Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.05.2022, RV/7102498/2018

Gebührenrechtliche Dauer eines Bestandvertrages bei Vereinbarung aller Kündigungsgründe des MRG

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7102498/2018-RS1
Auch wenn in einem (befristeten) Bestandvertrag vereinbart ist, dass er (nur) für den Bestandgeber aus allen im MRG genannten Gründen auflösbar ist, kann eine entsprechende Prüfung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe ergeben, dass nur mit geringer Wahrscheinlichkeit von deren Verwirklichung auszugehen ist und demnach gebührenrechtlich ein Vertrag auf bestimmte Dauer vorliegt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Gebühr nach § 33 TP 5 Abs 1 Z. 1 GebG 1957, Steuernummer ***BFStNr***, Erf.Nr. ***Erf.Nr.*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , St.Nr. ***BFStNr***, Erf.Nr. ***Erf.Nr.***, setzte die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin die Rechtsgeschäftsgebühr für einen Bestandvertrag mit € 38.973,30 fest. Sie ging hierbei von einer bestimmten Vertragsdauer aus. Die Beschwerdeführerin hatte zuvor die Gebühr unter Zugrundelegung einer unbestimmten Vertragsdauer mit € 6.519,55 berechnet sodass sich eine Nachforderung von € 32.453,75 ergab. Die Festsetzung erfolgte gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO, da erst anlässlich einer Überprüfung der Selbstberechnung festgestellt wurde, dass ein Vertrag auf bestimmte Dauer vorliege ("Wiederaufnahmefall").

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . In dieser wird geltend gemacht, dass im gegenständlichen Bestandvertrag vereinbart wurde, dass - trotz zivilrechtlicher Befristung - die Bestandgeberin das (nicht dem Mietrechtsgesetz [MRG] unterliegende) Vertragsverhältnis aus den im MRG genannten Gründen aufkündigen sowie aus weiteren, gesondert vereinbarten wichtigen Gründen vorzeitig auflösen kann. Aus diesem Grunde sei von einer unbestimmten Vertragsdauer auszugehen. Eine Analyse nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der Kündigungsgründe sei bei einer derartigen pauschalen Vereinbarung aller Kündigungsgründe des MRG nicht vorzunehmen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach eine Prüfung der Kündigungsgründe auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung bei einer pauschalen Vereinbarung aller Kündigungsgründe des MRG nicht vorzunehmen sei, teilte die belangte Behörde nicht. Sie nahm daher eine solche Prüfung vor und führte aus, dass die meisten der vereinbarten Auflösungsgründe entweder auf das gegenständliche Bestandverhältnis nicht anwendbar seien oder ein (Fehl-) Verhalten des Bestandnehmers voraussetzen und daher nicht im Belieben des Bestandgebers stehen. Theoretisch denkbar wäre eine Auflösung lediglich aus den Gründen des § 30 Abs. 2 Z. 9 (Eigenbedarf) und Z. 12 (Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Untermietverhältnisses) MRG, deren Verwirklichung jedoch als gänzlich unwahrscheinlich anzusehen sei. Demnach sei nicht von einer jederzeitigen Auflösbarkeit des Vertrages auszugehen und liege daher ein Bestandverhältnis auf bestimmte Zeit vor.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***Verpächterin***, deren Unternehmensgegenstand in der Entwicklung, dem Kauf und dem Verkauf von Immobilien besteht, ist aufgrund eines Untermietvertrages Inhaberin des Geschäftslokales in ***Bf-Adr***, Geschäftsräumlichkeiten Stg. 2 top Nr. 2 und 2b im Ausmaß von 42,19 m2, in dem seit zumindest 1983 ein Handel mit Geschenkartikeln, Uhren und Schmuck etabliert ist. Hinsichtlich dieses Objektes hatte sie am mit der ***Vorpächterin*** einen Pachtvertrag abgeschlossen. Mit Vereinbarung vom ("Neufassung eines Pachtvertrages") vereinbarten die ***Verpächterin*** und die Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdeführerin mit gesonderter Erklärung per in dieses Vertragsverhältnis eintritt. Gleichzeitig wurde der gesamte Inhalt des Pachtvertrages in der Vereinbarung vom neu formuliert und festgeschrieben.

