Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.06.2022, RV/5100996/2019

1. Geschäftsführerhaftung 2. Gleichbehandlungsnachweis

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch SADLEDER Wirtschaftsprüfungs GmbH, Linzer Straße 63, 4502 St.Marien, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***9***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden eingeschränkt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Lohnsteuer
06/16
2.097,46
Lohnsteuer
07/16
1.783,71
Summe
3.881,17

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Über das Vermögen der Fa. ***1*** GmbH (in der Folge: Primärschuldnerin), die am errichtet worden war und deren selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer (Bf) laut Firmenbuch seit war, wurde mit Beschluss des Landesgerichtes ***3*** vom das Konkursverfahren eröffnet.

Laut Beschluss vom betrug die Quote für die Insolvenzgläubiger "ca. 6 %", nach dem vorgelegten Verteilungsentwurf konkret 6,081147 %. Der Konkurs wurde nach Schlussverteilung mit Beschluss vom aufgehoben.

Mit Schreiben vom übermittelte das Finanzamt dem Bf als Vertreter der insolventen Gesellschaft eine Aufstellung von Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Höhe von 34.182,20 €, welche vor Konkurseröffnung fällig gewesen und nicht entrichtet worden und die nunmehr bei der Gesellschaft uneinbringlich seien.

Das Finanzamt wies den Bf darauf hin, dass er als Geschäftsführer für die Entrichtung dieser Abgaben aus den Gesellschaftsmitteln verantwortlich gewesen sei.

Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Abgaben entrichtet würden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen.

Weiters wurde der Bf ersucht, das beiliegende Vermögensverzeichnis auszufüllen.

Mit Schreiben vom wies der Bf durch seine steuerliche Vertretung darauf hin, dass er in der Anlage eine Auflistung für den Zeitraum April bis September 2016 übermittle, die aufzeige, dass er mit den jeweils vorhandenen Mitteln alle Gläubiger habe gleich bedienen wollen. Im Zusammenhang mit der Finanzverwaltung zeige sich jedoch, dass er der Finanzverwaltung im Zeitraum April bis September 2016 um 16.500,00 € mehr überwiesen habe als der anteilige Überweisungsbetrag aufgrund der vorhandenen Mittel betragen hätte. Dies zeige, dass die Finanzverwaltung besser behandelt worden sei als andere Gläubiger.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bf gemäß §§ 9, 80 ff BAO für nachstehende aushaftende Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Höhe von 34.182,20 € in Anspruch:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
04/16
3.842,81
Umsatzsteuer
05/16
4.996,12
Umsatzsteuer
06/16
1.902,23
Umsatzsteuer
07/16
5.413,52
Umsatzsteuer
08/16
813,22
Lohnsteuer
06/16
2.097,46
Lohnsteuer
07/16
1.783,71
Lohnsteuer
08/16
8.437,73
Dienstgeberbeitrag
06/16
1.439,76
Dienstgeberbeitrag
07/16
1.037,58
Dienstgeberbeitrag
08/16
2.027,62
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/16
124,78
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/16
89,93
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/16
175,73
Summe
34.182,20

Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 9, 80 BAO verwies das Finanzamt darauf, dass der Bf als Geschäftsführer der Primärschuldnerin verpflichtet gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus deren Mitteln zu sorgen.

Könne der Vertreter nicht nachweisen, dass ihn an der Nichtzahlung der Abgaben der Gesellschaft kein Verschulden treffe, hafte er für deren Schulden. Könne der Vertreter nicht nachweisen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten nicht möglich gewesen sei, dürfe angenommen werden, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen sei ().

Als schuldhaft im Sinne des § 9 BAO gelte jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit ().

Trotz des Vorhalts vom habe der Bf verabsäumt nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten nicht möglich gewesen sei, und zu belegen, wie die vorhandenen Gesellschaftsmittel verwendet worden seien. Das Antwortschreiben enthalte die Zahlungen an die verschiedenen Gläubiger, ohne dies durch entsprechende Nachweise zu belegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürften Zahlungsschwierigkeiten, welche die Gesellschaft nicht gehindert hätten, die Löhne zu bezahlen, sie auch nicht daran hindern, darauf entfallene Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.

Der Bf habe die Löhne bis einschließlich August 2016 bezahlt, die entsprechende Lohnsteuer für die Monate Juni bis August 2016 aber nicht entrichtet, weshalb ein Verschulden vorliege, das die Heranziehung zur Haftung nach sich ziehe.

Die Exekutionen bei der Primärschuldnerin seien aussichtslos geblieben und das Insolvenzverfahren nach Schlussverteilung am aufgehoben worden, weshalb der Bf zur Haftung heranzuziehen gewesen sei.

Mit Schreiben vom erhob der Bf durch seine steuerliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Die Behauptung, der Bf habe trotz des Vorhalts vom verabsäumt zu belegen, dass ihn an der Nichtzahlung der Abgaben kein Verschulden treffe, entspreche nicht den Tatsachen. Im Antwortschreiben habe er sämtliche Zahlungen und Schulden dargelegt, deren Richtigkeit jederzeit hätte überprüft werden können.

Im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung und der Prüfung der Lohnabgaben, die im Rahmen des Konkursverfahrens stets durchgeführt würden, seien der Finanzverwaltung sämtliche Journaldaten zur Verfügung gestanden, woraus diese Zahlungen, die im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung zusammengefasst seien, einzeln nachvollziehbar gewesen wären.

Unrichtig sei auch, dass die Löhne bis einschließlich August bezahlt worden wären. Zum Stichtag der Anmeldung hätten Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten von 39.106,48 € bestanden. Laut Insolvenzanmeldeverzeichnis werde letztlich noch ein höherer Betrag gefordert.

Dies zeige jedenfalls auf, dass die Lohnabgaben für August 2016 zu Unrecht im Haftungsbescheid angeführt seien. Zusätzlich sei anzuführen, dass die Lohnabgaben ab August 2016 sowie die Umsatzsteuerzahllasten Juli und August 2016 erst Mitte September 2016 fällig geworden und zu diesem Zeitpunkt keine Zahlungen mehr erfolgt seien, da kein Vermögen mehr vorhanden gewesen sei und daher seitens des Bf keine Zahlungsmöglichkeit mehr bestanden habe.

Aus diesem Grund seien auch die angeführten Zahllasten Juli und August 2016 zu Unrecht im Haftungsbescheid ausgewiesen, da die Fälligkeiten erst im September bzw. Oktober gewesen seien.

Die übermittelte Auflistung zeige, dass die in den Monaten Mai, Juni und Juli verfügbaren Zahlungsmittel in erheblichem Ausmaß - wesentlich mehr, als die Finanzverwaltung zu diesem Zeitpunkt prozentuell hätte erhalten dürfen - zur Zahlung von Abgaben verwendet worden seien, sodass der Bf für diesen Zeitraum seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber der Finanzverwaltung nachgekommen sei und diese keinen Schaden erlitten habe, wodurch letztlich auch diese im Haftungsbescheid genannten Abgaben tatsächlich zu keiner Haftungsinanspruchnahme hätten führen dürfen.

