Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 07.06.2022, RV/7102415/2021

Sicherstellungsauftrag für Glücksspielabgabe (Haupteinwand: Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung von Pokerspielen)

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0085.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Ilse Rauhofer, die Richterin***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***19***, ***20***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Sicherstellungsauftrag (Glücksspielabgabe für 05/2021), Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

angefochtener Bescheid - Sicherstellungsauftrag vom

Gegenstand des Beschwerdeverfahren vor dem Senat ist der Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten (kurz FA) vom , mit dem gemäß § 232 BAO in das Vermögen der ***Bf1*** (im Folgenden kurz Bf.) die Sicherstellung der Glücksspielabgabe für Mai 2021 iHv € 268.254,47 angeordnet wurde.

Dazu wurde ausgesprochen, dass die Sicherstellung dieser Abgabenansprüche sofort vollzogen werden kann und eine Hinterlegung des Betrages iHv € 268.254,47 beim FA bewirkt, dass Maßnahmen zur Vollziehung dieses Sicherstellungsauftrages unterbleiben und diesbezüglich bereits vollzogene Sicherstellungsmaßnahmen aufgehoben werden.

Der Sicherstellungsauftrag wurde vom FA auszugsweise wie folgt begründet:

"Abgabenanspruch:

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist.

Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines noch nicht vollstreckbaren Abgabenanspruches sowie die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben voraus.

Dabei ist nur zu prüfen, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung des Abgabenanspruches und dessen Höhe gegeben sind.

Im gegenständlichen Fall bietet die ***Bf1*** in den Räumlichkeiten ***1*** Interessierten die Möglichkeit zur Teilnahme an Pokerspielen in Form von CashGames an und führt diese durch.

Dadurch wurden von der GmbH im Zeitraum Mai 2021 Ausspielungen iSd § 2 Abs. 1 GSpG veranstaltet, die der Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 1 GSpG unterliegen. Durch die Durchführung dieser Pokerveranstaltungen wurde der Tatbestand, an den das Glücksspielgesetz die Steuerpflicht nach § 57 GSpG knüpft, verwirklicht.

Dies ist auch durch die ständige Rechtsprechung des UFS bzw. BFG (UFS Wien vom , RV/1666-W/06, RV/1665-W/06, RV/1338-W/05, RV/0031-W/02, RV/1669-W/06, RV/1668-W/06, RV/1667-W/06, RV/1664-W/06, RV/1663-W/06; UFS Wien vom , RV/0421-W/02; UFS Wien vom , RV/0369-W/02, RV/0036-W/02; UFS Innsbruck vom , RV/0499-1/10; UFS Innsbruck vom , RV/0500-I/10; UFS Wien vom , RV/0743-W/11; UFS Graz vom , RV/0744-G/11; ; ; , , und ) sowie die Rechtsprechung des , vom , B 58-62/2014 und vom , E 293/2015 und vom , G 103-104/2016 gedeckt.

Bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57 GSpG ist der Konzessionär (§ 17 Abs. 6 GSpG) oder der Bewilligungsinhaber (§ 5 GSpG) der Abgabenschuldner. Fehlt ein Berechtigungsverhältnis, sind der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (59 Abs. 5 GSpG), sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand Abgabenschuldner.

Die Bescheidadressatin ist daher Abgabenschuldnerin.

Berechnung der Glücksspielabgabe:

Die voraussichtliche Höhe der Abgaben errechnet sich aus den, von Herrn ***2***, anlässlich der Kontrolle am vorgelegten Aufzeichnungen über die entnommenen Tischgelder sowie dem vorgelegten "Rake-Table". Aus dem Rake-Table ist die Staffelung des Tischgeldes zu entnehmen, welches abhängig von der Pot-Höhe (Summe aller Einsätze) variiert.

Nach den vorgelegten Informationen gliedert sich die Höhe des Tischgeldes wie folgt:

Nach den vorgelegten Informationen gliedert sich die Höhe des Tischgeldes wie folgt:

Aus diesen Angaben errechnete das Finanzamt ein durchschnittliches Rake in der Höhe von 4,48%, dieser Wert wurde wie folgt ermittelt:

Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung

Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen, kann die Abgabenbehörde nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) einen Sicherstellungsauftrag erlassen (§ 232 BAO).

Die Erschwerung der Einbringung der Abgabe(n) ist zu befürchten, weil der zu erwartende Abgabenbetrag die Höhe des vorhandenen Vermögens und Einkommens der ***Bf1*** bei weitem übersteigt. Dem Abgabenanspruch in der Höhe von € 268.254,47 steht ein handelsrechtliches Eigenkapital (siehe Bilanz 2018 It. Firmenbuch) von € 34.446,31 gegenüber. Weiters zeigt die Umsatzentwicklung drastisch sinkende Umsatzzahlen. Wurden 2018 noch € 482.565,52 als Bemessungsgrundlage zur Umsatzsteuer herangezogen, betrug dieser Wert im Jahr 2019 nur noch € 7.250,00.

Aufgrund der vorgelegten Abrechnungen sowie unter Berücksichtigung der Umsatzentwicklung und des handelsrechtlichen Eigenkapitals ist davon auszugehen, dass die zu erwartende Abgabenforderung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ***Bf1*** übersteigt, damit erscheint die Abgabeneinbringung gefährdet.

Bei der im Rahmen des § 20 BAO vorzunehmenden Ermessensübung wurde dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit gegenüber dem Grundsatz der Billigkeit der Vorzug gegeben. Dabei ist unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 232 BAO dem öffentlichen Interesse zur Einbringung der Abgabe der Vorrang zu geben, die nur durch einen sofortigen Zugriff auf verwertbares Vermögen gesichert werden.

Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben erhellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmefällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit ist daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen (, ). Angesichts der voraussichtlichen Höhe des Abgabenanspruches und der dargestellten wirtschaftlichen Situation der GmbH kann von einem derartigen Ausnahmefall, der die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht gerechtfertigt erscheinen ließe, keine Rede sein."

Beschwerde

Die Beschwerde enthält folgende Beschwerdepunkte:

Keine Verwirklichung des Abgabentatbestandes

Es genüge nicht, dass die Entstehung eines Abgabenanspruches wahrscheinlich sei. Die Entstehung des Abgabenanspruches sei weder gewiss noch wahrscheinlich.

Die Bf. veranstalte erst ab Mai 2021 Kartenspiele auf Grundlage ihrer Gewerbeberechtigung. Ob die angebotenen Kartenspiele der Glücksspielabgabe nach § 57 GSpG unterliegen, sei ungewiss. Die Bf. habe bisher noch keinen einzigen Abgabenbescheid erhalten, aus welchem sich die Verpflichtung zur Entrichtung von Glücksspielabgaben ergibt.

Die belangte Behörde habe lediglich aus Vorsichtungsgründen die in der Kassa offenliegende Tischgeldstruktur als Bemessungsgrundlage herangezogen, um von einem Abgabenanspruch in exzessiver Höhe auszugehen und den bekämpften Bescheid zu erlassen. Da ein Rechtsmittel gegen einen Sicherstellungsauftrag - anders als ein Rechtsmittel gegen einen Abgabenbescheid - nicht mit einem Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO verbunden werden könne, dem gemäß § 230 Abs 6 BAO einbringungshemmende Wirkung zukommt, möchte die belangte Behörde offenbar Tatsachen schaffen, bevor in einem rechtsstaatlichen Verfahren über ein etwaiges Bestehen eines Abgabenanspruches entschieden werde.

Anders als die belangte Behörde mit dem pauschalen Verweis auf unzählige Entscheidungen von UFS, BFG, VwGH und VfGH suggeriert, stehe die Glücksspielabgabenpflicht der Beschwerdeführerin keinesfalls fest. Denn keine einzige der zitierten Entscheidungen sei gegenüber der Bf. ergangen. Warum diese Rechtsprechung auf das Angebot der Bf. übertragbar sein sollte, sei von der belangten Behörde nicht erläutert worden.

Aber selbst wenn das Angebot der Bf. dem Angebot der Rechtsmittelwerber in den von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen entspräche, stünde ihre Abgabenpflicht nicht fest, da nach wie vor höchstgerichtlich nicht geklärt sei, ob die Besteuerung gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht verstößt.

Die von der belangten Behörde angenommene Glücksspielabgabepflicht für die von der Bf. angebotenen Kartenspiele verstosse gegen Art 56 AEUV:Die Glücksspielabgabe, bemessen nach den einzelnen Spieleinsätzen, stelle in der von der belangten Behörde angenommenen Höhe eine erhebliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV dar, welche durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses nicht gerechtfertigt werden könne, und mache den Betrieb eines Pokercasinos faktisch unmöglich.

Aufgrund des Verstoßes gegen Art 56 AEUV seien gegenüber der Bf. aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit dieser Bestimmungen keine Glücksspielabgaben festzusetzen, weshalb auch der Abgabentatbestand nicht verwirklicht worden sei. Wenn ein innerstaatlicher Abgabentatbestand durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht verdrängt werde, könne er naturgemäß auch nicht verwirklicht werden.

Es sei keine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung gegeben.

Dem von der belangten Behörde angenommenen Abgabenanspruch in Höhe von EUR 268.254,47.- stehe ein handelsrechtlichen Eigenkapital zum in Höhe von EUR 34.446,31 gegenüber.

Damit gehe die belangte Behörde aus nicht nachvollziehbaren Gründen davon aus, dass bei einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen eine Erschwerung der Einbringung der Abgaben vorliege.

Die Bf. weise im Geschäftsjahr 2018 ein positives Eigenkapital auf. Darüber hinaus habe sie in den Geschäftsjahren 2015 € 68.407,80,-, 2016 € 57.112,05, 2017 € 15.907,06 einen Bilanzgewinn erzielt. Auch in den vorangehenden Geschäftsjahren habe sie stets positiv bilanziert.

Es drohe der Bf. also gerade kein Insolvenzverfahren (wie von der VwGH-Judikatur gefordert). Abgesehen davon werde auch nicht von dritter Seite Exekution gegen die Bf. geführt. Schließlich liege auch kein anderer Umstand (Auswanderungsabsicht, Vermögensverschleppung, Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder ein dringender Verdacht der Abgabenhinterziehung) vor, der nach der VwGH-Rechtsprechung einen Sicherstellungsauftrag rechtfertigen würde. Dahingehende Feststellungen durch die belangte Behörde seien daher auch nicht getroffen worden.

Die Erschwerung der Einbringung stütze die belangte Behörde somit im Ergebnis auf das Missverhältnis zwischen der Höhe der Abgabe und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bf. Da dieses Missverhältnis aber einzig darauf beruhe, dass die belangte Behörde von einer exzessiven Abgabenhöhe ausgehe, lege die belangte Behörde durch Erlassung des bekämpften Bescheides § 232 BAO gegen seinen Sinn und Zweck in rechtsstaatlich bedenklicher Art und Weise aus.

Rechtswidrige Auslegung von § 232 Abs 1 BAO

Selbst wenn die belangte Behörde weiterhin die Ansicht vertreten sollte, dass der Abgabenanspruch im Beschwerdefall dem Grunde nach feststehe, könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages für Abgabenansprüche in jeglicher Höhe erlauben wollte. Wäre dies zulässig, könnte die Abgabenbehörde die Ausübung der der Abgabe unterliegenden Tätigkeit bis zur Klärung der Abgabenschuld der Höhe und dem Grunde nach unmöglich machen.

Im konkreten Fall sei der Sicherstellungsauftrag selbst wenn man von einer Abgabenschuld dem Grunde nach ausgehe, jedenfalls für einen zu hohen Betrag erlassen worden, da die behauptete Höhe der Abgaben ein Vielfaches der Einnahmen betrage.

Diese Auslegung des § 232 Abs 1 BAO gegen seinen Sinn und Zweck sei auch aus rechtsstaatlichen Gründen bedenklich. Denn Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages könnten vom Unternehmer nur verhindert werden, wenn er den nach Auffassung der Abgabenbehörde geschuldeten Betrag hinterlege. Dies sei im Beschwerdefall jedoch wirtschaftlich unmöglich, weil der von der Abgabenbehörde vermutete Abgabenbetrag eben ein Vielfaches des Umsatzes des Unternehmers betrage.

Auch die Erhebung eines Rechtsmittels gegen den Sicherstellungsauftrag in Verbindung mit einem Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung gemäß § 18 Z 1 AbgEO könne nicht sämtliche Sicherstellungsmaßnahmen verhindern. Denn wenn während einer Razzia Vollstreckung zur Sicherstellung geführt werde, folge der finanzbehördliche Vollstrecker den Sicherstellungsauftrag erst unmittelbar vor der Sicherstellung aus und in diesem Zeitpunkt könne naturgemäß noch kein Rechtsmittel gegen den Sicherstellungsauftrag verfasst sein, weshalb auch die Aufschiebung der Vollstreckung nicht beantragt werden könne. Abgesehen davon habe der Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung selbst auch keine aufschiebende Wirkung.

Mit dem gewählten Vorgehen gefährde die belangte Behörde die Bf. in ihrer wirtschaftlichen Existenz und unterlaufe das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes.

Die Interpretation der belangten Behörde, wonach sie bei der Bestimmung des Abgabenbetrages, welcher sichergestellt werden soll, vollkommen ungebunden sei, impliziere auch, dass die belangte Behörde willkürlich darüber entscheide, ob eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe droht. Indem sie nämlich den Abgabenbetrag beliebig hoch ansetzen könne, beeinflusse sie maßgeblich, ob die Einbringung der Abgabe gefährdet oder erschwert scheint, da im Zuge dieser Beurteilung die Abgabenschuld mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmers verglichen werde.

Im Ergebnis bedeute dies, dass selbst wenn der Abgabenanspruch dem Grunde nach feststünde, § 232 Abs 1 BAO aus teleologischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass die Behörde willkürlich die Abgabenschuldigkeit in einer (noch so absurden) Höhe annehmen dürfe, die zwangsläufig zur Bejahung der Gefährdung der Einbringlichkeit führe.

Verfahrensmängel

Vorliegend habe die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt, indem sie der Bf. vor Erlassung des bekämpften Bescheides keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt habe. Hätte die belangte Behörde Parteiengehör eingeräumt, hätte die Beschwerdeführerin darlegen können, dass keine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu befürchten sei.

Schließlich stütze sich die belangte Behörde bei der Beurteilung dieses Tatbestandselements ausschließlich auf die im Jahresabschluss zum veröffentlichten Zahlen. Diese seien jedoch veraltet und entsprächen nicht den aktuellen Zahlen.

Rechtswidrige Ermessensübung

Das Vorgehen der belangten Behörde sei nicht zweckmäßig, da sie damit lediglich erreiche, dass die Beschwerdeführerin wegen der Exekutionsmaßnahmen ihren Betrieb nicht weiter aufrecht erhalten und somit in Zukunft keine Einkünfte mehr erzielen könne. Im Ergebnis erhalte somit die belangte Behörde durch die Exekutionsmaßnahmen nur einen Bruchteil der von ihr angenommenen Abgabenschuld und vergebe zudem die Chance auf zukünftige Abgabenzahlungen durch die Beschwerdeführerin.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sei nicht nur im Fall der Geringfügigkeit von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen, sondern auch in anderen Ausnahmefällen.

Ein derartiger Ausnahmefall sei vorliegend gegeben, da die Sicherstellungsmaßnahmen den weiteren Betrieb der Kartencasinos verhindere bzw wesentlich erschwere, obwohl gegenüber der Bf. noch kein einziger Abgabenbescheid erlassen worden sei.

Die Beschwerde enthält abschließend folgende Anträge:

- auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und direkte Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht; sowie

- auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs 1 Z 1 BAO;

- auf Entscheidung im Senat gemäß § 272 Abs 2 Z 1 BAO;

- der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben

Der im Beschwerdeschriftsatz weiters enthalten Antrag die Vollstreckung gemäß § 18 Z 1 AbgEO aufzuschieben, wurde vom FA mit Bescheid vom abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen und nicht Gegenstand des heutigen Verfahrens.

Als Beilagen wurden der Beschwerde angeschlossen:

./1 Jahresabschluss der Beschwerdeführerin zum

./2 Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , GZ: LVwG413943/6/Gf/Rok betreffend Beschlagnahme nach § 53 GSpG

Das zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit von der Bf. in der Begründung als "beiliegend" genannte Rechtsgutachten des Herrn Univ.-Prof. Dr. ***3*** vom wurde hingegen nicht angeschlossen.

Vorlage der Beschwerde

Mit Vorlagebericht vom (der auch der Bf. übermittelt wurde) legte das FA die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag dem BFG zur Entscheidung vor. Darin wurde vom FA der maßgebliche Sachverhalt wie folgt dargestellt:

Die ***Bf1***, FN ***4*** (Beschwerdeführerin, kurz Bf.) betreibt seit , am Standort ***5***, ein Casino in welchem Poker in Form von "Cash Games" veranstaltet wird.

Bei den durchgeführten Glücksspielen handelt es sich um Ausspielungen gem. § 2 Abs. 1 GSpG und unterliegen diese der Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 1 GSpG.

Darüber hinaus handelt es sich um verbotene Ausspielungen gem. § 2 Abs. 4 GSpG.

Die Bf. hat bis dato keine Selbstberechnung oder Offenlegung betreffend die Glücksspielabgaben durchgeführt.

Geschäftsführer der Gesellschaft ist Hr. ***GF*** (vertritt seit selbständig).

Am fand in den Räumlichkeiten des Pokercasinos eine Kontrolle nach dem GSpG durch die Finanzpolizei statt (GZ. ***6***).

Es gab am Kontrolltag 22 Pokertische, welche in 2 verschiedenen Räumen aufgestellt waren. Auf mehreren Tischen wurde zu Beginn der Amtshandlung gespielt.

Im Zuge dieser Kontrolle wurde - ausgehend von den während der Amtshandlung von Seiten der Bf. übergebenen Unterlagen - der gegenständlich angefochtene Sicherstellungsauftrag vom erlassen (samt Vollstreckungsauftrag). In diesem Bescheid wurde die Sicherstellung der Glücksspielabgabe für den Zeitraum Mai 2021 in Höhe von € 268.254,47 angeordnet.

Die voraussichtliche Höhe der Abgaben wurde errechnet aus den, von Herrn ***2***, anlässlich der Kontrolle vom vorgelegten Aufzeichnungen über die entnommenen Tischgelder sowie dem vorgelegten "Rake-Table". Aus dem Rake-Table ist die Staffelung des Tischgeldes zu entnehmen, welches abhängig von der Pot-Höhe (Summe aller Einsätze) variiert. Aus diesen Angaben errechnete das Finanzamt ein durchschnittliches Rake (Tischgeld) in der Höhe von 4,48%. In weiterer Folge wurde mit Hilfe des errechneten Rake Mittelwertes auf die Höhe der geleisteten Einsätze - auf Basis des § 184 BAO rückgerechnet. (Die Berechnungen sind im Bescheid enthalten)."

Weiters gab das FA noch eine Stellungnahme mit auszugsweise folgendem Inhalt ab:

"…

Zum Entstehen des Abgabenanspruches

Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherungsverfahren nicht zu entscheiden (zB ; , 2006/15/0204; , 2007/13/0056).

Zur Besteuerung von Ausspielungen in Form von Poker (nach dem Gebührengesetz und nach dem Glücksspielgesetz) ist eine große Anzahl an Judikaten ergangen, es wird verwiesen auf: UFS … /BFG… sowie auf die Rechtsprechung des , vom , B 58-62/2014, vom , E 293/2015, , E 820/2015, vom , G 103-104/2016, vom , E 1330/2016-13, E 1756/2016 und vom , E 3862/2017, E 3452/2017 und E 3860/2017, und die Rechtsprechung des -7, vom , Ro 2017/17/0025, und insbesondere vom , Ra 2018/17/0150, ., Ro 2018/17/0007 u. 0008-5 ua. und vom , Ro 2019/17/0003 verwiesen.

Die Großzahl dieser Entscheidungen betrifft Unternehmen bei welchen Hr. ***16*** Geschäftsführer war bzw. ist und viele Entscheidungen betreffen die gegenständliche Lokalität, dh das gegenständliche Casino.

Die ***Bf1*** bot von bis und bietet von bis dato in den Räumlichkeiten ***1***, Interessierten die Möglichkeit zur Teilnahme an Pokerspielen in Form von Cashgames an und führt diese durch.

