Wiederaufnahmebescheide ohne Begründung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Natascha Vrabie Rechtsanwältin, Brückenkopfgasse 1/6, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO betreffend 2011-2013 sowie Feststellung der Einkünfte § 188 BAO 2011 -2013, Steuernummer ***BF1StNr1***
I. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Feststellung der Einkünfte 2011-2013 vom wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Wiederaufnahmebescheide werden ersatzlos aufgehoben.
II. beschlossen:
Die Beschwerden gegen die Bescheide über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO 2011-2013 werden gemäß § 261 Abs 2 BAO iVm § 278 Abs 1 BAO als gegenstandslos erklärt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Bf. ist eine Personengesellschaft, die laut Firmenbuch im Bereich der Immobilienvermietung tätig ist. Im Herbst 2015 wurde eine Betriebsprüfung bei der Bf. durchgeführt, die zu einer Wiederaufnahme der Verfahren zur Gewinnfeststellung gem. § 188 BAO für die Jahre 2011-2013 führte.
Alle gegenständlichen Wiederaufnahmsbescheide (ergangen am ) enthalten wörtlich folgende Begründung:
"Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."
Die Begründung der sodann erlassenen Sachbescheide lautete: "Auf die Niederschrift und Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom (§ 150 BAO) wird verwiesen."
Der Bericht lautet wie folgt:
Steuerliche Feststellungen
Tz. 1 Gewinnermittlung
Einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung
1) Umbau Villach, Strasse (aus "Ordner 2011"):a cto Belege der Firma "Stein GmbH, Adresse", wie im oa. Vorhalt vom 7.April'dJ. beschrieben, für Barzahlungen 3.1., 28.1. und , je € 16.000,-, € 30.000,- und 13.985,60, in Summe € 59.985,60. (Dem Prüfer liegt eine ER in dieser Betragshöhe vor sowie aus dem Rechenwerk der "***Bf1***" - im Folgenden kurz: "***Bf1***" genannt - die oa. a conto Belege in bar).
Aufwand bisher als AfA ab 2011 (€ 13.278,32 p.a.), sowie Rest offensichtlich als Instandhaltungen.
Dem Prüfer liegen Beweismittel vor (Niederschriften und Berichte auswärtiger Finanzämter sowie rechtskräftige Abgabenbescheide, Schlussberichte und Verteilungsentwürfe in der Insolvenzsache des Masseverwalters der "Stein GmbH"), daß es sich bei genannter "Stein GmbH" um eine Betrugsfirma handelt, welche zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung Anfang 2011 weder einen rechtmäßigen Geschäftsführer hatte, weder Büro- bzw. Geschäftsräumlichkeiten, sondern lediglich einen Briefkasten hatte, welcher rechtswidrig montiert war, da kein Mietverhältnis bestand, es umfangreiche strafrechtliche Ermittlungen wegen Betrugsdelikten sowie polizeiliche Ermittlungen bezüglich der Hintermänner dieser Firma, welche der bosnischen Mafia zugerechnet werden gegen diese "Stein GmbH" gibt, es nie einen Telefonkontakt zu genannter "Stein GmbH" gab, da regelmäßig eine Weiterleitung an ein Call-Center in Deutschland erfolgte, und auch zuletzt Scheindienstverhältnisse vom oa. Masseverwalter festgestellt wurden, wobei es sich um rund 500! (fünfhundert) Mitarbeiter gehandelt haben soll, welche als Arbeitnehmer gemeldet wurden.
Die "Stein GmbH" war offenbar dahin ausgerichtet, Betrügereien zu begehen (z.B: Anmietung von Equipment für Veranstaltungen, allerdings damit verschwunden etc.). Der Masseverwalter beantragte die konkursgerichtliche Schließung der Firma "Stein GmbH", (gegen Ende des Jahres 2011) allerdings mit dem Hinweis, dass der Aufwand der Abwicklung dieser Insolvenz aufgrund der hohen Zahl der Dienstverhältnisse bzw. deren Lösung und der enorm zahlreich vorhandenen Gehaltsexekutionen erheblich sei.
