Parkometerabgabepflicht und Aufladen von Elektrofahrzeugen in einer E-Ladezone: Bindung des BFG an die Entscheidung betreffend Halteverbot
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RV/7500521/2021-RS1 | Die Frage, ob zum Zeitpunkt der Beanstandung ein Ladevorgang iSd § 54 Abs 5 lit m StVO 1960 im Gange war, stellt eine Vorfrage im Verwaltungsstrafverfahren betreffend Wiener Parkometerabgabe dar, da der Bestand der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe und somit auch die - ohne Abgabepflicht nicht vorliegende - Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers von der Entscheidung dieser Frage abhängen (vgl. , wonach die eine Bestrafung nach § 7 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 Salzburger ParkgebührenG 1989 aussprechende Behörde - soweit dies für die von ihr vorzunehmende rechtliche Beurteilung relevant sei - die Frage des Vorliegens einer "Ladetätigkeit" gemäß § 38 AVG iVm § 24 VStG zu beurteilen und den Begriff der "Ladetätigkeit" im Sinne der StVO zu interpretieren habe). Zur Entscheidung über diese Frage als Hauptfrage ist aber nicht das Bundesfinanzgericht, sondern das Verwaltungsgericht Wien zuständig. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Robert Pernegger in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl: MA67/216700277363/2021, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG erster Fall eingestellt.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis vom , Zahl: MA67/216700277363/2021, hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als belangte Behörde Herrn ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführer) angelastet, er habe die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt in dem er das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** am um 17:26 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in ***4***, abgestellt habe ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben.
Dadurch habe der Beschwerdeführer die Rechtsvorschrift des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über den Beschwerdeführer gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt.
Ferner habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG einen Betrag von € 10,00 als Mindestbeitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 70,00.
Der Beschwerdeführer hat gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Beschwerde erhoben und in der mündlichen Verhandlung am die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien vom xx.xx.2021, Zahl: ***4***, vorgelegt, mit der das zum selben Abstellvorgang gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren, betreffend eine VerwaItungsübertretung nach § 24 Abs 1 lit. a StVO 1960, eingestellt wurde:
"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht unzweifelhaft fest, dass es sich beim Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** um ein Elektrofahrzeug im Sinne des § 54 Abs. 5 lit. m StVO handelt, mit dem zu dem im angefochtenen Straferkenntnis genannten Zeitpunkt ein Ladevorgang durchgeführt wurde. Folglich greift im gegenständlichen Fall die Ausnahme der Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. m StVO, weshalb das gemäß § 24 Abs. 1 lit. a StVO beschilderte Halte- und Parkverbot für das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** an der fraglichen Örtlichkeit nicht galt."
Auf Nachfrage des Bundesfinanzgerichtes hat das Verwaltungsgericht Wien mitgeteilt, dass diese Einstellung nicht bekämpft wurde.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 StVO 1960) ist eine Abgabe zu entrichten."
§ 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung normiert:
"(1) Die Abgabe gilt mit der ordnungsgemäßen Entwertung des Parkscheins (der Parkscheine) oder mit der Bestätigung der Abstellanmeldung als entrichtet.
(2) Zur Entrichtung der Abgabe sind der Lenker, der Besitzer und der Zulassungsbesitzer zur ungeteilten Hand verpflichtet. Jeder Lenker, der ein mehrspuriges Kraftfahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Abgabepflicht besteht, hat die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten. Die Lenker haben bei der Durchführung der angeordneten Kontrollmaßnahmen mitzuwirken."
§ 4 Wiener Parkometergesetz 2006 normiert:
"(1) Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365 Euro zu bestrafen."