Demnach hat das Pachtverhältnis am begonnen und endet am ohne dass es einer Aufkündigung bedarf. Die Verpächterin ist jedoch ungeachtet der vereinbarten Befristung berechtigt, den Vertrag aus allen erdenklichen Gründen des MRG, insbesondere auch bei Vorliegen eines der in § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 MRG genannten wichtigen Gründe unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende aufzulösen (Pkt II.1. des Vertrages). Darüber hinaus kann die Verpächterin ohne Rücksicht auf Termine oder Fristen den Vertrag auflösen, wenn

a) die Pächterin mit Entgeltszahlungen entweder in der Höhe eines Pachtzinses oder eines Anteiles an den Nebenkosten in Höhe des jeweiligen Monatspauschales trotz schriftlicher Mahnung und unter Setzung einer 14-tägigen Nachfrist im Rückstand ist, oder eine eventuell eingeräumte Zahlungsstundung nicht einhält,

b) die Pächterin den Pachtgegenstand, dem Gemeingebrauch dienende Bereiche oder gemeinsame technische Einrichtungen widmungswidrig gebraucht oder den Pachtgegenstand einem Dritten ganz oder teilweise unbefugt überlässt, das Pachtobjekt oder gemeinsame Teile der Anlagen nachteilig nutzt, wodurch sonst vermeidbare Schäden an der Haussubstanz eintreten und trotz Setzung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist die Zuwiderhandlungen fortsetzt oder später wiederholt,

c) die Pächterin ohne Zustimmung der Verpächterin genehmigungspflichtige bauliche Veränderungen vornimmt

d) die Pächterin sich trotz Mahnung neuerlich rücksichtslos oder sonst grob ungehörig gegenüber der Verpächterin, deren Vertretern, anderen Pächtern oder deren Besuchern verhält

e) die Pächterin wesentliche rechtskräftige behördliche Auflagen oder gesetzliche Bestimmungen nicht erfüllt

f) über das Vermögen der Pächterin ein Insolvenzverfahren eröffnet wird und ein in diesem Zeitpunkt bestehender Pachtzinsrückstand (siehe lit. a) nicht binnen 14 Tagen nachbezahlt wird, ohne dass es einer gesonderten Mahnung bedarf,

h) unmoralische und unsittliche Schriften, Bild- und Datenträger u. dgl. im Pachtgegenstand vertrieben werden (Pkt XIII.1.).

Der Pächterin steht kein Recht auf Teilkündigung, insbesondere auch kein Recht auf vorzeitige Kündigung, Auflösung oder sonstige Anfechtung des Pachtverhältnisses zu (Pkt XIII.2.).

Die Pächterin kann das Pachtverhältnis durch eine schriftliche Erklärung, die 12 Monate vor Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer bei der Verpächterin einlangen muss, zweimal zu gleichen Bedingungen für die Dauer von 10 Jahren verlängern. Voraussetzung hierfür ist, dass die Pächterin allen Verpflichtungen aus dem Vertrag ordnungsgemäß nachgekommen ist, zwischen Abgabe der Erklärung und Ablauf des aktuellen Pachtverhältnisses keine Zahlungsrückstände bestehen und im Zeitpunkt der Verlängerung eine gesetzliche Befristungsmöglichkeit auf die vorgesehene neue Vertragslaufzeit besteht. Für den jeweiligen Verlängerungszeitraum verzichtet die Pächterin auf ein vorzeitiges Kündigungsrecht (Pkt II.3.).

Die Verpächterin ist berechtigt - auch wiederholt - ihre Rechte und Pflichten aus dem Vertrag an einen oder mehrere Dritte zu übertragen. Die Pächterin verzichtet im Zusammenhang damit auf ein allfälliges Auflösungsrecht gemäß § 1120 ABGB. Befristung und Kündigungsverzicht der Pächterin wirken daher auch gegenüber jedem Rechtsnachfolger der Verpächterin weiter (Pkt XI.7.).

