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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2022, RV/7103334/2021

Säumniszuschlag, Zahlungsfrist nach § 210 Abs. 6 BAO, ausnahmsweise Säumnis, grobes Verschulden

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch AUDITREU Steuerberatungs GmbH, Gonzagagasse 17, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Säumniszuschlag gemäß § 217 Abs. 5 und 7 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt einen ersten Säumniszuschlag in Höhe von € 3.126,66 fest, da die Umsatzsteuer 08/2021 mit einem Betrag von € 156.332,94 nicht bis (Zahlungsfrist gemäß § 210 Abs. 6 BAO) entrichtet worden sei.

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In der am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte die Beschwerdeführerin (Bf.) ein, dass der Grund für die nicht fristgerechte Begleichung der Abgabenschuldigkeit, der durch den festgesetzten Säumniszuschlag geahndet werden solle, nicht in einem leichtfertigen oder gar fahrlässigen Umgang der Bf. bei der Begleichung ihrer Abgabenverbindlichkeiten liege, sondern darauf zurückzuführen sei, dass aufgrund der Corona Pandemie die Umsätze so stark eingebrochen seien, dass es seit etlichen Monaten (grundsätzlich seit März 2020) nur zu Umsatzsteuergutschriften gekommen sei.

Im August sei es aber geglückt, sich mit dem Pächter auf eine Pachtreduktion zu verständigen. Deshalb sei es im August 2021 zu einer Kürzung der Vorsteuer gekommen. Nur aus diesem Umstand heraus sei es zu einer Zahllast gekommen. Die zuständige Sachbearbeiterin habe dies aber in der hektischen und turbulenten Zeit (insbesondere für die Stadthotelerie) übersehen und die Zahlungsläufe ohne die Umsatzsteuervoranmeldung 08/2021 eingestellt. Sofort nach Bemerken dieses Irrtums sei die Begleichung der Abgabenverbindlichkeit veranlasst worden und zeige die Absicht der Bf., ihrer Verpflichtung zur Begleichung ihrer Abgabenschuldigkeiten fristgerecht nachkommen zu wollen, ganz deutlich.

Die Bf. ersuche daher um Nachsicht, sie nicht für ein Verhalten zur Verantwortung zu ziehen, das nicht in ihrem Einflussbereich gelegen sei, denn die Abgabenschuldigkeiten würden immer fristgerecht entrichtet.

Sie stelle daher den Antrag auf Rücknahme des bereits vorgeschriebenen Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO.

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Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass die Umsatzsteuer 08/2021 in Höhe von € 202.475,81 gemäß § 21 Abs. 1 UStG am fällig gewesen sei. Die Umsatzsteuer 08/2021 habe sich aufgrund der sonstigen Gutschriften aus der Umsatzsteuer 2020 in Höhe von € 539,23 und der Umsatzsteuer 09/2021 in Höhe von € 45.603,64 um € 46.142,87 auf € 156.332,94 vermindert. Die verbleibende Umsatzsteuer 08/2021 in Höhe von € 156.332,94 sei nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden.

Das Antragsrecht auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen setze voraus, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis treffe. Grobes Verschulden fehle, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliege. Eine (lediglich) leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn ein Fehler unterlaufe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe. Grobes Verschulden des Vertreters sei dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde, dass die Abgabenschuldigkeiten immer fristgerecht entrichtet würden, sei bereits in den letzten 6 Monaten die Kammerumlage 04-06/2021 in Höhe von € 418,59 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden. Im Hinblick auf die in der Vergangenheit bereits aufgetretene Säumnis bei der Entrichtung fälliger Abgabenschuldigkeiten sei eine grobe Sorgfaltsvernachlässigung vorzuwerfen.

Eine im Rahmen der allgemeinen Dienstaufsicht angemessene Kontrolle von Mitarbeitern werde grundsätzlich vorausgesetzt. Eine entsprechende Wahrnehmung dieser Aufsichtspflicht sei nicht nachgewiesen worden. Es müsse daher aus den genannten Gründen von einem groben Verschulden an der Säumnis ausgegangen werden.

Da die Umsatzsteuer 08/2021 in Höhe von € 156.332,94 nicht bis zum Fälligkeitstag entrichtet worden sei und die Begünstigungsbestimmung des € 217 Abs. 7 BAO nicht zum Zuge komme, sei gemäß § 217 BAO ein erster Säumniszuschlag in Höhe von € 3.126,66 vorzuschreiben und die Beschwerde abzuweisen gewesen.