Laut , handle es sich bei der Haftung nach § 9 BAO um eine Ausfallshaftung; auch deshalb sei die Haftungsinanspruchnahme nicht gerechtfertigt.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass der Haftungsbescheid nicht den rechtlichen Bestimmungen entspreche und aufzuheben sei.

Wie bereits erwähnt, habe der Bf zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnabgaben August sowie der Umsatzsteuerzahllasten Juli und August, die Mitte September bis Mitte Oktober fällig gewesen seien, keine Mittel mehr gehabt, sodass diesbezüglich keine Zahlungsmöglichkeit bestanden habe.

Für die restlichen Abgaben sei festzuhalten, dass der Bf die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt habe als die übrigen Gläubiger und daher dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprochen habe. Aus diesem Grund sei die Inanspruchnahme als Haftender rechtlich nicht gedeckt.

Zudem zeige die Auflistung, dass der Bf als Geschäftsführer bemüht gewesen sei, sämtliche Gläubiger anteilsmäßig zu bedienen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung wäre daher auch gerechtfertigt, den Haftungsbescheid aufzuheben.

Die Aufhebung des Haftungsbescheides werde daher beantragt.

Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt den Bf zur Ergänzung seiner Beschwerde auf.

Er habe eine Benachteiligung des Finanzamtes in Abrede gestellt und eine "Finanzierungsauflistung 05/2016 bis 09/2016" als diesbezüglichen Nachweis übermittelt.

Das bisher erstattete Vorbringen reiche jedoch als Nachweis einer Gleichbehandlung des Finanzamtes mit den übrigen Gläubigern nicht aus. Die Errechnung einer allfälligen Differenzquote sei auf Basis des bisherigen Vorbringens ebenfalls nicht möglich.

Nach ständiger Rechtsprechung hafte der Vertreter in einem solchen Fall nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang der Abgaben bestehe. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und hafte der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedige, so erstrecke sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen habe.

Dem Vertreter obliege bei der Berechnung der Differenzquote der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Die Ermittlung einer solchen Differenzquote könne, neben der regelmäßig aufwendigeren Abstellung auf jeden einzelnen haftungsrelevanten Fälligkeitszeitpunkt, auch durch die wesentlich einfachere Ermittlung der Differenzquote über den haftungsrelevanten Zeitraum erfolgen.

Die vom Haftungsbescheid umfassten Abgaben seien zwischen und fällig gewesen. Das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin sei am eröffnet worden. Der haftungsrelevante Beurteilungszeitraum ergebe sich daher mit bis .

Die Ermittlung der Differenzquote im Beurteilungszeitraum erfolge durch Gegenüberstellung einer "allgemeinen Zahlungsquote" im Beurteilungszeitraum mit der Finanzamtszahlungsquote; aufzunehmen seien nur fällige Verbindlichkeiten. Beispielsweise seien noch nicht fällige oder fällig gestellte Kreditverbindlichkeiten lediglich mit den fälligen Rückzahlungen aufzunehmen und nicht mit dem noch nicht fälligen Restkreditbetrag.

Die übermittelte Aufstellung sowie der Verweis auf die im Rahmen von abgabenrechtlichen Prüfungen übermittelten "sämtlichen Journaldaten" versetzten das Finanzamt nicht in die Lage, eine entsprechende Berechnung anzustellen. Dies alleine deshalb, weil die vorliegenden Unterlagen mit Ende September 2016 aufhörten und der Betrachtungszeitraum, wie oben dargelegt, bis reiche.

Der Bf werde daher ersucht, eine den obigen Ausführungen entsprechende Berechnung nachzureichen und zu belegen.

In der übermittelten Aufstellung "Finanzierungsauflistung 05/2016 bis 09/2016" sei im Punkt "Kredite/Leasing" ein Betrag von -157.509,33 € (Stand ) ausgewiesen. Aus den angesprochenen Journaldaten sei ersichtlich, dass es sich hierbei um das Konto "***4***" handle. Dieser ausgewiesene Saldo sei allerdings dem Anmeldungsverzeichnis im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin nicht zu entnehmen (auch keine Anmeldung in vergleichbarer Höhe). Der Bf werde daher ersucht, diesen Umstand aufzuklären.

Mit Schreiben vom teilte der Bf durch seine steuerliche Vertretung mit, dass er, um die Gleichbehandlung aufzeigen zu könne, eine entsprechende betragsmäßige Darstellung für den Zeitraum April bis September 2016 übermittle. Daraus sei ersichtlich, dass aufgrund der möglichen Gesamtfinanzierung und den fälligen Zahlungen die Finanzverwaltung prozentuell mehr erhalten habe als die übrigen Gläubiger.

Festzuhalten sei, dass der Betrieb im August geschlossen worden sei und ab diesem Zeitpunkt auch keine Zahlungen mehr getätigt worden seien, sodass die Auflistung mit ende.

Zum Nachweis dessen würden folgende Unterlagen übermittelt:

Die Banksalden der ***5*** sowie der ***6*** zum sowie die ersten sieben Seiten des Berichts zur allgemeinen Prüfungstagsatzung der Masseverwalterin, da hier auf Seite 7 die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bestehenden Bankguthaben angeführt seien.

Das Konto der ***6*** weiche gegenüber der Buchhaltung zum 30.9. um 4.000,00 € ab, da dieser Betrag zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung auf das Konto des Masseverwalters zur Eröffnung des Konkurses eingezahlt worden sei.

Es könne daher aufgezeigt werden, dass ab September bis zur Konkurseröffnung keine Zahlungen mehr getätigt worden seien.

In Bezug auf die zuletzt übermittelte Finanzierungsauflistung für den Zeitraum Mai 2016 bis September 2016 sei festzuhalten, dass unter "Kredit/Leasing" ein Betrag von 157.509,33 € ausgewiesen gewesen sei. Dabei handle es sich um einen Kredit bei der ***7***, der letztlich durch die ***8*** besichert gewesen sei.

Nachdem dieser Kredit noch nicht fällig gestellt worden sei, seien in der nunmehrigen Auflistung lediglich die monatlich fällig werdenden Ratenzahlungen berücksichtigt.

