Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 28.04.2022, RV/5100259/2022

Familienheimfahrten nach Ungarn und Pendlerpauschale

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christoph Kordik in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des vormals Finanzamtes ***10***, nunmehr ***FA*** DS ***1***, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1***

beschlossen:

I. Der angefochtene Bescheid wird unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Strittig sind Familienheimfahrten des Beschwerdeführers nach Ungarn bzw. die Nichtanerkennung von Kosten doppelter Haushaltsführung bzw. alternativ die Frage, ob zumindest das "große" Pendlerpauschale bzw. der Pendlereuro aliquot im Ausmaß eines Drittels zusteht.

Verfahrensgang

Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagungsbescheid) 2019 v.

Begründung: "Laut Aktenlage erfolgt die Beibehaltung des ungarischen Wohnsitzes ausschließlich aus privaten Gründen, sodass die Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung keine Werbungskosten darstellen".

Beschwerde v.

Kurzbegründung des Bfs. "Der Familienwohnsitz und der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei in Ungarn gelegen, weswegen um Anerkennung der Kosten ersucht werde ".

Beschwerdevorentscheidung v. (Abweisung):

"Auf Grund der Tatsache, dass Sie und Ihr Ehepartner nicht im Ansässigkeitsstaat tätig sind, die Arbeitsstätten beider Ehepartner näher beieinanderliegen als der Familienwohnsitz entfernt ist und am Familienwohnsitz keine Gründe für eine Beibehaltung desselbigen vorliegen, kann von einer Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes nicht ausgegangen werden. Aus diesem Grund konnten die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht berücksichtigt werden."

Mit Vorlageantrag vom begehrt der Bf. Folgendes:

"Sehr geehrte Damen und Herren, berücksichtigen Sie bitte das 1/3 Pendlerpauschale laut ESTG 1988 §16 Abs.1. Z 6. lit. e und f (Wochenpendler) für die Fahrten zwischen dem österreichischen Wohnort (***Bf1-Adr***/10.) und dem Eigenheim nach Ungarn (***2***.) das aliquote Teil der großen Pendlerpauschale für 4-6 Fahrten monatlich, in Höhe von 1.224 € /Jahr und anerkennen Sie das Pendlereuro im Wert von € 354,00 (Die einfache Wegstrecke beträgt 531 km x 2, davon 1/3 Teil). Ich besitze das Haus in Ungarn. Am ungarischen Wohnsitz halte ich mich ständig auf. Der österreichische Nebenwohnsitz dient nur für Übernachtung in den Werktagen, da ich in Österreich erwerbstätig bin. Ich kehre jede Woche an meinen ungarischen Wohnsitz zurück, weswegen ich ein Drittel des Pendlerpauschales und des Pendlereuros in meiner Arbeitnehmerveranlagung beantragt habe. Ich lege die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 4-mal im Kalendermonat zurück. Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 lit f EStG ist für die Berechnung des Pendlerpauschales bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich. Das Gesetz schließt nicht aus, dass ich den Pendlerpauschale und den Pendlereuro zwischen meinem Familienwohnsitz und der Arbeitsstätte bekomme. Sie werden ersucht, die oben angeführten in Kenntnis zu nehmen und mir die beantragten Steuerbegünstigungen zu zuerkennen."

Mit Vorlagebericht v. wurde die Entscheidung dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Vorlagebericht v. führte die belangte Behörde ua. aus:"Laut Aktenlage erfolgt die Beibehaltung des ungarischen Wohnsitzes ausschließlich aus privaten Gründen, sodass die Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung keine Werbungskosten darstellen." Stellungnahme: Lt. Vorhaltebeantwortung pendelt der Beschwerdeführer ZWEIWÖCHENTLICH an den Familienwohnsitz nach Ungarn. Daher steht das Pendlerpauschale in Höhe von 1/3 nicht zu.

Anmerkung des Gerichtes:

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 v. wurde das große Pendlerpauschale laut Veranlagung im Ausmaß von € 372,00 für die Fahrten des Bfs. vom inländischen Nebenwohnsitz zum inländischen Arbeitsort berücksichtigt.

