Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.06.2022, RV/6100422/2021

Verfahren nach antragsloser Veranlagung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde der Bf., Adr. vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , mit dem der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2019 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

1. Der Abweisungsbescheid vom wird aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang und Sachverhalt

A/1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) bezieht ausschließlich nichtselbständige Einkünfte als Pensionistin. Für 2019 bezahlte sie Kirchenbeiträge, die dem Finanzamt automatisch zur Berücksichtigung als Sonderausgaben gemeldet wurden. Da sie bis Ende Juni 2020 keine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung einreichte, erließ das Finanzamt am im Wege der antraglosen Veranlagung einen Einkommensteuerbescheid für 2019 mit einer Gutschrift von EUR 29.

Am reichte die Bf. eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2019 ein, in der sie Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung geltend machte. Mit Ergänzungsersuchen vom forderte das Finanzamt die Bf. auf, ihre Krankheitskosten durch Rechnungen und Einzahlungsbelege nachzuweisen. Weiters solle sie bekanntgeben, ob Ersätze der Krankenkasse oder einer Versicherung geleistet wurden.

Da das Ergänzungsersuchen unbeantwortet blieb, erließ das Finanzamt am einen Bescheid, bezeichnet als Bescheid 2019. Der Spruch des Bescheides lautet:
"Ihr Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 wird abgewiesen."
Als Begründung führte das Finanzamt an, dass die erforderlichen Unterlagen nicht nachgereicht worden seien.

A/2. Dagegen erhob die Bf. Beschwerde, bezeichnet als "Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für 2019 vom " und legte zwei Rechnungen für Operationskosten in einer Privatklinik sowie eine Rechnung über ein Therapietraining vor. Über Nachfrage durch das Finanzamt brachte die Bf. ein ärztliches Schreiben des operierenden Arztes mit einer Diagnose bei.

Mit Beschwerdevorentscheidung, bezeichnet als "Einkommensteuerbescheid 2019,Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO" wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Dagegen richtet sich der Antrag der Bf. auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht mit weiteren Ausführungen.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung 2019) vom " dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der vorstehend geschilderte Sachverhalt ist in dem vom Finanzamt vorgelegten Akt abgebildet und in den für die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts relevanten Punkten unstrittig.

B. Rechtliche Würdigung

B/1. § 41 EStG 1988 regelt die Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften. In Abs 1 werden die sogenannten Pflichtveranlagungstatbestände angeführt, in welchen Fällen also eine Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften zwingend durchzuführen ist (Pflichtveranlagung). In Abs 2 Z 1 wird die Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen (Antragsveranlagung) geregelt. Und Abs 2 Z 2 normiert die ab 2016 in bestimmten Fällen ohne Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes und ohne Antrag durchzuführende antragslose Veranlagung.

Laut § 41 Abs 2 Z 1 EStG 1988 hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn keine Pflichtveranlagung durchzuführen ist und der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes gestellt wird.

§ 41 Abs 2 Z 2 EStG 1988 lautet:

Wurde bis Ende des Monats Juni keine Abgabenerklärung für das vorangegangene Veranlagungsjahr eingereicht, hat das Finanzamt von Amts wegen eine antragslose Veranlagung vorzunehmen, sofern der Abgabepflichtige nicht darauf verzichtet hat. Dabei gilt Folgendes:
a) Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:
- Aufgrund der Aktenlage ist anzunehmen, dass der Gesamtbetrag der zu veranlagenden Einkünfte ausschließlich aus lohnsteuerpflichtigen Einkünften besteht.
- Aus der Veranlagung resultiert eine Steuergutschrift.
- Aufgrund der Aktenlage ist nicht anzunehmen, dass die zustehende Steuergutschrift höher ist als jene, die sich aufgrund der übermittelten Daten gemäß § 18 Abs. 8, § 35 Abs. 8 und § 84 ergeben würde.
b) Wurde bis zum Ablauf des dem Veranlagungszeitraum zweitfolgenden Kalenderjahres keine Abgabenerklärung für den betroffenen Veranlagungszeitraum abgegeben, ist jedenfalls eine antragslose Veranlagung durchzuführen, wenn sich nach der Aktenlage eine Steuergutschrift ergibt.
c) Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den gemäß lit. a oder lit. b ergangenen Bescheid aufzuheben.
d) Der Bescheid auf Grund einer antragslosen Veranlagung ist ersatzlos aufzuheben, wenn dies in einer Beschwerde (§ 243 BAO) beantragt wird; die Beschwerde bedarf keiner Begründung.
e) Die Steuererklärungspflicht (§ 42) bleibt auch nach Vornahme der Veranlagung aufrecht.

