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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.08.2022, RV/6100149/2022

Aufhebung eines Haftungsbescheides wegen nicht mehr bestehender Primärschuld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid 2021, ***St-Nr***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom hat das Finanzamt Österreich ***Bf*** (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) als Haftungspflichtigen gemäß § 11 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten des ***WH*** in Höhe von EUR 57.993,49 (Umsatzsteuer 2016) in Anspruch genommen.
In der Begründung verweist die Abgabenbehörde auf das rechtskräftige Erkenntnis des Spruchsenats Salzburg 1 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung vom , Straflistennummer: ***FV***, wonach der Bf schuldig gesprochen wurde, als Bevollmächtigter des ***WH*** ein Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen zu haben.

Gegen den Haftungsbescheid hat der Bf mit Schreiben vom Beschwerde erhoben und zusammenfassend vorgebracht, das oa Erkenntnis sei keine taugliche Grundlage für die Erlassung des Haftungsbescheides.
Strafbarer Tatbestand sei die Nichtabgabe der UVA 08/2016 und der Jahressteuererklärung 2016 durch ***WH***. Der Bf habe ***WH*** im August 2016 steuerlich nicht mehr vertreten, da dieser das Auftragsverhältnis am mit sofortiger Wirkung gekündigt habe. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Das Finanzamt hat die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen und verweist im Wesentlichen auf die rechtskräftige Verurteilung des Bf als Beitragstäter und die daraus resultierende Haftung gemäß § 11 BAO.

Mit Anbringen vom hat der Bf beantragt, das Bundesfinanzgericht möge über seine Beschwerde entscheiden.

Mit Schreiben vom ist das Bundesfinanzgericht vom Finanzamt darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Primärschuldner ***WH*** die Umsatzsteuerschuld in Höhe von EUR 57.993,49 zur Gänze entrichtet hat.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 11 BAO idmF lautet:

"Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden."

Laut Aktenlage besteht kein Zweifel daran, dass der Bf mit Erkenntnis des Spruchsenats Salzburg 1 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung vom , Straflistennummer: ***FV***, als Bevollmächtigter des ***WH*** rechtskräftig für schuldig befunden worden ist, dazu beigetragen zu haben, dass bei diesem unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2016 Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen waren, und zwar Umsatzsteuer 2016 in Höhe von EUR 58.333,33, verkürzt zu haben.
Weil er hiedurch als Beitragstäter das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1, § 11 FinStrG begangen hat, wurde über ihn zudem eine Geldstrafe verhängt.

Da § 11 BAO laut Rechtsprechung (zB ) auch finanzbehördliche Finanzstrafverfahren erfasst, sind die in § 11 BAO genannten Voraussetzungen für die Haftung des Bf erfüllt.
Das oa Erkenntnis entfaltet eine Bindungswirkung, welche sich auf die Höhe des Betrages an hinterzogenen Abgaben sowie die im Erkenntnis angeführten Abgabenarten und Jahre erstreckt.

Die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen setzt allerdings voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist (vgl ). Auch im Rechtsmittelverfahren ist zu berücksichtigen, ob die haftungsgegenständliche Abgabenschuld zwischenzeitig - allenfalls teilweise - durch andere Personen als den Haftungspflichtigen entrichtet wurde (vgl , mwN).

Wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, erfolgten im vorliegenden Fall keine Tilgung der Abgabenschuld durch Bezahlung des Haftungsbetrages durch den Haftenden selbst, sondern eine vollständige Entrichtung durch den Primärschuldner ***WH***.
Diese Zahlung ist vom Bundesfinanzgericht zu berücksichtigen.

Wird eine haftungsgegenständliche Abgabenschuld (Primärschuld) im Zuge des Berufungsverfahrens über den Haftungsbescheid durch eine andere Person als den Haftungspflichtigen beglichen oder sonst auf andere Weise als durch Zahlung durch den Haftungspflichtigen im Sinne des § 214 Abs 7 erster Satz BAO getilgt, kommt der Grundsatz der Akzessorietät von Haftungen zum Tragen, der es generell nicht zulässt, eine Haftung für eine nicht mehr bestehende Primärschuld konstitutiv auszusprechen ().

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte VwGH-Rechtsprechung - nicht erfüllt.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100149.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at