Berufliches Umfeld

Der Beschwerdeführer (im Folgenden mit Bf. abgekürzt) war im Streitzeitraum 2019 beim inländischen Arbeitgeber ***3*** als Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitgeber, die ***16*** GmbH, hält an diesem Standort die Firmenzentrale. Die Betriebsadresse lautete ***11***. Ein weiterer Standort (***betrieb) liegt an der Betriebsadresse ***17***, ***8***.

Private Belange

Der Bf. ist verheiratet. Der Familienwohnsitz liegt in Ungarn an folgender Adresse: Ungarn -***2***. Es handelt sich um ein eigenes Haus. Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind wurden nicht angegeben.

Die Wegstrecke von Familienwohnsitz in Ungarn zum Arbeitgeber in Österreich in ***3***, beträgt nach den Angaben des Bfs. in den vorgelegten Formularen 526 Kilometer. Der Bf. halte sich nach seinen Angaben "ständig" am ungarischen Familienwohnsitz auf.

Für die Heimfahrten benutzt er den eigenen PKW. Die Wohnsitzverlegung sei lt. Auskunft des Bfs. nicht möglich, weil die Gattin in DEUTSCHLAND erwerbstätig ist und beide kehren ZWEIWÖCHENTLICH zum Familienwohnsitz zurück.

Laut vorgelegter Bestätigung des Unterkunftsgebers war der Bf. im Zeitraum 2019 in ***4***, mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. An Miet-bzw. Betriebskosten musste er € 1.980 bezahlen.

Bis war er am Nebenwohnsitz, ***5*** in ***6*** gemeldet. Für dazwischenliegende Zeiträume existiert in Österreich kein melderechtlicher Eintrag. Im Streitzeitraum 2019 war der Bf. am Nebenwohnsitz in ***7***, gemeldet. Lt. Abfrage des Gerichtes beim ZMR am war er dort seit gemeldet.

Auf diese Umstände wurde im Vorlagebericht v. nicht hingewiesen.

§ 278 Abs 1 BAO bestimmt:

"Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch b) als zurückgenommen (§ 85 Abs 2, § 86a Abs 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3, § 261) zu erklären, so kann das Verwaltungs-gericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist."

Grundsätzlich ist das Instrument der Kassation, dh die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz durch das BFG, nur im Ausnahmefall zulässig.

Die Kassation (Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung an die erste Instanz) als Rechtsinstrument dient der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer.

Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm 6).

Unterlassene Sachverhaltsermittlungen

Das Prinzip der Amtswegigkeit gem § 115 Abs 1 BAO sieht vor, dass die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Da die inhaltliche Prüfung des Rechtsmittels gem § 250 Abs 1 BAO an die Prüfung der Formalerfordernisse unmittelbar anschließt, kann es vorkommen, dass zu diesem Stand des Beschwerdeverfahrens Ermittlungen in der Sache durch die Abgabenbehörde noch nicht erfolgt sind.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder nur bloß ansatzweise ermittelt hat.

Ermessensübung

Im Zuge der Ermessensübung sind die Tatbestandselemente der Zweckmäßigkeit und der Billigkeit zu begründen.

Zur Zweckmäßigkeit:

Letztlich ist es auch nicht zweckmäßig, wenn es wegen des Unterbleibens des Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme. Es ist nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht.

Zum Billigkeit:

Auch das Kriterium der Billigkeit spricht dafür, gegenüber einer Partei bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren und somit insgesamt ein mängelfreies, die Parteienrechte wahrendes Ermittlungsverfahren nach den § 114 ff BAO durchzuführen.

Ein effizientes und rasches (Ermittlungs-)Verfahren ist sinnvollerweise nur durch die belangte Behörde selbst durchzuführen, was zB bei durchzuführenden Ermittlungen im In- und Ausland der Fall ist.