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Dagegen erhob die Bf. am erneut das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde (Anmerkung: gemeint wohl "beantragte die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht") und brachte ergänzend vor, dass die Tatsache, dass die Umsatzsteuer zu spät entrichtet worden sei, unbestritten sei. Unrichtig sei aber, dass die Kammerumlage zu spät entrichtet worden sei. Die Kammerumlage für das 2. Quartal 2021 sei bereits am überwiesen worden. Am Finanzamtskonto sei der Betrag am gutgeschrieben worden. Einzig der Verwendungszweck sei vom Finanzamt nicht verbucht worden. Ableitend daraus ihr eine grobe Sorgfaltsvernachlässigung zu unterstellen, wäre somit nicht richtig. Es liege demnach kein grobes Verschulden der Bf. vor.

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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht die Bf. um Übermittlung von entsprechenden Nachweisen seines Vorbringens, dass das Finanzamt bei der am (laut Abgabenkonto bereits am ) überwiesenen Zahlung von € 418,59 den Verwendungszweck für die Kammerumlage 04-06/2021 nicht verbucht habe.

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In Beantwortung des Ersuchens übermittelte die Bf. mit Schreiben vom die Zahlungsbestätigung (samt der der Überweisung zugrundeliegenden Unterlage, aus der auch das Vier-Augen-Prinzip ersichtlich sei und somit der Zahlungswille der Bf. zur Geltung komme) zu der Zahlung vom Juli. Da die Abweisung der Beschwerde sich nur auf die - laut Finanzamt nicht rechtzeitig abgeführte - Kammerumlage beziehe, könne daraus keine grobe Sorgfaltsvernachlässigung abgeleitet werden, da nur die Verrechnungsanweisung nicht gebucht worden sei. Sie verweise auf das Erkenntnis des , betreffend irrtümlich nicht erteilte Verrechnungsweisung.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren, nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten. Gemäß Abs. 2 beträgt der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.

Fälligkeit/Nachfrist der Umsatzsteuer 08/2021

Der Unternehmer hat gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. (…) Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. (…)

Werden Abgaben, ausgenommen Nebenansprüche, später als einen Monat vor ihrer Fälligkeit festgesetzt, so steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 210 Abs. 4 BAO für die Entrichtung der Abgabennachforderung eine Nachfrist von einem Monat ab der Bekanntgabe des maßgeblichen Bescheides zu.

Soweit eine Abgabe nur deswegen als nicht entrichtet anzusehen ist, weil vor dem Ablauf einer zur Entrichtung einer anderen Abgabenschuldigkeit zur Verfügung stehenden Zahlungsfrist eine Verrechnung gemäß § 214 auf diese andere Abgabenschuldigkeit erfolgte, steht dem Abgabepflichtigen gemäß § 210 Abs. 6 BAO für die Entrichtung der erstgenannten Abgabe eine Nachfrist bis zum Ablauf der später endenden Zahlungsfrist für eine der genannten Abgaben zu.

Zunächst war festzustellen, dass der angefochtene Bescheid vom über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages damit begründet wurde, dass die Umsatzsteuer 08/2021 nicht bis zum entrichtet worden sei, hingegen in der Beschwerdevorentscheidung vom vom Fälligkeitstag die Rede ist.

Dazu ist klarzustellen, dass die Umsatzsteuer 08/2021 zwar gemäß § 21 Abs. 1 UStG bereits am fällig war, aber gemäß § 210 Abs. 6 BAO ohne Säumnisfolgen erst bis entrichtet werden durfte, da gemäß § 210 Abs. 4 BAO für die Entrichtung der Umsatzsteuer 2019 eine Nachfrist bis zustand und diese Abgabe mangels früherer Verbuchung der Umsatzsteuer 08/2021 durch die Gutschrift aus der Umsatzsteuer 2020 getilgt wurde und die Fälligkeit der Umsatzsteuer 08/2021 vor der Zahlungsfrist der Umsatzsteuer 2019 lag.

Ausnahmsweise Säumnis

Gemäß § 217 Abs. 5 BAO entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.

Unbeschadet besonderer landes- oder gemeinderechtlicher Vorschriften gelten Abgaben gemäß § 211 Abs. 1 Z 1 BAO bei Überweisung auf das Konto der empfangsberechtigten Kasse am Tag der Gutschrift als entrichtet.

Erfolgt in den Fällen des Abs. 1 Z 1 die Gutschrift auf dem Konto der empfangsberechtigten Kasse zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist, so bleibt die Verspätung gemäß § 211 Abs. 2 BAO ohne Rechtsfolgen; in den Lauf der dreitägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen.

