Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.05.2022, RV/2100010/2022

Familienbonus Plus für in Deutschland lebende minderjährige Kinder

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) beantragte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages und des Familienbonus Plus.

Mit nachstehender Begründung wurde diesem Antrag nicht Folge geleistet:
"Der Familienbonus Plus steht gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für dasFamilienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher wurde für die Kinder, die in Deutschland leben, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- /Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen kann.

Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen wurde, kann der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden."

Dagegen wandte sich der Bf mit dem Rechtsmittel der Beschwerde und wiederholte seinen Antrag auf Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages für seine beiden Kinder, da er den vereinbarten Unterhalt für 12 Monate geleistet habe. Weiters beantragte der Bf die Gewährung des FamilienbonusPlus für beide Kinder für 12 Monate und verwies auf zwei Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichtes (RV/5101183/2020 vom und RV/5101144/2020 vom ).
Begründend wurde ausgeführt, dass "für beide Kinder von Geburt bis zum Wegzug im Jahr 2016 österreichischeFamilienbeihilfe durch die Kindsmutter bezogen wurde und danach das deutsche Pendant".

In der in der Folge ergangenen Beschwerdevorentscheidung wurde der Unterhaltsabsetzbetrag anerkannt. Die Berücksichtigung des Familienbonus Plus wurde mit nachstehender Begründung weiterhin verwehrt:

"Der Familienbonus Plus steht gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher wurde für das Kind, das im EU-EWR-Raum oder der Schweiz lebt, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen kann. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen wurde, kann der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden."

In seinem dagegen gerichteten Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht verwies der Bf auf das , wonach für ein Kind Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung bestehe und es irrelevant sei, wer diese Familienleistung in Anspruch nehmen könnte.

Ergänzend gab der Bf die rechtliche Würdigung des Erkenntnisses des und die darin vertretene Auffassung wieder, dass in § 33 Abs. 3a EStG 1988 auf die Gewährung von Familienbeihilfe nach dem FLAG hingewiesen werde. Da in § 4 Abs. 1 FLAG jedoch eindeutig nur auf den Anspruch auf Familienbeihilfe abgestellt werde, sei dies bei der Auslegung der Bestimmungen des EStG 1988, die an das FLAG anknüpfen, zu berücksichtigen. "§ 33 Abs. 3 a ESTG ist deshalb teleologisch von der Gewährung auf den Anspruch von Familienbeihilfe zu reduzieren."

Begründend hielt er fest, dass seine Kinder (geb. 2010 bzw. 2012) von ihrer Geburt bis zum Februar 2016 in Österreich gelebt hätten. Die Kindsmutter, die damals im gemeinsamen Haushalt lebte, habe für beide Kinder die österreichische Familienbeihilfe bezogen. Nach der Trennung sei der Wegzug aller drei nach Sachsen-Anhalt und somit auch die Abmeldung von der österreichischen Familienbeihilfe erfolgt.
Seitdem beziehe die Kindsmutter in Deutschland Kindergeld und der Bf leiste den außergerichtlich vereinbarten Unterhalt für beide Kinder monatlich und auch vollständig und habe auch den Unterhaltsabsetzbetrag erhalten.
Da die Kindsmutter in Deutschland steuerpflichtig sei, wäre auch eine Teilung des Familienbonus Plus nicht vorgesehen, daher werde von ihm auch 100% beantragt. Ergänzend wies er darauf hin, dass er mit Einschreiben (Poststempel) vom einen Antrag auf Ausgleichzahlung für das Kalenderjahr 2020 gestellt habe.

Im Vorlagebericht vom wiederholte das Finanzamt nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen die Auffassung, dass der Familienbonus Plus auf Antrag gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zustehe, für das Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt werde.

Für die mit ihrer Mutter im gemeinsamen Haushalt in Deutschland lebenden Kinder werde derzeit unstrittig keine österreichische Familienbeihilfe bezogen. Die Leistung derselben oder einer Ausgleichs-/Differenzzahlung stehe jenem Elternteil zu, mit dem die Kinder im gemeinsamen Haushalt leben (im gegenständlichen Fall der Kindesmutter).

Da keine Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) für die Kinder nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wurde, sei der Familienbonus Plus nicht zu berücksichtigen gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der Bf für seine in Deutschland bei der Kindesmutter lebenden minderjährigen Söhne (geb. 2010 und 2012) Unterhalt zahlt und keine österreichische Familienbeihilfe bezieht. Die Kindesmutter bezieht in Deutschland Kindergeld.
Das Vorliegen der Voraussetzung für die Berücksichtigung des Unterhaltsabsetzbetrages wurden vom Finanzamt im Zuge der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung anerkannt.

