Aufwendungen für einen Privatsekretär und für Betteinlagen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling (nunmehr: Finanzamt Österreich Dienststelle Baden Mödling) vom betreffend Einkommensteuer 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer ist der Erbe der am tt.mm.2021 verstorbenen Frau A (im Folgenden kurz: Erblasserin). Diese beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 die Berücksichtigung folgender außergewöhnlicher Belastungen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel | 1.731,02 € |
Tatsächliche Kosten auf Grund einer Behinderung | 6.212,43 € |
Außerdem beantragte sie nach der Auflösung von Investmentfonds die Gutschrift der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.182,80 €.
Im Zuge der Veranlagung der Einkommensteuer 2018 wurden die geltend gemachten tatsächlichen Kosten aus der Behinderung in Höhe von 6.212,43 € berücksichtigt und in der Begründung des Bescheides ausgeführt, dass daneben keine weiteren behinderungsbedingten Kosten in Abzug gebracht werden könnten. Die Gutschrift der nach Ansicht der ERblasserin zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragsteuer erfolgte nicht.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom führte die Erblasserin aus:
Ad Kapitalertragsteuer
Nach Auflösung von Investmentfonds seitens der jeweiligen Investmentfondgesellschaft seien Wertverluste, jedoch keine Kapitalerträge realisiert worden. Dennoch habe die depotführende Stelle Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.182,80 € zu Unrecht einbehalten, weshalb die Rückerstattung beantragt werde.
Ad Außergewöhnliche Belastung
Die Erblasserin habe tatsächliche Kosten in Höhe von 7.943,45 € getragen. Der Betrag von 6.212,43 € entfalle auf das Bruttoarbeitsentgelt für den angestellten Privatsekretär sowie den entrichteten Unfallversicherungsbeitrag in Höhe von 79,73 €. Als betagte Pflegegeldempfängerin mit einem stark eingeschränkten Seh- und Gehvermögen habe sie einen Verwalter benötigt. Die Teilsumme in Höhe von 1.731,02 € sei bei der Veranlagung nicht berücksichtigt worden, obwohl sie im Freibetragsbescheid für das Kalenderjahr 2020 berücksichtigt worden sei. Es werde daher beantragt, insgesamt den Betrag von 7.943,45 € als außergewöhnliche Belastung abzuziehen.
Im weiteren Ermittlungsverfahren legte die Erblasserin betreffend die Rückerstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer die Korrespondenz mit der depotführenden Bank vor. Außerdem übermittelte sie hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastungen eine Aufstellung der beantragten Beträge sowie die dazugehörigen Belege und führte aus, beim Aufstellen dieser Tabelle habe sich ergeben, dass tatsächlich ein Betrag in Höhe von 2.366,65 € verausgabt worden sei, wobei davon 2.257,98 € auf den Punkt "Heilbehandlung" und lediglich 108,67 € auf den Punkt "Behinderung" entfielen. Das während des Kalenderjahres 2018 insgesamt ausbezahlte Bundespflegegeld habe 7.995,70 € betragen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2018 abgeändert, tatsächliche Kosten aus der Behinderung in Höhe von 2.257,98 € als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt berücksichtigt, die einbehaltene Kapitalertragsteuer - wie beantragt - in Höhe von 4.182,80 € von der errechneten Einkommensteuer in Abzug gebracht und eine Einkommensteuergutschrift in Höhe von 3.857,00 € festgesetzt.
In der Begründung wies die belangte Behörde darauf hin, dass die Erblasserin laut Lohnzettel Pflegegeld in Höhe von 8.131,20 € erhalten habe und dieser Betrag von den Kosten für den Privatsekretär in Höhe von 6.212,43 € und von den Aufwendungen für die Betteinlagen in Höhe von 108,67 € abzuziehen sei. Lediglich die Kosten der Heilbehandlung in Höhe von 2.257,98 € hätten zusätzlich anerkannt werden können.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom brachte der Beschwerdeführer vor, die abändernde Beschwerdevorentscheidung sei insofern unrichtig, als die unangefochten gebliebene Teilsumme in Höhe von 6.212,43 € bereits in formelle Rechtskraft erwachsen und daher nie Entscheidungsgegenstand der Bescheidbeschwerde geworden sei. Außerdem sei die auf den Punkt "Behinderung" entfallende Teilsumme von 108,67 € nicht berücksichtigt worden.