Auch diese Auflistung zeige, dass die Finanzverwaltung in keinster Weise benachteiligt worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und nahm den Bf für nachstehende aushaftende Abgabenschulden der Primärschuldnerin in Anspruch:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
Umsatzsteuer
04/16
384,28
Umsatzsteuer
05/16
499,61
Umsatzsteuer
06/16
190,22
Umsatzsteuer
07/16
541,35
Umsatzsteuer
08/16
81,32
Lohnsteuer
06/16
2.097,46
Lohnsteuer
07/16
1.783,71
Lohnsteuer
08/16
8.437,73
Dienstgeberbeitrag
06/16
143,98
Dienstgeberbeitrag
07/16
103,76
Dienstgeberbeitrag
08/16
202,76
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/16
12,48
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/16
8,99
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
08/16
17,57
Summe
14.505,23

Nach Wiederholung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und nach Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO führte das Finanzamt weiter aus, dass Voraussetzung für die Haftung eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit seien.

Die Haftung nach § 9 BAO sei eine Ausfallshaftung. Voraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgabe im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Nach Abschluss des Konkurses sei mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der in der Konkursquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderung bei der Gesellschaft uneinbringlich sei ().

Der Bf sei seit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen.

In der Beschwerde werde vorgebracht, unrichtig sei, dass die Löhne bis einschließlich August bezahlt worden seien. Dies deshalb, da zum Stichtag der Anmeldung Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten von 39.106,48 € bestanden hätten sowie laut Insolvenzanmeldeverzeichnis ein noch höherer Betrag gefordert werde. Dies zeige, dass die Lohnabgaben für August 2016 im Haftungsbescheid zu Unrecht angeführt seien.

Dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung betreffend u.a. Lohnsteuer bis sei jedoch Folgendes zu entnehmen:

"Die auf die offenen, seitens des Unternehmens nicht mehr ausbezahlten und durch den Insolvenzverwalter sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als IAG Bezüge anerkannten Bezugsansprüche entfallenden Lohnabgaben waren entsprechend den vorgelegten Berechnungsunterlagen (Forderungsanmeldungen) zu ermitteln und als unbedingte KF vorzuschreiben ."

Die damit zusammenhängende Nachforderung an Lohnsteuer für den Zeitraum bis in Höhe von 7.752,69 € (Bemessungsgrundlage 51.684,57 €) sei daher nicht Bestandteil der vom Haftungsbescheid umfassten Abgaben.

Im Umkehrschluss sei ersichtlich, dass die im Laufe des Jahres 2016 seitens des Unternehmens selbst gemeldete Lohnsteuer tatsächlich ausbezahlte Bezüge betreffe. Dies decke sich auch mit der Mitteilung der zuständigen Prüferin vom , dass die Bezüge bis einschließlich August 2016 ausbezahlt worden seien.

Die weiteren Abgabenverbindlichkeiten der Primärschuldnerin laut Haftungsbescheid vom stünden außer Streit. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass es sich bei sämtlichen Abgabenverbindlichkeiten laut Haftungsbescheid um Selbstbemessungsabgaben handle, welche die Primärschuldnerin, deren Geschäftsführer der Bf gewesen sei, dem Finanzamt bekannt gegeben habe.

Die Stellung als Vertreter, das Bestehen von Abgabenverbindlichkeiten gegenüber der Primärschuldnerin sowie deren Uneinbringlichkeit seien somit gegeben.

Nach ständiger Rechtsprechung habe der Vertreter darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen dürfe (). Dem Vertreter obliege zwar kein negativer Beweis, sondern nur die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegengestanden seien.

Zusammengefasst werde vorgebracht, dass der Bf im haftungsrelevanten Zeitraum das Finanzamt verhältnismäßig bessergestellt habe als die übrigen Gläubiger. Die Geltendmachung der Vertreterhaftung sei daher nicht zu Recht erfolgt.

Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstrecke sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen habe (Ritz, BAO6, § 9 Rz 27 mwN).

Die Fälligkeit der haftungsrelevanten Abgaben beginne mit (Umsatzsteuer 04/2016). Der haftungsrelevante Zeitraum ergebe sich daher mit bis zur Insolvenzeröffnung am .

Aus den übermittelten Unterlagen bzw. Aufstellungen könne entnommen werden, dass im haftungsrelevanten Zeitraum - hilfsweise berechnet mit den Zahlen von 06/2016 bis 09/2016 - eine Gesamttilgungsquote in Höhe von rund 39 % vorgelegen sei. Die "Finanzamtsquote" berechne sich vergleichsweist mit rund 29 %.

Die Berechnung ergebe sich im Einzelnen wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gesamtverbindlichkeiten
Zahlungen gesamt
Quote
Lieferanten
133.936,39
64.289,29
48,00 %
Dienstnehmer
86.594,22
43.835,48
50,62 %
Kredite
22.500,00
4.993,01
22,19 %
Finanzamt
48.290,96
14.190,00
29,38 %
Gemeinde
7.968,00
---
0,00 %
Lustbarkeitsabgabe
11.397,49
4.200,00
36,85 %
GKK
65.507,99
16.040,00
24,49 %
Summe
376.195,05
147.547,78
39,22 %

Unter Berücksichtigung der Zahlungen im haftungsrelevanten Zeitraum zwischen und ergebe sich eine Finanzamtsquote von lediglich 26,63 %, sodass von einer Differenzquote deutlich über 10 % auszugehen sei. Die Differenzquote werde allerdings nach obiger Berechnung mit gerundet 10 % angenommen.

Könne der Vertreter nachweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Werde dieser Nachweis nicht angetreten, könne dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote liege beim Vertreter und nicht bei der Behörde.

Nach Ansicht des Bf sei das Finanzamt sogar bevorzugt worden, was jedoch nach obigen Ausführungen zurückzuweisen sei. Eine Berechnung der Differenzquote habe der Bf nicht vorgelegt. Es wäre an ihm gelegen gewesen, den Feststellungen des Finanzamtes mit konkreten Argumenten sowie unter Vorlage entsprechender Beweismittel entgegen zu treten. In diesem Zusammenhang werde auf die Vorhaltsbeantwortung vom sowie auf die dazu übermittelten Unterlagen verwiesen. Es ergebe sich eine Nichtbeachtung des Gleichbehandlungsgebotes, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen sei.

Im Rahmen des Ermessens werde - mit Ausnahme der von der Haftung umfassten Lohnsteuerbeträge - die Geltendmachung der Haftung mit einer aus den übermittelten Unterlagen abgeleiteten Differenzquote in Höhe von 10 % geltend gemacht.

Zur Lohnsteuer sei auszuführen, dass diese vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen sei. Reichten die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuer aus, dürfe der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden könne. Werde dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, sei nach ständiger Rechtsprechung des VwGH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen.

Die Geltendmachung der Haftung stelle in der Regel die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Im Rahmen des Ermessens sei daher insbesondere zu berücksichtigen, dass die Haftungsschulden nur noch im Haftungswege eingebracht werden könnten. Gegenständlich sei daher dem Interesse der Allgemeinheit an der Abgabeneinbringung der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse des Bf, nicht zur Haftung herangezogen zu werden.

Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung(en) - trotz Aufforderung - nicht dargelegt worden seien.