Dadurch wurden von der ***Bf1*** in Abgabezeiträumen ab Mai 2020 Ausspielungen iSd § 2 Abs. 1 GSpG veranstaltet, die der Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 1 GSpG unterliegen. Durch die Durchführung dieser Pokerspiele wurde der Tatbestand, an den das Glücksspielgesetz die Steuerpflicht nach § 57 GSpG knüpft, verwirklicht.

Bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57 GSpG ist der Konzessionär (§ 17 Abs. 6 GSpG) oder der Bewilligungsinhaber (§ 5 GSpG) der Abgabenschuldner. Fehlt ein Berechtigungsverhältnis, sind der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung und der Vermittler (§ 59 Abs. 5 GSpG), sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand Abgabenschuldner. Auf Grund dieser Regelung ist die ***Bf1*** Schuldnerin und Abfuhrpflichtige der Glücksspielabgabe.

Zum Unionsrecht

Vorab wird darauf hingewiesen, dass das Glücksspielmonopol gemäß § 3 GSpG nicht präjudiziell für die Glücksspielabgaben gemäß § 57ff GSpG ist - diese sind allgemeine Rechtsverkehrssteuern auf den Abschluss bestimmter Spielverträge, die zwar im selben Gesetz wie das Glücksspielmonopol geregelt sind, aber an und für sich unabhängig vom Glücksspielmonopol in Geltung stehen. Selbst eine allfällige Unionswidrigkeit der Monopolbestimmungen würde nicht zu einer Nichtanwendung der glücksspielabgabenrechtlichen Bestimmungen auf den gegenständlichen Sachverhalt führen (vgl. , sowie vom , RV/7103459/2012).

Zur Unionsrechtskonformität des GSpG hat der OGH vor kurzem in seinem Urteil vom , 1 Ob 229/20p, zusammenfassend ausgeführt:

"Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (EuGH C-98/14, Berlington Hungary, Rn 56 mwN). Nationale Beschränkungen müssen aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (EuGH C-338/04, Massimiliano Placanica, Rn 49; C-46/08, Carmen Media Group, Rn 60; C-316/07, Stoß, Rn 77, jeweils mwN). Die Regelung muss geeignet sein, die Verwirklichung des zulässigen Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Rs Berlington Hungary, Rn 64). Ob eine restriktive Regelung - auch hinsichtlich ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten - den angestrebten Zielen in kohärenter und systematischer Weise Rechnung trägt und die Beschränkung nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen steht, ist von den nationalen Gerichten anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, unter denen die Regelung erlassen und durchgeführt wurde, zu beurteilen (C-243/01, Gambelli, Rz 76; C-258/08, Ladbrokes, Rz 22; Rs Stoß, Rz 98; Rs Carmen Media Group Rz 65; C-347/09, Dickinger/Ömer, Rn 56; C-390/12, Pfleger, Rz 47 ff; C-464/15, Admiral, Rz 30 f).

Ein Verbot des Betriebs von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis kann insbesondere durch das Ziel, Spieler zu schützen und Straftaten im Zusammenhang mit solchen Spielen zu bekämpfen, gerechtfertigt sein (Rs Pfleger Rn 42 mwN). Zugelassene Anbieter müssen attraktive Alternativen zu nicht geregelten (illegalen) Tätigkeiten bereitstellen dürfen, um das Ziel, die Spieltätigkeit in kontrollierbare Bahnen zu lenken, verwirklichen zu können. Dies umfasst auch den Einsatz von Werbung sowie von neuen Vertriebstechniken (Rs Dickinger/Ömer Rn 64 mwN). Auch eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspielen kann damit in Einklang stehen, wenn Spieler dadurch veranlasst werden, von verbotenen Spielen zu erlaubten und geregelten Spielen überzugehen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie "frei von kriminellen Elementen" und darauf ausgelegt sind, die Verbraucher vor übermäßigen Ausgaben und Spielsucht zu schützen (C-212/08, Zeturf, Rn 67; Rs Ladbrokes Rn 25; Rs Dickinger/Ömer Rn 63 f). Die vom Monopolinhaber bzw Konzessionär durchgeführte Werbung muss aber maßvoll und auf das begrenzt sein, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken (Rs Dickinger/Öhmer Rn 67 f mwN).

Der EuGH setzte sich erst jüngst (, C-920/19, Fluctus ua) wieder mit dem österreichischen Glücksspielmonopol auseinander und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Er ging davon aus, dass für die Prüfung der Kohärenz einer expansiven (Werbe-)Politik des Monopolisten auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen seien und eine Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen nicht allein deshalb anzunehmen sei, weil die Werbepraktiken des Monopolisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (Rn 52 f).

Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, liegt doch zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl bereits 4 Ob 268/16i; 4 Ob 50/17g; 4 Ob 46/17v; ebenso VwGH Ro 2020/17/0008).

Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem zu B 887/09 ergangenen Erkenntnis - nach Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH - davon aus, dass das Verbot des Angebots von Online-Glücksspielen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen und dort rechtmäßig Glücksspiele auf elektronischem Weg betreibenden Anbieter im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats keinen "Widerspruch" zur Dienstleistungsfreiheit darstellt, weil allein der Umstand, dass ein Glücksspielanbieter in einem anderen Mitgliedstaat über eine Konzession verfügt und den dortigen rechtlichen Anforderungen und Kontrollen unterliegt, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden kann. Zu B 1337/11 legte er zudem dar, dass die Ziele der Beschränkung des Angebots von Glücksspielen, nämlich die Verhinderung von Straftaten und der Veranstaltung von Glücksspielen ausschließlich zu gewerblichen Gewinnzwecken sowie der Vermeidung einer übermäßigen Anregung zur Teilnahme an solchen durch unreglementierte Konkurrenz, im öffentlichen Interesse liegen und die gesetzliche Beschränkung der Anzahl an Konzessionen geeignet ist, diese Ziele auf adäquate und sachlich gerechtfertigte Art zu erreichen. In seinem zu E 945/2016 ergangenen Erkenntnis gelangte der Verfassungsgerichtshof nach umfassender Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zum Ergebnis, dass die Regulierung des Glücksspiels durch den österreichischen Gesetzgeber auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen der sich daraus ergebenden Beschränkungen den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht und keine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols erkennen lässt. An dieser Rechtsansicht hielt der Gerichtshof in weiterer Folge fest (vgl E 3282/2016; E 883/2017; E 2172/2017; E 2341/2017; E 3302/2017; G 286/2019).

Auch der Verwaltungsgerichtshof setzte sich bereits mehrfach mit Fragen der Unionsrechtskonformität des GSpG auseinander. Er ging in seinem Erkenntnis zu Ro 2015/17/0022 - nach eingehender Befassung mit den in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Anforderungen an die Zulässigkeit nationaler Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen - davon aus, dass der Spielerschutz sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Spielsucht und zur Reduktion von Kriminalität im österreichischen Glücksspielrecht sukzessive erweitert wurden, dass aber gerade im Onlinebereich eine starke Ausweitung illegalen Glücksspiels durch zahlreiche Anbieter erfolgt, die ihre Angebote äußerst offensiv bewerben, weshalb auch die teilweise expansionistische Geschäfts- und Werbepolitik der Konzessionsinhaber unionsrechtskonform sei. Das mit einem Konzessionssystem verbundene Glücksspielmonopol des Bundes verfolge - auch unter Berücksichtigung des für Landesausspielungen bestehenden Bewilligungssystems für Glücksspielautomaten - die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung sowie der Verhinderung von Kriminalität in kohärenter und systematischer Weise und sei daher nicht unionsrechtswidrig. Daran hielt der Verwaltungsgerichtshof auch in nachfolgenden Entscheidungen fest (vgl Ra 2018/17/0048; Ra 2018/17/0203; Ra 2019/17/0054; Ra 2021/17/0031).

Der Oberste Gerichtshof schloss sich in seiner am zu 4 Ob 31/16m ergangenen Entscheidung der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an. Er geht seither in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl etwa 4 Ob 5/16p; 4 Ob 160/16g; 4 Ob 174/16s; 6 Ob 124/16b; 4 Ob 268/16i; 4 Ob 229/17f; 4 Ob 125/18p; 3 Ob 57/19g).

Aufgrund der jüngst vom EuGH (Rs Fluctus/Fuentum) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols geht der erkennende Senat davon aus, dass diese Frage abschließend beantwortet ist, woran auch die von der Revisionswerberin als vermeintliche Belege für die Unionsrechtswidrigkeit ins Treffen geführten Umstände nichts zu ändern vermögen."

Das Vorbringen der Bf. wird auf EuGH C-920/19 Fluctus ua. und ein Erkenntnis des LVwG Oberösterreich vom , LVwG-413943/6/Gf/RoK (Richter Dr. Grof; betreffend Einziehung von Glücksspielautomaten gem. § 54 GSpG) gestützt.

In EuGH C-920/19 Fluctus ua. wurden Vorlagefragen des Landesverwaltungsgericht Steiermark beantwortet, zum Thema der Werbetätigkeit der österreichischen Glücksspielkonzessionäre und zum Thema der Bindungswirkung höchstgerichtlicher Erkenntnisse (implizit: zur in § 63 Abs. 1 VwGG angeordneten Bindung an kassatorische Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes). Die Vorlagefragen des Landesverwaltungsgericht Steiermark konnte der EuGH bereits unter Rückgriff auf seine bisherige Rechtsprechung beantworten, sodass zu behaupten ist, dass der EuGH-Beschluss C-920/19 Fluctus ua. eigentlich keine wesentlichen neuen Perspektiven aufgezeigt hat (vgl. Rn. 24-25 jenes Beschlusses).

Der EuGH-Beschluss C-920/19 Fluctus ua. von Mai 2021 hat kaum wesentliche neue Einsichten eröffnet, die eine abweichende Beurteilung tragen könnten (vgl. abermals Rn. 25 jenes EuGH-Beschlusses, wonach "die Antwort auf die Fragen klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann"). Nichtsdestoweniger ist nicht zu übersehen, dass der EuGH doch einen zusätzlichen Hinweis zur Frage der Zulässigkeit von Werbemaßnahmen eines Glücksspielkonzessionärs gegeben hat, und die Frage der Zulässigkeit von Werbemaßnahmen ist regelmäßig auch Thema bei der Prüfung, ob nationale Glücksspielmonopolregelungen mit dem Unionsrecht vereinbar sind (siehe EuGH C-920/19 Fluctus ua. Rn. 52): "Da zudem eine Politik der Expansion von Glücksspielen nur dann als kohärent angesehen werden kann, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Dickinger und Ömer, C-347/09, EU:C:2011:582, Rn. 67), sind Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen."

Der EuGH hat also - insoweit noch in Übereinstimmung mit bisheriger Rechtsprechung - zunächst darauf hingewiesen, dass eine expansive Geschäftspolitik der Konzessionäre zulässig (im Sinne von: gerechtfertigt) sein kann um Verbraucher von illegalen Angeboten hin zu den sichereren legalen Angeboten hinzulenken, also als "Kanalisierungsmaßnahme" (wie dies bereits seit dem zitierten EuGH-Urteil Dickinger und Ömer etabliert ist). Darüber hinaus hat der EuGH aber auch - neu - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch zu berücksichtigen wäre, inwieweit "private Anbieter" (bewilligungslose Anbieter, im Weiteren auch: "illegale Glücksspielanbieter") ihrerseits aggressive Werbemaßnahmen unternehmen oder auf neue Medien wie das Internet zurückgreifen.

Weiters entbindet der EuGH nur bei "offensichtlichem" Widerspruch zu Unionsrecht. Der EuGH hat im Beschluss EuGH C-920/19 Fluctus ua. ausgesprochen (Rn 58 jenes Beschlusses):

"Zum anderen verpflichtet das Unionsrecht, wenn die Erwägungen eines nationalen Gerichts offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprechen, ein anderes nationales Gericht, das nach dem innerstaatlichen Recht vorbehaltlos an die Auslegung des Unionsrechts durch das erstgenannte Gericht gebunden ist, die innerstaatliche Rechtsvorschrift, die von ihm verlangt, sich an die vom erstgenannten Gericht herangezogene Auslegung des Unionsrechts zu halten, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen."

Was der EuGH also (lediglich) verneint hat, ist eine Bindungswirkung in Fällen, in denen die Erwägungen eines übergeordneten Gerichtes "offensichtlich" nicht dem Unionsrecht entsprechen. Erkennbar auf Grund der - keineswegs abstrakten - Gefahr, dass untergeordnete Gerichte als Reaktion auf EuGH C-920/19 Fluctus ua. plötzlich völlige Freiheit von ihren jeweils übergeordneten Gerichten beanspruchen, hat sich der EuGH auch des Wortes "offensichtlich" bedient, also eine Art "Offensichtlichkeitskriterium" geschaffen.

Demnach ist eine Bindung (nur) dann zu verneinen, wenn die Erwägungen der übergeordneten Gerichte "offensichtlich" nicht dem Unionsrecht entsprechen, also wenn die Erwägungen der übergeordneten Gerichte qualifiziert, offen ersichtlich und krass verfehlt wären (rechtliche Unvertretbarkeit).

Eben das ist bei einem Höchstgericht aber (de facto) undenkbar, was jenen Hinweis des EuGH eher zu einer Lektion in Dogmatik macht, zu einer folgerichtigen, wenn nicht geradezu vorhersehbaren Fortführung von richtungsweisenden Entscheidungen wie Costa/ENEL, Simmenthal II, etc, sodass der EuGH - wie bereits oben erwähnt - den Beschluss C-920/19 Fluctus ua. eben auch bereits auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung treffen konnte.

Von selbst versteht sich, dass eine rechtswidrige, aber rechtlich vertretbare Entscheidung nicht automatisch als "offensichtlich nicht in Einklang mit dem Unionsrecht" im Sinne von EuGH C-920/19 Fluctus ua gelten kann, solange sie eben nicht geradezu rechtlich unvertretbar ist.

Zur Gefährdung bzw. Erschwerung der Einbringung

Sicherstellungsaufträge setzen eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben voraus. Dies liegt vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (zB ; , 97/15/0171; , 97/14/0004; , 2007/15/0131; , 2012/15/0036; , Ra 2015/13/0039).

Solche Umstände liegen nach der Judikatur (zB ; , 99/15/0076; , 2000/15/0042; , 2004/14/0045; , 2012/15/0165; , 2012/15/0174) insbesondere bei drohendem Insolvenzverfahren vor.

Die Gesellschaft war zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages (und ist nach wie vor) aufgrund der finanziellen Situation nicht in der Lage, die voraussichtlichen Abgabenforderungen zu entrichten. Dies wird auch in der Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag insofern bestätigt, als ausgeführt wird, dass die Vorschreibung der Sicherstellung eine existenzbedrohende Maßnahme darstellt.

Sicherstellungsaufträge sind Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Sicherungsverfahren (§ 233 Abs. 1 BAO). Das Ziel des Sicherungsverfahrens besteht darin, dem Abgabengläubiger bereits zu einem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch zwar dem Grunde nach feststeht, er aber noch nicht realisierbar ist, wegen Drohung der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung ein Pfandrecht zu verschaffen. Unter diesem Gesichtspunkt und dem Faktum, dass die Bf. die Abgabe nicht entrichten wird können, ist die Sicherstellungsmaßnahme zu Recht erfolgt. Aus diesem Grund war - um rasche Handlungen setzten zu können - die Ermessensentscheidung nach § 20 BAO zu treffen und musste die Behörde berechtigte Interessen der Bf. mit öffentlichen Interessen an der Einbringung der Abgaben abwägen. Schon die Notwendigkeit der Sofortmaßnahme lässt dabei vor allem in Anbetracht der Höhe der Abgabenschuldigkeit die Interessen einer Abgabepflichtigen gegenüber jenen an der Einbringung der Abgaben in den Hintergrund treten.

Zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz und Ermessensübung

Die Bf. veranstaltet verbotene Ausspielungen gem. § 2 Abs. 4 GSpG. Dies ist verboten und insbesondere mit Verwaltungsstrafe bedroht (vgl. § 52 ff GSpG). Die die Glücksspielabgabe auslösende Spiele dürfen demnach gar nicht stattfinden und soll die Bf. aus keine Einnahmen aus illegalen Handlungen erwirtschaften.

Die Höhe der Abgabe ist der Bf. bestens bekannt, insbesondere aufgrund der langjährigen Rechtsprechung und auch da ihr Geschäftsführer auch Geschäftsführer von Unternehmen ist bzw. war welche seit vielen Jahren Poker in Österreich veranstalten.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass mit dem Betrieb des Pokercasinos mit jeder veranstalteten Ausspielung die - wie die Bf. selbst ausführt - wirtschaftlich nicht aufzubringende Abgabe ansteigt und somit der "Schaden" für den Bund größer wird (vgl auch ).

Darüber hinaus geht aus § 232 BAO nicht hervor, dass im Falle einer voraussichtlich sehr hohen Abgabenschuld, ein Auftrag zur Sicherstellung nicht oder nicht in voller Höhe des voraussichtlichen Abgabenanspruches erteilt werden darf; ebenso wenig geht hervor, dass nur eine vom VwGH im konkreten Fall bestätigte Rechtsansicht, betreffend das Bestehen der Abgabenschuld dem Grunde nach, zur Erteilung eines Sicherstellungsauftrages führen darf.

Zum Parteiengehör:

Ein Sicherstellungsauftrag ist kein abschließender (Sach)Bescheid im Sinne von § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme. Schon aus der Natur einer solchen Sofortmaßnahme ergibt sich, dass die genaue Höhe der Abgabenschuld im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages noch nicht feststehen muss. Daher ist es auch nicht notwendig, erst sämtliche Beweise zu erheben oder dem Abgabenpflichtigen sämtliche Beweise zur Kenntnis zu bringen. Die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld (somit ein entsprechend ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren) ist für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich. Es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind.

Insgesamt hat das Finanzamt im Sicherstellungsauftrag ausreichend dargestellt, welche Umstände darauf hindeuten, dass abgabenrechtlich relevante Sachverhalte verwirklicht wurden und dass Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin tatsächlich entstanden sind. Auch hat das Finanzamt während der Kontrolle nach dem GSpG vom in den Räumlichkeiten des Pokercasinos die Beschwerdeführerin vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages von seinen diesbezüglichen Annahmen in Kenntnis gesetzt und das Parteiengehör gewahrt.

Abschließend wird der Vollständigkeit halber auf die Rechtsprechung des BFG zu Sicherstellungsaufträgen betreffend Glücksspielabgabe iZm Poker verwiesen, insbesondere die Erkenntnisse vom , RV/5100424/2013; vom , RV/5100400/2013; vom , RV/7102140/2017; vom , RV/7101211/2017; vom , RV/7105499/2017 und vom , RV/7102141/2017.

Das Finanzamt beantragt das BFG möge die Beschwerde als unbegründet abweisen."

Beweisaufnahme durch das BFG

Von der Berichterstatterin des BFG wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Aktenteile und durch Abfragen im Firmenbuch zu FN ***4*** (samt Einsicht in die Jahresabschlüsse der Bf) sowie durch Abfragen im Abgabeinformationssystem des Bundes zur StNr ***BF1StNr1***.

Mit Vorhalt vom teilte die Berichterstatterin den Parteien zur Vorbereitung auf die von der Bf. beantragten mündliche Verhandlung vor dem Senat mit, wie sich die Sach- und Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt für sie darstellte.

Das FA teilte dazu am mit, keine Stellungnahme abzugeben.

Stellungnahme der Bf. vom

In der Stellungnahme der Bf. vom wurde ua ergänzend vorgebracht, dass hier drei Rechtsfragen zu klären seien:

  1. Die Frage nach der Unternehmereigenschaft der BF, die nach dem GSpG nicht gegeben sei, von der belangten Behörde jedoch angenommen werde, ohne dass sie dieses Tatbestandselement geprüft habe.

  2. Die Frage nach der Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspielabgabe nach § 57 GSpG, die getrennt von der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols zu prüfen sei. Die Prüfung wäre zum Ergebnis gelangt, dass Art 56 AEUV der Anwendung der Vorschriften des 5 57 GSpG entgegenstehe. Bislang sei diese Auslegungsfrage des Art 56 AEUV nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH gewesen.

