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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2022, RV/6100201/2022

Spruch eines Haftungsbescheides

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde des ***Bf1***, Adr., vertreten durch RA Dr. Klaus-Michael Plätzer, Hellbrunner-Straße 5, 5020 Salzburg vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO zu Recht erkannt:

1.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A. Verfahrensgang und Sachverhalt

A/1. Der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) war ab Geschäftsführer der X GmbH. Am wurde über das Vermögen dieser GmbH das Sanierungsverfahren eröffnet, das am in ein Konkursverfahren übergeleitet wurde. Mit Beschluss des zuständigen Landesgerichts vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung (Quote 2,47%) aufgehoben. Seit diesem Tag vertritt der Bf. die GmbH als Liquidator. Am wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Am richtete das Finanzamt an den Bf. einen Vorhalt betreffend die Heranziehung zur Haftung, mit dem der Bf. zur Beantwortung diverser Fragen und zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert wurde. Diesen nachweislich zugestellten Vorhalt ließ der Bf. unbeantwortet.

A/2. Am erließ das Finanzamt gegen den Bf. einen Bescheid, wonach er als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm §§ 80 ff. BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Fa. X GmbH in Liquidation "laut beiliegender Aufstellung mitEUR 32.733,69" in Anspruch genommen wurde.

Die Begründung enthält außer der Feststellung, dass der Bf. seit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Geschäftsführer der GmbH bestellt gewesen sei und die genannten Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien, ausschließlich eine Wiedergabe der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Haftung. Weiters enthält die Begründung die Mitteilung, dass die der Haftung zugrunde liegenden Bescheide beigelegt seien und führt diese Bescheide an. Alle sonstigen in den Haftungsbescheid eingeschlossenen Abgaben seien aufgrund von Selbstberechnung oder laufender Anlastung auf dem Gebarungskonto gebucht. Für diese Abgaben seien somit keine Bescheide ergangen und lägen daher auch keine gesonderten Bescheide bei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Rechtsvertreter des Bf. aus, der Haftungsbescheid lasse nicht erkennen, um welche Haftungsbeträge es gehe. Die im Spruch angeführte "beiliegende Aufstellung" sei tatsächlich nicht beigelegen. Beigelegen seien einzelne Bescheide, diese könnten aber niemals die im Haftungsbescheid aufgeführten Haftungsbeträge begründen.

Der Haftungsbescheid sei lediglich formularmäßig begründet und enthalte überhaupt keinen Hinweis, worin eine Pflichtverletzung des Bf. gelegen sein soll. Letztendlich wisse der Bf. nicht einmal, wogegen er sich wirklich beschweren solle, weil vollkommen unklar sei, wofür und aus welchem Grund der Haftungsbescheid ausgestellt worden sei.

Aus dem Konkursakt der Gesellschaft sei leicht erkennbar, dass die Ursache des Insolvenzverfahrens die Nichtbezahlung einer sehr großen Forderung der Gesellschaft gegenüber einem Auftraggeber gewesen sei. Keinesfalls könne dem Bf. eine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

A/3. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Es entspreche nicht der Aktenlage, dass die Aufstellung der Abgabenarten im Haftungsbescheid gefehlt hätte. Sollte dies dennoch der Fall gewesen sein, so werde dies in der BVE nachgeholt. Die BVE enthält in der Folge eine Aufstellung der Abgabenarten samt Beträgen und deren Fälligkeit, für die die Haftung gemäß § 9 BAO ausgesprochen wurde.

Dagegen richtet sich der Antrag des Bf. auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und auf Entscheidung durch den gesamten Senat nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Über Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht, einen Nachweis dafür vorzulegen, dass die Aufstellung über die Haftungsbeträge dem Haftungsbescheid beilag, teilte das Finanzamt (lediglich) mit, dass aus seiner Sicht die Übersicht sehr wohl beigelegen sei. Die Berechnungsgrundlagen für die Selbstbemessungsabgaben seien vom verantwortlichen Geschäftsführer selbst gekommen. Dies spreche aus Sicht des Finanzamtes klar dagegen, dass diese Informationen im Haftungsbescheid nochmals dargestellt werden müssten.

Mit Schreiben vom zog der Bf. den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat hierüber erwogen:

B. Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den vorstehend geschilderten Sachverhalt zugrunde, der in dem vom Finanzamt vorgelegten Akt abgebildet ist. Strittig ist dabei die Frage, ob dem angefochtenen Bescheid die Aufstellung über die haftungsgegenständlichen Abgabenbeträge und Abgabenarten beigelegen ist.

Die durch den Rechtsvertreter des Bf. eingebrachte Beschwerdeschrift lässt deutlich erkennen, dass der Bf. aufgrund der ihm vorliegenden Informationen den Haftungsbetrag nicht nachvollziehen konnte. So versuchte er, den Betrag anhand der beiliegenden Bescheide zu errechnen und kam verständlicherweise zu keinem vernünftigen Ergebnis. Dabei konnte er deutlich erkennbar auch nicht eruieren, um welche Zeiträume es sich handeln könnte, wenn er in seiner Berechnung von Körperschaftsvorauszahlungen ab 2014, also für sieben Jahre ausgeht, wobei dies Perioden betrifft, die teilweise außerhalb seiner Geschäftsführertätigkeit liegen. Weiters führte er aus, dass er gar nicht wirklich wisse, wogegen er sich beschweren solle. Dies spricht eindeutig dagegen, dass dem Bescheid die im Spruch genannte Aufstellung beigelegen ist.

