Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2022, RV/6100057/2022

Haftung gemäß § 11 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Susanne Zankl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Robert Karl Galler, Viktor Keldorfer Strasse 1, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß
§ 11 BAO zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom Datum, Zahl unter anderem schuldig gesprochen, zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG der S. in Bezug auf die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 (€ 1.973,58), 2011 (€ 969,33), 2012 (€ 1.311,16) sowie die Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 (€ 2.255,39), 2011 (€ 1.103,57, 2012 (€ 1.501,50), somit in Höhe von gesamt € 9.114,53 beigetragen zu haben.

In weiterer Folge wurde der Bf mit beschwerdegegenständlichem Haftungsbescheid vom als rechtskräftig verurteilter Täter hinsichtlich der im Spruch des Urteils des Landesgerichts angeführten hinterzogenen Abgaben der ***2*** gem. § 11 BAO zur Haftung herangezogen.

Gegen den Haftungsbescheid wurde am Beschwerde erhoben und unter anderem ausgeführt:

"…Die Begründung eines Bescheides muss hiebei erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand zutreffend erachtet (VwGH 2009/15/0209), Die Begründung eines Bescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch, im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichts, für dieses nachvollziehbar ist (VwGH 2011/16/0180).

Der erstinstanzliche Bescheid vermag diesem Erfordernis nicht zu genügen. In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass die erkennende Behörde gern. § 183 BAO angehalten ist, Beweis von Amtswegen oder auf Antrag aufzunehmen.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind von den Parteien beantragte Beweise aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gern. § 167 Abs. 1 BAO zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist lediglich dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig erkannt werden, oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhält, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind.

Den Parteien ist nach § 183 Abs. 4 BAO jedenfalls vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern.

In der gegenständlichen Angelegenheit lässt der bekämpfte Bescheid nicht erkennen, worauf die Behörde ihre Annahme, die Abgabenschuld sei bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, stützt.

Der Bescheid gibt schließlich keine Auskunft darüber, welche konkreten Schritte die erstinstanzliche Behörde zur Einbringlichmachung der Abgabenschuld der Primärschuldnerin gesetzt hat. Die bloße Behauptung, dass eine Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin vorliege, reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, darzulegen, welche konkreten Schritte respektive Maßnahmen sie zur Einbringlichmachung der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin gesetzt hat.

Der Blick ist zudem auf § 11 BAO zu richten. Hiezu ist auszuführen, dass die Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger nach § 11 BAO nach ständiger Rechtsprechung des VwGH im Ermessen der Abgabenbehörde liegt (VwGH 97/16/0006). Voraussetzung für die gesetzmäßige Durchführung einer Ermessensübung ist jedoch, dass die Behörde eine Abwägung der Argumente durchführt. Eine mangelhafte Abwägung der Argumente rückt einen Bescheid bereits deshalb in Richtung Willkür, da die Behörde nicht in die Lage kommen kann, dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag zu geben, und die Durchführung einer Ermessensübung sohin nicht möglich ist (vgl. VfSIg. 8674/79, 9665/83, 12477/90). In Ermangelung einer ordnungsgemäßen Sachverhaltsfeststellung - vor allem hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers - ist der Bescheid wiederum mit einem Begründungsmangel behaftet und konnte die Behörde infolge dessen die genannte Ermessensübung nicht durchführen…".

Die ***2*** wurde am wegen Vermögenslosigkeit gem. § 40 FBG gelöscht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bf stellte am den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

II. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des Bf, auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes bzw. des Bf sowie auf die Ergebnisse der vom Gericht durchgeführten Ermittlungen.

III. Rechtsausführungen

Gemäß § 11 Bundesabgabenordnung (BAO) haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

IV. Erwägungen

Die Haftung gemäß § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung im finanzbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (siehe dazu ). Der Haftungstatbestand ist durch jede Art der Beteiligung erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist. Die rechtskräftige Verurteilung ist damit Tatbestandsmerkmals, der Haftungspflichtige selbst muss wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehen rechtskräftig verurteilt worden sein:

Unbestritten ist, dass der Bf mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom Datum, Zahl unter anderem schuldig gesprochen wurde, zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG der ***1*** in Bezug auf die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 (€ 1.973,58), 2011 (€ 969,33), 2012 (€ 1.311,16) sowie die Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 (€ 2.255,39), 2011 (€ 1.103,57, 2012 (€ 1.501,50), somit in Höhe von gesamt € 9.114,53 beigetragen zu haben.