Auch dem Aspekt des Parteiengehörs kann durch die Aufhebung und Zurückverweisung rascher Rechnung getragen werden, indem die Parteien in direktem Kontakt zueinanderstehen. Ansonsten müssten alle Ermittlungsergebnisse beiden Parteien vom Bundesfinanzgericht zur Kenntnis gebracht werden und jeweils die Gelegenheit zur Stellungnahme und Gegenstellungnahme eingeräumt werden. Bei umfangreichen Ermittlungen stellt dies eine wesentliche Verfahrensverzögerung verbunden mit höheren Kosten dar.

Konkreter Beschwerdefall:

Es wurden zwar Ermittlungsschritte gesetzt, aber diese waren für die Entscheidungsreife des Falles nicht ausreichend.

Für das Gericht ist aufgrund der Aktenlage nämlich nicht nachvollziehbar, wo sich der Bf. im Zeitraum bis aufgehalten hat. Er selbst gibt an, dass er sich ständig in Ungarn aufgehalten habe, ohne allerdings dies für diesen Zeitraum zu belegen. Weiters blieb unklar, welche Einkünfte er in diesem Zeitraum in Ungarn oder sonst wo erzielte. Vor allem drängt sich die Frage auf, ob er sich in diesem Zeitraum nicht in Deutschland bei seiner Ehefrau aufgehalten hat und allenfalls dort deutsche Einkünfte erzielte.

Streitjahr 2019:

Fraglich blieb auch, ob der Bf. im Streitjahr 2019 eine neue Tätigkeit begründete. Wie die melderechtlichen Abfragen des Gerichtes v. ergaben, bestand eine Sachverhaltslücke im Zeitraum von bis (also auch für den Streitzeitraum bis ). Ein Dienstvertrag wurde von der Abgabenbehörde bislang für das inländische Beschäftigungsverhältnis in OÖ. nicht verlangt und daher auch nicht vorgelegt.

Im Vorlageantrag v. führte der Bf. aus, dass er zwischen dem österreichischen Wohnort (***Bf1-Adr***/10.) und seinem Familienwohnsitz in Ungarn pendelte.

Dazu bemerkt das Gericht:

Aus der Abfrage des Gerichtes v. beim Zentralen Melderegister ging hervor, dass der Bf.

- von bis in ***8***, ***9***, und

- ab in ***8***, ***15***, jeweils mit einem Nebenwohnsitz gemeldet war.

Damit verkennt er aber, dass der einzig maßgebliche Nebenwohnsitz in ***8***, ***12***, ***13***, im Streitjahr 2019 lag, und eben nicht in ***8***, ***14*** (seit aktueller Nebenwohnsitz). Seine Angaben sind daher unrichtig.

Familienheimfahrten und Pendlerpauschale

§ 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 in der für den Beschwerdezeitraum anzuwendenden anzuwendenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

"Werbungskosten sind auch […] Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:

a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.

[…]

c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:

[…]

d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:

Bei mindestens 2 km bis 20 km: 372 Euro jährlich,

[…]

e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.

- Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu. Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.

f) Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze ist für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich.

Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze solle für die Berechnung des Pendlerpauschales ein Wahlrecht bestehen, entweder den der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnsitz oder den Familienwohnsitz der Berechnung zu Grunde zu legen (lit. f). Voraussetzung für dieses Wahlrecht sei, dass ein Familienwohnsitz iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 vorliegt (Mittelpunkt der Lebensinteressen mit eigenem Hausstand). Ist das nicht der Fall, sei stets der der Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz für das Pendlerpauschale maßgeblich.

Das Pendlerpauschale stehe bei Ausübung des Wahlrechtes nur einmal zu.

In der Sitzung des Nationalrates wurde in der Folge ein weiterer Abänderungsantrag eingebracht und angenommen (Sten.Prot. , 191. Sitzung XXIV GP, 102 ff). Dieser wurde damit begründet, es solle klargestellt werden, dass wenn Familienheimfahrten als Werbungskosten berücksichtigt werden, daneben kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) zur Arbeitsstätte berücksichtigt werden kann.

