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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 22.08.2022, RV/2100537/2022

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens - keine neuen Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***R1***, den Richter ***R2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***R3*** und ***R4*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adresse Bf***, vertreten durch ***stV***, ***Adresse stV***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamts Graz-Stadt vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 2013, 2014 und 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Bei der Beschwerdeführerin (Bf) handelt es sich um eine in Österreich ansässige GmbH.

Mit Schreiben vom brachte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2013, 2014 und 2015 ein. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Im Bericht gem. § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde auf der Seite 5 unter der Tz. 5 wie folgt ausgeführt:

"Nur durch Nachweis des Erwerbers, dass dieser die Erwerbsbesteuerung in jenem Mitgliedstaat nachholt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet, kann die zusätzliche Erwerbsteuer berichtigt werden (Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG)."

Sachverhalt:

In den Jahren 2013, 2014 und 2015 wurden Forstmaschinen an die Firma ***CC-Zrt*** (Ungarn, ***ungarische UID-Nummer***) verkauft. Diese Forstmaschinen wurden bei der Firma ***AA Oy*** (Finnland, ***finnische UID-Nummer***) eingekauft und direkt von Finnland nach Ungarn geliefert. Fälschlicherweise wurden diese Lieferungen in Österreich der Erwerbsbesteuerung unterzogen und die Vorsteuer als Vorsteuer aus innergemeinschaftlichem Erwerb beansprucht. Im Zuge der Außenprüfung wurde dieser Vorsteuerabzug versagt und die Vorsteuer zurückgefordert.

Nach dem Bericht der Außenprüfung ist es möglich diese Erwerbsbesteuerung zu korrigieren, sofern nachgewiesen wird, dass die Erwerbsbesteuerung in dem Land erfolgt ist, wo sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befand.

Mit Hilfe der Steuerberatungskanzlei ***XX*** in Budapest haben wir daher folgende Nachweise der Firma ***CC-Zrt*** erhalten:

  1. jeweilige Monatsmeldungen - Umsatzsteuervoranmeldung 2013, 2014, 2015

  2. ZM Juni 2015

  3. zweisprachige Erklärung des Geschäftsführers der Firma ***CC-Zrt***

Wir übermitteln Ihnen in der Beilage daher berichtigte Umsatzsteuerjahreserklärungen 2013, 2014 und 2015, wobei diese innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht mehr angeführt werden und ersuchen um diesbezügliche Veranlagung."

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Wiederaufnahmsantrag ab. In der Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

"Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag des Abgabepflichtigen auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die im Antrag vorgebrachten Umstände sind keine Tatsachen oder Beweismittel. Es handelt sich um eine rechtliche Qualifizierung. Da die Voraussetzungen gemäß § 303 BAO somit nicht erfüllt sind, ist eine Wiederaufnahme ausgeschlossen.

Gem. Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG kann nur durch den Nachweis des Erwerbers (= österr. UN bzw. Antragsteller), dass dieser die Erwerbsbesteuerung in jenem Land nachholt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet, die zusätzliche Erwerbsbesteuerung berichtigt werden.

Da die Regelungen des Reihengeschäfts zur Anwendung gelangen ist gegenständlich auch keine Sanierung eines "missglückten" Dreiecksgeschäfts möglich, da man nicht davon ausgehen kann, dass ursprünglich überhaupt dieses beabsichtigt war (weder liegen seitens des antragstellenden UN entsprechende Rechnungen noch korrekte Zusammenfassende Meldungen oder eine Erfassung in der Umsatzsteuervoranmeldung vor).

Voraussetzung für die Berichtigung ist daher, dass gegenständliches öst. UN (= Erwerber) den Erwerb im richtigen Mitgliedstaat (Ungarn) erwerbsbesteuert (und dies auch nachweist), sodass der zusätzliche Erwerb in Österreich berichtigt werden kann. Insofern bedarf es einer steuerlichen Registrierung des Antragstellers in Ungarn sowie die Einreichung der entsprechenden Erklärungen bei der ungarischen Finanzverwaltung, um die antragsgemäße Rechtsfolge zu erzielen.