Dazu regte die Bf. die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV mit folgendem Inhalt an:

"Ist Art 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er der Anwendung einer Rechtsvorschrift des nationalen Rechts wie jener der Bestimmung des § 57 Abs 1 GSpG entgegensteht, wonach Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz unterliegen, wenn der Veranstalter der Ausspielungen als Schuldner dieser Abgabe auf Grund nationaler Rechtsvorschriften nicht befugt ist, diese Einsätze zu vereinnahmen, daraus seine Aufwendungen für die Veranstaltung der Ausspielungen zu bestreiten, Spielgewinne auszuzahlen und den verbleibenden Betrag als Unternehmensertrag zu lukrieren, daher zu keinem Zeitpunkt Gewahrsame an diesen Einsätzen erlangen kann, sohin die Abgabe ausschließlich an unternehmensfremden Umsätzen bemessen wird, nämlich Einsätzen, die von Spielern ausschließlich untereinander bei Glücksspielen getätigt werden, an denen der Unternehmer nicht teilnimmt, wobei dem Veranstalter lediglich ein Entgelt für die Überlassung der Spieleinrichtungen von den Spielern bezahlt wird, dessen Höhe unabhängig von den Spieleinsätzen und Spielgewinnen ist und die Summe der Entgelte für die Überlassung der Spieleinrichtungen, welche nach den nationalen Rechtsvorschriften die einzige Einnahmequelle des Veranstalters darstellt, im Verhältnis zu der abzuführenden Abgabe ein Vielfaches der Summe dieser Entgelte im gleichen Zeitraum beträgt?"

Nach dem , Consorzio Italien Management, ECLI:EU:C:2021 :799 sei im Falle der Unterlassung der Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens diese Unterlassung zu begründen.

Die Begründung sei auch schon deshalb unabdingbar, da nach dem angefochtenen Bescheid aus den Einnahmen aus der Überlassung der Spieleinrichtungen in Höhe von € 75,053,00 (das sind Einnahmen aus der Ausspielung) eine Glücksspielabgabe in Höhe von € 268.254.47 für den gleichen Zeitraum ermittelt, sichergestellt und im Vermögen der BF vollstreckt wurde, somit der BF die freie Verfügung darüber entzogen wurde.

Diese Abgabe betrage somit mehr als das Dreifache der Bruttoeinnahmen aus der Ausspielung ohne jeglichen Abzug und besitze daher offensichtlich Erdrosselungsfunktion, deren Umsetzung unabhängig von einer Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols nach § 3 GSpG die Grundfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art 56 AEUV entgegenstehe.

  1. Die Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSp-Monopols, die dahingehend zu beantworten sei, dass Art 56 AEUV der Anwendung der Bestimmungen des § 3 GSpG und aller dieses Monopol stützenden Bestimmungen wie das Verwaltungsstrafen- und Abgabensystem des GSpG entgegenstehe.

Die im Vorlagebericht des FA enthaltenen Ausführungen zur Rechtslage seien unzutreffend und lasse die aktuelle und alle Behörden und Gerichte in Österreich bindende Judikatur des EuGH zu RS C-920/19 und RS C- 231/20 unberücksichtigt. Auch bei der Glücksspielabgabe sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Höhe der Abgaben im Verhältnis zu jenen Einnahmen zu beachten, auf welche diese Abgaben erhoben werden. Es sei offenkundig, dass Abgaben von Einnahmen erhoben werden, die nicht vereinnahmt werden und daher keinesfalls im Verhältnis dazu stehen können.

Im übrigen sei die Verhältnismäßigkeit erst nach der Kohärenz zu prüfen. Für die Kohärenzkriterien und Verhältnismäßigkeit sei ausschließlich das FA beweispflichtig. Aber schon bei der Verhältnismäßigkeit scheitere die Argumentation des BFG, weil es nicht darlege, welches Verhältnis hier überhaupt zu betrachten ist. Weiters: es gäbe ausschließlich für Spielautomaten Gutachten, für Poker nichts. Zu Spielerschutz: der Spieler sei vor den Konzessionären zu schützen, die seine Spieleinsätze vereinnahmen, nicht jedoch vor anderen Spielern. Schließlich seien alle zitierten Argumente des FA auf das GSp-Monopol ausgerichtet, nicht aber auf die Unionsrechtswidrigkeit der Abgabe selbst, obwohl das FA selbst darlege, das GSp-Monopol habe mit der Abgabe nicht zu tun.

Nach dem BFG komme als Veranstalter derjenige in Betracht, der das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlustes in seiner Vermögenssphäre trägt. Er trage aber nicht das Risiko für Gewinn und Verlust der Spieler (Vgl Unternehmerbegriff nach dem UStG für Risiko aus LuL, das BFG zitiere selbst aus dem UStG-Kommentar), wie es die Spielbank nach dem GSpG trägt. Auch hier gehe es um das Risiko, Entgelte für die Überlassung der Spieleinrichtungen zu erhalten. Das habe mit Spieleinsätzen nichts zu tun. Daran schließe sich wieder die Frage nach der Verhältnismäßigkeit zum Risiko, keine Tischgelder zu erhalten an?

Anschließend enthält die Stellungnahme Ausführungen zu folgenden Themen:

A. Kein Abgabenanspruch nach § 57 Abs 1 GSpG mangels Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs 2 GSpG

B. Keine Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen

C. Unternehmereigenschaft richtet sich nach der Judikatur des EuGH und VwGH nach dem UStG 1994

D. Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols besteht unabhängig von der Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspielabgabe

Dazu verwies die Bf. auf die Entscheidung des EuGH zur RS C-231/20 sowie auf das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur GZ: G 365/2021 (Individualantrag auf Gesetzesprüfung hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 1 bis 4, 57, 60 Abs 6 GSpG und 55 19a VfGG, 38a VWGG und 90 GOG wegen Inländerdiskriminierung infolge Unionsrechtswidrigkeit dieser Bestimmungen einerseits und wegen Gleichheitswidrigkeit der undifferenzierten Behandlung von Unternehmen, welche Spieleinsätze vereinnahmen und solchen, welchen die Vereinnahmung von Spieleinsätzen gesetzlich untersagt ist und daher auch über keine Einnahmen aus Spieleinsätzen verfügen).

D.1 Zum Unionsrechtsbezug der Tätigkeit der Bf. führt die Stellungnahme ua aus wie folgt:

"Da nachweislich und amtsbekannt ein guter Teil der Kundinnen und Kunden der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe (***7***), hier insbesondere der Beschwerdeführerin, Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten sind, welche durch die Inanspruchnahme der Leistungen von ihrer - unionsrechtlich geschützten - passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen, erfüllt das Angebot der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe (***7***) und somit der dieser Gruppe angehörige Beschwerdeführerin das Kriterium des zwischenstaatlichen Sachverhalts.

So waren im Zeitraum 2017-2019, sofern die Staatsangehörigkeit der Besucherinnen und Besucher festgestellt worden ist, 35% aus Österreich, 37% aus anderen EU-Mitgliedstaaten und 28% aus Drittstaaten (insb der Schweiz). Beim Turnier "Concord Million" (in Wien) wiederum waren zwischen 2014 und 2019 durchschnittlich 45% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit stellen im besagten Zeitraum Kundinnen und Kunden aus anderen EU-Mitgliedstaaten in Gesamtheit sogar die größte Gruppe der Dienstleistungsempfänger der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe (***7***). Auch darüber wurden keine Ermittlungen betrieben und Beweise erhoben, auch wenn dieser Umstand amtsbekannt ist. Entsprechende Feststellungen fehlen."

D.2. , fluctus und fluentum, (Vorabentscheidungsersuchen LVwG Steiermark - LPD Steiermark) ECLI:EU:C:ZOZI:39S); Beilage ./2

D.2.1. Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht

D.2.2. Nichtanwendbarkeit der ständigen Judikatur der österreichischen Höchstgerichte

E. , MT/LPD Steiermark, ECLI:EU:C:ZOZI:84S zum Vorabentscheidungsersuchen des Z] Ra 2020/17/0013 zum im angefochtenen Straferkenntnis angewendeten dritten Strafsatz des § 52 Abs 2 GSpG (Beilage ./3)

E.1. Sozialadäquanz der Glücksspielabgaben nach dem GSpG als weitere Maßnahme im Sanktionensystem des GSpG

E.2. Finanzierung der Spielbank- und Konzessionsabgabe ausschließlich aus den Spieleinsätzen der Spieler

E.3. Schutzbedürfnis der Spieler gegenüber den Berechtigten nach dem GSpG (Bankhalter)

E.4. Fehlendes Schutzbedürfnis der Spieler gegenüber den auf gewerberechtlicher Grundlage das Pokerspiel anbietenden Unternehmer

E.5. Ergebnis

Daraus sei unschwer das Interesse der Konzessionäre und Berechtigten nach dem Glücksspielgesetz zu erkennen, möglichst viele Spieleinsätze zu erhalten, da diese unmittelbar die Höhe ihres Gewinns definieren. Ausschließlich diesen diene die Spielsucht der Spieler zum Gewinn!

Der auf gewerberechtlicher Grundlage das Pokerspiel anbietende Unternehmer könne hingegen schon aus rechtlichen Gründen kein solches Interesse haben, weil er zu keinem Zeitpunkt Spieleinsätze vereinnahmen und diese seinen Erträgnissen zurechnen könne.

Das Glücksspielgesetz solle den Spieler vor den Konzessionären schützen und nicht vor den Unternehmen, die an den Spieleinsätzen nicht beteiligt sind. Daraus resultiere schließlich die sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung von gewerblichen Anbietern und solchen mit einer Bewilligung nach dem GSpG und auch die fehlende sachliche Rechtfertigung, dass Poker als Spiel der Spieler untereinander unter das Glücksspielgesetz subsumiert wird, welches das Verhältnis der Spieler zu den Berechtigten nach §§ 5, 14 und 21 GSpG regelt.

Daraus resultiere weiters, dass das Sanktionensystem des Glücksspielgesetztes, welches in der Verhängung von Verwaltungsstrafen, der vorläufigen und bescheidmäßigen Beschlagnahme und nachfolgender Einziehung von Eingriffsgegenständen, in der Anordnung der Betriebsschließung und schließlich in der Sicherstellung und Vollstreckung von Glücksspielabgaben ausschließlich von Unternehmen, die nach gewerberechtlicher Grundlage Ausspielungen durchführen, bestehe und stets kumulativ angewendet werde, ausschließlich dem Schutz der Einnahmen der Berechtigten nach dem GSpG aus den Spieleinsätzen diene und nicht dem Schutz der Spieler.

Die Glücksspielabgabe stelle eine reine Erdrosselungsabgabe dar, da sie trotz bestehender sachlich gerechtfertigter Differenzierung jene Sachverhalte gleich besteuert, wonach der Unternehmer als Bankhalter nach dem GSpG die Einsätze der Spieler vereinnahmt und daraus die Gewinne und die Glücksspielabgabe nach der Berechnungsformel des § 57 Abs 5 GSpG (Definition Jahresbruttospieleinnahmen) ermittelt und abführt, einerseits und jene Sachverhalte, wonach der Unternehmer nach der Gewerbeordnung keine Bankhalterfunktion ausüben darf, die Einsätze der Spieler nicht vereinnahmt und daraus auch nicht die Glücksspielabgabe (ohne Anwendung der Berechnungsformel nach den Jahresbruttospieleinnahmen) ermitteln und abführen kann, trotzdem der Abgabenpflicht nach § 57 Abs 1 GSpG unterliegt. Die Gleichheitswidrigkeit dieser Bestimmung im Zusammenhang mit der Ausspielung Poker sei daher ebenso offenkundig, wie die fehlende soziale Adäquanz im Verhältnis zu den Einnahmen aus der Ausspielung.

Schließlich sei auch die Einordnung des Pokerspiels unter das Regime des GSpG gleichheitswidrig, da Poker nicht gegen den Unternehmer spielt, sondern gegen andere Spieler und die Einsätze nicht an den Unternehmer geleistet werden, sondern an die Mitspieler, die daraus nach den Pokerspielregeln den Gewinn auszahlen. Die Differenzierung in Unternehmen, die Poker auf Grundlage einer Gewerbeberechtigung ohne Bankhalterfunktion ausüben und in Unternehmen, die unter Ausübung der Bankhalterfunktion ebenfalls Pokerkartenspiele anbieten, sei gegeben, sodass die ursprüngliche Einordnung dieser Unternehmen in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung einerseits und des Glücksspielgesetzes andererseits gerechtfertigt war und ist.

F. Rechtsgutachten des Univ.-Prof Dr. ***3*** vom

Die Behörde hätte folgende Behauptungen aufzustellen und darüber Beweise vorzulegen, wie sich aus dem als Beilage ./5 beiliegenden Gutachten des Univ.-Prof Dr. ***3*** der Universität Linz vom ergäbe und bereits dort belegt sei, dass diese Beweise nicht existieren.

Dieses Rechtsgutachten werde zum integrierenden Bestandteil dieser Stellungnahme und damit zum Vorbringen der BF in dieser Stellungnahme erhoben, sodass im Falle fehlender Auseinandersetzung der Behörde mit diesem Gutachten ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege, der im Falle der Kenntnis des Inhaltes dieses Rechtsgutachten oder im Falle der bewusst außer Acht gelassenen Befassung mit dem Inhalt dieses Rechtsgutachtens den Verdacht des Amtsmissbrauches zum Nachteil der Beschwerdeführerin und einen Amtshaftungsanspruch begründen könne.

Dieses Rechtsgutachten komme zu folgendem Ergebnis:

  1. "Durch mehrfache Gesetzesänderungen der letzten Jahre wurde das Kartenspiel des Poker vom österreichischen Gesetzgeber dem Regime des Glücksspielgesetzes unterworfen. Da auch die zwischenzeitig vorgesehene Ausschreibung von Konzessionen zum Betrieb von (zuerst einem, dann drei) Pokersalons vom Gesetzgeber wieder beseitigt wurde, kann nach der derzeitigen innerstaatlichen Rechtslage das Kartenspiel des Poker in Form einer Ausspielung iSd 5 2 Abs 1 GSpG ausschließlich vom Inhaber einer Spielbankenkonzession gem § 21 GSpG angeboten werden. Damit ist das Kartenspiel des Poker nunmehr faktisch monopolisiert und nur noch in Spielbanken zulässig. Online-Poker ist wiederum nur noch im Rahmen der ebenso monopolisierten elektronischen Lotterien möglich.

  2. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein Betreiber von Pokerspielsalons wie die ***7*** Gruppe (***7***), zu der auch das Unternehmen der Beschwerdeführerin zählt, welche bis zum Ablauf einer Übergangsfrist mit auf Rechtsgrundlage einer freien Gewerbeberechtigung agierte, nunmehr daran gehindert ist, das Kartenspiel des Poker in Form einer Ausspielung iSd § 2 Abs 1 GSpG anzubieten, oder ob sich ein Anbieter wie die ***7*** Gruppe (***7***) auf den freien Dienstleistungsverkehr gem Art 56 AEUV zu stützen vermag.

  3. Art 56 AEUV ermöglicht den Erbringem von Dienstleistungen, ihre Leistungen innerhalb der Europäischen Union anzubieten. Wie der EuGH in stRsp feststellt, erfüllt das Anbieten eines Glücksspiels - als welches das Kartenspiel des Poker nach der Legaldefinition des österreichischen Gesetzgebers einzuordnen ist - den Begriff der Dienstleistung iSv Art 57 AEUV. Allerdings begünstigt die Dienstleistungsfreiheit gem Art 56 AEUV nur jene Anbieter, "die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind". Die Anwendbarkeit der Grundfreiheit setzt mithin einen sog grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus, welcher aber nach der stRsp des EuGH auf verschiedene Weisen gegeben sein kann.

  4. Vom EuGH wird regelmäßig bestätigt, dass es ausreicht, damit sich ein Dienstleistungsanbieter gegenüber seinem Sitzstaat auf die Grundfreiheit des Art 56 AEUV berufen kann, wenn er Kundinnen und Kunden aus anderen EU-Mitgliedstaaten hat. Da nachweislich ein guter Teil der Kundinnen und Kunden der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe (***7***) und damit auch des Unternehmens der Beschwerdeführerin Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten sind, welche durch die Inanspruchnahme der Leistungen von ihrer - unionsrechtlich geschützten - passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen, erfüllt das Angebot der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe (***7***) das Kriterium des zwischenstaatlichen Sachverhalts (Gutachten Seite 6 f).

  5. Das österreichische Glücksspielmonopol im Allgemeinen und - im gegebenen Fall von besonderem Interesse - die Beschränkung des Angebots des Kartenspiels des Poker in Form einer Ausspielung ausschließlich auf Inhaber einer Spielbankenkonzession im Besonderen stellt dann, wenn wie im gegebenen Fall der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet ist, einen Eingriff in den freien Dienstleistungsverkehr (Art 56 AEUV) dar. Eine solche Beschränkung einer unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheit ist einem Mitgliedstaat nur dann ausnahmsweise gestattet, wenn der Eingriff aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann und den vom EuGH entwickelten Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfimg (insb auch dem Kohärenzkriterium) genügt.

  6. Im gegebenen Fall unterliegen die einschlägigen monopolisierenden Bestimmungen des GSpG als besonders gravierender Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit strengen Voraussetzungen, ua was das Verhalten der Konzessionsinhaber und deren Überwachung durch die nationalen Behörden betrifft. Der EuGH erachtet dabei in mittlerweile stRsp eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Glücksspiels durch eine mitgliedstaatliche Monopol- oder Konzessionsregel nur dann als zulässig, wenn vom Mitgliedstaat der Nachweis geführt wird, dass die Geschäftspolitik des Konzessionsinhabers - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind und das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen vor dem Hintergrund seiner konkreten Anwendungspraxis kohärent ist.

  7. Den umfangmäßig enormen, regelmäßig und mit System praktizierten Werbemaßnahmen der Konzessionsinhaber, die zur aktiven Teilnahme am Spiel anregen und auf eine Marktausdehnung abzielen, ist gemeinsam, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um Werbestrategien handelt, die regelmäßig und über einen erheblichen Zeitraum praktiziert werden. Da nach der stRsp des EuGH schon Praktiken des Konzessionsinhabers, die "darauf abzielen", den Markt zu erweitern, zur Unzulässigkeit einer beschränkenden Regelung führen und die vom EuGH gesetzten Werbegrenzen überschritten wurden, obwohl keine umfangreiche und aggressive Werbung Privater dies zu Lenkungszwecken erfordern würde, widersprechen die einschlägigen österreichischen Glücksspielregelungen entgegen der vom VfGH vertretenen Auffassung alleine deshalb dem Unionsrecht und sind daher gegenüber Anbietern, die so wie die ***7*** Gruppe (***7***) und somit das Unternehmen der Beschwerdeführerin von ihrer Dienstleistungsfreiheit gem Art 56 AEUV Gebrauch machen, nicht anwendbar.

  8. Zudem ist auf valider und belastbarer Datenbasis belegt, dass der Markt für Glücksspiel in Österreich seit 2010 kontinuierlich gewachsen ist. Somit fiihrt auch eine vom VfGH eingeforderte "gesamthafle Würdigung" zum Ergebnis, dass die Werbung der Konzessionsinhaber, welche versucht, die Anziehungskrafl des Glücksspiels durch zugkräfiige Werbebotschaften zu erhöhen, sich auch in ihrer praktischen Auswirkung nicht darauf beschränkt, Verbraucher zu den kontrollierten Spielemetzwerken zu lenken und daher die kohärente und systematische Verfolgung der Ziele des Glücksspielgesetzes beeinträchtigt (hat). Unter Zugrundelegung dieser Datenbasis hätte der VfGH zum Ergebnis der Unionsrechtswidrigkeit der aktuellen Glücksspielregelungen gelangen müssen.

  9. Dass der VfGH von einer gegenteiligen Entwicklung ausgegangen ist, liegt daran, dass ihm im entsprechenden Verfahren keine objektive Datenbasis zur Verfügung gestanden ist, die auf einer den Anforderungen des EuGH genügenden ökonomisch lege artis durchgefiihrten Marktentwicklungsanalyse beruht. Vielmehr wurden nicht repräsentative, bloß aus Telefoninterviews gewonnene Daten verwendet, die jeglicher faktischen Verifizierbarkeit widersprechen und auch nicht den Vorgaben des EuGH an valide, belastbare Daten genügen.