Die diesbezügliche Regierungsvorlage begründete die Neufassung damit, die Pendlerförderung solle ausgeweitet werden und das Pendlerpauschale solle anteilig auch für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zur Anwendung kommen. Keine inhaltliche Änderung erfolge hinsichtlich der Berücksichtigung des vollen Freibetrages bei Arbeitnehmern, die die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an mehr als 10 Kalendertagen (somit überwiegend) im Kalendermonat zurücklegen (RV 2113 d.B. XXIV. GP).

Im Zuge der Debatte im Finanzausschuss wurde ein Abänderungsantrag eingebracht und vom Ausschuss angenommen, der den Zweck verfolgte, das Verhältnis von Pendlerpauschale zu steuerlich zu berücksichtigenden Familienheimfahrten und die Vorgangsweise bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze klar zu regeln (AB 2177 d.B. XXIV. GP, 2 ff).

Der Antrag führte aus, die Berücksichtigung von (tatsächlichen) Fahrtkosten aus dem Titel von Familienheimfahrten solle durch die Neuregelung des Pendlerpauschales keine Änderung erfahren. Wochenpendler, die schon bisher Familienheimfahrten zum Familienwohnsitz bei Vorliegen einer steuerlich maßgebenden doppelten Haushaltsführung (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) berücksichtigen konnten, sollten weiterhin ihre tatsächlichen Kosten als Familienheimfahrten steuerlich berücksichtigen. Dafür sei (unverändert) das Vorliegen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung erforderlich, nämlich

• eine Mindestentfernung des Familienwohnsitzes vom Beschäftigungsort,

• das Fehlen einer privaten Veranlassung der doppelten Haushaltsführung sowie

• die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort.

Aus dem Gesetzeswortlaut und den parlamentarischen Materialien ergibt sich damit das folgende Prüfschema für den konkreten Fall:

• Handelte es sich bei den wöchentlichen Heimfahrten um steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten, so gilt der Wohnsitz in Ungarn als "Familienwohnsitz" iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988. In diesem Fall hat der Bf. ein Wahlrecht und kann entweder die tatsächlichen Kosten für die Familienheimfahrten (zuzüglich der Kosten für die Wohnung in Wien) geltend machen oder aber das (große oder kleine) Pendlerpauschale für vier bis sieben Fahrten pro Monat über 60 Kilometer in Anspruch nehmen.

• Handelte es sich nicht um anzuerkennende Familienheimfahrten, so gilt die Wohnung in Ungarn als "regulärer" Wohnsitz.

In diesem Fall ist für die Berechnung des Pendlerpauschales der der Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz in OÖ. maßgeblich (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988).

Die oben erwähnten Abänderungsanträge beziehen sich also auf die steuerliche Berücksichtigung von Kosten aufgrund eines Doppelwohnsitzes (Familienheimfahrten). Dafür sind das Vorliegen eines vom Beschäftigungsort unzumutbar weit entfernten Familienwohnsitzes iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sowie die Unzumutbarkeit seiner Verlegung notwendig.

Nur dann, wenn beides zu bejahen ist, besteht ein Wahlrecht zwischen dem Pendlerpauschale und den nach oben hin begrenzten tatsächlichen Kosten.

Familienwohnsitz und Familienheimfahrten

Der Begriff "Familienwohnsitz" wird nicht im Gesetz definiert, sondern wurde ursprünglich nur von Lehre und Rechtsprechung interpretiert. Familienwohnsitz ist danach jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten bzw. Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG11, § 4 Tz 349 unter Hinweis auf ).

In Anlehnung an das zwischenstaatliche Steuerrecht definierte der VwGH den Begriff Mittelpunkt der Lebensinteressen so, dass darunter der Ort zu verstehen ist, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen hat ( etc.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Dieser ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, wobei die Beurteilung anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Dabei ist insbesondere die Höhe der Einkünfte ausschlaggebend.

Schon nach der Rechtsprechung kam allerdings bei dieser Beurteilung den persönlichen Beziehungen und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens eine überwiegende Bedeutung zu (vgl. ; , 98/14/0026; , 95/14/0145 und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG45, § 1 Tz 9). Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt.

Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person oder einer in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes des Paares zu finden sein wird (), wenn sie dort einen gemeinsamen Haushalt führen. Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind dabei ein bedeutsames quantitatives Kriterium (). Demgegenüber treten andere persönliche Beziehungen wie zur restlichen Familie oder zu Freunden in den Hintergrund.

Bei Alleinstehenden verwendet die ständige Rechtsprechung zwar nicht den Begriff Familienwohnsitz, sie behandelt es aber gleich, wenn sie über einen Hauptwohnsitz bzw. eine Wohnung am Heimatort (; , 93/14/0081; , 2001/14/0178) verfügen. Auch die Begriffe ständiger Wohnsitz () oder eigener Hausstand im Heimatort (; , 2002/15/0119; , 2001/14/0178; , 2006/15/0024; , 2009/13/0012) finden Verwendung. Das Höchstgericht wies darauf hin, dass sich in der Rechtsprechung zwar nicht einheitlich die Bezeichnung "Familienheimfahrten" finde, es aber außer Zweifel stehe, dass hier trotzdem die Betragsbeschränkung des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG zur Anwendung kommt ().

Inlandsfahrten:

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl. II Nr. 276/2013 idF BGBl. II Nr. 154/2014 und BGBl. II Nr. 324/2019, ist zu den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 Z 6, § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e und § 33 Abs. 5 EStG 1988 erlassen worden.

Gemäß § 4 Abs. 1 der ab gültigen Pendlerverordnung liegt ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat. § 4 Abs. 1 Pendlerverordnung stellt für das Vorliegen eines Familienwohnsitzes zwingend auf einen eigenen Hausstand ab.

Gemäß § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.

Die Pendlerverordnung ist nicht in der Lage, für ledige Steuerpflichtige, die im Heimatort im elterlichen Haus wohnen, oder für Steuerpflichtige, die im Heimatort in einer Wohngemeinschaft (mit anderen Personen als einem Ehepartner oder Lebensgefährten) wohnen, die steuerliche Berücksichtigung von Familienheimfahrten und doppelter Haushaltsführung zu versagen. Die in § 4 Abs. 2 zweiter Satz Pendlerverordnung enthaltene Einschränkung ist nicht auf den Bereich der doppelten Haushaltsführung übertragbar, zumal sie Wohngemeinschaften und im Haus der Eltern wohnende Kinder generell vom Werbungskostenabzug ausschließen würde. Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung hängen in rechtlicher Hinsicht nicht davon ab, ob Erfordernisse des § 4 Pendlerverordnung erfüllt sind.

Die PendlerVO ist (auch) zu § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 ergangen. Normativer Inhalt des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 ist nicht die Anerkennung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung (und damit für Familienheimfahrten), sondern einzig die betragsmäßige Beschränkung der Absetzbarkeit der Fahrtkosten für Familienheimfahrten. Bei Fehlen eines "Familienwohnsitzes" iSd § 4 Abs. 2 zweiter Satz PendlerVO sind daher die Fahrtkosten für die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angefallenen Familienheimfahrten dem Grunde nach abzugsfähig.

Die PendlerVO definiert den Familienwohnsitz mit dem Ort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (z.B. Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Dies klammert die wirtschaftlichen Beziehungen aus und legt den Schwerpunkt auf die persönlichen Kontakte. Für den konkreten Fall ändert sich dadurch nichts.

Steuerlich anzuerkennende Familienheimfahrten zum Familienwohnsitz iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 liegen nur dann vor, wenn sich der Familienwohnsitz soweit vom Beschäftigungsort entfernt befindet, dass eine tägliche Rückreise unzumutbar ist.

Die Verwaltungsübung nimmt eine solche Unzumutbarkeit unter Hinweis auf an, wenn der Familienwohnsitz (Primärwohnsitz) vom Beschäftigungsort mehr als 80 km entfernt ist und die einfache Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (aktuelle Fassung der LStR 2002 Rz 342).