Unbestritten ist weiters, dass der Bf sowie der Staatsanwalt einen Rechtsmittelverzicht erklärten, sodass das Urteil des Landesgerichtes Salzburg in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt weiters voraus, dass die Inanspruchnahme keinen höheren Verkürzungsbeitrag umfassen darf, als der im Spruch des Strafurteiles festgestellte (). Die Abgabenbehörden sind an den im Spruch des den Haftungspflichtigen verurteilenden Strafurteiles genannten Abgabenbetrag gebunden.

Die im Spruch des beschwerdegegenständlichen Haftungsbescheides angeführten Abgabenbeträge in Höhe von gesamt € 9.114,53 sind ident mit den im Spruch des Landesgerichtes Salzburg angeführten Hinterziehungsbeiträgen. Nach ständiger Judikatur des VwGH entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmal zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zulasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen (vgl. u.a.). Dem Urteil des Landesgerichtes kommt somit Bindungswirkung in Bezug auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (, ) und damit auf das Vorliegen einer Hinterziehung, die Höhe des hinterzogenen Betrages, die hinterzogene Abgabenart und die von der Hinterziehung betroffenen Jahre zu (siehe dazu auch Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I, § 11 BAO Rz 7).

Damit muss aber das Beschwerdevorbringen des Bf bezüglich Rechtswidrigkeit des Bescheides, unvollständige Sachverhaltsfeststellung seitens der Behörde, mangelhafte Bescheidbegründung, Verletzung des Parteiengehörs, der Hinweis auf § 183 BAO usw. ins Leere gehen. Die Abgabenbehörde ist an den Urteilspruch des Landesgerichtes Salzburg gebunden, sodass der Abgabenbehörde ein Abspruch über die Abgabenschuld dem Grunde und der Höhe nach verwehrt ist.

Die Haftung nach § 11 BAO ist keine Ausfallshaftung, sondern eine uneingeschränkte Primärhaftung.

Aus dem Vorbringen des Bf in der Beschwerde, der bekämpfte Bescheid ließe nicht erkennen, worauf die Behörde ihre Annahme, die Abgabenschuld wäre bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, stützt, kann nichts gewonnen werden. Eine Haftinanspruchnahme setzt eine Geltendmachung der Abgabenschuld gegenüber der Primärschuldnerin nicht voraus (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 11, E 2c). Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin stellt keine Tatbestandsvoraussetzung für eine Haftinanspruchnahme nach § 11 BAO dar. Weder die Uneinbringlichkeit noch zuvor gesetzte erfolglose Einbringungsmaßnahmen stellen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahmr nach § 11 BAO dar.

Der vollständigkeitshalber wird dazu ausgeführt, dass die Primärschuldnerin am wegen Vermögenlosigkeit gem. § 40 FBG gelöscht wurde. Daraus folgt, dass zum einen die in der Beschwerde vorgebrachten und seitens der Bf als notwendig erachteten Einbringungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin jeglicher Erfolg versagt bleiben muss sowie zum anderen die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld bei der Primärschuldnerin evident ist.

Die Haftinanspruchnahme stellt eine Ermessenentscheidung im Sinne des § 20 BAO dar:

Zum einen ist dabei gegenständlich maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Einbringung der haftungsgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin aufgrund der amtswegigen Löschung wegen Vermögenlosigkeit im Jahr 2018 nicht möglich ist, zum anderen ist zu berücksichtigen , dass die Haftung nach § 11 BAO eine Schadenersatzhaftung () ist, und der Haftungsbestimmung der gesetzgeberische Wille zu Grunde liegt , dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns ein zu stehen hat. Es ist daher im gegenständlichen Fall dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung (Zweckmäßigkeitserwägung) zweifelsfrei der Vorzug zu geben, gegenüber den Interessen des Bf nicht zur Haftung in Anspruch genommen zu werden. (Billigkeitserwägung). Sofern der Bf auf seine wirtschaftliche Situation verweist, ist dem zu entgegnen, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH die persönlichen Umstände (wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine Vermögenslosigkeit) des Haftenden für sich allein in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung steht.

Im Übrigen darf aufgrund der eindeutigen Rechts- und Sachlage und zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen auf die ausführliche Begründung der in der Sache ergangenen Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Salzburg Stadt vom verwiesen werden.

Die Haftungsinanspruchnahme des Bf erweist sich als rechtskonform.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hier handelt es sich um keine Rechtsfragen von grundsätzliche Bedeutung, da sich die Rechtsfolge unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das Erkenntnis weicht auch nicht von der ständigen Rechtsprechung des VwGH ab. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Schadenersatzhaftung
Haftungsbescheid
Primärschuldner
Primärhaftung
Bindungswirkung
Ermessen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100057.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at