Eine in welcher Form auch immer durchgeführte Berichtigung seitens des Empfängers (ungarisches UN) hat demnach keine steuerliche Auswirkung auf den gegebenen Tatbestand.

Sollte der Antragsteller die gesetzlich geforderte Erwerbsbesteuerung nachholen bzw. nachweisen, kann die Berichtigung in Österreich nur im aktuellen UVA-Zeitraum durchgeführt werden (keine Berichtung für 2013 - 2015).

Die seinerzeitigen Lieferungen wurden NICHT als Reihengeschäft und somit auch nicht als Dreiecksgeschäft erkannt. Das geht aus der Erwerbsbesteuerung des antragstellenden UN beim Einkauf und bei der Behandlung als ig Lieferung beim Verkauf an den ungarischen Kunden hervor. Das antragstellende UN hat keine Sanierung als Dreiecksgeschäft erklärt. Es wird lediglich die Besteuerung der Ware durch den ungarischen Abnehmer als Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland verwendet. Selbst wenn dieser eine Besteuerung als Empfänger im Dreiecksgeschäft durchführt, hat das antragstellende UN keine Rechnung iSd Art 25 Abs. 4 UStG ausgestellt und ihn nach Abs. 5 leg. cit. zum Steuerschuldner bestimmt.

Somit kann der "Doppelerwerb" gem. Art 3 Abs. 8 Satz 2 nur dann wegfallen, wenn der Erwerber - das antragstellende UN - die Besteuerung im Bestimmungsland der Waren nachweist.

Der Antrag vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2013 bis 2015 und der Veranlagung der berichtigten Erklärungen ist daher abzuweisen."

Mit Schreiben vom brachte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter innerhalb verlängerter Frist das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Aufgrund des Sachverhaltes handelt es sich um ein "missglücktes Dreiecksgeschäft". Der Bühler, C-580/16 über Fragen des VwGH zu einem vom Finanzamt als "verunglücktes Dreiecksgeschäft" bezeichneten Sachverhalt wie folgt entschieden:

Der EuGH sieht auch bei der Vereinfachung für Dreiecksgeschäfte keinen Grund zur Versagung bei Nichterfüllung der formellen Anforderungen, wenn keine Beteiligung an einer Steuerhinterziehung vorliegt und der sichere Nachweis, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden, dadurch nicht verhindert wird.

Die materiellen Voraussetzungen sind in diesen Fällen erfüllt:

  1. Es waren drei Unternehmen in drei verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt.

  2. Die Umsatzgeschäfte betrafen denselben Gegenstand.

  3. Der Gegenstand wurde vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer befördert.

Aigner/Tumpel führen in ihrem Fachartikel (SWK 23-24/2018, 994) besonders aus: Der EuGH hat wiederholt ausgeführt, dass Maßnahmen zur Sicherstellung einer genauen Erhebung der Steuer und zur Verhinderung der Steuerhinterziehung nicht so eingesetzt werden dürfen, dass die Neutralität der Umsatzsteuer infrage gestellt werden würde. Wird das Recht auf eine Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig gemacht, ohne die materiellen Anforderungen zu berücksichtigen geht dies nach Auffassung des EuGH über das reine Sicherstellen einer genauen Erhebung der Steuer hinaus. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer erfordert nämlich, dass die Steuerbefreiung bei Erfüllung der materiellen Anforderungen gewährt wird, selbst wenn bestimmten formellen Anforderungen nicht nachgekommen wurde.