Durch persönliche Aussagen des ehemaligen Bauleiters der Firma "Stein" dem Prüfer der gegenständlichen "***Bf1***" gegenüber, sowie durch Beibringung von Beweisfotos von der damaligen Baustelle in der Strasse, 9500 Villach durch die Geschäftsführung der "***Bf1***" konnte allerdings - in freier Beweiswürdigung von Seiten der Abgabenbehörde - von Seiten der Geschäftsführung gegenständlicher "***Bf1***" glaubhaft gemacht werden, dass die im Rechenwerk verbuchten Aufwendungen die in den Rechnungen angegebenen Lieferungen und Leistungen tatsächlich entsprochen haben sollten.
Darüberhinaus sprechen auch die zum Zeitpunkt der vom Masseverwalter in der Schlussrechnung/Verteilungsentwurf an das Handelsgericht Wien vom über die oa. Firma "Stein" angeführten gemeldeten "rund 500 Mitarbeiter" von der tatsächlichen Ausführung der in den Rechnungen angeführten Leistungen, welche von der gegenständlichen Firma "***Bf1***" schließlich auch bezahlt wurden (bar).
Der ehemalige Bauleiter der Firma "Stein" bestätigte weiters in persönlicher Aussage gegenüber dem Prüfer gegenständlicher "***Bf1***", dass ihm als Geschäftsführer der Firma "Stein", bei welcher er erst im Laufe des Monates Dezember 2010 gekündigt wurde, lediglich der Name JB bekannt war.
Von diesem erhielt der Bauleiter sämtliche Arbeitsanweisungen, allerdings nur in technischer Hinsicht, die jeweiligen Baustellen abzuwickeln und zu überwachen. Sämtliche Geldangelegenheiten oder Verrechnungen (zu welchem ua. auch das Ausstellen von Anzahlungsrechnungen oder Schlussrechnungen gehörte) wurden nicht von ihm, sondern vom GF JB durchgeführt. Es wurden auch alle drei oa. Barzahlungen auf den jeweiligen Kasseneingangsbelegen von JB gezeichnet (3.1., 28.1. und ), obwohl JB seit nachweislich unbekannt verzogen ist nach Kroatien.
Allerdings ändern aus diesen oa. Sachverhaltsdarstellungen auch nichts die Umstände bezüglich der Anerkennung dieser Aufwendungen durch die Abgabenbehörde, dass - in freier Beweiswürdigung - die in den jeweiligen Berichten über die Außenprüfungen gemäß § 150 BAO der oa. Firma "Stein" dargestellten und verhängten Sanktionen in Form von im Schätzungswege gemäß § 184 BAO ermittelten Besteuerungsgrundlagen sowie gemäß § 11 Abs. 14 UStG festgesetzter Umsatzsteuer aufgrund Steuerschuld von in Rechnungen gesondert ausgewiesener Steuerbeträgen do. vom jeweiligen Finanzamt festgestellt und auch vorgeschrieben wurden. Vorsteuerbeträge wurden von der Firma "***Bf1***" zu keinem Zeitpunkt in Abzug gebracht (unecht umsatzsteuerbefreite Umsätze, ohne Vorsteuerabzug), weder im Prüfungszeitraum noch in den Jahren davor.
2) Verrechnung der "Kommanditanteile" - bzw. "Gewinnanteile Kommanditisten":
Es wurde im Zuge der Außenprüfung festgestellt, dass die meisten der bisher als Kommanditisten im Firmenbuch eingetragenen Personen weder in Österreich wohnsitzgemeldet sind noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder sonstigen unternehmerischen Bezug zu/in Österreich haben.
Weiters:
- 2a : Firmenbucheintrag H, "A, geb: - KEINE SV-Nr. in Österreich", Kommandit-Gewinnanteile 2011 bis 2013 ; € 8.031,19, € 8.564,63 und € 5.103,41.
Diese Gewinnanteile aus Kommanditanteilen wurden vom Finanzamt als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der jeweiligen Jahre unter beschränkter Einkommensteuerpflicht veranlagt.