Bei Beendigung des Pachtverhältnisses ist das Pachtobjekt samt Betriebs- und Geschäftsausstattung zurückzustellen (Pkt XV.1.). Adaptierungen oder sonstige bauliche Veränderungen, welche die Pächterin vorgenommen hat, gehen grundsätzlich in das Eigentum der Verpächterin über und kann die Pächterin ihre Sachen nur insoweit aus dem Bestandobjekt entfernen, als dies ohne Schädigung der Substanz möglich ist. Das Pachtobjekt muss zumindest über eine eigene Strom-, Wasser-, Gas-, und Heizungsversorgung verfügen sowie einen straßenseitig gelegenen Eingangs-/Portalbereich aufweisen (Pkt XV.2.).

Das Pachtentgelt, welches die Pächterin ab Übergabe () zu entrichten hat, beträgt vereinbarungsgemäß für die verbleibenden Monate des Jahres 2013 € 12.000,00 monatlich und ab einschließlich Jänner 2014 € 15.000,00 monatlich (Pkt IV.1.a). Darüber hinaus hat die Pächterin die für den ordnungsgemäßen Betrieb des Pachtgegenstandes samt Geschäftsausstattung erforderlichen Nebenkosten zu tragen (Pkt IV.2.). Letztlich hat sie die auf das Pachtentgelt und die Nebenkosten entfallende gesetzliche Umsatzsteuer zu entrichten (Pkt IV.3.).

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Inhalt des Pachtverhältnisses gründen sich auf die vorliegende Vertragsurkunde vom , in der auch die Besitzverhältnisse am Pachtgegenstand und die Nutzungsverhältnisse vor Übernahme des Objektes durch die Beschwerdeführerin wiedergegeben sind. Der Unternehmensgegenstand der Verpächterin ist dem offenen Firmenbuch (FN ***FN-Verpächterin***) entnommen. Im Übrigen ist der Sachverhalt zwischen den Parteien nicht strittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG 1957 sind Bestandverträge mit 1 % der Bemessungsgrundlage zu vergebühren. Diese Bemessungsgrundlage beträgt bei unbestimmter Vertragsdauer das Dreifache des Jahreswertes (= Jahresmietzins einschließlich Nebenkosten und Umsatzsteuer), bei bestimmter Vertragsdauer das entsprechend vervielfachte, höchstens jedoch 18-fache des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht (§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957).

Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, hängt davon ab, ob beide Vertragsteile für eine bestimmte Dauer an den Vertrag gebunden sind oder nicht. Ein Bestandverhältnis, das zwar der Form nach auf eine bestimmte Zeit eingegangen worden ist, aber dennoch vor Ablauf dieser Zeit von zumindest einem Vertragspartner beliebig aufgelöst werden kann, ist demnach in seiner Dauer unbestimmt (vgl VwGH verstSen , 840/62). In diesem Sinne wurde judiziert, dass die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG grundsätzlich keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit darstellt, sodass in einem solchen Fall von einer unbestimmten Vertragsdauer auszugehen ist. Dagegen steht die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Vertrag nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs 3 GebG nicht entgegen ( m.w.N.). Was hierbei eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe im Einzelfall zu prüfen (; , 90/15/0034; , Ra 2017/16/0111).

Wenngleich die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 MRG grundsätzlich noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstellt, entspricht es doch der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des VwGH, dass auch in einem solchen Fall eine entsprechende Gewichtung und Prüfung der Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe dazu führen kann, dass von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen ist (; , Ra 2018/16/0040; , Ro 2018/16/0004; , Ra 2019/16/0182). Es trifft daher nicht zu, dass - wie die Beschwerdeführerin ausführt - eine solche Analyse zu unterbleiben hat, wenn die pauschale Anwendbarkeit aller Kündigungsgründe des MRG vereinbart wurde.