Trotz der Sichtweise des EuGH sind wir auch den formellen Anforderungen nachgekommen und übermitteln folgende Unterlagen:

  1. Korrigierte Rechnungen mit dem Vermerk des Dreiecksgeschäftes und den Übergang der Steuerschuld, diese wurden nachweislich an den ungarischen Empfänger der Lieferung versandt. Re. ***Nr*** vom , Korrekturvermerk Re. ***Nr*** vom , Korrekturvermerk Re. ***Nr*** vom , Korrekturvermerk

  2. Die zusammenfassenden Meldungen 9/2013, 11/2014 und 6/2015 wurden It. Beilage berichtigt und die Dreiecksgeschäfte als solche angeführt. Probleme ergaben sich bei der zusammenfassenden Meldung 9/2013, da eine Korrektur über FAOnline nicht mehr möglich war und trotz Anforderung von Papierformularen über das BMF drei Wochen keine Erledigung erfolgte. Erst über Intervention beim Infocenter Dienststelle Graz-Stadt war es möglich Papierformulare zu erhalten!

  3. Die Umsatzsteuerjahreserklärungen 2013, 2014 und 2015 wurden It. Beilagen korrigiert und das Dreiecksgeschäft richtig unter der Kz. 077 dargestellt.

Damit sind die Anforderungen gem. Rz. 4296a der UStR erfüllt. Schon im Zuge der Außenprüfung wurden Kontrollschritte gesetzt. Eine Steuerhinterziehung wurde ausgeschlossen, die UID-Nummer des ungarischen Empfängers war gültig und der Gegenstand gelangte nachweislich nach Ungarn.

Weiters ist zu erwähnen, dass sich der VwGH der Rechtsprechung des EuGHs angeschlossen hat.

Nachdem eine nachträgliche, verspätete und berichtigte zusammenfassende Meldung einer Anwendung der Vereinfachungsregelung nicht im Wege steht, ersuchen wir Sie um Neuveranlagung der Umsatzsteuer 2013 bis 2015 It. den beiliegenden Steuererklärungen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab. In der Begründung wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Sachverhalt:

In den Jahren 2013, 2014 und 2015 wurden Forstmaschinen an eine ungarische Firma verkauft. Diese wurden bei einer finnischen Firma eingekauft und direkt von Finnland nach Ungarn geliefert.

Gegenständliche Maschinen wurden von der Beschwerdeführerin unter Verwendung der österreichischen UID-Nummer aus Finnland bestellt. Dieser Erwerb für den ungarischen Kunden wurde der Erwerbsbesteuerung in Österreich unterzogen und entsprechend in gleicher Höhe die Vorsteuer geltend gemacht.

Ausgangsseitig war der Verkauf an diesen Kunden unter Verwendung der österreichischen UID-Nummer in Österreich als steuerfreie ig Lieferung erfasst worden. Die Regelungen des Dreiecksgeschäftes kamen dabei nicht zur Anwendung.

Im Zuge der Außenprüfung wurde daher festgestellt, dass durch die Verwendung der österreichischen UID-Nummer der Erwerb in Österreich zusätzlich bewirkt worden ist. In diesem Fall war die Beschwerdeführerin nicht zum Abzug der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt. Die geltend gemachte Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb für die Jahre 2013, 2014 und 2015 wurde berichtigt und die entsprechenden Wiederaufnahmebescheide und Umsatzsteuerbescheide mit Datum erlassen.

Mit Schreiben vom wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2013, 2014 und 2015 beantragt.

(…)

Rechtliche Ausführungen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag des Abgabepflichtigen auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Die in der Beschwerde vorgebrachten Umstände sind keine Tatsachen oder Beweismittel. Es handelt sich um eine rechtliche Qualifizierung. Da die Voraussetzungen gemäß § 303 BAO somit nicht erfüllt sind, ist eine Wiederaufnahme ausgeschlossen und die Beschwerde bereits aus diesem Grunde abzuweisen.

Um bei einem gegebenen Reihengeschäft, dieses liegt unbestritten vor, eine Vereinfachung zu erzielen, sieht das Unionsrecht für bestimmte Reihengeschäfte Sonderregelungen vor, die für den österreichischen Anwendungsbereich in Art. 25 UStG 1994 (Dreiecksgeschäft) umgesetzt wurden.