Mit Schreiben vom stellte der Bf durch seine steuerliche Vertretung einen Vorlageantrag.

Unter Bezugnahme auf seine Eingabe vom sowie die Beschwerde vom legte der Bf dar, dass die Haftungsinanspruchnahme nicht gerechtfertigt sei. Er könne nachweisen, dass im Zeitraum April 2016 bis September 2016 die Finanzverwaltung in den Monaten Mai, Juni und Juli stets mehr erhalten habe als laut Quotenzahlung zu bezahlen gewesen wäre.

Lediglich im Zeitraum August und September ergebe sich ein geringfügiger Differenzbetrag, wobei aber gesamt betrachtet letztlich noch immer eine Überzahlung aus den Vormonaten gegenüber einer Quotenbefriedigung in Höhe von 6.707,54 € gegeben sei (Beilage I).

In weiterer Folge sei anzumerken, dass die Haftungsinanspruchnahme betreffend Lohnabgaben Juni bis August 2016 nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen sei, da in diesem Zusammenhang keine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers unterstellt werden könne. Gemäß § 9 BAO sei dies jedoch eine zwingende Voraussetzung, um eine Haftungsverpflichtung auszulösen.

Dem Grunde nach sei richtig, dass, sollten nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, der Geschäftsführer gemäß § 78 Abs. 3 EStG nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen dürfe, sodass er auch die Lohnnebenkosten finanzieren könne.

Diese Bestimmung bzw. Rechtsprechung könne aufgrund des hier vorliegenden Sachverhaltes keine Anwendung finden, da zum Zeitpunkt der zwingenden Zahlung nicht feststehe bzw. nicht beurteilt werden könne, ob letztlich alle fälligen Verbindlichkeiten bezahlt werden könnten oder möglicherweise nicht.

Tatsache sei, dass fast ausschließlich fallweise Dienstnehmer beschäftigt gewesen seien. Diese Dienstnehmer seien 1 bis 2 Tage beschäftigt und dann unmittelbar nach Dienstende endabgerechnet worden; hier sei zwingend mit Beendigung die Lohnauszahlung erforderlich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Geschäftsführer weder wissen noch ermitteln können, welche Quotenzahlung möglich sein werde.

Zu diesem Zeitpunkt sei der Geschäftsführer naturgemäß auch davon ausgegangen, dass kein Insolvenzverfahren einzuleiten sei und daher alle Verbindlichkeiten letztlich bezahlt werden könnten. Der Geschäftsführer habe daher, um den Geschäftsführeragenden ordnungsgemäß nachzukommen, diese Löhne auch voll auszahlen müssen.

Hierbei handle es sich um ein Zug-um-Zug-Geschäft, sodass durch die Zahlung auch kein Anfechtungstatbestand abgeleitet werden könne.

In diesem Fall könne mit Sicherheit nicht behauptet werden, dass diese Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzung durch den Geschäftsführer nicht eingebracht werden könnten.

Zur Lohnsteuer August 2016 sei zudem festzuhalten, dass die Lohnsteuer August 2016 in Höhe von 8.437,73 € entgegen der Beschwerdevorentscheidung sehr wohl die offenen, nicht bezahlten Gehälter und Löhne betreffe.

Die steuerliche Vertretung habe Löhne und Gehälter bis zur Beendigung noch im Rahmen der laufenden Lohnverrechnung abgerechnet und angemeldet. Laut Saldenliste habe es zum daher offene Gehaltsverbindlichkeiten von 39.106,48 € gegeben.

Die in der Beschwerdevorentscheidung angeführte Nachforderung von 7.752,69 € sei dem Bf nicht bekannt. Möglicherweise handle es sich um zusätzliche, nicht bezahlte Dienstnehmeransprüche (Beendigungsansprüche/Urlaubsersatzleistungen, etc.). Wenn nicht, vermute der Bf, dass für August 2016 möglicherweise doppelte Lohnabgaben verrechnet und belastet worden seien.

Um dies nachvollziehen zu können, werde daher zusätzlich zum bereits angeforderten Kontoauszug der Prüfbericht der GPLA-Prüfung angefordert.

Zur Ermittlung der Differenzquote von 10 % sei festzuhalten, dass dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche.

Mit der Vorhaltsbeantwortung vom sei der Beweis erbracht worden, dass bei monatlicher Betrachtung die Finanzverwaltung - wie bereits erwähnt - im Zeitraum Mai, Juni und Juli stets mehr erhalten habe als bei einer Quotenzahlung zu überweisen gewesen wäre.

In diesem Schreiben bzw. in dieser Auflistung sei die monatliche Differenzquote sehr wohl ausgewiesen und sei daher unverständlich, dass laut Beschwerdevorentscheidung diese Differenzquotenermittlung nicht vorgelegt worden wäre.

Aus der vorgelegten Differenzquotenermittlung ergebe sich für den Zeitraum Mai bis September 2016 eine Überzahlung von 6.707,54 €. Die Vorschreibung einer Differenzquote von 10 % sei daher nicht nachvollziehbar und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.

Aus diesem Grund sei der Bescheid aufzuheben und die Haftung gegen den Bf einzustellen.

Mit Schreiben vom übermittelte das Bundesfinanzgericht dem Bf eine seiner Ansicht nach zutreffende Quotenberechnung unter Zugrundelegung der von ihm vorgelegten "Finanzierungsauflistung 05/2016 bis 09/2016" und forderte ihn zur Stellungnahme auf:

-) Gläubigergleichbehandlung:

Entscheidend für den Umfang der Geschäftsführerhaftung ist die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern.

Haftungsrelevant ist der Zeitraum (Fälligkeit der ältesten Abgabenschuld) bis (Fälligkeit der jüngsten Abgabenschuld vor Insolvenzeröffnung).

Maßgeblich ist daher die Gläubigergleichbehandlung bzw. Nichtbenachteiligung des Abgabengläubigers in diesem Zeitraum. Das Heranziehen eines abweichenden Zeitraums - laut Vorlageantrag der Zeitraum April 2016 bis September 2016 - ist nicht zulässig.

Zur Berechnung sind alle Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin, die zu Beginn des Beurteilungszeitraums bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraums fällig geworden sind, unter Einschluss der Abgabenverbindlichkeiten zu addieren.

Auch alle in diesem Zeitraum auf diese Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sind zu addieren und der Summe der fälligen bzw. fällig gewordenen Gesamtverbindlichkeiten gegenüberzustellen.

Durch Gegenüberstellung der beiden Summen ergibt sich das Verhältnis, zu dem Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Beurteilungszeitraum durchschnittlich getilgt worden sind ("allgemeine Zahlungsquote").

Eine gleichartige Berechnung ist isoliert für die Abgabenverbindlichkeiten anzustellen. Die im haftungsrelevanten Zeitraum getätigten Zahlungen an die Abgabenbehörde sind den insgesamt zu Beginn dieses Zeitraums fälligen samt den in diesem Zeitraum fällig gewordenen Abgabenverbindlichkeiten gegenüberzustellen ("Finanzamts-Zahlungsquote").