Die höchstgerichtliche Rechtsprechung entwickelte bis dato keine fixen Entfernungs- oder Fahrtdauergrenzen, stellte allerdings klar, dass es dabei nicht auf die Zumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988) ankommt, sondern auf die Zumutbarkeit des Pendelns ().

Für die Beurteilung sind alle nach außen hin objektiv erkennbaren Umstände heranzuziehen.

Nicht von Relevanz sind im Allgemeinen eine bloß gefühlsmäßige Heimatverbundenheit, der Wunsch, später an einen bestimmten Ort zurückzukehren oder die Frage, wo Eltern und andere Verwandte leben (; , 1080/77).

Erwerbstätigkeit des Ehepartners in Deutschland?

Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres und nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist es die Sache des die Werbungskosten begehrenden Steuerpflichtigen und nicht die der Abgabenbehörde, die Gründe zu nennen, aus denen er das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht (vgl. mit weiteren Nachweisen). Relevant sind deshalb nur die vom Bf. vorgetragenen Gründe.

Ein Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung wäre eine weitere Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder seines Partners (). Damit aber wären die gesetzlichen Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung anzuerkennen. Die Erwerbstätigkeit der Ehefrau in Deutschland wurde bislang nicht näher überprüft. Da seine Gattin im Jahre 2019 in Deutschland erwerbstätig war, handelt es sich beim Bf. um keinen "typischen Wochenpendler", der jedes Wochenende zu seiner Ehefrau pendelt. Das Finanzamt führt in seinem Vorlagebericht v. den Begriff des "Zwei-Wochenpendlers" an. Damit wäre aber aus der Sicht des Gerichtes zumindest angedeutet, dass sich der Bf. an 2 Wochenenden, also in Summe an 4 Tagen pro Monat in Ungarn aufgehalten hat und dort auch seine Ehegattin war, die von Deutschland aus - wo sie ihrer Erwerbstätigkeit nachging- nach Ungarn zum gemeinsamen Familienwohnsitz kam. Damit aber würden die gesetzlichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Z6 lit e EStG 1988 (Drittelanerkennung) vorliegen.

Der bloße Besitz eines Eigenheims am Wohnort stellt keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den (neuen) Arbeitsort dar (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Ergänzend darf auch für das weitere Verfahren auf das Erkenntnis des VwGH Ra 2019/13/0101 (Bei diesem Beschwerdefall ging es um einen Inländer, der in der Schweiz arbeitete) verwiesen werden, aus dem sich folgende Rechtssätze (in Kursivstellung)ableiten lassen:

Eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit kann sich daraus ergeben, dass unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewendet werden oder dass dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewendet wird. Entscheidend ist, dass aus der Sicht der durch Österreich vorgenommenen Besteuerung davon auszugehen ist, dass sich in Österreich ansässige Personen unabhängig davon in einer vergleichbaren Situation befinden, ob sie ihre Einkünfte durch eine Berufstätigkeit in Österreich oder durch eine Berufstätigkeit im benachbarten Ausland erzielen (vgl. 2005/15/0166, VwSlg 8214 F/2007).

Nach der Rechtsprechung des EuGH soll die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeit im gesamten Gebiet der Union erleichtern. Sie steht Maßnahmen entgegen, die die Unionsbürger benachteiligen könnten, wenn sie eine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen (vgl. EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, Rn. 36). Weiters ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, dass die Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auch wenn sie nach ihrem Wortlaut insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, es doch auch verbieten, dass der Herkunftsstaat die freie Annahme und Ausübung einer Beschäftigung durch einen seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindert ( Kohll und Kohll-Schlesser, C 300/15, Rn. 36).