Dem Finanzamt liegen Feststellungen bzw. Informationen sowohl der tschechischen Finanzbehörde als auch der österreichischen Steuerfahndung über das Central Liaison Office for International Cooperation vor, in welchen diese oa. Kommanditistin "A" persönlich aussagte, dass sie in Österreich nie wohnhaft war und auch nicht unternehmerisch tätig war, sie lediglich auf Urlaub in Österreich war, sie keinerlei Vermögen in Tschechien hat, welches zur Betreibung ihres aufgrund der oa. Gewinnanteile entstandenen Rückstandes herangezogen werden konnte, sie sich nicht erklären kann, woher diese Rückstände kommen und dass sie diesbezüglich einen Anwalt beauftragen wird, diese falschen Behauptungen zu bekämpfen.
- 2b:
Weiters war "A" auch nie als Mieterin (Prostituierte) des R in Villach, Strasse geführt (dieser Sachverhalt wurde bei Durchsicht der Mieterinnen-Listen 2011 bis 2013 gemeinsam mit dem steuerlichen Vertreter, S auch fest- bzw. außer Streit gestellt).
- 2c:
Firmenbucheintrag J : "B", geb; ; Einerseits war diese ebenfalls als "Kommanditistin" im Firmenbuch eingetragen - Kommandit/Gewinnanteilsverrechnung - wie oben, gleiche Beträge wie "A", aber andererseits und gleichzeitig z.B. die Jahre 2011 bis 2013 als "Mieterin" (also als Prostituierte arbeitende) geführt!
-2d:
Alle bereits im Vorhalt vom angeführten Personen (VARGA Jozef, KURUC Karol, TARKAY Marek, TARKAI Ivan, TARKAY Frantisek, TARKAYOVA Zaneta, TARKAYOVA Ilona, TARKAI Radoslav, KURUCOVA Helena) sind weder in Österreich wohnhaft noch sind sie gewöhnlichen Aufenthalts, wurden bis dato nie zur Einkommensteuer (weder beschränkt noch unbeschränkt) veranlagt, wobei natürlich bis dato auch keinerlei Einkommensteuerbescheide ergingen UND es existiert nicht einmal eine der österreichischen Finanzverwaltung bekannte Adresse.
- 2e:
Aufgrund der dem Prüfer im Laufe des Monats Oktober 2015 ausgehändigten "Auszahlungsbestätigungen von Gewinnvorwegentnahmen" für die jeweiligen Monate an die bereits oa. Personen (diese Belege wurden in Form eines USB-Sticks dem Prüfer übergeben; die auf diesem Stick enthaltenen Daten wurden vom Prüfer auf das Prüfer-Notebook gespeichert; Inhalt des Sticks : Auszahlungsbelege in jpg.-Format für die Monate Jänner bis Oktober 2013; nicht auf dem Stick waren die Auszahlungsbelege der Jahre 2011 und 2012, allerdings wurde dem Prüfer mitgeteilt, dass es sich immer um dieselbe Vorgehensweise gehandelt haben soll; weiters auf dem Stick: Kopie einer handschriftlichen Notiz vom der "***Bf1*** KG" über Auszahlungsmodalitäten 2013, 2012 und 2011), wurde erstmals offengelegt bzw. war ersichtlich, dass Auszahlungsbestätigungen an bzw. in weiterer Folge dann von einem gewissen "J" oder "M" T existieren (siehe unten, Pkt: -2g).
- 2f:
Von weiters als Kommanditistlnnen angeführten Personen kam es zwar teilweise zu Einkommensteuerveranlagungen (...), allerdings ergaben sich daraus entweder geringfügige Gutschriften an Einkommensteuer, oder bei vorgeschriebenen Einkommensteuerbeträgen erfolgte niemals eine Entrichtung bzw. Bezahlung dieser Steuerschulden von den jeweiligen Personen.
-2g:
Sämtlichen oben unter Pkt. 2d angeführten Personen wurden die Gewinnvorwegentnahmen der jeweiligen Monate des Prüfungszeitraumes 2011 bis 2013 laut den vorliegenden Auszahlungsbestätigungen "übergeben an notariell beglaubigten Treuhänder/Bevollmächtigten": (TM ("J" T).