In Anlehnung an die vorgelegte "Finanzierungsauflistung 05/2016 - 09/2016" wurde, wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung, schätzungsweise von einem Zeitraum von bis ausgegangen:

Abgabenkonto


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Schulden
Zahlungen
Schuldenstand
5.867,97
1.115,07
1.843,66
1.248,98
108,24
126,91
1.500,00
1.500,00
2.000,00
10.549,16
1.500,00
210,98
1.500,00
2.233,27
1.532,98
132,86
2.100,00
5.319,61
2.090,00
1.000,00
1.899,20
1.104,76
95,75
90,82
106,39
1.000,00
312,00
2.025,40
6.811,17
1.860,63
161,25
5.764,04
Summe
49.406,05
15.305,07

Restliche Schulden anhand Ihrer (beiliegenden) Aufstellung, jedoch ohne Abgabenschulden:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Verbindlichkeiten
Zahlungen
Verbindlichkeiten
72.984,27
Neue Verbindlichkeiten 06/16
82.139,51
Zahlungen 06/16
44.800,36
Neue Verbindlichkeiten 07/16
68.261,95
Zahlungen 07/16
41.978,38
Neue Verbindlichkeiten 08/16
81.633,76
Zahlungen 08/16
39.078,52
Neue Verbindlichkeiten 09/16
9.013,59
Zahlungen 09/16
3.760,82
Verbindlichkeiten Finanzamt
49.406,05
Zahlungen Finanzamt
15.305,07
Summe Zahlungen (inklusive Finanzamt)
144.923,15
Summe Verbindlichkeiten (inklusive Finanzamt)
382.942,62

Ein Vergleich der Gesamtschulden zu den Gesamtzahlungen ergibt eine Quote von 37,84 % (rund 38 %).

Die Finanzamtsschulden wurden zu 30,98 % (rund 31 %) bezahlt, der Anteil der Finanzamtsverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten beträgt rund 13 %.

Von den gesamten Zahlungen wären daher die Abgabenverbindlichkeiten mit 13 % zu tilgen gewesen (d.s. 18.840,00 €).

Da die gesamten Verbindlichkeiten im haftungsrelevanten Zeitraum, der analog zur Beschwerdevorentscheidung hilfsweise mit Juni bis September 2016 angenommen worden ist, mit rund 38 %, die Finanzamtsverbindlichkeiten in diesem Zeitraum aber mit nur rund 31 % beglichen worden sind, ergibt sich eine Differenzquote von rund 7 %.

Anhand der o.a. Zahlen ergibt sich zur Beschwerdevorentscheidung eine Differenz von rund 3 % zu Ihren Gunsten (Differenzquote laut Beschwerdevorentscheidung: rund 10 %).

Laut Beschwerde erfolgten ab Mitte September 2016 keine Zahlungen mehr, weil ab diesem Zeitpunkt kein Vermögen mehr vorhanden gewesen sei.

Dieses Vorbringen deckt sich mit der Aktenlage: Einerseits wurden laut UVA 10/2016 keine Umsätze mehr getätigt, andererseits erfolgten laut Ihrer Aufstellung im September 2016 nur noch Zahlungen iHv 3.760,82 € an Lieferanten. Diese Zahlungen wurden laut vorliegenden Bankkontoauszügen (***6*** und ***5***) am (2.000,00 €) und am (1.760,82 €) getätigt.

Da die Gesellschaft daher am über keine Mittel mehr verfügt hat, wäre für nachstehende Abgaben, deren Fälligkeit ab eingetreten ist, keine Haftung geltend zu machen:

Umsatzsteuer 07/2016 (5.413,52 €), Umsatzsteuer 08/2016 (813,22 €), Dienstgeberbeitrag 08/2016 (2.027,62 €) und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 08/2016 (175,73 €).

Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz gilt für Lohnsteuer (nicht aber für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag).

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

§ 78 EStG 1988 verpflichtet den Arbeitgeber, bei jeder Lohnzahlung, also im Zeitpunkt des Zuflusses an den Arbeitnehmer, Lohnsteuer einzubehalten.

Der Verwaltungsgerichtshof führte im Erkenntnis vom , Ra 2016/16/0097, aus, dass die einbehaltene Lohnsteuer zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden ist.

Wird daher die Gesellschaft zwischen dem Zeitpunkt der Ausbezahlung der Löhne und dem Fälligkeitstag, zu dem die Lohnsteuer abzuführen wäre, zahlungsunfähig, stellt dies keinen Umstand dar, der die Gesellschaft bzw. den Geschäftsführer von der Verpflichtung entheben würde, die einbehaltene Lohnsteuer auch abzuführen.

Nach einer bei der ***1*** GmbH durchgeführten GPLA (Gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) teilte die Prüferin dem Finanzamt mit, dass die Bezüge bis einschließlich 08/2016 ausbezahlt worden seien.

Laut Abgabenkonto wurden die Lohnabgaben 08/2016 dem Finanzamt am und am mit "Nullerlagscheinen" gemeldet.

Anzumerken ist, dass es sich bei sämtlichen Beträgen laut Haftungsbescheid um noch offene Beträge von Selbstbemessungsabgaben handelt, die selbst berechnet und von der Gesellschaft gemeldet worden sind.

Da die Löhne 08/2016 noch ausbezahlt worden sind, wäre die auf diese Löhne entfallende Lohnsteuer- ungeachtet der zwischenzeitig eingetretenen Zahlungsunfähigkeit - an das Finanzamt abzuführen gewesen.

Die Haftung wäre daher für nachstehende Abgaben geltend zu machen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Betrag
100 %
7 %
Umsatzsteuer
04/2016
3.842,81
269,00
Umsatzsteuer
05/2016
4.996,12
349,73
Umsatzsteuer
06/2016
1.902,23
133,16
Lohnsteuer
06/16
2.097,46
2.097,46
Lohnsteuer
07/16
1.783,71
1.783,71
Lohnsteuer
08/16
8.437,73
8.437,73
Dienstgeberbeitrag
06/16
1.439,76
100,78
Dienstgeberbeitrag
07/16
1.037,58
72,63
Zwischensumme
12.318,90
925,30
Summe
13.244,20

Analog zu § 242 BAO könnten der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/16 und 07/16 wegen deren Geringfügigkeit (8,73 € und 6,30 €) außer Ansatz bleiben.

-) Mit Beschluss vom eröffnetes Schuldenregulierungsverfahren:

Nach vorliegenden Unterlagen wurde die Haftungsschuld in Ihrem Schuldenregulierungsverfahren angemeldet und würde daher nur im Ausmaß des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans (12,85915 % = 1.703,09 €) einbringlich sein."