B/2. Die Antragsveranlagung und die antragslose Veranlagung sind also zwei unterschiedliche Verfahren, die unterschiedlichen Regeln folgen. Der Antrag auf Veranlagung gemäß Z 1 leg.cit. unterliegt der Entscheidungspflicht. Das Finanzamt hat entweder einen Einkommensteuerbescheid zu erlassen oder einen Bescheid, mit dem ausgesprochen wird, dass eine Veranlagung zur Einkommensteuer unterbleibt (Atzmüller in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG20, § 41 Tz 31).

Demgegenüber sieht das Verfahren der antragslosen Veranlagung andere Regeln vor. Die antragslose Veranlagung ist naturgemäß eine Veranlagung von Amts wegen, die jedoch zu keiner Steuernachforderung führen kann. Sie ist also ausschließlich eine Maßnahme zugunsten des Steuerpflichtigen (Atzmüller, aaO, § 41 Tz 39). Wird nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der fünfjährigen Frist für die Antragsveranlagung eine Abgabenerklärung abgegeben, hat das Finanzamt gemäß § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG 1988 darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der neue Sachbescheid (Einkommensteuerbescheid) zu verbinden.

Die Rechtswirkungen einer antragslosen Veranlagung sollen nach den Intentionen des Gesetzgebers "für den Steuerpflichtigen auf einfache Weise durch Einreichung einer Abgabenerklärungbeseitigt werden können". Der Verfahrensschritt, der dem Steuerpflichtigen außerhalb der antragslosen Veranlagung zur Verfügung steht, um eine Veranlagung zu bewirken, nämlich ein Veranlagungsantrag im Wege einer Steuererklärung, soll demensprechend den Rechtszustand herstellen, der sich aus dem Antrag - ohne zuvor erfolgte Veranlagung - ergibt. Das bedeutet, dass der antragslos ergangene Bescheid (ex nunc) aufzuheben ist und das Finanzamt über den Veranlagungsantrag zu entscheiden hat.

Die Bescheidaufhebung erfolgt in diesem Fall außerhalb der in der BAO vorgesehenen Möglichkeiten zur nachträglichen Änderung von Bescheiden und stellt somit einen Rechtskraftdurchbrechungstatbestand sui generis dar (Atzmüller, aaO, § 41 Tz 44).

B/3. Im vorliegenden Fall führte das Finanzamt mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom eine antragslose Veranlagung durch. Die Abgabe der Steuererklärung der Bf. am bewirkt, dass das Finanzamt neuerlich darüber zu entscheiden hat. Diese Entscheidung kann aber nicht in der Abweisung des Antrages auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung bestehen, wie vom Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochen. Vielmehr hat die Entscheidung des Finanzamtes nach der Bestimmung des § 41 Abs 2 Z 2 lit c EStG darin zu bestehen, dass der Bescheid über die antragslose Veranlagung aufzuheben ist und ein neuer Einkommensteuerbescheid zu erlassen ist. Dies selbst dann, wenn der neue Bescheid zu keiner inhaltlichen Änderung führt (vgl. Erläuterungen zum JStG 2018, RV 190 BglNR XXVI. GP, 16).

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben. Damit ist der Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung wiederum unerledigt, und das Finanzamt hat darüber zu entscheiden.

Dem Bundesfinanzgericht kommt eine derartige Entscheidungskompetenz nicht zu, weil die Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht die Einkommensteuer 2019 ist, wenngleich sie im Vorlagebericht fälschlich so bezeichnet wurde, sondern lediglich die Abweisung des Antrages auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung. Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichts ist gemäß § 279 BAO durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat. Das Bundesfinanzgericht darf daher einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Festsetzung einer Abgabe abgewiesen wurde, nicht in ein die Abgabe festsetzendes Erkenntnis umwandeln (Ritz, BAO6, § 279 Tz 11 und die dort angeführte Judikatur).

Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

C. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und stellt daher keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100422.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at