Ein oben angeführter "TM" oder "TJ" ist der Abgabenbehörde allerdings nicht bekannt. Aufgrund einer letztmalig durchgeführten Behördenabfrage im Österreichischen Zentralen Melderegister (ZMR) vom liegen über den Gesuchten keine Daten für eine Meldeauskunft vor.
§ 162 Abs. 1 BAO sieht vor: "Wenn der Abgabepflichtige beantragt, dass Schulden, andere Lasten oder Aufwendungen abgesetzt werden, so kann die Abgabebehörde verlangen, dass. der Abgabepflichtige die Gläubiger oder die Empfänger der abgesetzten Beträge genau bezeichnet".
§ 162 Abs. 2 BAO sieht weiters vor: "Soweit der Abgabepflichtige die von der Abgabenbehörde gemass Abs. 1 verlangten Angaben verweigert, sind die beantragten Absetzungen nicht anzuerkennen". Folgende Gewinnanteile am Gesamtgewinn wurden in der oben dargestellten Art als "Anteil am Gewinn" Kommanditisten durch Verbuchung von Auszahlungen an "J" oder "M" T verteilt :
2011 : Gesamtgewinn : € 164.998,85
davon Anteil "J" oder "M" T : € 116.811,63
2012 : Gesamtgewinn : € 162.727,90
davon Anteil "J" oder "M" T : € 119.904,82
2013 : Gesamtgewinn : € 96.964,88
davon Anteil "J" oder "M" T : € 71.447,74.
Tz. 3 Aufwandskürzung Zurechnung der Gewinnanteile It. Außenprüfung: Sämtliche oben angeführten Gewinnanteile, ausbezahlt an/von "J" oder "M" T werden dem persönlich haftenden Komplementär (Geschäftsführer) Herrn XY, St.Nr.: xxxx zugerechnet, die Auszahlungen an/von "J" oder "M" T werden nicht anerkannt (siehe Pkt. -2g), es ergeben sich für den Gewinnanteil bzw. Anteil an den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 188 BAO für XY:
2011 : bisher € 8.031,27 It. AP:(8.031,27+ 116.811,63) : € 124.842.90
2012 : bisher € 8.564,56 It. AP:(8.564,56+119.904,82): € 128.469.38
2013 : bisher € 5.103,50 It. AP:(5.103,50+ 71.447,74) :€ 76.551.24
Die bisher gebuchten und verrechneten Gewinnanteile der Kommanditisten :
(…..)
werden auf Grund der vorangegangenen Feststellungen für die Jahre 2011 bis 2013 auf Null (0) gestellt. Die nicht an/von "J" oder "M" T ausbezahlten bzw. zugerechneten restlichen Kommanditanteile (Anteile am Gewinn) bleiben unverändert.
Prüfungsabschluss
Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO
Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs,1 BAO erforderlich machen:
Abgabenart Zeitraum Feststellung
Einheitliche Gewinnfeststellung 2011 bis 2013 1 bis 3
Die Wiederaufnahme erfolgt unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen.
Schlussbesprechung
Die Schlussbesprechung hat am stattgefunden."
In der gegen obige Bescheide (sowohl Wiederaufnahme-als auch Sachbescheide) erhobenen Bescheidbeschwerde vom (ausführliche Begründung der Beschwerde nachgereicht am ) brachte die Beschwerdeführerin ua. begründend vor, dass die Bescheide für die Wiederaufnahme der Bescheide mangelhaft begründet und die Sachbescheide rechtswidrig seien, da der maßgebliche zur steuerlichen Beurteilung notwendige Sachverhalts fehle. Es sei nicht erkennbar von welchem konkreten Geschehen die Betriebsprüfung ausginge und auf Basis welcher Beweise die Feststellungen getroffen wurden.