In seiner Entscheidung , 81/17/0168, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass der belangten Behörde insofern keinesfalls gefolgt werden könne, als sie den Begriff der Kurzparkzone nach dem Parkometergesetz und nicht nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beurteile, da sowohl das Parkometergesetz als auch der mehrfach zitierte Beschluss des Wiener Gemeinderates ausdrücklich auf die Kurzparkzone im Sinne der Straßenverkehrsordnung 1960 verweise, Tatbestandsmerkmal für die Abgabepflicht nach dem Parkometergesetz sei daher der Umstand, dass im konkreten Fall dem Beschwerdeführer gegenüber eine Kurzparkzone im Sinne der Straßenverkehrsordnung wirksam gewesen wäre. Wenn man nämlich davon auszugehen habe, dass durch die Schaffung des Bereichs einer "Ladezone" die Wirksamkeit der Kurzparkzone - allenfalls nur in einer bestimmten Beziehung - aufgehoben wäre, dann bestehe insoweit auch keine Abgabenpflicht nach dem Wiener Parkometergesetz. Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die "Ladezone", also ein "Halteverbot ausgenommen Ladetätigkeit", im Sinn des § 52 Z. 13 b dritter Abs. StVO durchaus ambivalenten Charakter habe, da nämlich das Halteverbot grundsätzlich zweifellos eine weiter gehende Einschränkung darstelle als die Anordnung einer Kurzparkzone. Gleichzeitig stelle "Ladezone" aber eine Erlaubnis dar, das Fahrzeug ohne rechtliche Beschränkung während der Dauer der Ladetätigkeit (vgl 593/69, verwiesen) abzustellen. Dem Beschwerdeführer wäre zuzugeben, dass eine derart zulässige Ladetätigkeit - wenn auch nur in Einzelfällen - die im Beschwerdefall maßgebliche eineinhalbstündige Parkdauer innerhalb einer Kurzparkzone unter Umständen erheblich überschreiten könne, ohne dass von vornherein gesagt werden könnte, die Anordnung einer Kurzparkzone würde anderen Verkehrszeichen in diesem Bereich jedenfalls vorausgehen. Bei dieser Auslegung dieser Normenkonkurrenz sei daher zulässig, die im Bericht des Verkehrsausschusses zur 9. StvO-Novelle (1099 Blg. Nr. 15. GP) vertretene Auffassung zu berücksichtigen, wonach nämlich Fahrzeuge von der Kurzparkzonenregelung ausgenommen wären, für die durch Straßenverkehrszeichen reservierte Straßenstellen im Bereich einer Kurzparkzone vorgesehen seien, wie zB Fahrzeuge für Behinderte, Fahrzeuge des Diplomatischen Corps in den für solche Fahrzeuge vorgesehenen Zonen, Taxifahrzeuge auf Taxistandplätzen bzw Fahrzeuge, mit denen in einer Ladezone eine Ladetätigkeit durchgeführt werde. Da sich diese Auslegung im Rahmen der Gesetzestexte halte, und überdies dem Sinn derartiger Ladezonen (sie sollen ja von anderen Fahrzeugen für Zwecke des Be- und Entladens freigehalten werden) entspreche, sei sie der formalen Überlegung, wonach im Bereich einer Kurzparkzone keine Ausnahme denkbar sei, vorzuziehen. Dies bedeute also, dass die Kurzparkzone durch eine "Ladezone" zwar nicht an sich und zur Gänze unterbrochen würde, sie aber jenen Fahrzeugen gegenüber nicht gelte, die ausschließlich für die Be- oder Entladetätigkeit dort abgestellt würden. Seien aber die Vorschriften über die Kurzparkzone auf derartige Fälle nicht anzuwenden, dann wäre auch der Abgabentatbestand des § 1 des Wiener Parkometergesetzes nicht erfüllt.
Dem § 54 Abs 5 StVO 1960 wurde mit der 28. StVO-Novelle, BGBl. I Nr. 6/2017, eine lit m angefügt. Darin erfolgte die Einführung einer neuen Zusatztafel, nämlich:
Deren normative Wirkung ist wie folgt festgelegt: "Eine solche Zusatztafel unter dem Zeichen ,Halten und Parken verboten' zeigt an, dass das Halte- und Parkverbot nicht für ein von außen aufladbares Kraftfahrzeug mit einem Antriebsstrang, der mindestens einen nicht-peripheren elektrischen Motor als Energiewandler mit einem elektrisch aufladbaren Energiespeichersystem, das extern aufgeladen werden kann, enthält (Elektrofahrzeug), während des Ladevorgangs gilt".
Den Gesetzesmaterialien ist diesbezüglich zu entnehmen, dass eine Förderung der Elektromobilität sowohl verkehrs- als auch umweltpolitisch wünschenswert sei und mit Hilfe der neuen Zusatztafel ein Freihalten von Parkplätzen zum Zweck des Aufladens von Elektrofahrzeugen auf einfache Weise ermöglicht werden solle.