Strittig ist die Zuerkennung des Familienbonus Plus für die beiden Söhne. Das Finanzamt versagte die Anerkennung mit der Begründung, es werde keine Familienbeihilfe nach dem FLAG ausbezahlt. Der Bf berief sich auf die im Erkenntnis vom , RV/5100069/2021 im Wesentlichen vertretene Auffassung, es sei gar nicht erforderlich, dass auch tatsächlich ein Antrag gem. § 4 Abs. 4 FLAG 1967 auf die Ausgleichszahlung nach Ablauf des entsprechenden Kalenderjahres eingebracht werden müsse. Es genüge die Anspruchsberechtigung dem Grunde nach.

Gegen diese Entscheidung hat das Finanzamt Revision erhoben. Mit Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067, hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision als unbegründet abgewiesen.

"Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Das Bundesfinanzgericht hat dem Mitbeteiligten - wie bereits vorher ohne nähere Begründung das Finanzamt - den Unterhaltsabsetzbetrag zuerkannt.
19 Gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 steht "für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, ... auf Antrag ein Familienbonus Plus" zu.
20 Die folgenden Ziffern dieses Absatzes regeln die Einzelheiten dieses Anspruchs. Dabei regelt § 33 Abs. 3a Z 3 EStG 1988 die Aufteilung des Familienbonus Plus unter den anspruchsberechtigten Personen.
21 § 33 Abs. 3a Z 3 lit. b EStG 1988 in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 103/2019 regelt die Aufteilung des Familienbonus Plus zwischen "Familienbeihilfenberechtigen" und einem "Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht", wie folgt:

"Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

- Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder

- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu."

22 Die Aufteilung des Familienbonus Plus ist gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

23 Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt.

24 Das Finanzamt bringt vor, der Gewährung des Familienbonus Plus stehe entgegen, dass der Mitbeteiligte keinen "Antrag" auf Familienbeihilfe bzw. auf eine Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG gestellt habe; auch wenn bei höheren Familienleistungen im Ausland die Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" sei, müsste eine entsprechende Antragstellung (auf Ausgleichszahlung von null Euro) nach dem FLAG erfolgen, sodass der Anspruch dem Grunde nach im Beihilfenverfahren geprüft werden könne.

25 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

26 Dass im Revisionsfall - entgegen der Annahme des BFG - für den 2002 geborenen Sohn in Österreich dem Grunde nach gar kein Familienbeihilfenanspruch bestünde, wurde vom Finanzamt nicht konkret behauptet. Der Umstand, dass sich das Kind ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, steht - unbeschadet des § 5 Abs. 3 FLAG - dem Beihilfenanspruch nicht entgegen (vgl. § 53 Abs. 1 zweiter Satz FLAG).

27 Ebenso wurde weder vom Finanzamt vorgebracht noch vom BFG festgestellt, dass auch von der Kindsmutter ein Antrag auf Familienbonus Plus gestellt worden wäre, womit in einer Gesamtbetrachtung das Höchstausmaß des möglichen Familienbonus Plus überschritten worden und eine Kürzung gemäß § 33 Abs. 3a Z 3 lit. c EStG 1988 vorzunehmen gewesen wäre.

28 Es kann dem BFG vor diesem Hintergrund daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es dem Mitbeteiligten im Revisionsfall nach Prüfung der grundsätzlichen Familienbeihilfenberechtigung für den 2002 geborenen Sohn den Familienbonus Plus in voller Höhe zuerkannt hat."

Auch im vorliegenden Fall ist wesentlich, dass für die Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Differenzzahlung besteht. Wer diese Familienleistung in Anspruch nehmen könnte, ist irrelevant (vgl. ). Wesentlich ist somit im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht ein Antrag oder eine tatsächliche Gewährung der Familienleistungen, sondern die Anspruchsvoraussetzung.

Der Beschwerde war demnach stattzugeben.

Der Familienbonus Plus ist mit dem Unterhaltsabsetzbetrag verknüpft, sodass für die Anzahl der Monate, für die dem Unterhaltsverpflichteten ein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, auch Anspruch auf den Familienbonus Plus besteht. Der Höhe nach steht der (monatlich bemessene) Unterhaltsabsetzbetrag für die Anzahl der Monate zu, für die der Unterhaltsverpflichtung voll entsprochen wurde. (Vgl Karl-Werner Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 33 Rz 24).

Es ergibt folgende Neuberechnung der Steuer:


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Einkommen (unverändert)
53.900,05 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge (unverändert)
15.568,02 €
Familienbonus Plus
2.922 €
Verkehrsabsetzbetrag (unverändert)
400,00 €
Unterhaltsabsetzbetrag (wie BVE)
853,20 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
11.392,82 €
Steuer für sonstige Bezüge (unverändert)
500,60 €
Festgesetzte Einkommensteuer
11.893,42 €

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Dieses Erkenntnis folgt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100010.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at