Die Abgabenbehörde wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde gegen die obigen Wiederaufnahmsbescheide mit folgender Begründung ab:
Die Beschwerde vom , eingelangt ho. am (Langfassung) gegen die Wiederaufnahmebescheide 2011 bis 2013, alle vom , welche die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Gewinnfeststellungen 2011 bis 2013 verfugt haben, wird mit dem Hinweis abgewiesen, als eine Begründung gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens im Beschwerdeantrag (sowohl in der Kurzfassung vom als auch in der Langfassung vom ) fehlt
Die Beschwerde gegen die Sachbescheide wurde mit gesonderter Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin begehrte mit Vorlageantrag vom fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
Mit ergänzender Stellungnahme vom führte die Bf. hinsichtlich der Wiederaufnahme ergänzend aus, dass die Wiederaufnahmebescheide nicht den formellen Kriterien entsprächen. Zu den Sachbescheiden wurden unter Bezugnahme auf die bereits vorgebrachten Argumente noch weitere Unterlagen vorgelegt und weiterhin der Standpunkt vertreten, dass der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden wäre und daher die von Seiten der Abgabenbehörde getroffenen Feststellungen einer tragfähigen Grundlage entbehren würden.
Mit selbem Schreiben zog die Bf. den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Feststellungen
Mit erließ die belangte Behörde die (beschwerdegegenständlichen angefochtenen) "Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Feststellung von Einkünften 2011-2013" sowie die Bescheide gem. § 188 BAO zur Feststellung von Einkünften 2011-2013. In der Bescheidbegründung der Wiederaufnahmebescheide findet sich lediglich folgender Text "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."
Es werden weder neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel benannt, noch findet sich ein Verweis auf andere Dokumente, in denen Tatsachen oder Beweismittel benannt werden.
Neben der mangelnden Benennung neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel lässt sich auch kein Hinweis dazu finden, auf welche Weise und in welcher zeitlichen Abfolge Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien. Schließlich wird auch in keiner Weise auf die Ermessensübung eingegangen.
Ein Verweis in der Begründung des Wiederaufnahmebescheides auf die Begründung der Bescheide gem. § 188 BAO zur Feststellung von Einkünften ist ebenfalls nicht vorhanden.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde im Beschwerdefall vorgelegten Akten.
Rechtliche Beurteilung
Die gegenständliche Beschwerde richtet sich einerseits gegen die Wiederaufnahme des Verfahren zur Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO und andererseits gegen die Sachbescheide zur Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO.
Nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zunächst über die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl etwa ).
Gemäß § 303 Abs 1 lit b der Bundesabgabenordnung (BAO) kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren ua von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn ua Tatsachen oder Beweismittel in einem abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Gemäß § 93 BAO haben Bescheide eine Begründung zu enthalten haben, wenn sie von Amts wegen erlassen werden. Der Bescheid soll für den Abgabepflichtigen nachvollziehbar und kontrollierbar sein. Der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, soll sowohl für die Partei als auch für die Höchstgerichte nachvollziehbar sein (vgl etwa ).
Notwendig ist das Anführen der Begründung insbesondere im Fall einer Wiederaufnahme, weil sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung eines gegen die Wiederaufnahme richtenden Rechtsmittels nicht auf neue Wiederaufnahmegründe stützen kann (vgl ). Zentrales Element der Begründung ist die Anführung des Sachverhaltes, den die Behörde als erwiesen annimmt (). Nicht ausreichend wäre etwa, wenn eine zusammenfassende Sachverhaltsdarstellung mit einem bloßen Hinweis auf dem Abgabepflichtigen vorliegendes Aktenmaterial ersetzt werden würde (zB ). Weiters hat die Begründung die Erwägungen der Behörde zu enthalten, warum sie zur Ansicht gelangte, dass der festgestellte Sachverhalt vorliegt. Durch eine Beweiswürdigung ist darzulegen, warum die Behörde allenfalls ein Beweismittel einem anderen vorgezogen hat. Schließlich hat die Begründung eine rechtliche Beurteilung zu enthalten, in der dargetan wird, warum die Behörde die Verwirklichung von abgabenrechtlichen Tatbeständen durch den in der Begründung angeführten Sachverhalt für gegeben erachtet (). Auch die Ermessensübung ist entsprechend zu begründen ().