Da die dem gegenständlichen Säumniszuschlag zugrundeliegende Umsatzsteuer 08/2021, die wie bereits ausgeführt bis zu entrichten gewesen wäre, am durch Überweisung gemäß § 211 Abs. 1 Z 1 BAO bezahlt wurde, war zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall die säumniszuschlagshindernde Wirkung der ausnahmsweisen Säumnis gemäß § 217 Abs. 5 BAO zutrifft, wobei nach der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung iVm § 211 Abs. 2 BAO (Respirofrist von drei Tagen im Falle von Banküberweisungen, hier vom bis ) die fünftägige Frist erst am begann, weshalb die Zahlung vom innerhalb dieser Frist lag.

Frühere Säumnis

Allerdings ist gemäß § 217 Abs. 5 BAO weiters vorausgesetzt, dass der Abgabepflichtige alle Abgabenschuldigkeiten innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der gegenständlichen Säumnis zeitgerecht entrichtet hat.

Dabei waren diejenigen Überweisungen, die zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der zur Entrichtung einer Abgabe zustehenden Frist erfolgten, außer Betracht zu lassen, da die Verspätung gemäß § 211 Abs. 2 BAO ohne Rechtsfolgen - nicht nur ohne Verwirkung eines Säumniszuschlages, sondern auch ohne Qualifizierung als Säumnis - bleibt (vgl. Ritz, BAO6, § 217 Rz 12). In diesem Sinne stellen auch die RAE Tz 964 klar, dass in Fällen, in denen die Respirofrist gemäß § 211 Abs. 2 oder 3 BAO zur Anwendung kommt, eine Zahlung vor Ablauf der Respirofrist iSd § 217 Abs. 5 BAO als zeitgerecht anzusehen ist.

Hingegen lässt sich aus dem Einwand der Bf., dass die am fällige Kammerumlage 04-06/2021 bereits am überwiesen worden sei, nichts gewinnen, weil diese am ohne Verrechnungsweisung eingegangene Zahlung von € 418,59 zu einer Erhöhung des auf dem Abgabenkonto bestehenden Guthabens führte, das sich die Bf. am sowie (insgesamt € 116.584,81) antragsgemäß (Antrag vom ) zurückzahlen ließ.

Zahlungen, die Abgabenschulden betreffen, die vom Abgabepflichtigen selbst zu berechnen und abzuführen sind, sind gemäß § 214 Abs. 4 lit. a und b BAO dem der Abgabenbehörde auf dem Zahlungsbeleg bekannt gegebenen Verwendungszweck entsprechend zu verbuchen. Die Verbuchung einer derartigen Zahlung führt auf dem Abgabenkonto zu einer Gutschrift des Einzahlungsbetrages und gleichzeitig zu einer Belastung der angegebenen Abgaben. Insgesamt ergibt sich daher bei Betragsgleichheit keine Auswirkung auf den Saldo. Wird eine Zahlung, die wie im Beschwerdefall die Kammerumlage 04-06/2021 abdecken sollte, ohne Verrechnungsweisung geleistet, erlangt das Finanzamt keine Kenntnis vom Entstehen einer Steuerschuld und hat solcherart keine Möglichkeit (soweit es nicht auf andere Weise vom Entstehen der Steuerschuld Kenntnis erlangt), das Abgabenkonto mit den entsprechenden Selbstbemessungsabgaben zu belasten und die vom Abgabepflichtigen geleisteten Zahlungen zur Tilgung der Abgabenschulden heranzuziehen. Solcherart kann es durch die Gutschrift der Zahlung zu einem Guthaben auf dem Abgabenkonto kommen, über das der Abgabepflichtige frei verfügen kann ().

Wurde eine Verrechnungsweisung im Sinn des Abs. 4 erteilt und wurde hiebei irrtümlich eine unrichtige Abgabenart oder ein unrichtiger Zeitraum angegeben, so sind gemäß § 214 Abs. 5 BAO über Antrag die Rechtsfolgen der irrtümlich erteilten Verrechnungsweisung aufzuheben oder nicht herbeizuführen; dies gilt nicht für die vor der Antragstellung durchgeführten Einbringungsmaßnahmen und die im Zusammenhang mit diesen angefallenen Nebengebühren. Der Antrag kann nur binnen drei Monaten ab Erteilung der unrichtigen Verrechnungsweisung gestellt werden. Dies gilt sinngemäß, soweit eine Verrechnungsweisung im Sinn des § 214 Abs. 4 irrtümlich nicht erteilt wurde.

Daran vermag auch der Hinweis der Bf. auf das Erkenntnis des , betreffend irrtümlich nicht erteilte Verrechnungsweisung nichts zu ändern, da die Verrechnungsweisung vom zwar als nachgeholt iSd § 214 Abs. 5 letzter Satz BAO gewertet werden kann, jedoch infolge der früheren antragsgemäßen Rückzahlung des gesamten auf dem Abgabenkonto befindlichen Guthabens eine Tilgung zum nicht eintreten konnte.

Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages tritt auch dann ein, wenn im Zeitpunkt der (in der Vergangenheit liegenden) Fälligkeit einer Abgabe ein ausreichendes Guthaben vorhanden war, aber über dieses Guthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen anderweitig verfügt wurde ().

Da die innerhalb der letzten 6 Monate vor dem Eintritt der Säumnis der Umsatzsteuer 08/2021 () fällige Kammerumlage 04-06/2021 () erst am - und daher verspätet - entrichtet wurde, liegt eine ausnahmsweise Säumnis der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuer 08/2021 somit nicht vor.

Grobes Verschulden

Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind gemäß § 217 Abs. 7 BAO Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft. Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob ihn an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl. Ritz, BAO6, § 217, Tz 43). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt ().

Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt ().

Dazu brachte die Bf. vor, dass die zuständige Sachbearbeiterin die Zahllast aufgrund der Kürzung der Vorsteuern, da mit dem Pächter eine Pachtreduktion habe vereinbart werden können, übersehen habe.

Mit dieser Begründung bleibt unklar, wie es zu Vorsteuerkürzungen für die Bf. kommen kann, wenn ihr Pächter an sie nunmehr verringerte Pachtzahlungen leistet, da die geschilderte Konstellation im Gegenteil lediglich zu Umsatzsteuergutschriften, nicht aber zu Nachforderungen führen hätte können. Offensichtlich war gemeint, dass die Bf. eine Vereinbarung mit ihrem Verpächter (über von der Bf. bereits geleistete bzw. noch zu leistende Pachtzahlungen) treffen konnte.

(Grobes) Verschulden von Arbeitnehmern der Partei (oder des Parteienvertreters) ist nicht schädlich. Entscheidend ist diesfalls, ob der Partei selbst (bzw. ihrem Vertreter) grobes Verschulden, insbesondere grobes Auswahl- oder Kontrollverschulden anzulasten ist ().

Bedienen sich die zur Vertretung einer Gesellschaft berufenen Organe daher Mitarbeitern, ist durch entsprechende Kontrollen sicherzustellen, dass Unzulänglichkeiten infolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind.

Bei Begünstigungstatbeständen wie dem des § 217 Abs. 7 BAO tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, hat einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände aufzuzeigen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1274).

Die Bf. kam ihrer Verpflichtung, ihr Vorbringen in der Beschwerde zum Vorliegen des fehlenden groben Verschuldens zu präzisieren, nicht nach, da nicht dargelegt wurde, ob ihre Büroorganisation so sorgfältig eingerichtet ist, um solche Versäumnisse zu vermeiden.

Mangels Beschreibung der genauen Umstände, die zur verspäteten Zahlung geführt haben, war eine Beurteilung, ob die Büroorganisation der Bf. dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprach und ob die ergriffenen Kontrollmaßnahmen ausreichend waren, um Fehler wie den vorliegenden voraussichtlich ausschließen zu können, nicht möglich.

Der bloße Hinweis darauf, dass einer Mitarbeiterin in der hektischen und turbulenten Zeit der Covid-19-Pandemie ein Fehler unterlaufen sei, ohne gleichzeitig konkret darzulegen, weshalb der Fehler erst verspätet entdeckt wurde, war nicht ausreichend, um der geforderten erhöhten Behauptungs- und Beweispflicht zu entsprechen.

Aus dem Einwand, dass die Abgaben unverzüglich nach dem Erkennen der Säumnis entrichtet worden seien, lässt sich nichts gewinnen, weil der Bf. auch gar keine Mutwilligkeit an der verspäteten Entrichtung unterstellt wird.

Darüber hinaus war darauf hinzuweisen, dass dies nicht die einzige Säumnis in der Vergangenheit war, da, wie bereits ausgeführt, auch die Kammerumlage 04-06/2021 verspätet (wenn auch mangels Erreichung der Geringfügigkeitsgrenze des § 217 Abs. 10 BAO ohne Verwirkung eines Säumniszuschlages) entrichtet wurde.

Zufolge dieses Zahlungsversäumnisses hätten daher Überwachungsmaßnahmen seitens der Bf. ergriffen werden müssen, um diese hinkünftig ausschließen zu können. Da dies offenbar nicht erfolgt war, muss der Bf. ein grobes Verschulden angerechnet werden.

Ergebnis

Insgesamt ergaben sich keine Anhaltspunkte, die, gestützt auf § 217 Abs. 5 und 7 BAO, die Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung des Säumniszuschlages gerechtfertigt hätten, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103334.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
AAAAC-31183