  10. Der VfGH erschließt 2016 die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielrechts in einer "gesamthaften Würdigung" ausschließlich aus der Tatsache, dass der Markt für Glücksspiel nicht wachse, und daher die Regelung kohärent sei. Dies entspricht nicht (mehr) den aktuellen Gegebenheiten: Der Markt für Glücksspiele in Österreich wächst beständig (laut "Branchenradar" im Jahr 2018 um 5,2%). Diese Tatsache entzieht der gesamten Argumentation des VfGH die Grundlage.

  11. Neue EuGH-Urteile verschärfen zudem die Anforderungen an die Rechtfertigungsvoraussetzungen, insb an die Beweisfiihrung für die Zulässigkeit eines Eingriffs: Für die Rechtfertigung einer Regelung, die in eine Grundfreiheit eingreifi, muss das Gericht bzw die Behörde Gewissheit über das Vorliegen aller Voraussetzungen erlangen, wobei diese mittels statistischer Daten oder anderer Mittel nachgewiesen werden müssen.

  12. Insgesamt wird die restriktive Linie gegenüber mitgliedstaatlichen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Glücksspielsektor in der rezenten Rsp des EuGH bestätigt bzw vertieft. So wurde speziell zu Österreich zuletzt vom EuGH festgestellt, dass im Rahmen einer Gesamtwürdigung vieles für eine Unvereinbarkeit der österreichischen Glücksspielregelungen mit dem Unionsrecht spricht (EuGH, RS C-79/ 17 vom , Gmalieva, Rn 24, 26 und 28).

  13. Vor diesem Hintergrund ist das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung unionsrechtswidrig, wodurch die monopolisierenden Bestimmungen verdrängt werden und kein Verbot von Glücksspielen in "politischen Gesetzen" mehr besteht. Dies hat zur Konsequenz, dass jene Anbieter, die so wie die ***7*** Gruppe (***7***) und damit die Beschwerdeführerin von ihrer Dienstleistungsfreiheit gem Art 56 AEUV Gebrauch machen, in Österreich ihre Glücksspieldienstleistungen straffrei (somit auch ohne die das Strafensystem des GSpG flankierenden Maßnahmen wie Beschlagnahme, Einziehung oder gar Betriebsschließung) anbieten dürfen. Dies hat weiter zur Konsequenz, dass auch an die Monopolisierung anknüpfende steuerliche Bestimmungen (Glücksspielabgabe; §§ 57ff GSpG), die im Übrigen aufgrund ihres beschränkenden Charakters ohnehin eigenständige Hemmnisse der Dienstleistungsfreiheit darstellen, nicht zur Anwendung gelangen dürfen.

  14. Da keinem Gericht - und sei es auch durch ein nationales Verfassungsgericht - die Kompetenz abgesprochen werden darf, "alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden ", besteht nach der stRsp des EuGH kein zentralisiertes Normverwerfungsmonopol in den Mitgliedstaaten mehr. Dieser Befund gilt umso mehr, als dem VfGH bei der Vornahme seiner "gesamthaften Würdigung" im betreffenden Verfahren kein valides, belastbares Datenmaterial zur Entwicklung des Glücksspielmarktes vorgelegen hatte und die Gerichte eine dynamische Bewertung der Kohärenzfrage (EuGH, RS C-920/19, Fluctus und Fluentum) vorzunehmen haben.

  15. Im Ergebnis hat daher ungeachtet höchstgerichtlicher Judikatur - die, wie dargelegt wurde, zudem auf einem unzulänglichen Faktensubstrat basiert - jedes Gericht bzw jede Behörde nach stRsp des EuGH die unionsrechtliche Pflicht, aus eigener Entscheidungsbefugnis für die volle Wirksamkeit der Dienstleistungsfreiheit Sorge zu tragen, indem es bzw sie jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt, selbst wenn in einem verfassungsrechtlichen Verfahren deren Unionsrechtskonfonnität bestätigt wurde (EuGH, RS C-920/19, Fluctus und F Iuentum). Abgesehen davon hat der VfGH ohnedies für den Fall, dass er mit einem entsprechenden Faktensubstrat hinsichtlich des Wachstums des Glücksspielmarktes konfrontiert ist, iSe dynamischen Verständnisses des Kohärenztests auch selbst eine Neubewertung der Frage der Unionsrechtskonformität vorzunehmen."

Der Aufbau des Rechtsgutachtens sei so gestaltet, wie es der Darlegungs- und Beweispflicht der Behörden und Gerichte entspricht, wenn das GSpG anzuwenden ist.

Im Rechtsgutachten werde daher entsprechend der Prüfpflicht der Behörden und Gerichte untersucht, ob die durch das GSpG geschaffene Regulierung des Glücksspielmarktes in Österreich, welche als Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit zu qualifizieren sei, jenen Anbietern und somit der Beschwerdeführerin entgegengehalten werden könne, die von ihrer unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheit (Art 56 AEUV) Gebrauch machen.

Dabei erweise sich, dass die vom VfGH (und in der Folge anderen innerstaatlichen Höchstgerichten) angenommene Rechtfertigung des Grundfreiheiteneingriffs mangels Kohärenz und Verhältnismäßigkeit vor dem Hintergrund der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht haltbar sei (Rechtsgutachten Punkt III.).

Dabei komme es nicht auf die gesamte Thematik der (fragwürdigen) Verfassungskonformität der Unterstellung des Kartenspiels des Poker unter das Regime des GSpG an, ebenso auch nicht auf eine allfällige Aufhebung der hier anzuwendenden Bestimmungen des GSpG. Vielmehr gelte der Anwendungsvorrang des Unionsrechtes unabhängig vom Bestand der nationalen Regelungen im Mitgliedstaat. Diese im Widerspruch zum Unionsrecht stehenden Regelungen des GSpG seien im unionsrechtlichen Anwendungsbereich von der Behörde oder dem Gericht schlichtwegs nicht anzuwenden. Somit sei die Entscheidung ohne Einbeziehung dieser nicht anzuwendenden Normen zu fällen, im hier gegenständlichen Fall ohne Rechtsgrundlage der §§ 52 ff GSpG.

Der Stellungnahme wurden folgende Beilagen angeschlossen:

Beilage ./1 GISA Auszug BH ***18*** Zl ***21*** vom 2021-06-02
Beilage ./2 RS C-920/19 fluctus und fluentum ECLI:EU:C:ZOZI:39S
Beilage ./3 RS C-231/20 MT/LPD Steiermark, ECLI:EU:C:ZOZI:845
Beilage ./4 Parlamentarische Anfragebeantwortung des BMF Nr 3749/AB vom
Beilage ./5 Rechtsgutachten Univ.-Prof. Dr. ***3*** zur Frage der Zulässigkeit des Betriebes von Pokerspielsalons vor dem Hintergrund des Unionsrechts vom

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden dem FA die Stellungnahme der Bf vom samt Beilagen übermittelt.

Auch allen Beisitzern wurden von der Berichterstatterin vor der heutigen Verhandlung sowohl der Vorbereitungsvorhalt des BFG als auch die Stellungnahme der Bf. vom samt den 5 Beilagen übermittelt.

Ergänzendes Vorbringen vom

Am langte beim BFG ein weiterer Schriftsatz der Bf. ("ergänzendes Vorbringen" vom ) ein, dem als
Beilage ./6 das BVwG Erkenntnis vom , Gz W131 2247950-1/19 E sowie als
Beilage ./7 ein Auszug aus dem Protokoll der 14. Sitzung des sog. "Ibizia-Untersuchungsausschuss" vom angeschlossen wurde.

Unter Punkt I. brachte die Bf. vor, dass das gegenständliche Verfahren in engem und untrennbarem Zusammenhang mit dem beim Bundesfinanzgericht anhängigen Verfahren zur GZ: RV/7100588/2022 stehe, da sich der zurückgewiesene Antrag auf Aussetzung der Einbringung auf den hier bekämpften Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes Österreich vom beziehe und wurde angeregt, die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung zu verbinden.

Dazu wurde die Beischaffung und Verlesung des Aktes des Bundesfinanzgerichtes zur GZ RV/7100588/2022, insbesondere der darin enthaltenen Schriftsätze und Urkunden im hier gegenständlichen Verfahren beantragt und das dort erstattete Vorbringen auch zum Vorbringen im hier gegenständlichen Verfahren erhoben und die dort vorgelegten Urkunden auch als Urkunden zum Beweis für das im hier gegenständlichen Verfahren erstattete Vorbringen.

Weiters wurde unter Punkt II. auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , GZ W131 2247950-1/19E verwiesen und dazu ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen habe, dass Art 56 AEUV der Anwendung des GSpG auf Pokerbetriebe infolge Unterlassens der Ausschreibung für Konzessionen zum Betrieb eines Pokersalons gemäß dem aufgehobenen § 22 GSpG entgegenstehe und somit unionsrechtswidrig sei (Punkt 3.10. dritter Absatz).

Das Bundesverwaltungsgericht habe darüber die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG iVm Art 133 Abs 4 B-VG zugelassen, weil einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und des EuGH hinsichtlich eines Eingriffes in die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art, 56 AEUV durch die Unterlassung einer Ausschreibung einer Poker - Konzessionsvergabe nicht ersichtlich sei.

Nach diesem Erkenntnis komme es nicht auf die Zielsetzungen des GSpG an, weil Art 56 AEUV der Anwendung des GSpG auf Unternehmen, die ausschließlich Poker auf gewerberechtlicher Grundlage anbieten, schon deshalb entgegenstehe, weil Pokerkonzessionen ohne internationale Ausschreibung an die Casinos Austria AG als einzige Konzessionärin vergeben wurden und infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes die Vorschriften des GSpG auf gewerbliche Poker-Betriebe daher nicht angewendet werden dürfen.

Daher seien auch alle darauf gerichteten Einbringungsmaßnahmen wie der hier gegenständliche Sicherstellungsauftrag unzulässig, weil diese Abgabe schon dem Grund nach nicht entstehen könne.

Nach einer ausführlichen Darstellung des Konzessionssystems zog die Bf. in Punkt II.9 folgende Schlussfolgerung:

Art 56 AEUV steht daher der Anwendung des GSpG auf Pokerbetriebe, die Poker auf Grundlage einer Gewerbeberechtigung anbieten, entgegen. Auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts sind die Pokerbetriebe daher auf Grund ihrer bislang weder aufgehobenen noch zurückgelegten Gewerbeberechtigung befugt, Poker in allen Varianten anzubieten. Mangels Anwendbarkeit des GSpG fallen diese Betriebe auch nicht unter den Begriff der Ausspielung und unter das Abgabenregime des GSpG. Daher sind auch alle Maßnahmen zur Sicherung der Einbringung dieser Abgabe wie zB die Erlassung von Sicherstellungsaufträgen, Vollstreckungsanordnungen und Pfändungen von Geldforderungen nicht anwendbar. Es sind daher einstweilige Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass diese maßnahmen nicht gesetzt werden und dem Unionsrecht gegenüber dem nationalen Recht zum Durchbruch verholfen wird.

Aus diesem Grunde hat die Abgabenbehörde bzw das Gericht auf ausschließlicher Unionsrechtsgrundlage einstweilige Vorehrungen zu erlassen, dass die dem Rechtsbestand angehörenden unionsrechtswidrigen Abgabenbescheide und Sicherungsmaßnahmen sowie sonstige Einbringungsmaßnahmen, unabhängig davon, ob sie in Rechtskraft erwachsen sind, nicht vollzogen somit in ihren Rechtsfolgen ausgesetzt werden.

Punkt III. des Schriftsatzes enthält einen Antrag auf Fassung des Beschlusses zur Unterbrechung des Beschwerdeverfahrens und Stellung eines Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, falls sich das Bundesfinanzgericht nicht der Rechtsprechung des BVwG über die Unionsrechtswidrigkeit des GSpG anschließen sollte.

Nach dem Sicherstellungsauftrag habe das Finanzamt selbst festgestellt, dass der sicherzustellende Abgabenbetrag ein Mehrfaches des (möglichen) Ertrages und damit ein Vielfaches des daraus erzielbaren Gewinnes (nach Abzug aller Aufwendungen gemäß der Definition der Jahresbruttospieleinnahmen nach § 57 Abs 5 GSpG) betrage und daher zweifelsfrei Erdrosselungsfunktion besitze, deren Umsetzung unabhängig von einer Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols nach § 3 GSpG die Grundfreiheit des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art 56 AEUV entgegenstehe, daher mit einstweiligen Vorkehrungen die Anwendung dieser Maßnahmen zu unterbinden seien und die Durchsetzung des Unionsrechtes zu gewährleisten sei.

Das Bundesfinanzgericht möge das gegenständliche Verfahren unterbrechen und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV vorlegen:

"1.) Ist Art 56 AEUV dahingehend auszulegen, dass er der Anwendung einer Rechtsvorschrift des nationalen Rechts wie jener der Bestimmung des § 57 Abs 1 GSpG entgegensteht, wonach Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz unterliegen, wenn der Veranstalter der Ausspielungen als Schuldner dieser Abgabe auf Grund nationaler Rechtsvorschriften nicht befugt ist, diese Einsätze zu vereinnahmen, daraus seine Aufwendungen für die Veranstaltung der Ausspielungen zu bestreiten, Spielgewinne auszuzahlen und den verbleibenden Betrag als Unternehmensertrag zu lukrieren, daher zu keinem Zeitpunkt Gewahrsame an diesen Einsätzen erlangen kann, sohin die Abgabe ausschließlich an unternehmensfremden Umsätzen bemessen wird, nämlich Einsätzen, die von Spielern ausschließlich untereinander bei Glücksspielen getätigt werden, an denen der Unternehmer nicht teilnimmt, wobei dem Veranstalter lediglich ein Entgelt für die Überlassung der Spieleinrichtungen von den Spielern bezahlt wird, dessen Höhe unabhängig von den Spieleinsätzen und Spielgewinnen ist und die Summe der Entgelte für die Überlassung der Spieleinrichtungen, welche nach den nationalen Rechtsvorschriften die einzige Einnahmequelle des Veranstalters darstellt, im Verhältnis zu der abzuführenden Abgabe ein Vielfaches der Summe dieser Entgelte im gleichen Zeitraum beträgt?

2.) Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, stellt das Gericht die weitere Frage, ob Art 56 AEUV über die Dienstleistungsfreiheit und Art 47 GRC über das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahingehend auszulegen sind, dass sie der Anwendung von Rechtsvorschriften des nationalen Rechts wie jener des § 232 BAO entgegenstehen, wonach die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen kann, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen und der Abgabepflichtige nur durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden?

3.) Für den Fall, dass die erste Frage bejaht wird, stellt das Gericht die weitere Frage, ob Art 56 AEUV über die Dienstleistungsfreiheit und Art 47 GRC über das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf dahingehend auszulegen sind, dass sie der Anwendung von Rechtsvorschriften des nationalen Rechts wie jener des § 231 BAO entgegenstehen, wonach die Einbringung fälliger Abgaben ausgesetzt werden kann, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht worden sind oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen werden, aber die Möglichkeit besteht, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt zum Erfolg führen können, wobei das gleiche gilt, wenn der für die Einbringung erforderliche Verwaltungsaufwand außer Verhältnis zu dem einzubringenden Betrag stehen würde, oder besteht zur Wahrung der Durchsetzbarkeit des Unionsrechts die Verpflichtung der Behörden und Gerichte, die Einbringung fälliger Abgaben auszusetzen?"

Die Beantwortung dieser Fragen sei für das gegenständliche Beschwerdeverfahren entscheidungswesentlich, da infolge Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes und damit der Glücksspielabgabe eine solche dem Grunde nach nicht entstehen und deren Einbringlichkeit auch nicht mit Sicherstellungsaufträgen und Pfändungsbescheiden sichergestellt werden könne bzw dürfe und einstweilige Vorkehrungen zu treffen seien, um Schäden, die durch die Anwendung dieser Bestimmungen und Maßnahmen entstehen können, zu vermeiden und dem Unionsrecht zum Durchbruch zu verhelfen.

Nach dem , Consorzio Italien Management, ECLI:EU:C:2021:799 sei im Falle der Unterlassung der Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens diese Unterlassung zu begründen.

Die Begründung sei auch schon deshalb unabdingbar, da nach dem angefochtenen Bescheid zur Erlassung eines Sicherstellungsauftrages und der angeordneten Vollstreckung der sicherzustellende Betrag der angeblich dem Grunde nach bereits entstandenen Glücksspielabgabe ein Mehrfaches der Einnahmen der Abgabenschuldnerin im identen Abgabenzeitraum betrage.

Es sei amtsbekannt, dass die Kunden der BF aus dem Inland, den anderen EU-Mitgliedstaaten und aus Drittländern stammen, Unionsrechtsbezug daher gegeben sei.

Abschließend wurde unter Punkt IV. auf den GZ RE/7100004/2020 - Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH Rs C-574/20 und die dort getroffene Einstweilige Vorkehrungen zur Aussetzung der Indexierung der Familienbeihilfe entgegen bestehender nationaler Rechtslage verwiesen. Nach Zitierung der dort gestellten Fragen 6, 13 und 14 samt Erläuterungen in den Rz 56, 79 bis 84 führte die Bf. aus:

"Das bedeutet, dass das Bundesfinanzgericht von sich aus den Anwendungsvorranges des Unionsrechtes auch im hier gegenständlichen Beschwerdefall zu beachten und somit unter Außerachtlassung allfälliger diesem entgegen stehender nationaler Rechtsvorschriften, allein auf Grundlage des Unionsrechtes (analog Art 160 VerfO-EuGH iVm Art 279 AEUV iVm § 20a VfGG) den angefochtenen Bescheid aufzuheben hat und einstweilige Vorkehrungen dahingehend zu treffen hat, dass es keinerlei Sicherungs- oder Einbringungsmaßnahmen gesetzt werden, daher auch entgegen der Vorschriften der BAO sämtliche dahingehenden Verfahren auszusetzen hat, um dem Unionsrecht zum Durchbruch zu verhelfen, wie auch das BFG in gleicher Weise bei der Indexierung der Familienbeihilfe die Gesetzesnovelle zur Indexierung nicht angewendet und angeordnet hat, die Familienbeihilfe in voller Höhe auszubezahlen."

Der Schriftsatz samt Beilagen wurde dem Finanzamtsvertreter am mittels Email übermittelt.

Mündliche Verhandlung vom

Vor Beginn der am durchgeführten Verhandlung wurde der Inhalt des Schriftsatzes vom samt Beilagen auch den Beisitzern zur Kenntnis gebracht. Weiters wurden die Beisitzer - wie von der Bf. angeregt - auch über den Inhalt des BFG-Aktes RV/7100588/2022 informiert und gilt dieser Akt im gegenständlichen Verfahren als verlesen. Da im Verfahren zu RV/7100588/2022 kein Antrag auf Senatsentscheidung gestellt wurde ergeht darüber - nach Durchführung einer Verhandlung vor der Einzelrichterin - eine gesonderte Entscheidung.

Für die Bf. ist als vertretungsbefugtes Organ der Bf. der Geschäftsführer ***GF*** (kurz Gf) persönlich erschienen. Weiters nahm Herr Rechtsanwalt Mag. ***19*** (kurz RA) unter Berufung auf die erteilte Vollmacht, die eine Zustellvollmacht umfasst, an der Verhandlung teil.

Die Vorsitzende, die zugleich Berichterstatterin ist, teilte die Beilage ./1 zur Niederschrift aus und berichtete an Hand dieser Darstellung über den bisherigen Verfahrensablauf und über den Sachverhalt nach dem damaligen Ermittlungsstand.

Auf die Frage der Vorsitzenden, ob es zum Sachverhalt noch Ergänzungen gibt, erfolgten folgende Antworten:

"RA: Dieser Verlust aus dem Jahr 2020 war pandemiebedingt, ab sind alle Betriebe geschlossen worden.

Gf.: Die Berechnung ist für mich nicht nachvollziehbar. 10 Jahre lang haben wir die Glücksspielabgabe gemeldet, es hat laufend Prüfungen des FA gegeben. Es hat damals eine Schätzung, die sehr praxisbezogen gewesen ist, gegeben. Damals wurde ein Prozentsatz von 3,5% für das Verhältnis "Tischgeld" zu "Einsätzen" herangezogen. Die 4,48% sind für mich nicht nachvollziehbar.