Bei Einhaltung dieser Sonderregelungen durch den mittleren Unternehmer in diesen Reihengeschäften (Erwerber) - insbesondere der in Art. 25 Abs. 4 und Abs. 6 UStG 1994 vorgesehenen Rechnungslegungs- und Melde- bzw. Erklärungspflichten - treten die mit einem solchen Dreiecksgeschäft verbundenen Rechtsfolgen ein, nämlich

- der Wegfall der Registrierungspflicht für den Erwerber im Bestimmungsland,

- die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland,

- die Fiktion der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Registrierungsmitgliedstaatund

- der Übergang der Steuerschuld auf den Empfänger im Bestimmungsland, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Lieferung des Erwerbers ordnungsgemäß besteuert wird.

Die zuvor beschriebenen Rechtsfolgen können nur eintreten, wenn die in Art. 25 UStG 1994 vorgesehenen Rechnungslegungs- und Melde- bzw. Erklärungspflichten erfüllt worden sind. Wegen des erforderlichen Hinweises auf das Dreiecksgeschäft in der Rechnung muss der mittlere Unternehmer (Erwerber) das Reihengeschäft (rechtzeitig) offenlegen. Der Erwerber in einem innergemeinschaftlichen Reihengeschäft hat insoweit ein Wahlrecht und kann im Zeitpunkt der Rechnungslegung eine Entscheidung dahingehend treffen, ob die Vereinfachungsregelungen des Dreiecksgeschäftes zur Anwendung gelangen sollen oder nicht. Stellt der Erwerber keine solche Rechnung aus, gelangen die allgemeinen Bestimmungen für ein "normales" innergemeinschaftliches Reihengeschäft zur Anwendung. Damit ist das Wahlrecht konsumiert und kann auch eine nachträgliche Rechnungsberichtigung zu keiner(rückwirkenden) Änderung führen.

In Anbetracht der obigen Ausführungen und der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin (Erwerber) seinerzeit weder der Rechnungslegungs- und Melde- bzw. Erklärungspflicht nachgekommen ist, ist nicht von einem Dreiecksgeschäft auszugehen, sondern von einem "normalen Reihengeschäft".

Insofern liegt auch, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, kein "missglücktes Dreiecksgeschäft" (welches unter Umständen sanierbar wäre), sondern überhaupt kein Dreiecksgeschäft vor, da wesentliche materiellrechtliche Voraussetzungen zum damaligen Zeitpunkt fehlen (keine Ausstellung einer Rechnung und keine Bestimmung des Empfängers zum Steuerschuldner im Sinne des Art. 25 Abs. 4 UStG und Abs. 5 leg. cit., siehe dazu , Firma Hans Bühler KG). Das entsprechende Wahlrecht wurde bereits konsumiert und auch eine nachträgliche Rechnungsberichtigung kann zu keiner rückwirkenden Änderung führen (Art. 25 Abs. 3 lit. e UStG).

Die in der Beschwerde angeführten Korrekturen der Rechnungen, ZMs und Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2013, 2014 und 2015 vermögen nicht (nachträglich) ein Dreiecksgeschäft herzustellen.

Vielmehr handelt es sich um ein "normales Reihengeschäft" mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen.

Gem. Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG kann nur durch den Nachweis der Beschwerdeführerin, dass diese die Erwerbsbesteuerung in jenem Land nachholt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet, die zusätzliche Erwerbsbesteuerung berichtigt werden.

Voraussetzung für den Wegfall der zusätzlichen Erwerbsbesteuerung ist daher, dass die Beschwerdeführerin den Erwerb im richtigen Mitgliedstaat (gegenständlich Ungarn) erwerbsbesteuert (und dies auch nachweist), sodass der zusätzliche Erwerb in Österreich berichtigt werden kann.

Insofern bedarf es einer steuerlichen Registrierung der Beschwerdeführerin in Ungarn sowie die Einreichung der entsprechenden Erklärungen bei der ungarischen Finanzverwaltung, um eine für die Beschwerdeführerin zufriedenstellende Rechtsfolge zu erzielen."