Die Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes in seiner Entscheidung vom , 81/17/0168, sind auch hinsichtlich der im beschwerdegegenständlichen Fall einschlägigen Form der "Ladezone" iZm § 54 Abs 5 lit m StVO 1960 heranzuziehen. Anzumerken ist, dass die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit Email vom ebenfalls mitgeteilt hat, dass ihre Entscheidung unter Heranziehung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zahl 81/17/0168, erfolgt wäre.
Wie in dieser Entscheidung dargelegt, wird die Kurzparkzone durch eine "Ladezone" zwar nicht an sich und zur Gänze unterbrochen, sie gilt aber jenen Fahrzeugen gegenüber nicht, die ausschließlich für die Beladetätigkeit und Entladetätigkeit dort abgestellt werden und damit fallen die diese bestimmungsgemäß nutzenden Fahrzeuge auch nicht unter den Tatbestand der Parkometerabgabepflicht.
Die Frage, ob zum Zeitpunkt der Beanstandung ein Ladevorgang iSd § 54 Abs 5 lit m StVO 1960 im Gange war, ist also nach Straßenverkehrsrecht zu beurteilen.
§ 38 VwGVG normiert:
"Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."
§ 24 VStG normiert:
"Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren. Die §§ 2, 3, 4, 11, 12, 13 Abs. 8, 14 Abs. 3 zweiter Satz, 37 zweiter Satz, § 39 Abs. 3 bis 5, 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 68 Abs. 2 und 3, 75 und 78 bis 82 AVG sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht anzuwenden."
§ 38 AVG normiert:
"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."
Es handelt sich bei der Frage, ob zum Zeitpunkt der Beanstandung ein Ladevorgang iSd § 54 Abs 5 lit m StVO 1960 im Gange war, also um eine Vorfrage im beschwerdegegenständlichen Verfahren, da der Bestand der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkometerabgabe und somit auch die - ohne Abgabepflicht nicht vorliegende - Strafbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers, von der Entscheidung dieser Frage abhängen. Zur Entscheidung über diese Frage als Hauptfrage ist aber nicht das Bundesfinanzgericht, sondern das Verwaltungsgericht Wien zuständig.
Diese rechtliche Beurteilung als Vorfrage entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der in seinem Erkenntnis vom , 97/17/0331, ausgesprochen hat, dass die eine Bestrafung nach § 7 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 Salzburger ParkgebührenG 1989 aussprechende Behörde - soweit dies für die von ihr vorzunehmende rechtliche Beurteilung relevant sei - die Frage des Vorliegens einer "Ladetätigkeit" gemäß § 38 AVG iVm § 24 VStG zu beurteilen und den Begriff der "Ladetätigkeit" im Sinne der StVO zu interpretieren habe.
Im Beschwerdefall wurde die genannte Vorfrage bereits vom zuständigen Gericht, nämlich dem Verwaltungsgericht Wien mit Bindungswirkung entschieden, denn mit dem dort angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom xx.xx.2021 zur GZ: ***2***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
[…]
Zur Bindungswirkung rechtskräftiger Entscheidungen stellen Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 21 (Stand , rdb.at), fest:
Es ist nämlich anzunehmen, dass die Behörden (VwG) - und damit jedenfalls (Rz 23) auch die Parteien des Verfahrens über die Vorfrage ( 93/08/0252; , Ra 2017/08/0022; vgl auch VwGH 4. 1 0. 2001, 2001/08/0057; Kolonovits/Muzak/Stöger Rz 468 f; ferner Loebenstein, JBI 1978, 296) - an rechtskräftige Entscheidungen der (österreichischen [vgl VwGH 29. , 1093/59; , 2002/21/0087; , 2004/18/0301; Stoll, BAO II 1329; ferner Rz 2]) Verwaltungsbehörden und Gerichte im Vorfragenbereich (vgl auch VwSIg 14.262 A/1995) gebunden sind ( 1668/77; , 96/03/0121; vgl auch 2004/07/0047; , 2007/02/0137). Dies folge schon "aus der Einheit der Staatsverwaltung und der Pflicht aller Behörden zur gegenseitigen Anerkennung der von ihnen gesetzten Akte" (VwSIg 3391 A/1954; vgl auch 2203/71 verst Sen; , 98/12/0522; , Ro 2020/03/0014; Mannlicher/Quell AVG § 38 Anm 3; Raschauer5 Rz 210 ff) und kommt auch in § 38 AVG unzweifelhaft zum Ausdruck ( 98/08/0129; Leeb, Bescheidwirkungen 24 ff; Leeb in GedS Walter 427 ff; Schulev-Steindl5 Rz 266; Walter in FS Koja 625; vgl auch Rz 2; § 69 Abs 1 Z 3 AVG ; VwSIg 5838 A/1 962; Eberhard/Lachmayer, "Bindungswirkung" 91 f; Kneihs, ZfV 2015, 189; Kunesch, JBI 2017, 566; ferner RV 648 BlgNR 22. GP 8 [zu Entscheidungen gern § 3 Abs 7 UVP-G]; Walter, ÖJZ 1996, 602 zu § 190 ZPO).