Im vorliegenden Fall handelt es sich beim Bestandobjekt um einen Handelsbetrieb (Geschenkartikel, Uhren und Schmuck) einschließlich Geschäftslokal. Es ist daher zu prüfen, ob sich die vereinbarten Kündigungsgründe bei einem derartigen Objekt verwirklichen können, ob deren Verwirklichung im Belieben der Verpächterin steht und ob von einer Verwirklichung mit einiger Wahrscheinlichkeit auszugehen ist.

Kündigungsgründe, die nicht unter einen der Tatbestände des § 30 Abs. 2 MRG fallen und trotzdem als ausreichend "wichtig" anzusehen sind, um von der Generalklausel des § 30 Abs. 1 MRG erfasst zu sein, wurden von der Rechtsprechung bislang nur sehr eingeschränkt anerkannt. Bejaht wurde ein Kündigungsgrund i.S.d. Generalklausel etwa bei Existenzgefährdung des Bestandgebers, die nur durch die Aufkündigung abgewendet werden kann (EvBl 1955/24 = Miet 3910/30), etwa wenn vom Bestandobjekt eine Gesundheitsgefährdung ausgeht () oder wenn sonst der notwendige Unterhalt des Bestandgebers beeinträchtigt wäre () bzw. der unabwendbare Existenzverlust drohen würde (). Weiters wurde ein Kündigungsgrund bei eigenmächtiger Besetzung zusätzlicher Räume (EvBl 1973/201 = Miet 25.267) und bei Bedarf für Dienstnehmer unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen () bejaht. Soweit diese Gründe nicht ein Verhalten des Bestandnehmers voraussetzen und aus diesem Grund von vornherein ausscheiden (Gesundheitsgefährdung, Besetzung zusätzlicher Räume), ist deren Eintritt als so unwahrscheinlich einzuschätzen, dass von einer Kündigung im Belieben der Bestandgeberin nicht gesprochen werden kann. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses jemals eine Gefährdung der Existenz der Verpächterin bewirken könnte oder dass sie gar einen solchen Zustand herbeiführen würde, um das Vertragsverhältnis aufkündigen zu können. Angesichts des Unternehmensgegenstandes der Verpächterin (Entwicklung, Kauf und Verkauf von Immobilien) ist auch nicht davon auszugehen, dass sie jemals die gegenständlichen Verkaufsräumlichkeiten für eigene Dienstnehmer benötigen wird. Ein im Rahmen des § 30 Abs. 1 MRG als Kündigungsgrund weiters anerkanntes öffentliches Interesse setzt voraus, dass es sich beim Bestandgeber um ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechtes handelt bzw. dass dieser nach seiner Satzung öffentliche Interessen wahrzunehmen hat. Handelt es sich beim Bestandgeber - wie hier - um eine Privatperson, kommt ein öffentliches Interesse nicht als Kündigungsgrund infrage ().

Von den in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründen scheiden die Z. 5, 6, 8 und 16 von vornherein aus, da sie eine Wohnungsmiete voraussetzen und daher auf Geschäftsräumlichkeiten bzw. (wie hier) Unternehmenspachtverträge nicht anwendbar sind.

Die Z. 1, 2, 3, 4 und 7 setzen ein (vertragswidriges) Verhalten des Bestandnehmers voraus. Wenn und solange sich der Bestandnehmer vertragskonform verhält kann der Bestandgeber den Vertrag aus diesen Gründen nicht aufgrund freier Entscheidung auflösen. Z. 2 ist hier überdies auch aus dem Grunde nicht anwendbar, weil der Bestandzins nicht in Dienstleistungen besteht.

Ebenso wenig anwendbar sind die Z. 10, weil der Mietgegenstand nicht zur Unterbringung von Arbeitnehmern des eigenen Betriebes bestimmt war, und die Z. 11, weil der Mietgegenstand nicht einer Gebietskörperschaft gehört.