Mit Schreiben vom beantragte die Bf durch ihren steuerlichen Vertreter ohne weiteres Vorbringen die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

In der Folge legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom heißt es auszugsweise:

"Stellungnahme:

Das Finanzamt beantragt die vollinhaltliche Abweisung der Beschwerde, da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht wurden, die eine Wiederaufnahme rechtfertigen. Zudem liegt aufgrund der Unterlagen kein (missglücktes) Dreiecksgeschäft vor, welches sanierbar wäre."

In der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter der Bf im Wesentlichen vor, eine Registrierung der Bf für umsatzsteuerliche Zwecke in Ungarn sei zwar grundsätzlich möglich und könnte der innergemeinschaftliche Erwerb durch die Bf auch nacherklärt werden. Der Vorsteuerabzug würde aber dennoch versagt werden, weil eine Steuerrückzahlung in Ungarn aus Verjährungsgründen nicht möglich sei. Zudem werde auf die Ausführungen des EuGH in dessen Entscheidungen vom , C-580/16, "Bühler", und , C-518/14, "Senatex" verwiesen. Die Frage des Senatsvorsitzenden nach neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismitteln beantwortete der steuerliche Vertreter der Bf wie folgt: "Dass die rechtlichen Voraussetzungen für ein Dreiecksgeschäft, die schon zum damaligen Zeitpunkt aus rechtlicher Sicht vorlagen, rechtlich nicht erkannt wurden, ist eine neue Tatsache im Sinne des § 303 BAO. Deshalb wurden von der Bf im Februar 2021 auch die Rechnungen und die ZM korrigiert und an den ungarischen Abnehmer nachweislich zugestellt." Auch die korrigierten Rechnungen seien als neue Tatsache zu werten. Dazu werde auf die Entscheidung des verwiesen. Es sei unstrittig, dass die gegenständlichen Geschäfte, in welche die Bf als mittlerer Unternehmer unmittelbar involviert gewesen sei, ursprünglich rechtlich falsch beurteilt worden seien. Es liege jedoch weder ein Missbrauch noch eine Abgabenhinterziehung vor. Es könne nicht sein, dass man in einem Fall wie dem gegenständlichen, der nur an formellen Dingen scheitere, mit einer zusätzlichen Steuerbelastung "bestraft" werde.

Die Ausführungen des Finanzamtsvertreters in der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung beschränkten sich im Wesentlichen darauf, dass die vom steuerlichen Vertreter der Bf ins Treffen geführten Umstände keine neuen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 BAO darstellten. Es wäre Sache der Bf gewesen, die mögliche Anwendbarkeit der Sonderregelung für Dreiecksgeschäfte rechtlich zu erkennen und entsprechend vorzugehen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Festgestellter Sachverhalt:

Die Bf, eine in Österreich ansässige GmbH, erwarb in den Jahren 2013 bis 2015 mehrere Forstmaschinen von der in Finnland ansässigen ***AA Oy*** und verkaufte diese an die in Ungarn ansässige ***CC-Zrt*** weiter. Die Forstmaschinen gelangten direkt vom Lieferanten in Finnland zum Abnehmer nach Ungarn. Die Bf, die den Transport der Forstmaschinen von Finnland nach Ungarn organisierte, trat gegenüber dem finnischen Lieferanten und dem ungarischen Abnehmer mit ihrer österreichischen UID-Nummer auf. Die von der Bf an den ungarischen Abnehmer (ursprünglich) gelegten Rechnungen enthielten weder einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes noch einen Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des ungarischen Abnehmers. Stattdessen war der Passus "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art 6 Abs. 1 UStG" vermerkt. In den (ursprünglichen) Zusammenfassenden Meldungen der Bf für die Monate 09/2013, 11/2014 und 06/2015 waren die Lieferungen der Bf an den ungarischen Abnehmer nicht mit dem Vermerk "Dreiecksgeschäft" versehen.