Eine solche Bindungswirkung ist allerdings nicht mit jeder Einstellung von Verwaltungsstrafverfahren verbunden. Wird ein Verwaltungstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt, kann daraus nicht in einer andere Behörden bindenden Weise eine Entscheidung der relevanten Vorfrage entnommen werden, der Beschuldigte habe die Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 leg. cit. gar nicht begangen, wenn die Einstellung nicht auch ausdrücklich nach § 45 Abs 1 Z 2 erster Fall VStG (der genau diesen Fall der Nichtbegehung einer Verwaltungsübertretung als Einstellungsgrund nennt) erfolgt ist ().
Die im Beschwerdefall relevante Vorfrage wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom xx.xx.2021, dg Zahl: ***3***, in einer auch für das Bundesfinanzgericht bindenden Weise entschieden, da die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG erfolgte. Dass die Aufnahme der beiden Beanstandungen durch den Meldungsleger hintereinander in einem Abstand von vier Minuten erfolgte, ist den administrativen Abläufen geschuldet und ändert nichts an der Identität des Sachverhaltes bzw Streitgegenstandes und der sich daraus ergebenden Bindungswirkung.
In den Entscheidungsgründen ging das Verwaltungsgericht Wien im Übrigen auch von einer Dauer des Ladevorganges von 12:57 Uhr bis 18:51 Uhr aus und stellte fest: "Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht unzweifelhaft fest, dass es sich beim Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** um ein Elektrofahrzeug im Sinne des § 54 Abs. 5 lit. m StVO handelt, mit dem zu dem im angefochtenen Straferkenntnis genannten Zeitpunkt ein Ladevorgang durchgeführt wurde. Folglich greift im gegenständlichen Fall die Ausnahme der Zusatztafel nach § 54 Abs. 5 lit. m StVO, weshalb das gemäß § 24 Abs. 1 lit. a StVO beschilderte Halte- und Parkverbot für das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** an der fraglichen Örtlichkeit nicht galt. Da der Beschwerdeführer, in Anbetracht der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen."
§ 45 VStG normiert:
"(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat"
Im Zuge einer Kontrolle am wurde das in ***4***, abgestellte Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** um 17:22 Uhr nach 24 Abs 1 lit. a StVO und um 17:26 Uhr nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung beanstandet und über den Beschwerdeführer in den jeweiligen Straferkenntnissen (***2*** bzw. MA67/216700277363/2021) nach den einschlägigen Strafnormen (§ 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 bzw. § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006) Verwaltungsstrafen verhängt.
Das zur Auslegung der StVO 1960 berufene Verwaltungsgericht Wien hat die für die Beurteilung der Übertretung der einschlägigen parkometerrechtlichen Vorschriften relevante Vorfrage, ob eine "Ladetätigkeit" am verfahrensgegenständlichen Fahrzeug vorliegt, welche die Gültigkeit der Kurzparkzone für die Dauer dieses Ladevorgangs aussetzt, bereits bejahend beantwortet.
Das Bundesfinanzgericht, als gemäß § 24 Abs 1 BFGG in Verbindung mit § 5 WAOR zur Beurteilung der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen nach dem Wiener Parkometergesetz 2006 zuständiges Verwaltungsgericht, ist, wie bereits ausgeführt, an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien gebunden.
Da der Beschwerdeführer das verfahrensgegenständliche Fahrzeug in einer Kurzparkzone abgestellt hat, während an diesem ein Ladevorgang durchgeführt wurde, hat er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen.
Somit war der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
Kostenentscheidung
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 38 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 § 24 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 4 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 5 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 1 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005 § 54 Abs. 5 lit. m StVO 1960, Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Pernegger in BFGjournal 2022, 322 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500521.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at