheiten des Bf. die Betreuung zu übernehmen) erfolgt ist.
Wenn in der Beschwerde dargetan wird, auf Grund der Pflegebedürftigkeit der Eltern sei der Familienwohnsitz in K (Stmk.) "unerlässlich" und dies primär (wenngleich auch nur beispielhaft) mit Arztbesuchen begründet wird, so ist darauf zu verweisen, dass die Begleitung zu Arztterminen keine "besonders gelagerte" Betreuungstätigkeit darstellt, sondern dies eine geradezu typische und nur punktuell anfallende Unterstützung im Rahmen der familiären Beistandspflicht darstellt.
Das BFG stellt nicht in Abrede, dass im Streitjahr auf Seiten der Eltern des Bf. ein zunehmender Pflegebedarf bestanden hat (anderenfalls wäre kein Pflegegeld gewährt worden). Ein besonders gelagerter ständiger - und somit steuerlich relevanter - Pflegebedarf ist aber aus den angeführten Gründen nicht erkennbar bzw. wurde ein solcher vom Bf. nicht hinreichend konkret dargetan.
Es ist zudem - wie oben ausgeführt - nicht glaubhaft, dass die vom Bf. erbrachten Unterstützungsleistungen über jenes Maß hinausgegangen sind, das dem familiären Beistandsgebot entspringt. Das ergibt sich schon aus der räumlichen Entfernung der Arbeitsstätte des Bf. vom Wohnort der Eltern und dem beträchtlichen Zeitaufwand, der mit Fahrten dorthin verbunden ist. Dass der Bf. außer an Wochenenden (Feiertagen, Urlaubstagen) auch an Arbeitstagen bzw. während der (Arbeits-)Woche in einer steuerlich beachtlichen Häufigkeit zu den Eltern gefahren sein soll, erscheint dem BFG nicht glaubhaft und konnte dies im Verfahren auch nicht belegt werden. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf verwiesen, dass der Bf. auf die Frage des BFG, wie oft die Unterstützungsleistungen erbracht werden, nur die oa. Auflistung des Pflegegeldbescheides des Vaters wiedergegeben hat. Darin werden großteils täglich vorzunehmende Verrichtungen (Körperpflege, An- und Auskleiden, Einnahme von Medikamenten etc.) angeführt. Dass der Bf. aber zwecks Pflege der Eltern täglich nach K (Stmk.) gefahren sein soll, erachtet das BFG als undenkbar (s. oben).
Eine Unterstützung bei den im Pflegegeldbescheid des Vaters angeführten Tätigkeiten (bloß) an Wochenenden, Feiertagen oder einzelnen Tagen bildet aber keine ausreichende Grundlage für die steuerliche Berücksichtigung von Kosten einer doppelten Haushaltsführung (s. nochmals zB Jakom/Lenneis, aaO, § 16 Rz 56). Dass diese Tätigkeiten öfters geleistet worden seien, ist - siehe oben - nicht plausibel und konnte weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden.
Der Bf. mag unstreitig seine Eltern aus achtbaren, familiären Motiven im Rahmen der Beistandspflicht nach seinen Möglichkeiten unterstützt haben. In freier Beweiswürdigung konnte das BFG jedoch aus den oa. Gründen davon ausgehen, dass diese Unterstützungsleistungen nicht in der behaupteten Häufigkeit und Intensität erbracht wurden. Die vom VwGH für steuerliche Zwecke geforderte intensive, "besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit" ist damit im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben.
Auch der Umstand, dass die Eltern dem Bf. die Liegenschaft, auf der sich ihr Wohnsitz in K (Stmk.) befindet, mit oa. Schenkungsvertrag übergeben haben, und ihnen im darauf errichteten Einfamilienhaus ein lebenslanges Wohnrecht zusteht, vermag nicht die Abzugsfähigkeit der Kosten einer doppelten Haushaltsführung zu begründen.
Die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der geltend gemachten Kosten liegen nicht vor und war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wenn das Finanzamt in seinem Vorlagebericht die Auffassung vertritt, der Vorlageantrag sei "als nicht fristgerecht eingereicht zurückzuweisen", so ist zu erwidern:
Die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages beträgt einen Monat (§ 264 Abs. 1 BAO).
Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (§ 108 Abs. 3 BAO).
Die Regelung des § 108 Abs. 3 BAO gilt auch in jenen Fällen, in denen eine Bescheidzustellung an den Abgabepflichtigen via Databox bzw. eine Einbringung des Anbringens durch den Abgabepflichtigen per FinanzOnline erfolgt.
Im Beschwerdefall ist der letzte Tag der Monatsfrist auf einen Sonntag (den ) gefallen (die Beschwerdevorentscheidung wurde am elektronisch zugestellt). Als letzter Tag der Frist für die Einbringung des Vorlageantrages galt daher der (Montag). Der am via FinanzOnline eingereichte Vorlageantrag ist somit jedenfalls fristgerecht eingelangt.
Zur Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG konnte seine Entscheidung auf die oben zitierte einschlägige Rechtsprechung stützen, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und die Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Doppelte Haushaltsführung |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100609.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at