FA: Der Prozentsatz wurde anhand der Staffelung des Raketable (Verhältnis "Pothöhe" und "Tischgeld") errechnet, dies ist für das Unternehmen sogar besser. Denn je höher dieser Prozentsatz ist, desto weniger ist die Bemessungsgrundlage. Dies ist im Bescheid begründet, die auf eine Schätzung beruht.

Gf.: Wir haben in diesem Zeitraum USt. bezahlt, auch für die beschlagnahmten Gelder. Dies ist auf Basis des Rechtgutachtens erfolgt.

RA: Aus der Tabelle selber ist nicht die Höhe des "Potinhaltes" ersichtlich, aus den Tabellenzahlen wird dann ein Durschnittswert errechnet, dies sind die 4,48%, das entspricht nicht den tatsächlichen Inhalt des Pots. Somit ist dies auch nur eine Schätzung. Auf Grundlage dieser Schätzung wird dann geschätzt, wie hoch die Spieleinsätze gewesen sind. Und von dieser Schätzung wird dann der Steuersatz von 16% angewendet. Das heißt die Abgabe wird auf mehreren Schätzungen, die aufeinander aufbauen, ermittelt und das ist unzulässig. Aufgrund des Sicherstellungsauftrages wurde dem Unternehmen die Liquidität entzogen. Das Verhältnis der Spielerstruktur (Staatsangehörigkeit) ist in etwa gleichgeblieben.

Gf.: Ich bestätige die Angaben zur Staatsangehörigkeit des rechtsfreundlichen Vertreters.

Gf.: Wir haben unsere Umsätze bei der USt. gemeldet und abgeführt. Das FA hätte daraus auch die Glückspielabgabe berechnen können.

FA: Von unserer Seite gibt es zum Sachverhalt keine Ergänzungen."

Zur rechtlichen Beurteilung verwies der RA zunächst auf die bisher eingebrachten Schriftsätze und ergänzte:

"RA: Das FA hätte von Amtswegen prüfen müssen, ob zu Recht USt. abgeführt wurde, oder ob eine Glückspielabgabenpflicht besteht.

FA: Ich weiß nicht worauf Sie hinauswollen.

RA: Wenn man Glückspielabgabe leistet, muss keine USt. abgeführt werden und umgekehrt, die beide Abgaben schließen einander aus.

FA: Dazu kann nur gesagt werden, die Abgabe einer UVA wirkt nicht auf eine Befreiung der Glückspielabgabe. Diese wäre laut § 59 GSpG. selbst zu berechnen gewesen. Es ist bis dato keine Selbstberechnung der Glückspielabgabe erfolgt.

RA: Die Bemessungsgrundlage wurde hinsichtlich der USt. bekanntgegeben. Die Bekanntgabe erfolgte gegenüber dem FA Österreich.

FA: Es sind jedoch verschiedene Verfahren, USt. und Glückspiel. Es gibt möglicherweise auch noch andere Umsätze. Das USt.-Verfahren befreit nicht von der Selbstberechnung der Glückspielabgabe und bewirkt auch keine Abgabenbefreiung von der Glückspielabgabe.

RA: Ich verweise auf das bisher schriftliche Vorbringen und ergänze, dass hinsichtlich des Erkenntnisses des BvWG, dass es bei diesem Verfahren nicht darauf angekommen ist, ob die Voraussetzungen der Erfüllung einer Konzession gegeben ist, weil diese Ergebnisse ausschließlich im Ausschreibungsverfahren geklärt werden, sondern bei der rechtlichen Beurteilung einen Schritt früher anzusetzen ist, weil es darum geht, dass durch Nicht-Interessentensuche/Nicht Ausschreibung der Pokerkonzession einerseits und der trotzdem an die Casinos Austria AG als einzige Konzessionäre erteilte Bewilligung auch das Pokerspiel umfasst. Obwohl es darüber nie eine Ausschreibung gegeben hat. Das stellt eine Verletzung des Unionsrechtlichen Transparenzgebotes dar und damit den Status vor den Glückspielnovellen 2008 und 2010. Diese Gesetze wurden im Zuge der "Engelmann-Entscheidung des EuGH" erlassen, um damit dem Transparenzgebot durch eine öffentliche Ausschreibung Rechnung zu tragen. Pokerkonzessionen wurden zu keinem Zeitpunkt ausgeschrieben, obwohl diese Ausschreibung im Gesetz gefordert ist, dennoch wird Poker in konzessionären Casinos Austria gespielt. Daraus hat das BvwG den Schluss gezogen, dass das Glückspielgesetz als Ganzes auf jene Betriebe, welche Poker auf gewerberechtlicher Grundlage anbieten, nicht anzuwenden ist. Das ergibt die Unionsrechtswidrigkeit des Glückspielgesetzes. Die Abweisung der Beschwerde erfolgte aus dem Grund, dass eben einerseits das Glückspielgesetz keine Anwendung findet auf Pokerbetriebe und andererseits darauf, dass das gesamte Ausschreibungsverfahren nach § 21 und 22 GSpG. erst dann ein subjektives Recht eines Interessenten verleiht, wenn aufgrund der Interessentensuche vom BMF die Interessenten festgestellt wurden. Dann habe ich ein subjektives Recht, dass eine solche Ausschreibung durchgeführt wird, so wie es auch bei den drei aufgehobenen Spielbankenkonzessionen im Jahr 2015 war. Abschließend noch, der Verfassungsgerichtshof, hat mit seinem Erk. vom G 90/2012 und G 26/2013 ausgesprochen, dass der Bewerberkreis ein gänzlich anderer ist, als nach § 22 GSpG., es daher irrelevant ist für die Gleichheitswidrigkeit der Anwendung im Poker, weil eben der Anwenderkreis ein völlig anderer ist und damit die Pokerbetriebe auf gewerberechtlicher Grundlage zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit hatten, eine Pokerkonzession zu erwerben. Mit diesem Erk. wurde damit der Begriff "Poker" im § 1 Abs. 2 sowie der § 22 über die Pokerkonzessionen als auch die Übergangsbestimmung im § 60 Abs. 24 GSpG. aufgehoben, sodass damals Pokerbetriebe nicht unter das Glückspielgesetz gefallen sind. Der Gesetzgeber hat im Jahr 2014 durch Schaffung des neuen § 22 des GSpG. eine Grundlage für die Vergabe "Dreier Pokerlizenzen" geschaffen. Diese Bestimmung aber ohne Legisvakanz und ohne Begründung aufgehoben. Damit ist wieder der Status hergestellt, wie er vor den Glückspielnovellen 2008 und 2010 bestanden hat. Da war er unionsrechtswidrig.

FA: Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass es hierbei um die Beschwerde des Sicherstellungsauftrages iZm der Glückspielabgabe geht. Zur Besteuerung von Poker gibt es ausreichend Judikatur, auf welche verwiesen wird. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass das Vorbringen nicht mit dem Inhalt des Erkenntnisses des BvWG übereinstimmt und wird auf den Inhalt des Erkenntnisses verwiesen. Des Weiteren wird auch verwiesen auf die Beschlüsse des "G 161/2021" und vom "G 365/2021".

RA: In beiden Beschlüssen hat sich der VfGH nur auf das Erk. aus 2013 bezogen und ist ausschließlich darauf Bezug genommen, ob Poker unter das GSpG. fallen kann oder nicht. Die Glückspielabgabe war nicht darin enthalten."

Abschließend legte der RA ein weiteres - noch nicht unterschriebenes - Gutachten des Univ. -Prof. Dr. ***3*** vom Mai 2022 zur "Rechtlichen Würdigung der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG vor dem Hintergrund der Grundfreiheiten des Unionsrechtes" vor und wurde dieses als Beilage ./2 zur Niederschrift zum Akt genommen. Auch dem FA wurde ein Exemplar des Gutachtens ausgehändigt.

Nach dem festgehalten wurde, dass die Parteien keine weiteren Fragen und Beweisanträge mehr stellen und das Beweisverfahren geschlossen wird, erfolgten folgende Schlussanträge:

Die Vertreterin des Finanzamtes verwies auf das bisherige Vorbringen und beantragte die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

Der rechtsfreundliche Vertreter der Bf. beantragte die Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des Sicherstellungsauftrages.

Die Vorsitzende verkündete sodann den Beschluss, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***Bf1***, FN ***4*** (Beschwerdeführerin, kurz Bf.) ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom ***xx.xx.xxxx*** gegründete inländische GmbH mit einem Stammkapital vom € 35.000,00.

Geschäftsführer der Bf. ist seit der Gründung Herr ***GF***.

Gesellschafter der Bf. sind bzw waren stets inländische Kapitalgesellschaften bzw im Inland ansässige natürliche Personen. Seit der Gründung ist durchgehend die ***8*** (***9***) mit einer Stammeinlage von € 10.500,00 beteiligt. In den Jahren 2013 - 2018 war die ***10*** (***11***) mit einer Stammeinlage iHv € 24.500,00 beteiligt. 2018 übernahm diese Beteiligung die ***12*** (***13***). Mit Einbringungs- und Abtretungsvertrag vom brachte ***14*** seinen "Pokerspielbetrieb" - Halten von erlaubten Kartenspielen ohne Bankhalter mit dem Standort ***15*** - mit allen in der Einbringungsbilanz zum ersichtlichen Vermögensgegenständen gemäß Art III UmgrStG in die Bf. ein und wurde eine Stammeinlagen iHv € 1.750,00 durch den im Inland ansässigen Herrn ***14*** übernommen.

Die genannten Kapitalgesellschaften gehören ebenso wie die Bf. zur sogenannten "***7***" (kurz ***7***) Gruppe und ist "Global Ultimate Owner" der Bf. die im Inland ansässige ***16*** Privatstiftung.

Seit dem Jahr 1993 wird am Standort ***17*** 1 von wechselnden Gesellschaften der ***7***-Gruppe ein sogenanntes "Pokercasino" betrieben und stützten die Betreiberinnen die Zulässigkeit der Durchführung der Pokerspiele jeweils auf eine Gewerbeberechtigung für das "Halten von erlaubten Kartenspielen ohne Bankhalter", sie verfügten jedoch nie über eine Konzession nach dem Glücksspielgesetz.

Auch die Bf. verfügt über eine Gewerbeberechtigung für das "Halten von erlaubten Kartenspielen ohne Bankhalter" (Gewerbeberechtigung vom ***xx.xx.xxxx*** der Bezirkshauptmannschaft ***18***), sie hat jedoch keine Konzession nach dem Glücksspielgesetz.

Im hier maßgeblichen Zeitraum - hat die Bf. am Standort ***17*** 1 das sogenannte "Pokercasino" betrieben und dort Poker in Form von "Cash Games" angeboten. Im "Pokercasino waren an den genannten Tagen 22 Pokertische aufgestellt, von denen (zumindest) einige bespielt wurden.

Die Bf. hat interessierten Personen die Möglichkeit angeboten, zusammen mit anderen Besuchern die oben angeführten Kartenspiele mit Geldeinsätzen zu spielen. Die Möglichkeit zum Spiel wurde aktiv von der Bf. beworben, sie stellte den Spielern den Spielort, Spieltische, Spielutensilien und Spielpersonal bereit, sie bestimmte welche Spiele gespielt werden und legte die Spielregeln fest. Mitarbeiter der Bf. ("Dealer") übernahmen das Mischen und Teilen der Karten und leiteten das Spiel. Bei Zweifelsfällen traf die Bf. die Entscheidung über das Spielergebnis.

Die Bf. war weder Spielteilnehmer noch Bankhalter. Die Spieler spielten ausschließlich untereinander und miteinander. Die Bf. war in die Spielverträge der Spieler nicht als Vertragspartner eingebunden und weiß sie nicht, wie viel die Spieler tatsächlich an Einsatz leisteten bzw wie viel sie gewannen oder verloren.

Die Bf. vereinnahmte bei den Cashgames sogenannte "Tischgelder" (auch "Rake" genannt) für die Zurverfügungstellung der Tische und des Personals. Dazu wurden täglich Aufzeichnungen betreffend die einzelnen Tische geführt (Tischnummer, Öffnung und Schließung der Tische, Dauer, Spiel, Limit, Tischgeld).

Das Tischgeld wird nicht von den Einsätzen bemessen. Über die Einsätze der Spieler führt die Bf. keine Aufzeichnungen. Die Spieleinsätze werden bei den Cashgames von den Spielern an die Spielgemeinschaft geleistet und nicht an das Casino.

Bei Pokerspielen in Form von Cashgames bildet die Summe der von den Spielern in einem Spiel insgesamt gesetzten Einsätze den sog. "Pot".

Das Tischgeld an die Bf. ist pro Spielrunde von den Spielern zu entrichten. Die Höhe des Tischgeldes variiert und war im hier maßgeblichen Zeitraum abhängig von der Höhe des Potes (Summe aller Einsätze) wie folgt gestaffelt:

Das bedeutet, dass pro Spielrunde zb bei einem Pot zwischen € 15,00 und € 29,00 ein Tischgeld iHv € 1,00 oder zB bei einem Pot zwischen € 100,00 und € 149,00 ein Tischgeld iHv € 5,00 und bei einem Pot über € 900,00 ein Tischgeld iHv € 25,00 von den Spielern an die Bf. zu bezahlen ist. In Prozenten ausgedrückt variiert das Verhältnis zwischen Rake und Tischgeld daher zwischen (mindestens) 2,78 % (bei einem Pot über € 900,00) und (maximal) 10% (bei einem Pot iHv € 30,00 - siehe dazu auch die Tabelle im angefochtenen Bescheid) und beträgt der vom FA auf Grund der oben angeführten Tabelle errechnete Mittelwert des Tischgeldes 4,48% des Pots.

Im Zeitraum bis betrug das von der Bf. vereinnahmte Tischgeld insgesamt € 75.053,00 (zwischen € 4.617,00 und € 8.882,00 pro Spieltag - zur Verteilung auf die einzelnen Spieltage siehe die Tabelle im angefochtenen Bescheid) und ergibt sich durch eine Rückrechnung (von 4,48 auf 100%) eine Gesamtsumme an den genannten Spieltagen iHv € 1.676.590,42 (zur Verteilung auf die einzelnen Spieltage siehe die Aufgliederung in der Bescheidbegründung).

Ein Teil der Kundinnen und Kunden der Pokerspielsalons der ***7*** Gruppe und auch der Bf. sind Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten. Im Zeitraum 2017-2019 waren nach den Angaben der Bf., sofern die Staatsangehörigkeit der Besucherinnen und Besucher festgestellt worden ist, 35% aus Österreich, 37% aus anderen EU-Mitgliedstaaten und 28% aus Drittstaaten (insbesondere der Schweiz).

Das Verhältnis der Spielerstruktur hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ist in etwa gleichgeblieben und waren auch im maßgeblichen Zeitraum - ein Teil der Spieler Staatsangehörige anderer Mitgliedstatten der Union bzw in an anderen Mitgliedsstaaten ansässig.

Für den hier Pokerturniere wurden im maßgeblichen Zeitraum nicht durchgeführt.

Im Zeitpunkt der Spielteilnahme haben sich die Spieler körperlich im Inland (in den Betriebsräumlichkeiten der Bf.) aufgehalten.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages waren folgende Anträge der Bf. unerledigt:

  1. Individualantrag an den auf Aufhebung der Bestimmungen der §§ 1 Abs 2, 2 Abs 4, 3, 21 Abs 5, 52-56a, 57, 60 Abs 36 GSpG samt Antrag auf Zuerkennung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 20a VfGG (die Behandlung des Antrages wurde vom zu Gz. G 161/2021 abgelehnt).

  2. Antrag ans FA vom auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz bis zur Beendigung des Verfahrens vor dem VfGH (der Antrag wurde vom FA mit Bescheid vom zurückgewiesen - die dagegen eingebrachte Beschwerde der Bf. ist beim BFG zur Gz. RV/7100588/2022 anhängig)

  3. Antrag ans FA vom auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb eines Pokersalons an 3 Standorten in Österreich (dieser Antrag wurde vom FA mit Bescheid vom zurückgewiesen - die dagegen erhobene Beschwerde der Bf. wurde mit Erkenntnis vom vom Bundesverwaltungsgericht zur Gz. W131 2247950-1/19E abgewiesen).

Bis dato wurde am Abgabenkonto der Bf. keine elektronische Selbstberechnungserklärung der Glücksspielabgabe für den Zeitraum Mai 2021 verbucht und ist auch keine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabe gemäß § 201 BAO für diesen Zeitraum erfolgt.

Das handelsrechtliche Eigenkapital der Bf. war


Tabelle in neuem Fenster öffnen
zum positiv
€ 34.446,31
zum positiv
€ 26.262,40
zum negativ
- € 50.678,33

Der Bilanzverlust erhöhte sich in den dem Sicherstellungszeitpunkt vorangehenden Geschäftsjahren wie folgt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
zum
- 553,69
davon Gewinnvortrag € 15.907,06
zum
- 8.737,60
davon Verlustvortrag - 553,69
zum
- 85.678,33
davon Verlustvortrag - € 8.737,60

Der Verlust aus dem Jahr 2020 war pandemiebedingt, weil ab alle Betriebe der Bf. geschlossen wurden.

Sonstige Eckdaten aus den Jahresabschlüssen 2018 - 2020 zeigen folgendes Bild:


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Umlaufvermögen
Verbindlichkeiten
Rückstellungen
zum
121.841,77
- 84.895,46
-2.500,00
zum
97.934,85
- 69.672,45
- 2.000,00
zum
18.375,11
- 67.553,44
- 1.500,00

Die früheren Betreiberinnen des Pokercasinos am gegenständlichen Standort, bei denen ebenfalls Herr ***GF*** Geschäftsführer war und die ebenfalls zur sogenannten "***7***-Gruppe" gehören, haben ihre Abgabenschuldigkeiten aus der Glücksspielabgabe nicht vollständig ans FA entrichtet und war im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages über das Vermögen etlicher Gesellschaften der "***7***-Gruppe" bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Beweiswürdigung

Der Senat gelangte zu den entscheidungsrelevanten Sachverhaltsfeststellungen auf Grund der im Wesentlichen übereinstimmenden Darstellungen des Sachverhaltes im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde, den vom BFG eingesehenen Unterlagen sowie den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung. Der nunmehr festgestellte Sachverhalt wurde im Wesentlichen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und dazu lediglich hinsichtlich der Frage der Staatsbürgerschaft/Ansässigkeit der Kunden im Mai 2021 auf Grund der Angaben der Bf. ergänzt. Wie der Geschäftsführer ausdrücklich bestätigte, hat sich die Spielerstruktur hinsichtlich der Staatsbürgerschaft der Kunden gegenüber dem Zeitraum 2017 -2019 nicht wesentlich verändert und haben dem auch die Vertreter des Finanzamtes nichts entgegengehalten. Es besteht auch für das Gericht keine Veranlassung zur Annahme, dass diese Angabe unzutreffend sein könnte. Über die Ansässigkeit der Kunden mit ausländischer Staatsbürgerschaft hat die Bf. zwar keine konkreten Angaben getätigt, es erscheint dem Senat aber lebensnah, dass im Mai 2021 darunter auch Kunden waren, die in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ansässig sind. Ab waren die coronabedingten Einreisebeschränkungen gegenüber den Nachbarstaaten weitgehend gelockert und waren auch die Beherbungsbetriebe in Wien wieder geöffnet. Es spräche gegen jede Lebenserfahrung, wenn man davon ausginge, dass kein einziger Spieler, der in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist (wie zB in einem der östlichen Nachbarstaaten wohnende Wochenpendler, die sich aus beruflichen Gründen wochentags in Wien aufhalten) im Mai 2021 die Dienstleistungen der Bf. in Anspruch genommen hätte. Der Senat gelangte daher zur Überzeugung, dass von den Personen, die im Mai 2021 an den von der Bf. organisierten Kartenspielen teilgenommen haben, zumindest einige in anderen Mitgliedstaaten der Union ansässig sind.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

Das Glücksspielgesetz (GSpG) bestimmt in der geltenden Fassung auszugsweise Folgendes

§ 1 GSpG

"(1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.

(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten ….

(4) Der Bundesminister für Finanzen hat eine Stelle für Spielerschutz einzurichten, deren Aufgabe die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung des Spielerschutzes ist. Zur Finanzierung der Arbeit dieser Stelle wird ab ein Finanzierungsbeitrag von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach § 28 sowie nach § 57 Abs. 4 gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben erhoben.

