Besuchsfahrten zu bei der geschiedenen Ehegattin wohnhaften Tochter als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer war im Streitjahr 2017 über ein Personalleasingunternehmen als Leih- bzw. Leasingarbeitnehmer bei einem Unternehmen in ***1*** (Vorarlberg) und ab dem bei einem Unternehmen in ***2*** (Tirol) tätig. Dabei war er bis in ***1*** und danach in ***2*** mit Nebenwohnsitz gemeldet. Der Hauptwohnsitz befand sich nach seinen Angaben in ***3*** in Deutschland. Sachverhaltsbezogen ist dazu festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben bzw einer vorgelegten "Wohnungsgeberbestätigung" seiner Lebensgefährtin sowie seiner Anmeldung bei der Meldebehörde in Deutschland mit zu seiner Lebensgefährtin in ***3*** gezogen ist und dort bis Jänner 2022 wohnhaft war. Im Jänner 2022 hat der Beschwerdeführer seine berufliche Tätigkeit in Österreich beendet und ist wegen seinem neuen Arbeitsplatz in Deutschland, nach ***5***, in Deutschland gezogen (Mail des Beschwerdeführers vom an die Abgabenbehörde).
Der Beschwerdeführer hat eine im Jahr 2000 geborene Tochter, die im Streitzeitraum bei der geschiedenen Frau des Beschwerdeführers in ***4*** in Deutschland lebte. Die Scheidung erfolgte gemäß einem Scheidungsbeschluss des Amtsgerichtes am . Er lebte somit mit seiner Tochter in keinem gemeinsamen Haushalt. Im Streitzeitraum bezahlte er monatlich einen Unterhalt für die Tochter in Höhe von 344 € (lt. Vorhaltsbeantwortung des Beschwerdeführers an die Abgabenbehörde vom ).
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung vom begehrte der Beschwerdeführer neben Sonderausgaben (Versicherungsprämien in Höhe von 1.868 €, Wohnraumschaffung in Höhe von 2.157 €) den Kinderfreibetrag für ein nicht haushaltszugehöriges Kind sowie den Unterhaltsabsetzbetrag für 12 Monate. Mit Einkommensteuerbescheid vom wurde der Beschwerdeführer erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Abgabepflichtige mit Schreiben vom Beschwerde und führte darin aus, dass seine "Familienheimfahrten zu seinem Kind" nicht berücksichtigt worden seien und er insoweit um Berücksichtigung von 2.270,10 € an Kilometergeld ersuche.
Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung wurde mittels elektronisch eingebrachter "Beschwerde 2017" der Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht gestellt und neuerlich vorgebracht, dass die Familienheimfahrten zu seinem Kind nicht berücksichtigt worden seien und deshalb um Berücksichtigung von 2.270,10 € an Kilometergeld ersucht werden.
Über die Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht erwogen:
Streit besteht im gegenständlichen Verfahren darüber, ob Aufwendungen des Beschwerdeführers für Besuchsfahrten zu seiner, bei seiner geschiedenen Gattin wohnhaften Tochter steuerlich zu berücksichtigen sind.
§ 34 Abs. 1 bis Abs. 7 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung lautet wie folgt:
"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro …………………………………………………………6%.
mehr als 7 300 Euro bis 14 600 Euro ………………………….……………..8%.
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro ………………………………………10%.
mehr als 36 400 Euro ……………………………………………..………………..12%.
Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt
- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht
- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt
- für jedes Kind (§ 106).
(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.
(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
- Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.
- Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.
- Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9.
-Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
-Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
-Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.
(7) Für Unterhaltsleistungen gilt folgendes:
1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 3 abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.
2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 Z 3 durch den Unterhaltsabsetzbetrag abgegolten.
3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)
4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.
5. (Verfassungsbestimmung) Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder, für die keine Familienbeihilfe ausbezahlt wird, sind außer in den Fällen und im Ausmaß der Z 4 weder im Wege eines Kinder- oder Unterhaltsabsetzbetrages noch einer außergewöhnlichen Belastung zu berücksichtigen."
§ 34 EStG 1988 räumt dem unbeschränkt Steuerpflichtigen sohin einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens nach der im § 2 Abs. 2 erster Satz vorgegebenen Reihung ein, wenn folgende, im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen sämtlich und gleichzeitig erfüllt sind:
1. die Außergewöhnlichkeit dieser Aufwendungen,
2. die Zwangsläufigkeit derselben und
3. die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.
Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde ist davon enthoben, zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht.
Im Beschwerdefall ist u.a. zu prüfen, ob die Aufwendungen für die Besuchsfahrten zur Tochter dem Beschwerdeführer zwangsläufig erwachsen sind. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig (§ 34 Abs. 3 leg. cit.), wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Schon aus der Wortfolge "wenn er (der Steuerpflichtige) sich ihr . . . nicht entziehen kann" ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass freiwillig getätigte Aufwendungen nach § 34 leg. cit. ebenso wenig Berücksichtigung finden können wie Aufwendungen, die auf Tatsachen zurückzuführen sind, die vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder die sonst die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung können Aufwendungen, die sich als Folge einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz darstellen, keine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG sein, weil sie in jedem Fall auf ein Verhalten zurückgehen, zu dem sich sowohl der eine als auch der andere Eheteil aus freien Stücken entschlossen haben muss. Die Besuchsfahrten zur Tochter sind daher die Folge der vom Beschwerdeführer freiwillig herbeigeführten Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a Ehegesetz. Die damit verbundenen Kosten können daher schon aus diesem Grund von vornherein nicht als zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 angesehen werden ( unter Verweis auf ).
Damit ist aber die Streitfrage bereits entschieden.
Ergänzend wird angemerkt, dass es sich nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes bei den Fahrten des Beschwerdeführers nach Deutschland, grundsätzlich um Fahrten zu seinem im Jahr 2016 gegründeten gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Lebensgefährtin gehandelt hat. Wenn der Beschwerdeführer im Zuge seiner Aufenthalte an seinem weiteren Wohnsitz in Deutschland auch seine Tochter besucht hat, vermag dieser Umstand nicht dazuführen, dass diese Fahrten als Besuchsfahrten zu seiner Tochter zu beurteilen wären, sodass eine Berücksichtigung des Aufwandes auch aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.
Zulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die gegenständliche Streitfrage durch die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, war die Revision nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 bis 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100084.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at