Der Beschwerdeführer wies darauf hin, laut § 1 BPGG habe das Pflegegeld den Zweck, pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern und ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu ermöglichen. Es sei daher unrichtig, die Summe des ausbezahlten Pflegegeldes ausschließlich den Mehraufwendungen aufgrund der eigenen Behinderung gegenüberzustellen. § 34 Abs. 6 EStG 1988 widerspreche dem § 1 BPGG, sodass dadurch die Verwendung des Pflegegeldes für sonstige Mehraufwendungen im Sinne des § 1 BPGG völlig unberücksichtigt bliebe. Die pflegebedürftige Person sei berechtigt, über den Einsatz des Pflegegeldes zu disponieren. Falls sie das Pflegegeld für andere Zwecke als für Mehraufwendungen aufgrund der eigenen Behinderung einsetze, werde sie aber beim Abzug von außergewöhnlichen Belastungen benachteiligt.
Der Beschwerdeführer beantrage daher, als außergewöhnliche Belastung insgesamt einen Betrag in Höhe von 8.573,08 € anzuerkennen.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und ausgeführt, aus dem Begriff "Belastung" des § 34 EStG sei abzuleiten, dass nur endgültige Vermögensminderungen abzugsfähig seien. Ersatzleistungen durch Dritte würden daher die abzugsfähigen Aufwendungen kürzen, sofern nach dem Leistungszweck die entsprechenden Ausgaben abgedeckt werden sollten (). Nicht als Kosten der Heilbehandlung seien Aufwendungen anzusehen, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit verursacht würden (z.B. Kosten für Pflegepersonal, Bettwäsche, Hygieneartikel). Diese Kosten seien durch das Pflegegeld abgegolten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Gutschrift der einbehaltenen Kapitalertragsteuer
In diesem Punkt folgt das Bundesfinanzgericht dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt, dass die von der depotführenden Bank einbehaltene Kapitalertragsteuer bei Auflösung ausländischer Investmentfonds im Rahmen der Einkommensteuererklärung kundenseitig zurückgefordert werden kann.
Außergewöhnliche Belastung
Der Beschwerdeführer ist der Erbe nach seiner am tt.mm.2021 verstorbenen Mutter. Die Mutter bezog 2018 Pflegegeld in Höhe von 8.131,20 €. Seine Mutter beschäftigte ihn aufgrund ihres stark eingeschränkten Seh- und Gehvermögens als "Privatsekretär". Er bezog für diese regelmäßig anfallende Unterstützungstätigkeit ein Bruttogehalt in Höhe von 6.212,43 €. Für immer wieder benötigte Betteinlagen wandte seine Mutter im Streitjahr 2018 einen Betrag in Höhe von 108,67 € auf. Für Rezeptgebühren, Medikamente, Spitalskosten verausgabte sie einen Betrag in Höhe von 2.257,98 €.
Beweiswürdigung
Gutschrift der einbehaltenen Kapitalertragsteuer
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Korrespondenz des Beschwerdeführers mit der depotführenden Bank.
Außergewöhnliche Belastung
Der unter Pkt. 1.2. festgestellte Sachverhalt basiert auf den vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen und ist insoweit unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
In diesem Punkt schließt sich das Bundesfinanzgericht der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde an; die einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 4.182,80 € ist dem Beschwerdeführer gutzuschreiben.
Ad Einwand der Teilrechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2018
Zunächst ist dem Einwand des Beschwerdeführers, mit der Erlassung des Einkommensteuerbescheides vom sei hinsichtlich des als außergewöhnliche Belastung anerkannten und nicht mit Beschwerde angefochtenen Betrages in Höhe von 6.212,43 € (Entlohnung des Privatsekretärs) Teilrechtskraft eingetreten, entgegenzuhalten, dass im Bereich des Abgabenverfahrensrechts - abgesehen von gesetzlichen Ausnahmen - keine Teilrechtskraft eintreten kann (Ritz/Koran, BAO7, § 251 Tz 1, mwN).
Bescheide, die an die Stelle eines früheren Bescheides treten, sind in vollem Umfang anfechtbar (§ 251 erster Satz); sie sind daher auch in Belangen voll anfechtbar, in denen keine Änderung eingetreten ist und sogar in solchen Punkten, über die in einem Rechtsmittel gegen den früheren Bescheid schon abgesprochen wurde ().