§ 2 GSpG:

"(1) Ausspielungen sind Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

(2) Unternehmer ist, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs. 1 an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.

(3) …

(4) Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind."

Nach § 60 Abs. 36 GSpG ist § 2 Abs. 4 auf Pokerangebote auf Grundlage einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum aufrecht war, ab anzuwenden.

Gemäß § 3 GSpG ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol).

Nach § 4 Abs. 1 GSpG unterliegen Glücksspiele nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn sie
1. nicht in Form einer Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 1 und
2. a) bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge oder
b) nur einmalig zur Veräußerung eines körperlichen Vermögensgegenstandes durchgeführt werden.

Nach § 4 Abs. 6 GSpG unterliegen Ausspielungen mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes, wenn
1. die Einsätze (alle vermögenswerten Leistungen) pro Teilnehmer und Turnier insgesamt höchstens 10 Euro betragen und
2. nicht mehr als 100 Spieler teilnehmen und
3. die Summe der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) die Summe aller vermögenswerten Leistungen nach Z 1 nicht übersteigt und
4. die Ausspielung im Rahmen einer aufrechten Gastgewerbeberechtigung nach § 111 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 in den Betriebsräumen des Berechtigten stattfindet und sie höchstens einmal im Quartal pro Gastgewerbeberechtigung erfolgt.
Ausspielungen nach diesem Absatz dürfen nur an ortsfesten Veranstaltungsorten und nicht über elektronische Medien durchgeführt werden, wobei an ein und demselben Veranstaltungsort monatlich insgesamt höchstens eine Ausspielung mit Kartenspielen in Turnierform zum bloßen Zeitvertreib durchgeführt werden darf. Eine Durchführung in Turnierform liegt vor, wenn erst nach dem Ausgang mehrerer Spielrunden die Gewinner der Ausspielung feststehen.

§ 5 GSpG regelt die Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten, stellt neben ordnungspolitischen Anforderungen auch umfassende Anforderungen zur Spielsuchtvorbeugung und Geldwäschevorbeugung an Bewilligungswerber und -inhaber.

§ 14 GSpG regelt die Erteilung einer Konzession zur Durchführung der Ausspielungen nach den §§ 6 bis 12b GSpG (Bestimmte Lotterien, ua. elektronische Lotterien einschließlich VLTs) und umfassende Anforderungen zwecks Spielsuchtvorbeugung, zum Spielerschutz, zur Geldwäsche- und Kriminalitätsvorbeugung etc.

§ 21 bis 27 GSpG regeln die Übertragung des Rechtes zum Betrieb einer Spielbank durch Konzession und umfassende Anforderungen zwecks Spielsuchtvorbeugung, zum Spielerschutz, zur Geldwäsche- und Kriminalitätsvorbeugung.

Auf Grund des § 28 GSpG hat der Spielbankenkonzessionär eine Spielbankabgabe in Höhe von 30 vH. der Jahresbruttospieleinnahmen eines jeden Spielbankbetriebes, im Falle von Ausspielungen über Glücksspielautomaten die um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen aus Glücksspielautomaten eines jeden Spielbankbetriebes zu entrichten.

§ 57 GSpG lautet:

"(1) Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, unterliegen - vorbehaltlich der folgenden Absätze - einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz.

Bei turnierförmiger Ausspielung treten außerhalb des Anwendungsbereiches von § 17 Abs. 2 an Stelle der Einsätze die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) des Turniers.

(2) Für Ausspielungen gemäß § 12a (elektronische Lotterien), an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt und die nicht über Video-Lotterie-Terminals im Sinne des § 12a Abs. 2 durchgeführt werden, beträgt die Glücksspielabgabe 40 vH der Jahresbruttospieleinnahmen. Besteht eine Abgabenpflicht nach § 17 Abs. 3, sind Ausspielungen gemäß § 12a von der Glücksspielabgabe befreit.

(3) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe - vorbehaltlich Abs. 4 - 30 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen.

(4) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe 10 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen (Bundesautomaten- und VLT-Abgabe), wenn sie

-im Falle von Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung nach § 5 oder

- im Falle von Video-Lotterie-Terminals auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach § 14 durchgeführt werden.

Die Regelung von Zuschlägen der Länder (Gemeinden) zur Bundesautomaten- und VLT-Abgabe bleibt den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen vorbehalten.

(5) Jahresbruttospieleinnahmen sind die Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne eines Kalenderjahres.

(6) Von der Glücksspielabgabe befreit sind

1. Ausspielungen in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken im Sinne des § 21,

2. Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung unter Einhaltung der Vorgabe des § 4 Abs. 2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2010,

3. die Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol des § 4 Abs. 3 bis 6.

§ 13a FAG 2008 sieht einen Zuschlag der Länder zur Bundesautomaten- und VLT-Abgabe bis zu 150% dieser Abgabe vor.

§ 59 GSpG lautet:

"(1) Die Abgabenschuld entsteht in den Fällen der §§ 57 und 58:

1. …

2. bei allen anderen Ausspielungen mit der Vornahme der Handlung, die den Abgabentatbestand verwirklicht. Bei Sofortlotterien entsteht die Abgabenschuld in dem Zeitpunkt, in dem im Verhältnis zwischen Konzessionär und Vertriebsstelle die Abrechenbarkeit der geleisteten Spieleinsätze eingetreten ist. Bei elektronischen Lotterien entsteht die Abgabenschuld mit Erhalt der Einsätze und Auszahlung der Gewinne.

(2) Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 sind

1. bei einer Abgabenpflicht gemäß § 57:

- der Konzessionär (§ 17 Abs. 6) oder der Bewilligungsinhaber (§ 5);

- bei Fehlen eines Berechtigungsverhältnisses der Vertragspartner des Spielteilnehmers, der Veranstalter der Ausspielung sowie der Vermittler (Abs. 5) sowie im Falle von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten der wirtschaftliche Eigentümer der Automaten zur ungeteilten Hand.

2. …

(3) Die Schuldner der Abgaben nach §§ 57 und 58 haben diese jeweils für ein Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Die Schuldner der Abgaben nach § 58 Abs. 3 haben diese jeweils für ein Kalenderjahr selbst zu berechnen und bis zum 20. des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Kalendermonats (Fälligkeitstag) an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie eine Abrechnung über die abzuführenden Beträge in elektronischem Weg vorzulegen. Der Bundesminister für Finanzen kann dabei im Verordnungsweg nähere Details der elektronischen Übermittlung regeln.

Dieser Abrechnung sind Unterlagen anzuschließen, die eine Überprüfung der Einsätze und Gewinne der Glücksspiele während des Abrechnungszeitraumes gewährleisten.

Die Abrechnung gilt als Anzeige. § 29 Abs. 3 über die Überwachung der Abgaben gilt sinngemäß. Trifft die Verpflichtung zur Entrichtung zwei oder mehr Personen, so sind sie zur ungeteilten Hand verpflichtet.

(5) Als Vermittlung gelten jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Spieleinsätzen oder -gewinnen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen des Glücksspielvertrages auf andere Art und Weise."

§ 184 BAO lautet wie folgt:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabevorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

§ 232 BAO lautet wie folgt:

"(1) Die Abgabenbehörde kann, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(2) Der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) hat zu enthalten:
a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;
b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;
c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;
d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

(3) Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens oder einer vorsätzlichen Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden."

Auf Grund der Ergebnisse der Verhandlung steht für den Senat fest, dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 232 Abs. 1 BAO im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages vorlagen und auch die vom FA getroffene Ermessensentscheidung den Kriterien des § 20 BAO entsprach.

Ein Sicherstellungsauftrag ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme". Es ist nur zu prüfen, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung des Abgabenanspruches und dessen Höhe gegeben sind.

Der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt ist beim Tatbestand des § 57 Abs. 1 GSpG die Durchführung einer Ausspielung, die der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 GSpG entspricht. Sobald eines solche Ausspielung durchgeführt ist kann daher grundsätzlich (bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen des § 232 BAO) vom FA ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden und muss nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe iSd § 59 Abs. 3 GSpG abgewartet werden.

Die endgültige Beurteilung, ob bzw mit welchem Betrag die im Mai 2021 im Pokercasino der Bf. durchgeführten Kartenspiele der Glücksspielabgabe unterliegen, bleibt dem Abgabenfestsetzungsverfahren vorbehalten. Bei einer Selbstbemessungsabgabe wie der Glücksspielabgabe sieht § 201 Abs 3 Z. 1 BAO ein Antragsrecht der Abgabepflichtigen vor und dient ein derartiges Verfahren der Klärung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen der - die Steuerpflicht bestreitenden - Abgabenpflichtigen und dem FA über das Bestehen der Steuerpflicht.

Eine allfällige Verfassungswidrigkeit der den Abgabenanspruch begründenden Normen ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu prüfen, weil eine derartige Prüfung dem Wesen und Sinn des Sicherstellungsverfahrens widerspräche (vgl. dazu ).

Die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, welche die verfahrensgegenständlichen Abgabenansprüche begründen, waren sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages in Geltung und sind es nach wie vor. Erst jüngst hat der VfGH mit Beschlüssen vom , G 161/2021 sowie , die Behandlung von Anträgen der Bf. auf Aufhebung von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes abgelehnt.

Da die in § 232 Abs. 1 und Abs. 2 BAO genannten Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, wurden sie wie folgt einzeln geprüft:

Zur Entstehung des Abgabenanspruches nach innerstaatlichem Recht dem Grunde nach

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Entscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Ein Sicherstellungsauftrag ist aber kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. , VwSlg. 8260/F; , 2005/13/0041, je mwN).

Sicherstellungsaufträge setzen voraus, dass der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen. Dieser Zeitpunkt wird von der herrschenden Ansicht mit dem Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches gleichgesetzt. Dafür spricht, dass § 232 erster Satz dieselbe Wortfolge wie § 4 Abs. 1 verwendet. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht offenbar von dieser Gleichsetzung aus (zB ), wonach es genügt, dass "die Abgabenschuld dem Grunde nach [nämlich gemäß § 4 BAO] mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist". Nach Blazina (in Wakounig ua, Betriebsprüfung, H.1.3.1; ebenso Ruppe/Achatz, UStG 4 , § 19 Tz 97) ist bei der Umsatzsteuer die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages bereits ab dem Zeitpunkt der erbrachten Lieferung bzw. Leistung und nicht erst ab Entstehung der Umsatzsteuerschuld möglich, weil § 232 BAO primär auf den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung (iSd § 1 Abs. 1 UStG 1994) anknüpft (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 232 Tz 3 mit zahlreichen Literaturnachweisen).

Der abgabenrechtlich relevante Sachverhalt ist beim Tatbestand des § 57 Abs. 1 GSpG die Durchführung einer Ausspielung, die der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 GSpG entspricht. Sobald eines solche Ausspielung durchgeführt ist kann daher grundsätzlich (bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen des § 232 BAO) vom FA ein Sicherstellungsauftrag erlassen werden und muss nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe iSd § 59 Abs. 3 GSpG abgewartet werden.

Auch nach Fälligkeit der Selbstbemessungsabgabe könnte noch ein Sicherstellungsauftrag ergehen, solange die Abgaben noch nicht vollstreckbar ist (vgl. dazu Ritz/Koran, BAO7, § 232 Tz 4).

Die Vollstreckbarkeit tritt gemäß § 226 BAO ein, wenn bescheidmäßig festgesetzte oder selbstberechnete Abgabenschuldigkeiten nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wurden.

Bei Selbstbemessungsabgaben setzt die Vollstreckbarkeit hinsichtlich des über die Selbstbemessung hinausgehenden Mehrbetrages noch die bescheidmäßige Festsetzung voraus (vgl ).

Das bedeutet umgekehrt, dass für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages gerade keine bescheidmäßige Festsetzung des Abgabenbetrages erforderlich ist und geht daher der Einwand der Bf, dass an sie bisher noch kein einziger Abgabenbescheid ergangen sei, ins Leere.

Die Gründe, die für die Tatbestandsverwirklichung des § 57 Abs. 1 GSpG sprechen, wurden vom FA im angefochtenen Bescheid auch eingehend und schlüssig dargelegt.

Unstrittig ist, dass im Betrieb der Bf. im Zeitraum bis Kartenspiele durchgeführt wurden, die nach den Legaldefinitionen des § 1 Abs. 2 GSpG (Poker und deren Spielvarianten) Glücksspiele sind und dass für diese Kartenspiele vor Erlassung des gegenständlichen Sicherstellungsauftrages keine Selbstberechnung der Glücksspielabgabe erfolgt ist und damit noch keine Vollstreckbarkeit gegeben war.

Bei diesen Kartenspielen handelt es sich auch um Ausspielungen im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 GSpG iVm §2 Abs. 2 GSpG, da die Pokerspiele in Form von Cash-Games von der Bf. organisiert wurden, in dem sie den Spielern die Pokertische samt Spielutensilien bereitstellte und ihre Mitarbeiter das Mischen und Teilen der Karten übernahmen und die Spiele leiteten.

Zum Einwand des Fehlens der Unternehmereigenschaft der Bf., weil sie die Spieleinsätze nicht vereinnahme, wird auf die Legaldefinition des Unternehmers in § 2 Abs. 2 GSpG verwiesen.

Ein der Definition des § 2 GSpG entsprechender Unternehmer muss ein Glücksspiel veranstalten, organisieren, anbieten oder zugänglich machen. Mit der gewählten Formulierung soll zum Ausdruck gebracht werden, dass jede nur denkbare unternehmerische Mitwirkung an einem Glücksspiel dessen Ausspielungscharakter begründen kann (Kohl, Glücksspielmonopol 34). Unerheblich ist es, ob die Leistung des Spielers an den Veranstalter der Ausspielung oder an einen Dritten erfolgt. Die vermögenswerte Leistung, der Einsatz, muss lediglich im Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbracht werden. Auch nach Ansicht des VwGH ist es gleichgültig, wem gegenüber der Spieler seine vermögensrechtliche Leistung zu erbringen hat bzw wem die Leistung des Spielers rechtlich oder wirtschaftlich zufließt. Zwischen wem sich Gewinn und Verlust wirtschaftlich realisieren, ist für die Qualifikation einer Ausspielung irrelevant (Bresich / Klingenbrunner / Posch in Strejcek/Bresich, GSpG 2 § 2 Rz 7, unter Verweis auf ; ). Spielen mehrere vom Unternehmer unabhängige Spieler gegeneinander, so treten Gewinn und Verlust nur zwischen den Spielern ein. Wirkt jedoch ein Unternehmer auf die in § 2 GSpG genannte Art und Weise mit, liegt ebenfalls eine Ausspielung vor (Bresich / Klingenbrunner / Posch in Strejcek/Bresich, GSpG 2 § 2 Rz 8; siehe Bavenek-Weber in Bavenek-Weber/Petritz/Petritz-Klar (Hrsg), Gebührengesetz Kommentar (6. Lfg 2020) zu § 33 TP 17 GebG/GSpA Rz 93).

Wie der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2019/17/0116 unter Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der GSpG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010, RV 658 BlgNR 24. GP 5, sowie zur Änderung des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 747/1996, RV 368 BlgNR 20. GP 5) ausgeführt hat, kommt als Veranstalter derjenige in Betracht, der das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt. Das bedeutet nicht notwendigerweise eine Teilnahme des Veranstalters am Glücksspiel in der Form, dass von ihm Einsätze vereinnahmt oder Gewinne ausbezahlt werden. Wenn etwa Kartenspieler gegeneinander spielen, kann sich das Veranstalten beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal äußern. Im Revisionsfall konnte das BFG aus seinen unbestrittenen Feststellungen, wonach die revisionswerbende Partei zum Zwecke des Anbietens von Pokerspielen Räume angemietet und Pokertische sowie entsprechendes Personal bereitgestellt hat und ihr der Drop, also der Anteil des Veranstalters am Pot zugeflossen ist, schließen, dass diese auch Veranstalterin der gegenständlichen Pokerspiele gewesen ist. Wäre das Spielangebot der revisionswerbenden Partei von Spielern nicht angenommen worden, hätte sich dieser Umstand in ihrer Vermögenssphäre ausgewirkt. Daraus folgt für den Revisionsfall, dass die revisionswerbende Partei zu Recht als Veranstalterin und damit als Schuldnerin der Glücksspielabgabe behandelt wurde.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (verstärkter Senat) vom , Ra 2017/13/0076, ist für die Glücksspielabgaben nach § 57 Abs. 1 GSpG 1989 nicht von Bedeutung, weil dort über die Pauschalierung der Abgabe nach dem Vorarlberger Kriegsopferabgabegesetz entschieden wurde und der Abgabenpauschalbetrag nach § 4 Abs. 2 leg. cit. nach dem Gesamtbetrag der Eintrittsgelder zu bemessen ist. Die Frage, ob bzw. in welchem Umfang Einsätze als Eintrittsgelder anzusehen sind, stellt sich bei der Glücksspielabgabe schon deshalb nicht, weil nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 57 Abs. 1 erster Satz GSpG Ausspielungen einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom "Einsatz" unterliegen. Eine Unterscheidung danach, ob die Ausspielungen mit oder ohne Bankhalter erfolgen bzw. ob die Einsätze zur Gänze vereinnahmt werden, ist in der genannten Bestimmung nicht vorgesehen. Es ist dem Gesetzgeber auch nicht zu unterstellen, dass ihm die Möglichkeit des Veranstaltens von Ausspielungen, bei denen nicht die gesamten Einsätze vom Veranstalter vereinnahmt werden, nicht bekannt gewesen wäre, und dass er sie deswegen nicht berücksichtigt hätte. Wie sich aus dem Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes (Anm ) ergibt, hegt dieser in dem Zusammenhang auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl ).

Auch im gegenständlichen Fall erzielte die Bf. nachhaltig Einnahmen aus der Durchführung der Pokerspiele, in dem sie für die Organisation der Kartenspiele, das Bereitstellen der Pokertische, der Spielutensilien etc. die Tischgelder vereinnahmte. Die Bf. wurde daher vom Finanzamt zu Recht als Unternehmerin und Veranstalterin iSd GSpG und damit als Abgabenschuldnerin der Glücksspielabgabe für Mai 2021 angesehen.

Die in § 57 Abs. 6 Z. 1 GSpG zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung enthaltene Befreiung für Ausspielungen, die in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken iSd § 21 GSpG durchgeführten werden, kommt hier nicht zur Anwendung, weil die Bf. im Zeitpunkt der Durchführung der gegenständlichen Kartenspiele jedenfalls über keine Konzession iSd § 21 GSpG verfügte. Auf diese Tatsache ist es ohne Einfluss, dass die Bf. einen Antrag auf Konzessionserteilung beim FA eingebracht hatte, der im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages noch unerledigt war.

Mit Durchführung der Pokerveranstaltungen wurde der Tatbestand, an den das Glücksspielgesetz die Entstehung der Glücksspielabgabepflicht nach § 57 GSpG knüpft, verwirklicht.

Zur voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld nach innerstaatlichem Recht

Die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld wurde im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar und plausibel dargestellt.

Gemäß § 57 Abs. 1 GSpG beträgt die Glücksspielabgabe bei Ausspielungen wie den hier vorliegenden Cashgames 16 vH des Einsatzes.

Nach den allgemein gültigen Spielregeln für Cashgames ist von jedem Spieler pro Setzrunde eines Spiels eine vermögenswerte Leistung (= Einsatz) in Zusammenhang mit der Teilnahme am Pokerspiel zu erbringen, der am Ende der Setzrunde in den Pot gegeben wird. Der Pot bildet daher die Summe der von den Spielern in einem Spiel insgesamt gesetzten Einsätze. Unter Auslegung der dem Wort "Einsatz" zukommenden eigentümlichen Bedeutung und der klaren Absicht des Gesetzgebers (siehe ErlRV 658 BlgNr 24 GP, zu §§ 57 bis 59 GSpG), Ausspielungen von Poker als Glücksspiel der Glücksspielabgabe zu unterziehen, ist beim Pokerspiel dem Wort "Einsatz" iSd § 57 Abs. 1 GSpG der Begriffsinhalt beizumessen, dass unter der Besteuerungsgrundlage für die Glücksspielabgabe jener "Einsatz" zu verstehen ist, der vom einzelnen Spieler pro Setzrunde im Zusammenhang mit seiner Teilnahme am jeweils ausgespielten Pokerspiel zu erbringen ist. Die von den Spielern pro Spiel für jede Setzrunde zu erbringenden Einsätze bilden in Summe den Pot, den der jeweilige Spielgewinner nach Abzug des Tischgeldes erhält. Der Pot stellt einen tauglichen und sachgerechten Ausgangspunkt für die im Wege der Schätzung erfolgte Ermittlung der in § 57 Abs. 1 GSpG normierten Besteuerungsgrundlage "vom Einsatz" dar. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, wenn die Gelder aus dem Pot zurückfließen und sozusagen unter den Spielern hin- und hergehen würden, weil nicht die konkreten, in Umlauf befindlichen Geldscheine zu betrachten sind, sondern der betragsmäßige "Einsatz" pro Spielrunde (vgl. mit weiteren Hinweisen).