§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 begrenzt die Abzugsfähigkeit von Familienheimfahrten mit dem Höchstbetrag des Pendlerpauschales und stellt dabei nicht darauf ab, ob der Steuerpflichtige im Inland oder im Ausland seinen Berufs- und Familienwohnsitz hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 Abs. 2 AEUV sind allerdings nicht nur Diskriminierungen, die unmittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer - oder der Anknüpfung an grenzüberschreitende Sachverhalte - erfolgen, verboten, sondern auch solche, die mittelbar aufgrund dieses Kriteriums erfolgen, d. h. alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen (vgl. Krah, C-703/17, Rn. 23). Eine solche mittelbare Diskriminierung kann dann vorliegen, wenn die große Mehrheit der grenzüberschreitenden Fälle von einer ungünstigen Regelung betroffen ist, während die große Mehrheit der Inlandsfälle nicht unter diese Begrenzung fällt (vgl. etwa Österreich/Deutschland, C-591/17, Rn. 51).

Die Höhe der Aufwendungen für Familienheimfahrten hängt weniger von der zu überwindenden räumlichen Distanz ab, sondern vom verwendeten Verkehrsmittel und davon, ob der Familienwohnsitz und/oder der Berufswohnsitz in infrastrukturell gut erschlossenen Gebieten, etwa in der Nähe eines Flughafens, liegen. Es ist davon auszugehen, dass bei großen räumlichen Distanzen für wöchentliche Familienheimfahrten auf Verkehrsmittel wie das Flugzeug oder allenfalls Bahn/Bus zurückgegriffen werden wird.

Nach der Rechtsprechung des VwGH orientiert sich die Unzumutbarkeit einer täglichen Rückkehr bei der doppelten Haushaltsführung an einer Kilometerzahl von etwa 80 km und Fahrtzeiten von mehr als einer Stunde (vgl. 2009/13/0132, VwSlg 8837 F/2013, mwN). Bei kürzeren Fahrtzeiten kann auch eine höhere Kilometerzahl erforderlich sein (vgl. 2008/15/0239, VwSlg 8660 F/2011, mwN). Je nach Verfügbarkeit einer Autobahn kann man sich daher an Strecken zwischen 80 und 100 Kilometern als Grenze für die Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr orientieren. Bei wöchentlichen Familienheimfahrten mit dem PKW sind unter Zugrundelegung eines Kilometergeldes von Euro 0,42 daher fast alle Arbeitnehmer - unabhängig davon, wo sie ihren Familienwohnsitz und Berufswohnsitz haben - von der Begrenzung betroffen.

Aus dem Klammerausdruck "Familienheimfahrten", den der Gesetzgeber verwendet, ergibt sich, dass vom Abzugsverbot Besuchsfahrten zum Familienwohnsitz und die darauffolgende Rückkehr erfasst werden sollten. Bei Umzugsfahrten handelt es sich allerdings nicht um solche Besuchsfahrten. Sie unterliegen somit nicht dem Höchstbetrag des § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988.

Bei Familienheimfahrten handelt es sich der Art nach um private Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bis zu einem Höchstbetrag steuerlich zum Abzug zugelassen sind.

Die Deckelung der berücksichtigbaren Kosten führt dazu, dass eine Arbeitsaufnahme in größerer Entfernung zum Familienwohnsitz, die eine doppelte Haushaltsführung erforderlich macht, an Attraktivität einbüßt, weil nicht sämtliche damit zusammenhängende Kosten steuerlich geltend gemacht werden können. Die Begrenzung mit einem Höchstbetrag begegnet dabei keinen grundsätzlichen Bedenken des VwGH, weil es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, den Beitrag der Allgemeinheit zu derartigen Kosten im Wege der steuerlichen Abzugsfähigkeit auf ein bestimmtes Maß zu begrenzen (siehe auch den Ablehnungsbeschluss des ; zur vergleichbaren Thematik des gedeckelten Pendlerpauschales 2001/15/0225).