Gemäß § 263 Abs. 1 BAO ist, wenn in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260 BAO) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 86a Abs. 1 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3 BAO, § 261 BAO) zu erklären ist, der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Abänderung des angefochtenen Bescheides "in jeder Richtung" umfasst auch eine "Verböserung" (Ritz/Koran, BAO7, § 263 Tz 5, mwN).
Die belangte Behörde war daher berechtigt, den Einkommensteuerbescheid 2018 auch hinsichtlich des von der Beschwerde nicht umfassten Punktes abzuändern.
Ad Aufwendungen für den Privatsekretär ( 6.212,43 €), für Heilbehandlungen (2.257,98 €) und für Betteinlagen (108,67 €)
§ 34 Abs. 6 Teilstrich 6 EStG 1988 sowie der Schlussteil dieses Absatzes lauten:
"(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
(...)
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996, 72 BlgNR 20. GP 267 f zu § 34 Abs. 6 sowie § 35 EStG 1988 lauten auszugsweise:
"Der Neufassung jener Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen, liegen folgende Überlegungen zugrunde:
1. Für alle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhalten, soll zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag auf Grund ihrer Behinderung berücksichtigt werden, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnlichen Geldleistungen abgedeckt werden. Werden die tatsächlichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so soll durch die entsprechende Aufnahme in § 34 Abs. 6 sichergestellt werden, dass nur der die pflegebedingte Geldleistung übersteigende Mehrbetrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist.
(...)
4. Auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 34 Abs. 6 (letzter Satz) wird eine neue Verordnung hinsichtlich der Berücksichtigung bestimmter Mehraufwendungen ergehen, die hinsichtlich Art der Aufwendung (Kosten einer Krankendiätverpflegung, PKW- bzw. Taxikosten für Körper- und Gehbehinderte, nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel und Pauschbetrag für unterhaltsberechtigte Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird), dem (teilweise pauschalierten) Ausmaß und der Nachweispflicht mit der bestehenden Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom , BGBl. Nr. 675/1988, inhaltlich übereinstimmen wird.
(...)
In der neu zu erlassenden Verordnung über außergewöhnliche Belastungen soll festgehalten werden, dass für Bezieher vonPflegegeld weiterhin ohne Gegenverrechnung
die Pauschbeträge für Diätverpflegung im Sinne des § 1 der derzeit bestehenden Verordnung,
-der Pauschbetrag für Kfz-Kosten oder Taxikosten bei Gehbehinderung im Sinne des § 3 der bisherigen Verordnung und
-nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgeräte, Blindenhilfsmittel) im Sinne des § 4 der bisherigen Verordnung zustehen.
(...)"
§ 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 idF BGBl. II Nr. 91/1998 lautet:
"§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."
Zu § 4 der VO hat der Verfassungsgerichtshof in seinem - die Kosten für die behindertengerechte Einrichtung eines Badezimmers betreffenden - Erkenntnis vom , B 785/02, ausgeführt:
"§ 34 Abs. 6 EStG 1988 sieht vor, dass (alle) Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung (u.a. für Kinder, für die - wie im vorliegenden Fall - erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird) ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes - aber unter Anrechnung der pflegebedingten Geldleistungen - als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Überdies wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, mit Verordnung festzulegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung (u.a.) auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind. Wenn der Verordnungsgeber in Ausübung dieser Ermächtigung (in § 4) '(n)icht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel' nennt, so kann das nur in einem weiten Sinn so interpretiert werden, dass darunter auch etwa behinderungsbedingte Ein- und Umbauten in Gebäuden verstanden werden, würden doch andernfalls aus dem Geltungsbereich der Verordnung gerade jene Aufwendungen herausfallen, bei denen in Hinblick auf die Unregelmäßigkeit des Anfalles die Anrechnung von Pflegegeld besonders widersinnig und daher unsachlich wäre. Eine gesetzeskonforme Interpretation des § 4 der Verordnung BGBl. 303/1996, idF BGBl. II 91/1998, führt daher zu dem Ergebnis, dass unter den dort verwendeten Begriff'Hilfsmittel' (der durch den Klammerausdruck nur beispielhaft erläutert wird) auch sanitäre Einrichtungsgegenstände fallen, die auch oder ausschließlich für Behinderte konzipiert und bestimmt sind, unabhängig davon, ob sie mit dem Gebäude fest verbunden werden oder nicht (im Ergebnis gleicher Ansicht E. Müller, Freibeträge für behinderte Kinder, SWK 1998, 239 ff., 247)."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge in seinem Erkenntnis vom , 99/13/0169, zum Ausdruck "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel)" nach § 4 der Stammfassung der VO zu Recht erkannt, dass der Begriff der Hilfsmittel im gegebenen Zusammenhang auch Heilbehandlungskosten in Form von Aufwendungen für Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien umfasst. Auch diese Aufwendungen fielen nicht regelmäßig an und auch deren Herausfallen aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ließe vor dem Hintergrund des gesetzlich formulierten Zweckes des Bundespflegegeldgesetzes (pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen) Zweifel an der Sachlichkeit der verordneten Regelung aufkommen. Eine dem Sachlichkeitsgebot verpflichtete Auslegung der Vorschrift des § 4 der VO in ihrer Stammfassung gebiete es, auch Heilbehandlungskosten (Medikamente, ärztliche Behandlungen und Therapien) als vom Tatbestandsmerkmal der "nicht regelmäßig anfallenden Aufwendungen für Hilfsmittel" erfasst anzusehen.
Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben sohin bei Interpretation von Regelungen der VO, die eine steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen ohne Gegenverrechnung mit pflegebedingten Geldbezügen ermöglichen, Tatbestandsmerkmalen über deren Begriffskern hinaus einen weiten Inhalt beigemessen, wenn Aufwendungen betroffen waren, bei denen es nicht offenkundig auf der Hand liegt, dass sie durch die bezogenen pflegebedingten Geldleistungen abgegolten werden sollen ().
Im vorliegenden Fall besteht Einigkeit darüber, dass die Voraussetzungen zur Anwendung der oben zitierten Verordnung gegeben sind. Die von der Mutter des Beschwerdeführers getragenen Kosten für Rezeptgebühren, Spitalskosten und Medikamente in Höhe von 2.257,98 € wurden bereits in der Beschwerdevorentscheidung unter § 4 der Verordnung subsumiert und ohne Anrechnung auf das Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt. Das Bundesfinanzgericht teilt diese Rechtsansicht.
Die in § 34 Abs. 6 Teilstrich 6 EStG 1988 getroffene Anordnung, dass Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung eines Steuerpflichtigen, der pflegebedingte Geldleistungen erhält, nur zu berücksichtigen sind, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen, wird durch den letzten Satz des § 34 Abs. 6 EStG 1988 inhaltlich verändert, indem der Bundesminister für Finanzen auch zur Festlegung von solchen Fällen ermächtigt wird, in denen Aufwendungen "ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung" zu berücksichtigen sind.
Strittig ist aber, ob die Aufwendungen für den Privatsekretär und die Betteinlagen "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" im Sinne des § 4 der VO darstellen.
§ 4 der streitgegenständlichen Verordnung betrifft Hilfsmittel, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben ().
Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu mildern oder zu beseitigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 35 Anm 66).
Die mit "Zweck des Pflegegeldes" überschriebene Bestimmung des § 1 des Bundespflegegeldgesetzes legt fest, dass das Pflegegeld den Zweck hat, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen so weit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.
Der Zusammenhang der Aufwendungen für den Privatsekretär und für die Betteinlagen mit der Pflegebedürftigkeit der Mutter ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts offensichtlich und wird durch die Beschwerdeausführungen, der angestellte Privatsekretär werde aufgrund des mittlerweile stark eingeschränkten Seh- und Gehvermögens benötigt, bestätigt. Es handelt sich daher bei den dafür getätigten Aufwendungen um solche, die regelmäßig durch die Pflegebedürftigkeit angefallen sind. Sie sind daher nicht unter den im § 4 der Verordnung verwendeten Begriff "nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel" zu subsumieren, weshalb das der Mutter des Beschwerdeführers ausbezahlte Pflegegeld von den Aufwendungen für den Privatsekretär und den Betteinlagen zu Recht in Abzug gebracht worden ist. Das Pflegegeld überstieg diese Aufwendungen, eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung kam daher nicht in Betracht.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich war zu beurteilen, ob Kosten für den Privatsekretär sowie für Betteinlagen als "nicht regelmäßig anfallende Hilfsmittel" zu qualifizieren sind. Die Beantwortung erfolgte in Anlehnung an die Rechtsprechung der Höchstgerichte. Eine ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Beilage: 1 Berechnungsblatt (Einkommensteuer 2018)
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 263 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 BPGG, Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993 § 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101041.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at