Dieser Tatsachenkomplex war der Bf seit seiner Verwirklichung in den Jahren 2013 bis 2015 - die Bf war als "mittlerer Unternehmer" in der Kette unmittelbar in den Abschluss und die Abwicklung der Geschäfte involviert - bekannt.

Die Bf behandelte den Erwerb der Forstmaschinen vom finnischen Lieferanten umsatzsteuerlich als innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich unter gleichzeitiger Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges. Den Weiterverkauf der Forstmaschinen an den ungarischen Abnehmer behandelte sie als in Österreich steuerbare und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

Im Zuge einer ua die Jahre 2013 bis 2015 umfassenden Betriebsprüfung traf der Prüfer diesbezüglich folgende Feststellung (siehe Betriebsprüfungsbericht vom , Tz 5):

"Der innergemeinschaftliche Erwerb wird gem. Art. 3 Abs. 8 erster Satz UStG in dem Gebiet jenes Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. (…)

Dadurch dass sich nun im Falle der Auslieferung der Maschinen von Finnland der Gegenstand am Ende der Beförderung nicht in Österreich befindet, kann Österreich keinesfalls Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbes sein.

Unter Beachtung der gesetzlichen Normierung (Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG) und der höchstgerichtlichen Judikatur ( und Rs C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV), gilt bei Verwendung einer dem Erwerber von einem anderen Mitgliedstaat erteilten UID-Nummer gegenüber dem Lieferer der Erwerb solange in diesem Mitgliedstaat bewirkt, bis der Erwerber nachweist, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat (Ungarn) besteuert worden ist.

Durch die Verwendung der österreichischen UID-Nummer vom geprüften Unternehmen ist daher der Erwerb in Österreich zusätzlich bewirkt. In diesem Fall ist der Erwerber nicht zum Abzug der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt. Nur durch Nachweis des Erwerbers, dass dieser die Erwerbsbesteuerung in jenem Mitgliedstaat nachholt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung befindet, kann die zusätzliche Erwerbsteuer berichtigt werden (Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG).

Conclusio: Für alle Neumaschinen, die unter Verwendung der österreichischen UID-Nummer eingekauft und von Finnland nach Ungarn ausgeliefert worden sind und für die keine Unterbrechung der Warenbewegung festzustellen war (…), ist die geltend gemachte Vorsteuer aus dem ig Erwerb für die Jahre 2013 bis 2015 zu berichtigen."

Gestützt auf ua diese Prüfungsfeststellung nahm das Finanzamt mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2013 bis 2015 wieder auf. Gleichzeitig erließ es neue Sachbescheide. Weder gegen die Wiederaufnahms- noch gegen die neuen Sachbescheide wurde seitens der Bf Beschwerde erhoben.

Mit dem hier streitgegenständlichen Antrag vom auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2013 bis 2015 strebt die Bf den Wegfall des vom Finanzamt aufgrund des Auftretens unter der österreichischen UID-Nummer angenommenen "fiktiven" innergemeinschaftlichen Erwerbes im Sinne des Art 3 Abs 8 zweiter Satz UStG 1994 an. In der Beschwerde vom ist von "missglückten Dreiecksgeschäften", die sanierbar seien, die Rede. Dazu brachte die Bf neben berichtigten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2013 bis 2015 Kopien der von ihr in den Jahren 2013 bis 2015 an den ungarischen Abnehmer gelegten Rechnungen bei, die allesamt einen mit datierten, von der Bf angefügten Korrekturvermerk folgenden Inhaltes aufweisen: "Abweichend zur Originalrechnung vom [Datum] handelt es sich um keine innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 6 Abs. 1 UStG, sondern um ein Dreiecksgeschäft lt. Art 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG Richtlinie. Gemäß Art. 25 Abs. 5 UStG geht die Steuerschuld auf den Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung über." Darüber hinaus legte die Bf mit bzw datierte, korrigierte Zusammenfassende Meldungen für die Monate 09/2013, 11/2014 und 06/2015 vor, in denen die Lieferungen der Bf an den ungarischen Abnehmer nunmehr den Vermerk "Dreiecksgeschäft" aufweisen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt einliegenden Unterlagen (Kaufverträge, Ein- und Ausgangsrechnungen, Spediteursrechnungen, Frachtbriefe etc) und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung):

Gemäß § 303 Abs 1 lit b BAO in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des FVwGG 2012, BGBl I 14/2013 kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften (vgl ; ).