Die Z. 14 und 15 setzen einen behördlich bewilligten bzw. beabsichtigten Abbruch des Gebäudes voraus. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Verpächterin nicht Eigentümerin des Gebäudes, sondern selbst bloße Bestandnehmerin ist. Sie hat daher keinen Einfluss auf einen allfälligen Abbruch des Gebäudes. Die Entscheidung hierüber obliegt vielmehr ausschließlich dem Eigentümer. Zudem ist ein Abbruch dieses Gebäudes (in bester Wiener Geschäftslage) als äußerst unwahrscheinlich einzuschätzen. Dass die Vertragsparteien eine Vertragsdauer von bis zu 30 Jahren vorgesehen haben und das Unternehmen nach Beendigung des gegenständlichen Vertrages in einem betriebsbereiten Zustand zurückzustellen ist (Pkt XV.1. u. 2. des Vertrages), also offenbar von einem neuen Pächter weiterbetrieben werden soll, zeigt, dass auch die Vertragsparteien nicht von einem Abbruch des Gebäudes in absehbarer Zeit ausgehen.

Z. 13 ermöglicht die Vereinbarung weiterer wichtiger Kündigungsgründe. Zusätzliche Gründe für eine ordentliche (frist- und termingebundene) Kündigung wurden im vorliegenden Vertrag nicht vereinbart. Es wurden lediglich in Pkt XIII. Gründe für eine Auflösung aus wichtigem Grund ohne Rücksicht auf Termine und Fristen vereinbart. Diese setzen allesamt ein (vertragswidriges) Verhalten der Bestandnehmerin bzw. Umstände außerhalb der Sphäre der Verpächterin voraus und können daher (ebenso wie die Z. 1, 2, 3, 4 und 7 des § 30 Abs. 2 MRG) nicht für eine Kündigungsmöglichkeit der Bestandgeberin aus freier Entscheidung ins Treffen geführt werden. Der in Pkt XIII.1.f vereinbarte Auflösungsgrund (Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Pächterin) ist zudem unwirksam (§ 25b Abs. 2 IO).

Sohin verbleibt zunächst die Z. 9 des § 30 Abs. 2 MRG. Dieser Kündigungsgrund würde dann vorliegen, wenn die Verpächterin das Bestandobjekt für sich selbst (Verwandte in gerader Linie hat sie als juristische Person naturgemäß nicht, sodass ein Bedarf solcher Personen jedenfalls ausscheidet) dringend benötigt und dem Bestandnehmer Ersatz beschafft wird. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Verpächterin um eine Immobilienentwicklerin und -verwerterin handelt, deren geschäftliche Betätigung gerade in der Überlassung von Bestandobjekten besteht, erscheint es äußerst unwahrscheinlich, dass sie jemals Eigenbedarf an dem vertragsgegenständlichen Handelsbetrieb haben wird. Für den Betrieb ihres Unternehmens benötigt die Verpächterin allenfalls Büroräumlichkeiten und ist nicht anzunehmen, dass sie den Handelsbetrieb schließen und das gegenständliche Verkaufslokal in bester Wiener Geschäftslage als Büro nutzen wird, wenn sie es um einen deutlich höheren Bestandzins vermieten oder verpachten kann, als sie andernorts für geeignete Büroräumlichkeiten aufzuwenden hätte.