Mit Schreiben vom teilte der Bf dazu durch seine steuerliche Vertretung mit, dass im Zuge der Ermittlung der Gesamtverbindlichkeiten Finanzamt für den Zeitraum bis noch nicht fällige Verbindlichkeiten berücksichtigt worden seien. Im Vorhalt habe das Bundesfinanzgericht selbst ausgeführt, dass die Gesellschaft am über keine Mittel mehr verfügt habe, sodass für Fälligkeiten ab keine Haftung geltend zu machen sei.

Dies betreffe die Lohnabgaben 8/2016 sowie die Umsatzsteuerzahllast 7/2016. Unter Berücksichtigung dieser nicht fälligen Verbindlichkeiten ergäben sich Gesamtverbindlichkeiten Finanzamt in Höhe von 34.808,96 €, wodurch die Finanzverwaltung von den Gesamtverbindlichkeiten letztlich 43,97 % erhalten habe. Im Gegenzug dazu wären aufgrund der Gesamtverbindlichkeiten und der Gesamtzahlungen nur 39,34 % an die Finanzverwaltung zu zahlen gewesen. Dies sei aus der beiliegenden Ermittlung ersichtlich.

Aus diesem Grund sei die Differenzquote von rund 7 % nicht mehr gerechtfertigt.

Zu den Lohnabgaben sei festzuhalten, dass die Aussage im Zuge der Prüfung, die Bezüge seien bis einschließlich August bezahlt worden, nicht richtig sei. Dies könne durch die beiliegenden Kontoblätter nachgewiesen werden. Aus diesen sei die Einbuchung der Löhne in Höhe von 30.693,66 € für August 2016 ersichtlich. Davon seien lediglich 2.380,08 € bezahlt worden. Die restlichen Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten seien nicht mehr bezahlt worden, sodass diesbezüglich auch die Lohnsteuer für den Zeitraum August ebenfalls für die Berücksichtigung einer möglichen Quotenzahlung nicht herangezogen werden dürfe. Die Auszahlung von je 700,00 € bis 900,00 € habe keine Lohnsteuer verursacht.

Auf die Lohnsteuerbeträge Juni und Juli von gesamt 3.881,17 €, die dann möglicherweise noch verblieben, müsse jedenfalls der bereits geleistete prozentuelle Anteil in Höhe von 43,97 % gegenverrechnet werden, sodass sich letztlich eine Summe von 2.174,61 € ergebe.

Der Bf fügte seinem Schreiben eine Ermittlung der Quotenzahlung unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die am fälligen Abgaben nicht mehr anzusetzen seien, da das Unternehmen zahlungsunfähig gewesen sei, sowie ein Kontoblatt der Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten für das Jahr 2016 bei.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lt. BFG FA Verbindlichkeiten
49.406,05
15.305,07
30,98 %
Lt. BFG Restverbindlichkeiten
333.536,57
129.618,08
Lt. BFG Gesamtverbindlichkeiten
382.942,62
144.923,15
37,84 %

Lt. Stellungnahme:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
FA Verbindlichkeiten
49.406,05
abzüglich nicht fällige Verbindlichkeiten:
USt 7/2016
-5.764,04
Lohnabgaben 8/2016
-6.811,17
-1.860,63
-161,25
Verbindlichkeiten Finanz
34.808,96
15.305,07
43,97 %
Restverbindlichkeiten
333.536,57
129.618,08
Gesamtverbindlichkeiten
368.345,53
144.923,15
39,34 %

Das Bundesfinanzgericht übermittelte dem Finanzamt am sowohl den Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom als auch die Antwort des Bf vom .

Das Finanzamt fügte seiner Stellungnahme vom einen Auszug ("IEF-Bezüge Abgabenberechnung") der GPLA, dem die Berechnungsgrundlagen der "pauschalen Nachverrechnung Finanz" zu entnehmen seien, sowie einen "Kontoauszug mit fortl. Saldo" der Primärschuldnerin bei.

Die Abgabenforderung laut GPLA, konkret die festgestellte Lohnsteuer in Höhe von 7.752,69 €, sei nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens; diesbezüglich werde auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

Der Bf versuche den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung bzw. das Nichtvorhandensein liquider Mittel (ab bzw. ) darzustellen. Aus Sicht des Finanzamtes seien bei Ermittlung der liquiden Mittel auch die Kassenstände einzubeziehen. In diesem Zusammenhang werde ein "Kontoauszug mit fortl. Saldo" des GJ 2017 übermittelt.

Zusammengefasst sei das Finanzamt der Auffassung, dass bei Beurteilung der liquiden Mittel der Kassenbestand miteinzubeziehen sei. Die Ansicht des Bf, dass für Abgabenschulden mit Fälligkeiten ab Mitte September keine Haftung mehr geltend gemacht werden könne, da keine Mittel mehr zur Verfügung gestanden seien, könne daher nicht geteilt werden.

Der Betrachtungszeitraum hinsichtlich der Gläubigergleichbehandlung ergebe sich nach Ansicht des Finanzamtes einerseits mit Fälligkeit der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraums noch offenen Verbindlichkeit (vorliegend die Umsatzsteuervorauszahlung für April 2016 mit ) und andererseits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Primärschuldnerin per .

Daraus ergebe sich nach Ansicht des Finanzamtes auch, dass die im Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom erfasste Zahlung an das Finanzamt vom außerhalb des Betrachtungszeitraums liege. Das Finanzamt gehe nach wie vor von einem Quotenschaden in Höhe von rund 10 % aus und verweise in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung.

Der Antrag auf Abweisung der Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung - allenfalls adaptiert um die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts im Sinne des Vorhalts vom - bleibe daher aufrecht.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen des Bf, der Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin, den Eintragungen im Firmenbuch, der Ediktsdatei sowie dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung, insbesondere dem so genannten "b-Verfahren".

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Nach der Judikatur sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären. Nach Abschluss des Konkurses und allfälliger Auszahlung einer Konkursquote ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der in der Konkursquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderungen bei der Gesellschaft uneinbringlich ist, weil kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, welches zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben herangezogen werden könnte.

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Bei Selbstbemessungsabgaben (z.B. Lohnsteuer) ist entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären.

Führt ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liegt eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend kann sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) allerdings nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten ist.

Da § 9 BAO keine bestimmte Schuldform fordert, genügt für die Haftungsinanspruchnahme leichte Fahrlässigkeit (vgl. ).

Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war.

Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter; dieser und nicht die Behörde hat eine entsprechende Quote zu berechnen. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage der Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes grundsätzlich auf den jeweiligen Fälligkeitstermin abzustellen. Der Unabhängige Finanzsenat bzw. das Bundesfinanzgericht haben dagegen bereits wiederholt eine Zeitraumbetrachtung zugelassen, da eine auf einzelne Fälligkeitstage abgestellte Betrachtung in der Praxis oft nur schwer möglich ist und auch zu Verzerrungen führen könnte (etwa bei Zahlungsverzügen). So würde bei einer isolierten Betrachtung der Zahlungen nur an einem bestimmten Tag eines Monats (Fälligkeitstag; bei Selbstbemessungsabgaben in der Regel der 15. eines Monats) eine massive Bevorzugung anderer Gläubiger im Zeitraum vor oder nach diesem Stichtag außer Betracht bleiben, sodass eine Zeitraumbetrachtung nicht nur praktikabler ist, sondern auch zu sachgerechteren Ergebnissen führt (vgl. ; ; vgl. auch Ritz/Koran, BAO7 (2021), § 9 Rz 27).

Der im Hinblick auf die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilende Zeitraum endet spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; er endet bereits früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung ().

Der Verwaltungsgerichtshof anerkannte auch eine überschlägige Ermittlung der Quote, weil Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürften ().

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 10).

Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden hinaus (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 11d, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur). Die Lohnsteuer ist daher - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden.

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

§ 78 verpflichtet den Arbeitgeber, bei jeder Lohnzahlung, also im Zeitpunkt des Zuflusses an den Arbeitnehmer, Lohnsteuer einzubehalten (Lenneis in Jakom, EStG, 14. Aufl. (2021), § 78 Rz 1, mit Verweis auf ).

Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden.

Jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen ().

In diesem Erkenntnis stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass auch bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach Auszahlung der Löhne und vor Fälligkeit der Lohnsteuer die einbehaltene Lohnsteuer abzuführen ist.

Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer stellt daher in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar ().

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden.

Die Haftung darf nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden (). Die Geltendmachung der Haftung kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Der Umstand, dass eine Haftungsschuld letztlich nur zum Teil eingebracht werden kann, steht deren (ungekürzten) Geltendmachung nicht entgegen (vgl. ).

Erwägungen:

Im vorliegenden Fall war der Bf laut Firmenbuch bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Seit ist er als deren Liquidator eingetragen.

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen des Bf das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. In diesem Insolvenzverfahren wurde die verfahrensgegenständliche Haftungsschuld angemeldet.

Nach Annahme des Zahlungsplans (die Quote betrug 12,85915 %, zahlbar als Barquote binnen 14 Tagen ab Annahme des Zahlungsplans, jedoch nicht vor Rechtskraft des bestätigten Zahlungsplans) wurde das Schuldenregulierungsverfahren mit Beschluss vom aufgehoben.

Nicht in Streit standen gegenständlich die Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin, deren Uneinbringlichkeit sowie die Vertreterstellung des Bf.

Strittig war dagegen

zum einen, ob dem Bf an der Nichtentrichtung der mit dem bekämpften Haftungsbescheid geltend gemachten Abgabenverbindlichkeiten ein Verschulden anzulasten war, wobei er sich darauf berief, die noch vorhandenen Mittel zur gleichmäßigen Befriedigung sämtlicher Gläubiger verwendet zu haben bzw. zum Zeitpunkt der Fälligkeit keine Mittel mehr zur Verfügung gehabt zu haben, weil der Betrieb im August geschlossen worden sei (vgl. die Beschwerde vom sowie das Schreiben vom ), und

zum anderen, ob die Löhne für August 2016 noch ausbezahlt worden sind oder nicht.

Zum Beschwerdevorbringen, die Lohnabgaben ab August 2016 sowie die Umsatzsteuerzahllasten Juli und August 2016 seien erst ab Mitte September 2016 fällig geworden und zu diesem Zeitpunkt seien keine Zahlungen mehr erfolgt, da kein Vermögen mehr vorhanden gewesen sei, war Folgendes festzustellen:

Laut der vom Bf vorgelegten "Finanzierungsauflistung 05/2016 - 09/2016" erfolgten im September 2016 außer zwei Zahlungen an Lieferanten in Höhe von 3.760,82 €, welche laut Bankkontoauszügen am und getätigt wurden, keine weiteren Zahlungen mehr.

Der Prüferin (Niederschrift vom über die die Monate 01-09/2016 umfassende USO-Prüfung) hatte der Bf mitgeteilt, dass das Unternehmen mit geschlossen worden sei.

Punkt C) 4.2. des Berichts zur allgemeinen Prüfungstagsatzung vom bestätigte die Angaben des Bf, wonach das Unternehmen, eine Diskothek, im August 2016 geschlossen worden war.

Nach Punkt C) 6.7. "Dienstnehmer" hatte der Bf gegenüber den Mitarbeitern bekannt gegeben, die Gehälter nicht fristgerecht bezahlen zu können. Anfragen der Masseverwalterin bei der Arbeiterkammer ergaben, dass eine ratenweise Zahlung der Gehälter in der Gastronomie üblich sei.

Sowohl laut Umsatzsteuervoranmeldung 10/2016 als auch laut Bescheid vom über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 09/2016, der nach der USO-Prüfung aufgrund der Vorsteuerrückrechnung erging, waren die steuerbaren Umsätze Null.

Auch auf dem Kassakonto fanden nach dem keine Kontobewegungen mehr statt. Zwar wies das Finanzamt in seiner Stellungnahme vom zu Recht darauf hin, dass bei der Prüfung, bis zu welchem Zeitpunkt der Primärschuldnerin liquide Mittel zur Verfügung standen, auch die Kassastände zu berücksichtigen seien, doch nannte es selbst keine Umstände, die darauf hätten schließen lassen, dass der Primärschuldnerin zur Fälligkeit noch liquide Mittel zur Verfügung gestanden wären.

Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass dem Bf zur Fälligkeit - wie bereits in der Beschwerde eingewendet - keine liquiden Mittel zur Begleichung der noch offenen Verbindlichkeiten zur Verfügung standen. Verfügte die Primärschuldnerin über keine liquiden Mittel mehr, verletzte der Bf als deren Vertreter infolge Nichtentrichtung der zu diesem Zeitpunkt (oder danach) fälligen Abgaben keine abgabenrechtliche Pflicht.

An sich hätte daher der Haftungszeitraum nach der o.a. Judikatur "mit einer allgemeinen Zahlungseinstellung" in der ersten Hälfte des September 2016, jedenfalls vor dem Fälligkeitstermin , geendet.

Da der Bf eine monatsweise Aufstellung der bestehenden und neu hinzugekommenen Verbindlichkeiten sowie der geleisteten Zahlungen vorgelegt hatte und der Verwaltungsgerichtshof zur Berechnung des Quotenschadens auch eine überschlägige Ermittlung der Quote anerkannte, wurde der Monat September 2016 zur Gänze aus der Berechnung ausgeschieden und der Quotenberechnung die Monate 06/2016 - 08/2016, somit bis , zugrunde gelegt.

