Erledigung einer Säumnisbeschwerde - Nichtvorliegen einer Säumnis bzw. Unzulässigkeit der Säumnisbeschwerde
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Schubertstraße 68, 8010 Graz, zur
Säumnisbeschwerde vom betreffend
1. Erledigung der Beschwerden vom hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 sowie (Sach-) Bescheide hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 und 2015 (alle) vom und
2. Nichterledigung des Antrages auf Gewährung der Akteneinsicht nach § 90 BAO vom
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Nichterledigung der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Hinsichtlich der Sachbescheide (Umsatzsteuer 2010-2015) sowie des Antrages auf Gewährung der Akteneinsicht nach § 90 BAO wird die Säumnisbeschwerde als unbegründet abgewiesen.
III. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Antrag vom erhob die Bf. Säumnisbeschwerde und monierte, ihre am durch den ehemaligen steuerlichen Vertreter überreichten Beschwerden gegen die oa. Bescheide seien durch einen nicht legitimierten Vertreter eingebracht worden, da dieser über keine aufrechte Vertretungsbefugnis verfügte. Im Übrigen sei die belgische Gesellschaft am im belgischen Register gelöscht worden. Auf diese Umstände habe sie schon im Schreiben an das Finanzamt vom hingewiesen.
Die Säumnisbeschwerde wurde mit Beschluss vom der belangten Behörde weitergeleitet und zur Äußerung aufgetragen, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliege bzw. weil ein entsprechender Bescheid erlassen wurde.
Mit Schreiben vom hat die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mitgeteilt, die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 wurde nicht bekämpft und aus diesem Grund liege auch keine Säumnis vor.
Des Weiteren schloss die belangte Behörde eine Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung vom an, wonach die überreichten Beschwerden als unzulässig zurückgewiesen worden waren und daher ihres Erachtens keine Säumnis vorliege.
Zum ebenfalls monierten unerledigten Antrag auf Gewährung einer Akteneinsicht nach § 90 BAO bemerkte die belangte Behörde nicht säumig zu sein, weil die Bereitschaft zur Gewährung der Akteneinsicht bestehe. Es sei mit der hier einschreitenden steuerlichen Vertreterin Kontakt aufgenommen und ihr mitgeteilt worden, dass ein Termin für die Akteneinsicht vereinbart werden könne.
Diese von der belangte Behörde aufgezeigten Umstände wurden der steuerlichen Vertretung zur Kenntnis gebracht.
In ihrer Antwortnote vom verwies sie darauf, die belgische Gesellschaft sei am gelöscht und in der Folge werde sie von der inzwischen insolvent gewordenen Alleingesellschafterin vertreten. Die einschreitende Steuerberatungsgesellschaft verfüge über eine Bevollmächtigung der Masseverwalterin.
Des Weiteren gestand die Bf. zu, dass gegen den Bescheid vom , womit die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 verfügt wurde, gar keine Beschwerde überreicht worden sei. Ebenso entspreche es den Tatsachen, dass über den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht keine Säumnis vorliege. Diese werde zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. In der weiteren Folge wiederholte sie ihre bisher vertretenen Rechtsansichten dahingehend, dass der einschreitende damalige steuerliche Vertreter zur Einbringung der Beschwerde gar nicht legitimiert gewesen sei, da die Bf. im belgischen Register am gelöscht wurde. Die an den damaligen steuerlichen Vertreter gerichtete Beschwerdevorentscheidung hätte gar nicht erlassen, sondern an die Alleingesellschafterin GmbH gerichtet werden sollen.
Rechtsgrundlagen:
Bundesabgabenordnung (BAO)
§ 90. (1) Die Abgabenbehörde hat den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Blinden oder hochgradig sehbehinderten Parteien, die nicht durch Vertreter (§§ 80 ff) vertreten sind, ist auf Verlangen der Inhalt von Akten und Aktenteilen durch Verlesung oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.
(2) Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.
(3) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
Aus dem oa. wiedergegebenen zusammengefassten Akteninhalt ergibt sich, bezüglich der verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2010 konnte die Bf. keine entsprechend erhobene Beschwerde aufzeigen. Daher war auch die Erhebung der Säumnisbeschwerde in diesem Punkt gar nicht zulässig.
Ähnlich verhält es sich mit dem angeblich nicht erledigten Antrag auf Gewährung einer Akteneinsicht nach § 90 Abs. 1 BAO. Nach der Rechtsprechung zu § 17 AVG wird die Entscheidungspflicht (iSd § 73 Abs. 1 AVG) nicht schon durch das Verlangen des Einsichtswerbers nach Akteneinsicht als tatsächlichem Vorgang ausgelöst, sondern erst dadurch, dass die Behörde durch konkrete Handlungen oder Unterlassungen die Akteneinsicht real verweigert (; , 2004/12/0174; , 2011/05/0072). Es könne nämlich nicht sein, dass die Partei einen Antrag auf Akteneinsicht stellt, dann diese Akteneinsicht niemals versucht, und in der Folge, weil die Behörde, die zur Akteneinsicht bereit war, nicht weiter reagiert hat, die Entscheidungspflicht erfolgreich (Säumnisbeschwerde) geltend machen kann (). Aus der von der Bf. nicht weiter bestrittenen Äußerung der belangten Behörde war diese bereit, die Akteneinsicht zu gewähren. Aus dem Umstand, dass die Bf. diese in der weiteren Folge nicht wahrgenommen hat, konnte keine Säumnis abgeleitet werden. Die belangte Behörde ist nicht gehalten, der Bf. die Vornahme der beantragten Akteneinsicht quasi "aufzudrängen" oder von sich aus unaufgefordert von sämtlichen Aktenteilen Kopien anzufertigen und der Bf. zu übermitteln.
Was die Säumigkeit bei der Erledigung der vom seinerzeitigen steuerlichen Vertreter eingebrachten Beschwerde vom gegen die Sachbescheide vom anlangt, sei ausgeführt, dass dem Einschreiter eine entsprechende Erledigung (Beschwerdevorentscheidung) vom zugekommen war. Damit war das von diesem eingeleitete Beschwerdeverfahren beendet.
Da somit eine entsprechende Säumnis der belangten Behörde nicht erblickt werden konnte, war die gegenständlichen Säumnisbeschwerde zurück bzw. abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RS.2100030.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at