Ein nicht entsprechend begründeter Wiederaufnahmebescheid ist nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht sanierbar (vgl etwa ). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Tatsachen, die vom Finanzamt als Wiederaufnahmegründe qualifiziert wurden, nicht einmal ansatzweise erkennen lassen.
Es ist daher - im Sinne der Rechtsprechung des VwGH (zB ) - die Aufgabe des Finanzamtes, die von ihm verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind. Soll eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 303 Abs 1 b BAO zulässig sein, muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass dem Finanzamt nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht wurden, von denen es nicht schon zuvor Kenntnis gehabt hat. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs 1 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde.
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (vgl. mit weiteren Hinweisen ).
Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen.
Die Wiederaufnahmsgründe sind in der Begründung anzuführen. Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht "nachholbar" (vgl BMF, AÖF 2006/192, Abschn 4; -F/07; , RV/0086-F/07; Fischerlehner, Abgabenverfahren 2, § 303 Anm 4; ; , RV/7101420/2019; , RV/2100646/2020; aM Rauscher, SWK 2003, S 637; Setina, SWK 2004, S 55).
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.
Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen (). (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 307, I. Wiederaufnahmsbescheide (§ 307 Abs 1) [Rz. 1 - 7]).
Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre.
Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmegrund nicht vor oder hat das Finanzamt die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmegrund gestützt, muss das Bundesfinanzgericht den vor ihm bekämpften Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. nochmals ).
Im beschwerdegegenständlichen Fall wurden überhaupt keine Wiederaufnahmegründe angeführt, sondern erschöpft sich die Begründung in der auszugsweisen Wiedergabe des Gesetzestextes (§ 303 BAO) und der formelhaften Begründung des Ermessens.
Es erfolgte nicht einmal ein Verweis auf andere Dokumente, aus denen sich die Wiederaufnahmegründe ergeben hätten können.
Anzumerken ist, dass auch in den Sachbescheiden (auf die ohnehin nicht verwiesen wurde) keine Wiederaufnahmegründe angeführt sind, sondern in der dortigen Begründung nur die Niederschrift und den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom verwiesen wird.
Somit kann im konkreten Fall auch nicht durch eine eventuelle Zusammenschau der Wiederaufnahmebescheide mit den neuen Sachbescheiden (vgl. ) - mangels eines Verweises auf den jeweiligen Sachbescheid - eine Begründung der Wiederaufnahme der Verfahren erkannt werden.
Es ergeben sich somit nicht einmal ansatzweise jene Tatsachen oder Beweismittel, die eine Wiederaufnahme zulassen hätten können.
Die belangte Behörde ist daher ihrer Pflicht, die von ihr verfügten Wiederaufnahmen durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind, nicht nachgekommen, weshalb der Beschwerde Folge zu geben war.
Da in den angefochtenen Bescheiden die Darstellung der Wiederaufnahmsgründe (die Darstellung der maßgebenden, neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel) zur Gänze fehlt, war der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für das Jahr 2011 bis 2013 stattzugeben und die angefochtenen Wiederaufnahmsbescheide aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Beschluss - Gegenstandsloserklärung - Sachbescheide im wiederaufgenommenen Verfahren)
Mit oa. Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wurde der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens Folge gegeben und die Wiederaufnahmebescheide aufgehoben.
Nach § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
§ 261 BAO lautet:
(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird
a) in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder
b) in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.
(2) Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.
Vor diesem Hintergrund scheidet durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend das Verfahren hinsichtlich der im Spruch bezeichneten Feststellung von Einkünften ex lege die neuen Sachbescheide aus dem Rechtsbestand aus, die alten Sachbescheide leben wieder auf (, ). Die Beschwerden gegen die neu erlassenen Sachbescheide waren daher im Sinne des § 261 BAO als gegenstandslos zu erklären.
Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständlich entsprach die Lösung der Rechtsfrage der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 261 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 307 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | -F/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100722.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at