Zum Einwand, dass zu Unrecht die Summe der in den einzelnen Spielrunden gesetzten Geldbeträge als Bemessungsgrundlage herangezogen werden, weil diese Geldbeträge im Laufe der Spielrunden wieder aus dem jeweiligen Pot zu den einzelnen Spielern zurückflössen und somit dauernd zwischen den Spielern hin- und hergingen, hat der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2019/17/0116 ausgeführt, dass das die von der revisionswerbenden Partei vertretene Auffassung im Gesetzeswortlaut keine Deckung findet. Abgesehen davon, dass Gegenstand der Besteuerung die einzelne Ausspielung, also jede einzelne Pokerrunde, ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei Pokerspielen in der vorliegenden Form die eingesetzten Geldbeträge lediglich im Kreis laufen würden, lässt doch eine solche Annahme die Möglichkeit einer ungleichmäßigen Verteilung des Spielerglücks und gelegentlicher Spielerwechsel völlig außer Ansatz. Im Übrigen ist es für die Abgabenbemessung nicht von Bedeutung, ob der Gewinner einer Pokerrunde sich mit einer einzigen Spielteilnahme begnügt oder seinen Gewinn als Einsatz für die Teilnahme an weiteren Pokerrunden verwendet. Es ist daher nicht ersichtlich, dass es bei der Besteuerung der Summe der Pots aller Spielrunden zu einer verfassungswidrigen "Zigfachbesteuerung der im Pokerspiel gesetzten Geldbeträge der Spieler" kommen würde (vgl. dazu , [mwH auf ], wonach bei Pokerspielen in der von der revisionswerbenden Partei angebotenen Form eine exzessive Steuerbelastung nicht erkannt wurde).

Das von der Betreiberin der Kartencasinos ins Spiel gebrachte Verhältnis der Glücksspielabgabe zu ihrem Jahresumsatz und zu ihrem Jahresergebnis betrifft unternehmerische Parameter, die in der Ingerenz der genannten Betreiberin der Kartencasinos liegen und kein Kriterium für die hier in Rede stehende Besteuerung darstellen. Es ist Sache der Betreiberin der Kartencasinos, die Kartenspiele so zu organisieren, dass die Glückspielabgabe entrichtet werden kann ( )

Der Einwand, dass die Einsätze nicht vereinnahmt werden und die Besteuerung daher ruinös sei, wurde bereits in zahlreichen Verfahren (vgl. dazu die Beschlüsse ; und zur Rechtsgeschäftsgebührenpflicht gemäß § 33 TP 17 GebG iVm § 28 Abs. 3 GebG) vorgebracht. Es ist üblich, dass die materiellen Abgabenvorschriften die Person des Steuerschuldners ausdrücklich bezeichnen und damit klarstellen, wer verpflichtet ist, den Anspruch zu erfüllen. Hierbei wird in aller Regel die Person als Schuldner genannt, die als Steuersubjekt den die Steuerschuld auslösenden Tatbestand verwirklicht hat. Mitunter wird aber diese Identifizierung aus Zweckmäßigkeitsgründen aufgegeben und es werden von mehreren den Tatbestand verwirklichenden Personen nur eine, manchmal auch andere Personen als die, die den Tatbestand unmittelbar erfüllen, als Steuerschuldner bezeichnet (Stoll, Das Steuerschuldverhältnis, 163ff).

Es entspricht der generellen Ordnungsstruktur des Steuerrechtes, unter Umständen andere Personen als die, die den Steuertatbestand unmittelbar erfüllen, als Steuerschuldner zu bezeichnen. Diese Person muss nicht unmittelbar selbst den Steuerauslöseeffekt setzen, es genügt eine Beteiligung oder Ermöglichung. Der bloß organisierende Veranstalter von Glücksspielen setzt mit seiner den Spielern angebotenen Infrastruktur eine conditio sine qua non, dass entgeltliche Glücksspiele gespielt und damit laufend Fälle des Glücksspielabgabentatbestandes verwirklicht werden. Eine ruinöse, unverhältnismäßige Wirkung wird durch § 59 Abs. 2 GSpG (vorher § 28 Abs. 3 GebG), wonach auch der Veranstalter, der Glücksspiele organisiert, Steuerschuldner ist, nicht entfaltet. Im Gegenteil, durch diese Bestimmung wird der Veranstalter dem Lotterienkonzessionsinhaber und Bewilligungsinhabern gemäß § 5 GSpG gleichgestellt. Die Nahebeziehung der Bf. ist durch die organisierende Veranstaltung des Rechtsgeschäftes gegeben.

Die Besteuerung von Kartenpokerspielen und ähnlichen Spielen, die von einem Organisator/Veranstalter angeboten werden iSd § 57 Abs. 1 GSpG iVm § 59 Abs.2 GSpG (früher: iSd § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 7 lit. b GebG iV mit § 28 Abs. 3 GebG) entfaltet grundsätzlich keine unlimitierte Wirkung in dem Sinn, dass es zu einer Übermaßbesteuerung kommt. Mit den Glücksspielabgaben wird der Abschluss entgeltlicher Glücksverträge besteuert. Steuerschuldner sind die Personen, die unmittelbar oder mittelbar den Glücksspielabgaben- Konzessionsabgaben und Spielbankenabgabenauslöseeffekt setzten, dh. die Vertragsteile und der Veranstalter. Unmittelbare Auslöser der Steuerschuld sind hier die Vertragsteile, die Bf. als Veranstalterin ist insoferne mittelbar beteiligt, als sie den Spielern die Infrastruktur anbietet. Der Bf. ist die Berechnung und Bezahlung der Glücksspielabgaben zuzumuten, da letztendlich die organisatorischen und infrastrukturellen Fäden in ihrer Hand zusammenlaufen (vgl. dazu )

Auf Grund der Bestimmung des § 59 Abs 3 GSpG ist die Glücksspieleabgabe vom Abgabenschuldner jeweils für ein Kalendermonat bis zum 20. Des dem Entstehens der Abgabenschuld folgendem Kalendermonats selbst zu berechnen und ist dem FA eine Abrechnung über die abzuführenden Beträge in elektronischem Weg vorzulegen. Dieser Abrechnung sind Unterlagen anzuschließen, die eine Überprüfung der Einsätze und gewinne der Glücksspiele während des Abrechnungszeitraumes gewährleisten.

Auch wenn am die Frist für die Selbstberechnung für Mai 2021 noch offen war und somit für diesen Zeitraum die Verpflichtung zur Selbstberechnung noch nicht verletzt sein konnte, so wäre die Bf. als Organisatorin der Kartenspiele und damit Steuerschuldnerin nach § 59 Abs. 2 GSpG verpflichtet gewesen Aufzeichnungen über die Einsätze zu führen, zumal sie diese Unterlagen für die der Abrechnung anzuschließenden Unterlagen benötigt.

Da die Bf. über die Höhe der Einsätze der einzelnen Spiele keine Aufzeichnungen vorlegen konnte, ist die belangte Behörde zu Recht hier mit einer Schätzung vorgegangen, deren Ausgangspunkt die Höhe des von der Bf. aus dem "Pot" (= Summe der Einsätze pro Spielrunde) entnommenen Tischgeldes der einzelnen Spieltage war. Die Vorgangsweise, mit Hilfe der Tabelle, die die Höhe des Tischgeldes je nach Höhe des Pots festlegt ("Rake-Table"), zu ermitteln, in welchem Verhältnis das Tischgeld zum Pot stand, kann daher nicht beanstandet werden (vgl. dazu auch ).

Dem vom Geschäftsführer der Bf. bei der mündlichen Verhandlung getätigte Einwand, dass das FA hier von einem Verhältnis von 4,48% zwischen Tischgeld und Pot ausgegangen ist und nicht wie in früheren Jahren (Anmerkung: bei anderen Gesellschaften der ***7***-Gruppe) von 3,5% ist zu entgegen, dass die vom FA angewandte Methode der Errechnung eines (rein mathematischen) Mittelwertes aus dem "Raketable" gerade bei einer vorläufigen Maßnahme wie einem Sicherstellungsauftrag als ausreichend plausibel angesehen wird. Im Rahmen des Festsetzungsverfahrens nach § 201 BAO steht es der Bf. frei, nähere Angaben über die tatsächlichen Gegebenheiten hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Tischgeld und Pot im Besteuerungszeitraum zu erstatten. Wie vom FA bereits bei der Verhandlung ausgeführt, würde der der Ansatz eines (zahlenmäßig) niedrigeren Prozentsatzes bei der Hochrechnung auf 100 % für die Schätzung des Pots (=Summe der Einsätze) bedeuteten, dass sich eine höhere Bemessungsgrundlage ergäbe. Dies zeigt, dass der Vorwurf an das FA, es hätte willkürlich eine besonders hohe Bemessungsgrundlage angesetzt jeder Grundlage entbehrt.

Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Berechnung der voraussichtlichen Höhe der Abgabenschuld mit € 268.254,47 ist daher schlüssig begründet.

Zum Einwand der Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspielabgabe nach § 57 Abs. 1 GSpG - keine "offensichtlich" unionsrechtswidrige Auslegung durch die österreichischen Höchstgerichte

Der Bf. wird insofern beigepflichtet, als es die Aufgabe des Verwaltungsgerichtes ist, die anzuwendenden innerstaatlichen Bestimmungen (hier des GSpG) hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht, von Amts wegen zu beurteilen.

Ebenso wird der Grundsatz des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes nicht in Frage gestellt.

Das Glücksspielrecht ist nicht Teil eines harmonisierten Bereichs, für den der Gemeinschaftsgesetzgeber zuständig wäre, sondern liegt im Kompetenzbereich des nationalen Gesetzgebers. Insoweit steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf diesem Gebiet festzulegen, wobei sie bei der Bestimmung des ihnen am geeignetsten erscheinenden Niveaus des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung über ein weites Ermessen verfügen (vgl. ; - C-3/17; - C-156/13, jeweils m.w.N.).

Das gegenständliche Verfahren betrifft nicht Sanktionen wegen der unternehmerischer Zugänglichmachung von verbotenen Ausspielungen, sondern soll die gleichmäßige Besteuerung von Glücksspielen sichergestellt werden.

Direkte Steuern - wie hier die Glücksspielabgabe - fallen grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten (vgl. ua ).

Art. 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bestimmt, dass unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist.

Nach der Rechtsprechung des EuGH verbietet es der Wortlaut dieses Artikels den Mitgliedstaaten nicht, einen Umsatz der Mehrwertsteuer und (kumulativ) einer Sonderabgabe zu unterwerfen, die keinen Umsatzsteuercharakter hat (vgl. Kerrutt, Rn 22; , C-440/12, Metropol Spielstätten Unternehmensgesellschaft, Rn 28).

Das Unionsrecht steht einer kumulativen Erhebung der Mehrwertsteuer und einer anderen allgemeinen Abgabe auf Glücksspiele, die nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat, somit grundsätzlich nicht entgegen (; , Metropol Spielstätten Unternehmergesellschaft, Rn 32; vgl dazu auch BFH , XI R 13/18 sowie zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Umsätzen aus dem Betrieb von Glücksspielautomaten und Video Lotterie Terminals).

Der Glücksspielabgabe ist schon allein deshalb nicht der Charakter einer Umsatzsteuer iSd Mehrwertsteuerrichtlinie zuzumessen, weil es sich dabei nicht um eine Abgabe handelt, die sich genau proportional zum Preis der Dienstleistung verhält. Denn um dem Grundsatz der Proportionalität zu entsprechen, müsste die Glücksspielabgabe stets in einem bestimmten Verhältnis zum Einsatz stehen. Bei Turnierspielen wird die Glücksspielabgabe vom in Aussicht gestellten Gewinn berechnet, bei Glücksspielangebot über Glücksspielautomaten bzw. über elektronische Lotterien sind die Bemessungsgrundlage die Jahresbruttospieleinnahmen. Außerdem werden die Glücksspielabgaben nicht im Rahmen eines Produktions- und Vertriebsprozesses erhoben, bei dem vorgesehen ist, dass auf jeder Stufe die auf den vorhergehenden Stufen dieses Prozesses bereits entrichteten Beträge abgezogen werden können. Die Glücksspielabgaben werden nur dann erhoben, wenn ein Spielteilnehmer mit einem unternehmerischen Anbieter entgeltliche Spielverträge, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt, abschließt, und die nicht auf den dieser Sache hinzugefügten Wert, sondern auf deren Gesamtwert erhoben wird, ohne dass ein Abzug der gezahlten Steuer aufgrund eines eventuellen vorangegangenen Umsatzes möglich wäre (vgl. Rn 34 zur deutschen Grunderwerbsteuer). Die Glücksspielabgabe bezieht sich nicht nur auf den Mehrwert auf einer bestimmten Produktions- und Vertriebsstufe und wird die Glücksspielabgabe nicht in einer für die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Weise auf den Endverbraucher abgewälzt. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass ein Unternehmen, das entsprechende Spiele anbietet, bei seiner Preisbildung die in seine Kosten einfließende Abgabe berücksichtigt, so ist keinesfalls gewährleistet, dass es in jedem einzelnen Fall (bei jedem Kunden) gelingt, die Belastung in dieser Weise oder in vollem Umfang abzuwälzen (vgl. dazu ua mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen).

Der von der Bf. bei der mündlichen Verhandlung getätigte Einwand, dass die Umsätze von der Bf. der Umsatzsteuer unterzogen wurde, ist daher für die Lösung der Frage, ob für die von der Bf. organisierten Kartenspiele eine Steuerpflicht nach § 57 Abs. 1 GSpG besteht - auch unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Aspekte - ohne Belang.

Ist eine nationale Regelung - wie hier die Bestimmungen des § 57 Abs. 1 GSpG iVm § 1 Abs. 2 GSpG und § 2 GSpG und des § 59 Abs. 2 GSpG - unterschiedslos auf Unternehmen (Kapitalgesellschaften) mit Sitz im Inland und im Ausland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) anwendbar, kann sie nur dann Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachlagen anwendbar ist, die eine Verbindung zum innergemeinschaftlichen Handel aufweisen (vgl. dazu das zur Dienstleistungsfreiheit ergangene Erkenntnis mit Hinweis auf Anomar, Rdnr. 39 mwH).

Art 57 Abs 3 AEUV erfasst zwar explizit nur jene Fälle, in denen sich der Leistungserbringer in den anderen MS begibt (aktive Dienstleistungsfreiheit). Ziel der Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit ist es nach Ansicht des EuGH jedoch, generell Beschränkungen des Geschäftsverkehrs zwischen den MS zu beseitigen. Daher greift Art 56 AEUV immer dann ein, wenn ein Leistungserbringer Dienstleistungen in einem anderen MS als demjenigen anbietet, in dem er niedergelassen ist, und zwar unabhängig vom Niederlassungsort der Empfänger dieser Dienstleistungen (, Kommission/Frankreich; , Kommission/Italien, , Kommission/Griechenland, , Kommission/Spanien). Die Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit erfassen somit auch Sachverhalte, in denen der Dienstleistungsempfänger sich in den anderen MS begibt, um die Leistung in Empfang zu nehmen (passive Dienstleistungsfreiheit; , C-26/83, Luisi & Carbone; , Kohll, , Calfa, , Ciola; , Hengartner). Gleiches gilt, wenn lediglich die Leistung die Grenze überschreitet (Korrespondenzdienstleistung; , Sacchi; , Debauve) oder wenn sich Leistender und Leistungsempfänger zum Austausch der Leistung in einen anderen MS begeben (auslandsbedingte Dienstleistung; , Kommission/Frankreich; , C-180/89, Kommission/Italien; , Kommission/Griechenland; , Kommission/Spanien).

Durch die Entscheidung , Pölus Vegas Kft ist die Auslegung des Art 56 AEUV insofern klargestellt, dass nicht allein deshalb vom Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts ausgegangen werden kann, weil Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten die angebotenen Spielmöglichkeiten (im Fall vor dem EUGH: Geldspielautomaten) nutzen könnten.

In einem weiteren Vorabentscheidungsverfahren (Rs BONVER WIN, ) ging es um die Erlaubnis zum Betreiben von Glücksspielen in einer tschechischen Stadt, die 25 km von der deutschen Grenze entfernt ist und hat BONVER WIN im Rahmen des nationalen Verfahrens Beweise (eidesstattliche Versicherung eines Zeugen) vorgelegt, um zu belegen, dass ein Teil ihrer Kundschaft aus Personen bestehe, die aus anderer Mitgliedstatten stammten. Dazu hat der EuGH festgehalten, dass die bloße Behauptung eines Dienstleistungserbringers, ein Teil seiner Kunden komme aus einem anderen Mitgliedsstaat als dem, in dem er niedergelassen ist, nicht ausreicht, um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt nachzuweisen, der in den Anwendungsbereich von Art 56 AEUV fallen kann. Um dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen hinsichtlich der Situation dieses Dienstleistungserbringers vorlegen zu können, muss das nationale Gericht die Stichhaltigkeit dieser Behauptung in der Vorlageentscheidung belegen. Hinsichtlich der etwaigen Relevanz der Anzahl von Kunden aus einem anderen Mitgliedstaat ist der Gedanke, eine De-minimis-Regel im Bereich der Dienstleistungsfreiheit einzuführen, abzulehnen. Umstände wie die Anzahl ausländischer Kunden, die die Dienstleitungen in Anspruch nehmen, der Umfang der erbrachten Dienstleistungen oder die begrenzte Bedeutung der möglichen Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in geografischer und sachlicher Hinsicht sind für die Anwendbarkeit von Art 56 AEUV nicht erheblich. Die einheitliche Anwendung von Art. 56 AEUV innerhalb der Union wäre gefährdet, wenn die Anwendbarkeit dieses Artikels von einem quantitativen Kriterium abhängig gemacht würde, so dass nicht auf ein solches Kriterium abgestellt werden kann (vgl. , BONVER WIN).

Im Unterschied zu anderen Grundfreiheiten wie der Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder auch den Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft ist es nicht die Staatsangehörigkeit, sondern die Niederlassung der betroffenen Personen, die über das grenzüberschreitende Element entscheiden (vgl dazu die Schlussanträge des Generalanwalts vom in der Rs C-311/19 "BONVER WIN", Rz 48).

Die Tatbestandvoraussetzungen für die Abgabepflicht als solches knüpfen hier an einen Sachverhalt an, der mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweist. Sowohl die Teilnahmehandlungen am Kartenspiel wurden im Inland gesetzt (unabhängig davon, wo die Spieler ansässig sind, wurden alle für die Teilnahme am Pokerspiel erforderlichen faktischen Handlungen der Spieler nur bei einem physischen Aufenthalt in der im Inland befindlichen Betriebsstätte der Bf. vorgenommen), als auch alle mit dem Veranstalten und Organisieren der Kartenspiele zusammenhängenden Handlungen wurden von der im Inland ansässigen Bf. im Inland vorgenommen.

Diese Auslegung der Bestimmung des Art 56 AEUV wurde der Bf. bereits im Vorbereitungsvorhalt mitgeteilt und hat die Bf. in ihrer Stellungnahme vom dazu im Wesentlichen auf das Gutachten "Leidenmühler" vom verwiesen.

Das Gutachten "Leidenmühler" vom zitiert lediglich ältere Rechtsprechung des EuGH zur Frage des grenzüberschreitenden Elements und erfolgt darin keine Auseinandersetzung mit der Entscheidung , Pölus Vegas Kft., sondern wird lediglich darauf verwiesen, dass in den Jahren 2017 - 2019 ein Teil der Kunden Staatsbürger anderer Mitgliedsstaaten der Union waren. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde lediglich vom Geschäftsführer der Bf. bestätigt, dass sich die Verhältnisse hinsichtlich der Staatbürgerschaft nicht geändert haben.