Anders als bei zusätzlichen Zeitungsabonnements (Einsatz "zusätzlicher Wirtschaftsgüter") und auch bei der Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung (Erfordernis eines zusätzlichen Haushalts) geht es beim Verpflegungsmehraufwand im Ausland um die Deckung desselben Basisbedarfs wie bisher, allerdings verbunden mit höheren Kosten. Daher kann nicht damit argumentiert werden, dass es sich nicht mehr um Kosten der "Lebensführung" handle; dies wurde im Erkenntnis vom , 2012/15/0119, auch nicht angenommen. Die dort erwähnte "Ausnahme" ist demnach ein Fall der teleologischen Reduktion, für die nach der Rechtsprechung des VwGH strenge Voraussetzungen gelten. Es muss eine "planwidrig überschießende Regelung" vorliegen. Erforderlich ist "stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegenseinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre" (vgl. etwa Ro 2014/15/0034, mwN). Daraus ergeben sich Schlussfolgerungen für die im Erkenntnis vom für den damit entschiedenen Fall nur im negativen Sinn beantwortete Frage, wann ein Unterschied im Preisniveau so erheblich ist, dass er eine im Gesetz nicht enthaltene "Ausnahme" rechtfertigt. Der Unterschied müsste so gravierend sein, dass der Fall nicht mehr den mit dem Abzugsverbot "eigentlich gemeinten Fallgruppen" zuordenbar und das Fehlen einer Ausnahme, die der österreichische Gesetzgeber (im Gegensatz zum deutschen) auch im EStG 1988 nie vorgesehen hat, in Bezug auf die zu beurteilende Sachlage "ungerechtfertigt und willkürlich" wäre.

Zur Frage, ob die erste und letzte Fahrt im Zusammenhang mit doppelter Haushaltsführung d abzugsfähige Umzugskosten darstellen bzw. ob diese einer Beschränkung durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 unterliegen, wird auf das Erkenntnis des (fortgesetztes Beschwerdeverfahren), hingewiesen.

Zur Frage, ob beim Pendlerrechner (hier nur für die Inlandsfahrten) die richtigen Verhältnisse zu den jeweiligen Arbeitszeiten des Abgabepflichtigen angewendet wurden, wird auf die Entscheidung des verwiesen (Pendlerpauschale - unrichtige Verhältnisse bei Heranziehung des Ergebnisses des Pendlerrechners zu § 16 Abs 1 Z 6 EStG; § 3 Abs. 5 Pendlerverordnung).

Zusammenfassung

Die Frage von steuerlich anzuerkennenden Kosten für Familienheimfahrten bzw. doppelter Haushaltsführung und daraus resultierenden steuerlichen Nebenfragen ist nicht einfach.

Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2019 v. wurde das große Pendlerpauschale laut Veranlagung im Ausmaß von € 372,00 für die Fahrten des Bfs. vom inländischen Nebenwohnsitz zum inländischen Arbeitsort berücksichtigt (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988).

Familienheimfahrten wurden ebenso wie die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht anerkannt.

Durch die Ungleichbehandlung von Fahrten (hier unstrittig: Familienheimfahrten nach Ungarn alle 2 Wochen (also 2 Wochenenden in Ungarn ergibt in Summe 4 Tage und damit die "Drittelbegünstigung") mit inländischen Fahrten wird überdies auch Frage der Diskriminierung von In-und Ausländern berührt. Zudem ist die Entscheidung noch in sachverhaltsmäßiger Hinsicht noch zu klären (sieh dazu die ausführliche Begründung im Beschluss v. ).

Ob tatsächlich die Steuerbegünstigung der Anerkennung von einem Drittel der Kosten im Ausmaß von € 1.224,00 bzw. dem Pendlereuro v. € 354,00 zu gewähren sein wird, wird sich nach der Durchführung der noch erforderlichen Ermittlungen durch die belangte Behörde zeigen.

Sollte allerdings die belangte Behörde - nach den Ermittlungsergebnissen - die Meinung vertreten, dass - der geschilderten Rechtsprechung von EuGH und VwGH folgend - die beantragten Kosten anzuerkennen wären, wäre das auch eine Entscheidungsmöglichkeit.

Aus den angeführten Gründen war daher wie im Erkenntnisspruch ersichtlich zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Frage einer Zurückverweisung ist im gegenständlichen Beschwerdefall keine verfahrensrechtliche Frage, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013
§ 16 Abs. 6 Z 6 lit. f EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte
großes Pendlerpauschale
Zurückverweisung
Familienheimfahrten nach Ungarn
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100259.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at