Da es sich bei dem gegenständlichen Vertragsverhältnis um ein Unterbestandverhältnis handelt, kommt (zumindest analog) grundsätzlich auch der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z. 12 MRG infrage. Auch die Verwirklichung dieses Tatbestandes ist jedoch äußerst unwahrscheinlich. Wenngleich die Verletzung wichtiger Interessen des Untervermieters nicht jene Intensität erreichen muss, wie dies etwa im Rahmen der Generalklausel des § 30 Abs. 1 MRG (Existenzgefährdung) gefordert wird, handelt es sich doch um eine absolute Ausnahmesituation, mit deren Eintritt im Normalfall nicht zu rechnen ist. Die beiden in § 30 Abs. 2 Z. 12 MRG ausdrücklich genannten Anwendungsfälle dieses Kündigungsgrundes sind im vorliegenden Fall zudem praktisch auszuschließen: Der erste Fall betrifft den Eigenbedarf (s. dazu die obigen Ausführungen zur Z. 9); der zweite Fall setzt eine - hier nicht vorliegende - Wohnungsgemeinschaft mit dem Untermieter voraus.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die vereinbarten Kündigungsgründe auf das hier vorliegende Bestandverhältnis schon grundsätzlich nicht anwendbar sind, ein (vertragswidriges) Verhalten der Bestandnehmerin voraussetzen oder in ihrer Verwirklichung so unwahrscheinlich sind, dass von einer beliebigen Auflösbarkeit des Vertrages für die Bestandgeberin nicht gesprochen werden kann. Da auch die Beschwerdeführerin als Pächterin den Vertrag nicht aufkündigen kann (dies ergibt sich - unabhängig von der ausdrücklichen Erwähnung in den Vertragspunkten II.3. und XIII.2. - schon allein daraus, dass ein befristetes Bestandverhältnis eingegangen wurde, ohne eine Kündigungsmöglichkeit für die Beschwerdeführerin ausdrücklich zu vereinbaren: ) sind beide Vertragsteile für die vereinbarte Vertragsdauer gebunden, sodass gebührenrechtlich von einem Vertrag auf bestimmte Zeit auszugehen ist.

Festzuhalten ist, dass das in Pkt XI.7. des Vertrages vorgesehene Weitergaberecht dem nicht entgegensteht. Ein Weitergaberecht bewirkt, wenn es ausgeübt wird, eine Vertragsübernahme. Zu einer Auflösung des Vertrages kommt es dadurch. Anders als ein Präsentationsrecht, bei dessen Ausübung der bisherige Vertrag beendet und ein neuer Vertrag mit einem anderen Vertragspartner abgeschlossen wird, gilt die Vereinbarung eines Weitergaberechtes daher grundsätzlich nicht als Indiz für eine unbestimmte Vertragsdauer, und zwar unabhängig davon, ob das Weitergaberecht dem Bestandnehmer oder dem Bestandgeber eingeräumt wird (; , Ro 2014/16/0072).

Die in Vertragspunkt II.3. vorgesehene Vertragsverlängerung durch Optionsausübung (einseitige Erklärung der Pächterin) ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nichts anderes als die Beifügung einer Potestativbedingung, bei deren Eintritt sich die Geltungsdauer des Vertrages verlängert, sodass die Gebühr von dem Entgelt zu entrichten ist, das auf die Summe der ursprünglich vereinbarten und vom Optionsrecht umfassten Verlängerungszeit entfällt ( m.w.N.). Es ist daher von einer insgesamt 30-jährigen Vertragsdauer auszugehen, sodass sich die Rechtsgeschäftsgebühr nach der 18-fachen Jahresleistung bemisst.

Die von der belangten Behörde vorgenommene Berechnung der Gebühr wird von der Beschwerdeführerin ansonsten nicht bekämpft und ist auch nicht zu beanstanden. Der zu Beginn des Bestandverhältnisses reduzierte Zins wurde (auch für den Rumpfmonat September 2013) zugunsten der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Die Nebenkosten wurden - wie schon in der Selbstberechnung - entsprechend § 3 der Verordnung des BMF betreffend Festsetzung von Durchschnittssätzen für Gruppen von Bestandobjekten für die Selbstberechnung der Bestandvertragsgebühr, BGBl. II Nr. 242/1999, zugrunde gelegt. Die von der Beschwerdeführerin selbst berechnete Gebühr wurde in Abzug gebracht. Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Gebühr erweist sich daher dem Grunde und der Höhe nach als richtig, sodass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass auch bei einer Vereinbarung der pauschalen Anwendbarkeit aller Kündigungsgründe des MRG eine Prüfung bzw. Abwägung dieser Gründe vorzunehmen ist, wurde durch die zitierte Rechtsprechung geklärt. Ob sich diese Gründe in Bezug auf ein konkretes Bestandverhältnis verwirklichen können und wie wahrscheinlich dies ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 3 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102498.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at