Demgegenüber vermochte das Finanzamt keinen Beweis dafür zu erbringen, dass die Beilage dem Bescheid tatsächlich beigelegen ist. Dass eine derartige Aufstellung im Akt des Finanzamtes vorhanden ist, bedeutet noch nicht, dass sie dem Bf. auch zugeschickt wurde. Auf dem Rückschein ist als Inhalt der Postsendung vermerkt: "EH1 u. Bescheide zu St.Nr.***2***" (EH1 bezeichnet den Haftungsbescheid). Eine gesonderte Beilage ist auch am Rückschein nicht vermerkt.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung daher davon aus, dass die im Spruch genannte Beilage dem Bescheid tatsächlich nicht beigelegen ist.

C. Rechtliche Würdigung

C/1. Gemäß § 9 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 224 Abs 1 BAO werden die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist Spruch des Haftungsbescheides die Geltendmachung der Haftung für einen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe. Damit wird die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und auch der Rahmen für die Änderungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren festgelegt (etwa ; , Ra 2020/13/0056; vgl. auch Ritz, BAO-Kommentar6, § 224 Tz 8).

C/2. Laut dem Spruch des angefochtenen Haftungsbescheides sollen die Abgabenbeträge der bestimmten Abgaben in einer Beilage aufgelistet sein. Der Spruch des Bescheides enthält nur die Gesamtsumme der zur Haftung herangezogenen Beträge. Der Bf. hat jedoch überzeugend eingewendet, dass diese Beilage dem Haftungsbescheid tatsächlich nicht beilag. Das Finanzamt hat trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht den Gegenbeweis nicht erbracht.

Somit fehlt dem Bescheidspruch die bestimmte Bezeichnung des Abgabenbetrages bzw. der Abgabenbeträge einer bestimmten Abgabe. Die konkrete Zusammensetzung des Haftungsbetrages ist damit so unbestimmt, dass nicht nachvollzogen werden kann, für welchen bestimmten Abgabenbetrag einer bestimmten Abgabe die Haftung geltend gemacht wurde. Diese Konkretisierung im Spruch des Haftungsbescheides ist jedoch notwendig, da die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen insbesondere auch voraussetzt, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht (z.B. durch Entrichtung) erloschen ist (Grundsatz der materiellen Akzessorietät der Haftung, vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, § 7 Tz 10).

Weiters wird durch die Konkretisierung der bestimmten Abgabenbeträge einer bestimmten Abgabe die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für die Änderungsbefugnis im Beschwerdeverfahren iSd § 279 BAO festgelegt. Wenn nun der Spruch des Haftungsbescheides dermaßen unkonkret ist, dass nicht nachvollzogen werden kann, aus welchen einzelnen Abgabenschuldigkeiten sich der gesamte Haftungsbetrag zusammensetzt, ist der Haftungsbescheid mit einem Mangel behaftet, der lediglich zur Aufhebung des Bescheides führen kann (vgl. ; , RV/3126-W/11).

Dieser Mangel kann auch nicht, wie vom Finanzamt angenommen, in der Beschwerdevorentscheidung saniert werden. Die Beschwerdevorentscheidung kann Mängel der Begründung eines angefochtenen Bescheides beheben, sie kann aber nicht einen mangelhaften oder fehlenden Bescheidspruch sanieren.

Der angefochtene Bescheid ist daher bereits aus diesem Grund aufzuheben.

C/3. Gemäß § 248 BAO steht dem nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtigen das Recht zu, innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einzubringen. Daher ist dem Haftungspflichtigen anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides auch Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch in einer Art und Weise zu verschaffen, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist ().

Die Verschaffung der Kenntnis erfolgt in der Begründung des Haftungsbescheides und hat durch Zusendung einer Ablichtung des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen, sofern ein derartiger Bescheid erlassen wurde. Bei Selbstbemessungsabgaben, zu denen noch kein Bescheid gemäß § 201 BAO oder gemäß § 202 BAO erlassen wurde, ist im Haftungsverfahren über den Abgabenanspruch abzusprechen (). In diesen Fällen sind dem Abgabepflichtigen Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruches in der Begründung des Haftungsbescheides selbst darzulegen (siehe dazu ).

Das Unterbleiben einer solchen Bekanntmachung macht den Haftungsbescheid rechtswidrig (Ritz, BAO6, § 248 Tz 8). Eine solche Bekanntmachung ist auch erforderlich, wenn der Haftungspflichtige vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss, zB weil ihm als gemäß § 9 haftendem Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt wurden (Ritz, aaO, § 248 Tz 9 sowie die dort zitierte Literatur).

C/4. Das Finanzamt hat im vorliegenden Fall die gegenständlichen Abgabenbescheide dem Haftungsbescheid zu Recht beigelegt. Bei den Selbstbemessungsabgaben hat es jedoch nur bemerkt, dass es diesbezügliche Bescheide nicht gebe, solche daher nicht beigelegt werden könnten. Im Lichte der zitierten Judikatur und Literatur ist dies nicht ausreichend. Die Bekanntmachung des feststehenden Abgabenanspruches hat auch bei Selbstbemessungsabgaben zu erfolgen, indem in der Begründung des Haftungsbescheides Grund und Höhe des Abgabenanspruches dargestellt werden. Der Einwand, dass die Selbstbemessungsabgaben ja vom Geschäftsführer selbst erklärt worden seien und ihm daher bekannt seien, ist nach dem Oben Gesagten nicht ausreichend.

Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.

D. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Zur gegenständlichen Rechtsfrage existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100201.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at