Die Aufstellung des Bf in seiner Stellungnahme vom war daher insoweit anzupassen, als die im September 2016 neu hinzugekommenen Verbindlichkeiten von 9.013,59 € (3.820,08 + 4.500,00 + 693,51 = 9.013,59; 333.536,57 - 9.013,59 = 324.522,98) aus den Gesamtverbindlichkeiten ebenso auszuscheiden waren wie die im September 2016 geleisteten Zahlungen von 3.760,82 € (144.923,15 - 15.305,07 - 3.760,82 = 125.857,26):


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Verb. FA lt. Stellungnahme
34.808,96
Zahlungen FA
15.305,07
Übrige Verb.
324.522,98
Übrige Zahlungen
125.857,26
Gesamte Verb. (inkl. FA)
359.331,94
Gesamte Zahlungen (inkl. FA)
141.162,33

Demzufolge wurden die Gesamtverbindlichkeiten mit einer Quote von rund 39 % beglichen, die Verbindlichkeiten gegenüber der Abgabenbehörde mit einer Quote von rund 44 %.

Der Anteil der Abgabenverbindlichkeiten an den Gesamtverbindlichkeiten betrug rund 10 %. Von den gesamten im Haftungszeitraum geleisteten Zahlungen wäre der Abgabenbehörde ein Betrag von rund 14.116,00 € (10 % der gesamten Zahlungen von 141.162,33 €) zugestanden; tatsächlich leistete der Bf im Haftungszeitraum Zahlungen von 15.305,07 €.

Dem Bf war daher beizupflichten, dass ihm keine Schlechterstellung der Abgabenverbindlichkeiten im Vergleich zu den übrigen Verbindlichkeiten und demzufolge keine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO vorwerfbar war. Er machte ausreichend glaubhaft, dass es - mit Ausnahme der Lohnsteuer - zu keiner Benachteiligung des Abgabengläubigers gegenüber den anderen Gläubigern gekommen war.

Die Umsatzsteuer 04/2016 bis 08/2016, die Dienstgeberbeiträge 06/2016 bis 08/2016 und die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 06/2016 bis 08/2016 waren daher aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden.

Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere Lohnsteuer.

Zur strittigen Frage, ob die Löhne für August 2016 noch ausbezahlt wurden und daher die darauf entfallende Lohnsteuer noch an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre, ließen sich anhand der aufliegenden Unterlagen folgende Feststellungen treffen:

Im Zuge einer GPLA für den Zeitraum bis wurden offene Bezugsansprüche für vier Dienstnehmer festgestellt. Die Lohnsteuerbemessungsgrundlage betrug 51.684,57 €, die darauf entfallende Lohnsteuer 7.752,69 €.

Diese Lohnsteuer war nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens.

Mit Schreiben vom teilte die Prüferin der Abgabensicherung mit, dass Bezüge bis einschließlich August 2016 ausbezahlt worden seien.

Dieser Feststellung widersprach der Bf bereits in der Beschwerde. Zum Stichtag der Anmeldung hätten Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten von 39.106,48 € bestanden, wobei laut Anmeldeverzeichnis letztlich ein noch höherer Betrag gefordert worden sei.

Im Vorlageantrag ergänzte der Bf sein diesbezügliches Vorbringen dahingehend, dass die haftungsgegenständliche Lohnsteuer 08/2016 die offenen, nicht bezahlten Gehälter und Löhne betreffe. Diese habe die Steuerberatungskanzlei bis zur Beendigung noch im Rahmen der laufenden Lohnverrechnung abgerechnet und angemeldet.

Ein mit der Stellungnahme vom vorgelegter Kontoauszug der Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten bestätigte das Vorbringen des Bf, wonach für August 2016 Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten von 30.693,66 € auf dem Konto verbucht und für August nur drei Teilbeträge von zweimal 728,34 € und 923,40 €, in Summe daher 2.380,08 €, ausbezahlt wurden. Nach Angaben des Bf war für diese Lohnzahlungen keine Lohnsteuer abzuführen. Zum waren auf dem Konto offene Lohn- und Gehaltsverbindlichkeiten von 39.106,48 € ausgewiesen.

Das Finanzamt nahm in seinem Schreiben vom dazu keine Stellung.

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte und unter Berücksichtigung der genannten Umstände erschien glaubhaft, dass auf die o.a. ausbezahlten Teilbeträge keine Lohnsteuer entfiel, sondern die gemeldete Lohnsteuer zur Gänze nicht mehr ausbezahlten Löhnen und Gehältern für August 2016 zuzurechnen war.

Wurden diese Löhne tatsächlich nicht mehr ausbezahlt, bestand auch keine Verpflichtung zur Abfuhr von Lohnsteuer, sodass den Bf keine schuldhafte Pflichtverletzung traf und die Lohnsteuer 08/2016 ebenfalls aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden war.

Zur haftungsgegenständlichen Lohnsteuer 06/2016 und 07/2016 erstattete der Bf kein gesondertes Vorbringen.

Den allgemeinen Ausführungen im Vorlageantrag, die Primärschuldnerin habe fast ausschließlich fallweise Dienstnehmer beschäftigt, welche die Löhne zwingend mit Dienstende erhalten hätten; zu diesen Zeitpunkten habe der Bf nicht wissen können, welche Quotenzahlung möglich sein werde, war zu entgegnen, dass § 78 Abs. 1 EStG 1988 den Arbeitgeber verpflichtet, die entsprechende Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung, also im Zeitpunkt des Zuflusses an den Arbeitnehmer, einzubehalten und die einbehaltene Lohnsteuer zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden.

Das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten betreffend Lohnsteuer 06/2016 und 07/2016 bestand darin, die Löhne für Juni und Juli 2016 zwar noch ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht mehr abgeführt zu haben. Hätte der Bf die Lohnsteuer bei Auszahlung der Löhne einbehalten und bei Fälligkeit ans Finanzamt abgeführt, wäre der Abgabenausfall nicht eingetreten; die schuldhafte Pflichtverletzung war daher auch ursächlich für den Abgabenausfall.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen.

Wie bereits das Finanzamt zutreffend ausgeführt hat, stellt die Geltendmachung der Haftung die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung in aller Regel allfällige Billigkeitsgründe.

Die Haftungsschuld wurde im Schuldenregulierungsverfahren des Bf angemeldet, sodass diese im Ausmaß des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans einbringlich ist. Bei Einhaltung dieses Zahlungsplans tritt hinsichtlich der restlichen Haftungsschuld Restschuldbefreiung ein (§ 156 Abs. 1 Insolvenzordnung).

Die Geltendmachung der Haftung war zweckmäßig, weil die Haftungsschuld - wenn auch nur in geringem Ausmaß - eingebracht werden kann.

Billigkeitsgründe, welche die Zweckmäßigkeitsgründe überwiegen würden, zeigte weder der Bf auf, noch waren solche aktenkundig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at