Auch wenn für den hier gegenständlichen Zeitraum Mai 2021 von der Bf. keine näheren Angaben über die Ansässigkeit ihrer Kunden getätigt wurden, ist der Senat zur Überzeugung gelangt (siehe dazu die Ausführungen bei der Beweiswürdigung), dass tatsächlich auch (zumindest einzelne) Spieler, die in anderen Mitgliedsstaaten ansässig sind, das Pokerangebot der Bf. im Mai 2021 in Anspruch genommen haben. Amtswegige Ermittlungen über die Ansässigkeit werden im Hinblick auf den Charakter der gegenständlichen Entscheidung als vorläufige Maßnahme nicht als erforderlich und zweckmäßig angesehen und wird für die rechtliche Beurteilung davon ausgegangen, dass unter Anwendung der Judikatur in der Rs C-311/19 "BONVER WIN", ein grenzüberschreitendes Element vorliegt.

Allerdings wird aus folgenden Erwägungen nicht davon ausgegangen, dass die Besteuerung der von der Bf. organisierten Pokerspiele gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt:

Nach Art. 56 AEUV müssen die Mitgliedstaaten Angehörigen aus anderen EU-Staaten ermöglichen, unter denselben Bedingungen tätig zu werden, wie sie für Inländer gelten. Es sind auch solche Beschränkungen zu unterlassen, die - obwohl sie unterschiedslos für Einheimische wie für Dienstleistende anderer Mitgliedstaaten gelten - geeignet sind, die Tätigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden, der dort rechtmäßig gleichartige Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden oder zu behindern (vgl. EuGH-Urteile Arblade u.a. vom - C-369/96 und C-376/96, EU:C:1999:575, Rz 33; Mobistar und Belgacom Mobile vom - C-544/03 und C-545/03, EU:C:2005:518, Rz 30 f.; Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International vom - C-42/07, EU:C:2009:519, und Berlington Hungary u.a. vom - C-98/14, EU:C:2015:386, Rz 35). Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs liegt bereits dann vor, wenn die grenzüberschreitende Tätigkeit erschwert oder weniger attraktiv gemacht wird.

Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele. In Ermangelung einer Harmonisierung des Glücksspielsektors durch die EU ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (vgl. EuGH-Urteile Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, EU:C:2009:519, Rz 56, und Digibet und Albers vom - C-156/13, EU:C:2014:1756, Rz 23 f.).

Dagegen erfasst Art. 56 AEUV solche Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, (diskriminierungsfrei) zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie ihre Erbringung innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats berühren (vgl. Berlington Hungary u.a., C-98/14, Rn. 36; Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG, C-625/17, Rn. 32; vgl. weiters zur Niederlassungsfreiheit Vodafone Magyarorszag, C-75/18, Rn. 42; siehe dazu auch ).

Selbst eine allfällige Doppelbesteuerung wäre keine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV, sondern nur Folge des Grundsatzes, dass Mitgliedstaaten aus ihrer Steuerhoheit eine Besteuerungsbefugnis erwächst (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts , C-591/15, The Gibraltar Betting and Gaming Association, Rn. 87, mit Verweis auf , Kerckhaert und Morres, Rn. 21).

Das durch die Glücksspielabgaben das Anbieten von Glücksgeschäften weniger attraktiv wird, ist unbestritten. Diese Wirkung trifft aber inländische wie ausländische Anbieter bzw im Inland und in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Kunden in gleicher Weise und zu gleichen Bedingungen. Die Glücksspielabgabe führt daher weder zu einer Diskriminierung ausländischer Anbieter noch zu einer Diskriminierung von ausländischen Kunden, die ins Inland reisen, um dort an Glücksspielen teilnehmen.

Weiters wäre selbst dann, wenn man eine mittelbare Diskriminierung auf Grund des Konzessionssystems annehmen würde, die darin liegende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit gerechtfertigt, weil sie der Verfolgung zwingender Gründe des Allgemeininteresses dient. Dazu zählen der Verbraucherschutz, die Betrugsvermeidung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für Glücksspiele (vgl. EuGH-Urteile Stoß vom - C-316/07, EU:C:2010:504, Rz 74 f., und Berlington Hungary u.a., EU:C:2015:386, Rz 58). Zur Erreichung dieser Ziele ist die Glücksspielabgabe geeignet, weil sie die Teilnahme verteuert.

Die Argumentation der Bf., die auf eine Steuerfreiheit der von ihr im Inland organisierten Glücksspiele hinauslaufen würde, hätte ihrerseits eine diskriminierende Wirkung gegenüber anderen Anbietern von Glücksspielen, die am österreichischen Markt tätig sind, und wäre nicht sachlich begründbar.

Die in § 57 Abs. 6 Z. 1 GSpG enthaltene Befreiung für Ausspielungen, die in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken iSd § 21 GSpG durchgeführten werden, dient lediglich der Vermeidung der Doppelbesteuerung.

Pokerspiele in konzessionierten Spielbanken unterliegen gemäß § 28 GSpG einer Spielbankabgabe iHv 30% von den Jahresbruttospieleinnahmen. Die Konzessionäre haben neben der Spielbankenabgabe gemäß § 28 GSpG einen Finanzierungsbeitrag gemäß § 1 Abs. 4 GSpG für die Einrichtung einer Spielerschutzstelle von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach § 28 GSpG sowie nach § 57 Abs. 4 GSpG gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben zu entrichten. Weiters hat die Konzessionärin - im Gegensatz zur Bf. - auf Grund gesetzlicher Vorgaben nach dem Glücksspielgesetz und weiterer Auflagen im Konzessionsbescheid weitgehende Auflagen und Verpflichtungen wie insbesondere zum Spielerschutz und zur Spielsuchtvorbeugung sowie zur Geldwäsche und Kriminalitätsvorbeugung zu erfüllen und gemäß § 31 GSpG die Kosten der staatlichen Aufsicht und Kontrolle (siehe § 19 Abs. 1 GSpG) zu tragen (siehe dazu die Gegenüberstellung in der Entscheidung , Punkt 8.5.3.3).

Es werden daher die in § 57 GSpG enthaltenen Bestimmungen über die Besteuerung nicht als unionsrechtswidrig angesehen.

Im Übrigen wäre selbst bei einer Verletzung des Unionsrechtes durch eine nationale Vorschrift zu beachten, dass die Verdrängung bloß jenes Ausmaß erreichen darf, das gerade noch hinreicht, um den gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Der mitgliedstaatliche Träger öffentlicher Gewalt darf sich dabei aber im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zur gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation von nationalem Recht nur im Rahmen der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden und innerhalb der durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze gesetzten Grenzen bewegen. Eine Verdrängung gemeinschaftsrechtswidrigen nationalen Rechts aufgrund des Grundsatzes des Anwendungsvorranges darf somit nicht zu einer quasi-gesetzgeberischen Tätigkeit des erkennenden Gerichts führen. Wird der durch die anerkannten Auslegungsmethoden gesteckte Rahmen der Rechtsauslegung in dem Sinn überschritten, dass der normative Gehalt der betreffenden nationalen Regelung grundlegend neu gefasst wird, so kann nicht mehr von einer Normverdrängung kraft Anwendungsvorrangs gesprochen werden. Das "Regime", das an die Stelle der gemeinschaftsrechtswidrigen Rechtsnorm tritt, muss somit im Auslegungswege ermittelbar sein. Absolute Grenze jeder Auslegungsmethode muss dabei in Österreich der erkennbare gesetzgeberische Wille sein (Ehrke-Rabel, Gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation und Anwendungsvorrang im Steuerrecht, ÖStZ 2009/412, 194 unter Hinweis auf ).

Das Ergebnis der Bf, wonach die Bestimmung des § 57 Abs. 1 GSpG zur Gänze durch Unionsrecht verdrängt werde und daher für die von der Bf. organisierten Pokerspiele gar keine Glücksspielabgabenschuld entstehen könne, wird vom erkennende Gericht daher nicht geteilt.

Zum Einwand des Verstoßes des österreichischen Glücksspielmonopols gegen Unionsrecht

Zur Behauptung der Bf. im Schriftsatz vom , wonach das Bundesverwaltungsgericht im Erkenntnis vom , GZ W131 2247950-1/19E (Punkt 3.10. dritter Absatz) ausgesprochen habe, dass Art 56 AEUV der Anwendung des GSpG auf Pokerbetriebe infolge Unterlassens der Ausschreibung für Konzessionen zum Betrieb eines Pokersalons gemäß dem aufgehobenen § 22 GSpG entgegenstehe und somit unionsrechtswidrig sei, ist zunächst zu bemerken, dass Gegenstand dieser Entscheidung nur war, ob der Antrag auf Konzessionserteilung vom FA zu Recht wegen fehlender Antragslegitimation zurückgewiesen wurde.

Der 3. Absatz im Punkt 3.10 der Entscheidung lautet lediglich:

"Voraussetzung für die Vergabe einer Konzession ist, dass diese in Entsprechung des Transparenzgebotes, das sich aus den Art. 43 EG und 49 EG (nunmehr Art. 49 und 56 AEUV) sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergebe, anhand einer Ausschreibung zu erfolgen hat. Dementsprechend steht das Unionsrecht einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegen (vgl. in der Rs. Engelmann, C-64/08, Rz. 49ff)."

und heißt es anschließend:

"Ein subjektiv-öffentliches Recht zur Vergabe einer Konzession zum Betrieb einer Spielbank bzw. eines Pokersalons kann jedoch auch aus unionsrechtlichen Vorschriften nicht abgeleitet werden."

Die Zulassung der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde auch lediglich wie folgt begründet:

"weil einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und des EuGH hinsichtlich eines Eingriffes in die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs nach Art, 56 AEUV durch die Unterlassung einer Ausschreibung einer Poker - Konzessionsvergabe nicht ersichtlich ist."

Die Conclusio der Bf, wonach es "nach diesem Erkenntnis nicht auf die Zielsetzungen des GSpG ankommt, weil Art 56 AEUV der Anwendung des GSpG auf Unternehmen, die ausschließlich Poker auf gewerberechtlicher Grundlage anbieten, schon deshalb entgegensteht, weil Pokerkonzessionen ohne international Ausschreibung an die Casinos Austria AG als einzige Konzessionärin vergeben wurden und infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes die Vorschriften des GSpG aufgewerbliche Poker-Betriebe daher nicht angewendet werden dürfen." findet sich in der zitierten Entscheidung jedoch nicht.

Zu den Vorwürfen der Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols wird zunächst auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, insbesondere ua sowie auf das ausführliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Durch diese inhaltlichen Entscheidungen sind die durch das Glücksspielmonopol aufgeworfenen unions- und verfassungsrechtlichen Fragen als hinreichend geklärt anzusehen. Dabei wurde auch die Frage eines maßvollen Werbeauftritts der Konzessionäre behandelt, insgesamt aber eine gesamthafte Würdigung aller Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorgenommen. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit des Glücksspielmonopols und der Inanspruchnahme der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor, die in den oben genannten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs umfassend referiert wurden.

Weiters wird auf die erst jüngst an die Bf. ergangene Entscheidungen des Landesverwaltungsgericht Wien vom , GZ. VWG-002/V/011/15889/2021, Punkt 4.) "EU rechtliche Erwägungen zur Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes" sowie des Landesverwaltungsgericht Wien vom , GZ. VWG-002/V/011/5853/2022, Punkt 2.3.) "Zur Kohärenz und Systematik des Glücksspielgesetzes" verwiesen, die sich auch mit den Zielen des Glücksspielgesetzes wie Eindämmung der Spielsucht, des Spielerschutzes etc eingehend auseinandersetzen.

Nach der ständigen Judikatur des BFG hätte überdies selbst eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen über das Glücksspielmonopol keine Auswirkung auf die Glücksspielabgabe. Die Vorschriften der §§ 57 ff GSpG betreffend die Glücksspielabgaben sind Ausfluss der Steuerhoheit Österreichs und nicht des Glücksspielmonopols (vgl. ua ). Bei der Glückspielabgabe handelt es sich - ebenso wie bei der Wiener Vergnügungssteuer - um keine Sanktion für die Nichteinhaltung glücksspielrechtlicher Bestimmungen. Die Gesamtsteuerbelastung, die beide Marktteilnehmer aufgrund der Ausspielung trifft, setzt sich für einen Konzessionär und einen Nichtkonzessionär lediglich unterschiedlich zusammen (vgl. dazu und sowie mit weiteren Hinweisen).

Im Hinblick auf die jüngst ergangenen Beschlüsse des VfGH bestehen auch keine derartigen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass ein Antrag an den VfGH als geboten angesehen wird. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unterschiedlich geartete Ausspielungen unterschiedlich zu besteuern.

Weder der Verwaltungsgerichtshof (zB ) noch der Verfassungsgerichtshof (zB ) sahen sich bislang in Zusammenhang mit dem Vorbringen, die Abgabenbemessung nach den Spieleinsätzen sei exzessiv, würde den Umsatz des veranstaltenden Unternehmens übersteigen und zu deren wirtschaftlichen Ruin führen, veranlasst, diesbezüglich ein Gesetzesprüfungsverfahren wegen verfassungsrechtlicher Bedenken einzuleiten (vgl. dazu auch ). So hat der VfGH ua. ausgeführt: "Durch eine derartige Regelung werde nicht die Ausübung eines ganzen Erwerbszweiges unmöglich gemacht. Zwar könnten - wie bei jeder Besteuerung - die Rentabilität von Pokerstätten herabgesetzt und Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht werden, der Wesensgehalt der Grundrechte werde dadurch aber nicht berührt". Zudem ist es Sache des Betreibers des Kartencasinos, die Kartenspiele so zu organisieren, dass die Glückspielabgabe entrichtet werden kann (vgl. ).

Zur Anregung zur Stellung eines Vorabentscheidungsersuchen

Art 267 AEUV normiert, dass einem Gericht im Sinne dieser Bestimmung, dessen Entscheidungen mit einem Rechtsbehelf des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, die Berechtigung zukommt, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Eine wie immer geartete Verpflichtung, eine Vorabentscheidung in Fragen der Auslegung des Unionsrechts einzuholen, besteht für ein solches Gericht hingegen nicht.

Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts können durch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw durch Revision an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft Solcherart ist es ausgeschlossen, dass das Bundesfinanzgericht, indem es unterlässt, eine Frage der Auslegung des Unionsrechts dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen, Verfahrensvorschriften verletzt (vgl zB ).

Die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV sind auch durch die Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn 83 f, vom , Pfleger, C-390/12, Rn 47 ff, sowie vom , Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn 31, 35 ff).

Der erkennende Senat sieht es im gegenständlichen Verfahren aus folgenden Gründen nicht als erforderlich bzw zweckmäßig an, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen:

  1. Die von der Bf. aufgeworfenen Fragen iZm der Glücksspielabgabe nach § 57 GSpG sind nicht entscheidungswesentlich, weil es für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages reicht, dass die Abgabepflicht wahrscheinlich ist.

  2. Die Fragen zur Zulässigkeit des Glücksspielmonopols sind bereits geklärt und hätte selbst eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit des Monopols keine Auswirkung auf die gegenständliche Entscheidung.

Zur Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne der Bestimmung des § 232 BAO ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint ().

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () sind derartige Gefährdungen oder Erschwerungen u.a. bei drohendem Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben. Auch schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabenpflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabenpflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO.

Die objektive Gefährdung reicht für eine Sicherungsexekution aus. Es genügt, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass die Verhältnisse eine Gefährdung der Einbringung der anfallenden Abgaben mit sich bringen. Die Erschwerung der Einbringung wurde vom Finanzamt im angefochtenen Bescheid damit begründet, dass der sicherzustellende Abgabenbetrag die Höhe des vorhandenen (handelsrechtlichen) Eigenkapitals der Gesellschaft bei weitem übersteige und daher in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft stehe.

Das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag hat sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden ist, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben waren (vgl. sowie ).

Gemäß § 270 BAO (idF BGBl. I 14/2013) ist aber bei der Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag auf im Beschwerdeverfahren der Behörde zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise - welche sich allerdings auf die Überprüfung der Frage zu beschränken haben, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages die dafür erforderlichen Voraussetzungen objektiv gegeben waren -Bedacht zu nehmen (vgl. ; ).

Dem Einwand der Bf., dass es sich bei der Bf. um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen handle, ist zu entgegnen, dass hier die wirtschaftliche Lage der Bf. am maßgeblich ist und daher für deren Beurteilung nicht (nur) die Bilanz zum und die Ergebnisse der Wirtschaftsjahre 2015 bis 2017 herangezogen werden können. Das FA hat im Sicherstellungsauftrag vom nicht nur auf das Verhältnis zwischen Eigenkapital der Bf und voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld abgestellt, sondern auch zutreffend auf die Umsatzentwicklung (drastisches Sinken der Umsatzzahlen von € 482.565,52 im Jahr 2018 auf € 7.250,00 im Jahr 2019) hingewiesen.

Auch bei Betrachtung der Bilanzen zum und bestätigen sich die Ansicht des Finanzamtes über das - objektiv betrachtet - bestehende Missverhältnis zwischen den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Bf und der voraussichtlichen Abgabenschuld iHv € 268.254,47 und die zunehmend schlechter werdende wirtschaftliche Lage der Bf., sank doch das Eigenkapital der Bf. von (plus) € 34.446,31 zum auf (plus) € 26.262,40 zum und lag schließlich zum ein negatives Eigenkapital iHv - € 50.678,33 vor.

Der Bilanzverlust erhöhte sich in den dem Sicherstellungszeitpunkt vorangehenden Geschäftsjahren von - € 553,69 () auf - 8.377,60 () und schließlich auf - € 85.678,33 zum . Den über die Jahre relativ gleichbleibenden Verbindlichkeiten von € - 84.895,46 (), € - 69.672,45 (€ ) und € - 67.553,44 (€ ) steht eine ganz deutliche Reduzierung des Umlaufvermögens der Bf. von € 121.841,77 () auf € 97.934,85 () auf schließlich nur mehr € 18.375,11 () gegenüber. Ein Anlagevermögen wird von der Bf. in keinem der Jahresabschlüsse ausgewiesen und ist daher das FA zu Recht von einer Erschwerung der Einbringung der gegenständlichen Glücksspielabgabe bei weiterem Zuwarten ausgegangen.

Dazu kommt, dass die früheren Betreiberinnen des Pokercasinos am gegenständlichen Standort, bei denen ebenfalls Herr ***GF*** Geschäftsführer war bzw. ist und die ebenfalls zur sogenannten "***7***-Gruppe" gehörten, ihre Abgabenschuldigkeiten aus der Glücksspielabgabe nicht vollständig ans FA entrichtet haben und im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages über das Vermögen etlicher Gesellschaften der "***7***-Gruppe" bereits Insolvenzverfahren eröffnet waren. Auch diese Tatsache spricht zusätzlich für eine zunehmende Erschwerung der Einbringung der Glücksspielabgabe.

Zum Ermessen

Das der Abgabenbehörde eingeräumte Ermessen erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen des Abgabepflichtigen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen. Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergibt sich nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen des Abgabepflichtigen werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmsfällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit - ist daher von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen (; , 2007/15/0131).

Angesichts der - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages -voraussichtlichen Höhe des Abgabenanspruches und der wirtschaftlichen Situation der Bf. im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (insbesondere Vorliegen eines negativen Eigenkapitals bereits vor Beginn des Pokerbetriebes durch die Bf.; stetige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage) liegt kein derartiger Ausnahmefall, der die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht gerechtfertigt erscheinen ließe. Die von der Bf. angesprochene Tatsache, dass ihr gegenüber noch kein einziger Abgabenbescheid erlassen wurde, schafft keine derartige Ausnahmesituation, zumal dem Geschäftsführer der Bf. die ständige Judikatur zur Besteuerung von Ausspielungen in Pokercasinos hinlänglich bekannt ist, betreffen doch die höchstgerichtlichen Entscheidungen überwiegend Gesellschaften, bei denen er auch Geschäftsführer ist bzw war (siehe dazu auch den Hinweis des Finanzamtes im Vorlagebericht).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages sind durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Glücksspiel
betroffene Normen
§ 57 Abs. 1 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 2 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
§ 60 Abs. 36 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
Art. 56 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 59 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102415.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at