Zweck der Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs 1 lit b BAO ist die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (vgl etwa ; ). Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl ; ).

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des VwGH ist das Neuhervorkommen von Tatsachen bei der beantragten Wiederaufnahme aus der Sicht des Antragstellers (hier also der Bf) zu beurteilen (vgl ; ; ; ; ). Nur wenn eine im Zeitpunkt der ursprünglichen Bescheiderlassung bereits existierende Tatsache für den Antragsteller später neu hervorgekommen ist, ihm somit im Zeitpunkt der ursprünglichen Bescheiderlassung noch nicht bekannt war, kann sie von ihm zum Gegenstand eines Wiederaufnahmeverfahrens gemacht werden (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 303 Rz 17 [Stand , rdb.at]; Papst, ÖStZ 2017, 49 [51]; siehe etwa auch ).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Sämtliche entscheidungswesentlichen Tatsachenelemente (Erwerb der Forstmaschinen durch die Bf vom finnischen Lieferanten, Weiterverkauf der Forstmaschinen durch die Bf an den ungarischen Abnehmer, Organisation des Warentransportes von Finnland direkt nach Ungarn durch die Bf, Verwendung der österreichischen UID-Nummer durch die Bf, vom finnischen Lieferanten an die Bf gelegte Rechnungen, von der Bf an den ungarischen Abnehmer gelegte Rechnungen mit dem Vermerk "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art 6 Abs. 1 UStG") waren der Bf seit der Abwicklung der Geschäfte in den Jahren 2013 bis 2015 und damit lange vor den die Umsatzsteuerverfahren abschließenden Bescheiderlassungen bekannt. Es liegen daher insoweit keine neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne der oben zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung vor.

Entgegen der Ansicht des steuerlichen Vertreters der Bf gelten die korrigierten Rechnungen mit Korrekturvermerken jeweils vom , die von der Bf lange nach den die Umsatzsteuerverfahren abschließenden Bescheiderlassungen erstellt wurden (und somit im Zeitpunkt der Bescheiderlassungen noch nicht existierten), ebenfalls nicht als neu hervorgekommen im Sinne der oben zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der Verweis des steuerlichen Vertreters der Bf auf das Erkenntnis des , zumal das diesem Erkenntnis zugrunde liegende Geschehen (amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens in einem Schätzungsfall aufgrund des Nichtvorhandenseins einer Buchhaltung) gänzlich anders gelagert ist als der hier gegenständliche Fall.

Wenn der steuerliche Vertreter der Bf eine neu hervorgekommene Tatsache weiters darin erblickt, "dass die rechtlichen Voraussetzungen für ein Dreiecksgeschäft, die schon zum damaligen Zeitpunkt aus rechtlicher Sicht vorlagen, rechtlich nicht erkannt wurden", so spricht er damit nicht die Tatsachenebene, sondern die Ebene der rechtlichen Beurteilung an. Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, derzufolge neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - keine Tatsachen sind (vgl etwa ; ; ; ). Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen. Auch hat das Wiederaufnahmeverfahren nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei im Verwaltungsverfahren zu sanieren, sondern soll die Möglichkeit bieten, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen (vgl etwa ; ).

Da es an neu hervorgekommenen Tatsachen bzw Beweismitteln mangelt und ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund sohin nicht vorliegt, erübrigen sich nähere Ausführungen zum "Doppelerwerb" im Sinne des Art 3 Abs 8 zweiter Satz UStG 1994 und zum Dreiecksgeschäft im Sinne des Art 25 UStG 1994.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision):

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der oben umfassend zitierten, ständigen Rechtsprechung des VwGH. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung liegen demnach nicht vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 25 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise











ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100537.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at