Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2022, RV/7400174/2017

Abweisung; Die Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung erfolgte zu Recht - Es liegt keine Einhebungsverjährung vor - Das Fungieren als Strohmann bei der Übernahme der Funktion des Geschäftsführers schließt das haftungsrelevante Verschulden nicht aus.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Franz Stefan Pechmann, Prinz Eugen Straße 70 /2/1.1, 1040 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratssabteilung 6,Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , betreffend Festsetzung der Geschäftsführerhaftung,, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , in Gegenwart der Schriftführerin Sabrina Klein, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Über die ***1*** wurde mit Beschluss des HG Wien vom , Aktenzeichen ***2***, der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss des HG Wien vom wurde der Konkurs nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Lt. Firmenbuch vertrat der Beschwerdeführer, (Bf), die Primärschuldnerin als Geschäftsführer ab selbstständig.

Die belangte Behörde teilte mit Vorhalt vom dem Bf. mit, dass er, als Geschäftsführer der Primärschuldnerin, gemäß § 80 Abs.1 BAO verpflichtet sei, dafür zu sorgen, dass die, die Primärschuldnerin betreffende, Abgaben aus den, von ihm verwalteten, Mitteln entrichtet werden.

Hinsichtlich der Gebrauchsabgabe hafte er gemäß § 9 Abs.5 Gebrauchsabgabegesetz neben, der von ihm vertretenen, Abgabepflichtigen, für die, diese treffende, Gebrauchsabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung, der ihm, als Geschäftsführer, auferlegten Verpflichtungen, nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Im vorliegenden Fall seien Rückstände an Gebrauchsabgabe incl. Nebengebühren im Gesamtbetrage von € 8.189,86 für die Fälligkeitszeiträume (Gebrauchsabgabe: € 567,91, Zinsen, Mahnungen, Pfändungsgebühren €:416,67, (Gebrauchsabgabe: € 1.017,90 incl. Mahnungen, Säumniszuschläge €:30,73), (Gebrauchsabgabe € 678,60 incl. Pfändungsgebühr, Säumniszuschlag; € 28,48), . (Gebrauchsabgabe €: 783,00, incl. Säumniszuschlag: € 15,66) , (Gebrauchsabgabe € 1.953,15 incl. Säumniszuschlag € : 39,06), (Gebrauchsabgabe: € 1.215,20 incl. Säumniszuschlag € 28,30) und (Gebrauchsabgabe € 1.415,20 ) gegeben.

Nunmehr werde dem Bf., als Geschäftsführer, iSd § 183 Abs.4 BAO, Gelegenheit gegeben sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens bzw. im Rahmen einer persönlichen Vorsprache zu diesem Sachverhalt bzw. zu dieser Beweisaufnahme zu äußern. Außerdem lud die belangte Behörde den Bf. ein, für die genannten Fälligkeitszeiträume eine Liquiditätsaufstellung vorzulegen und die Gleichbehandlung aller Gläubiger nachzuweisen. Sollte der Bf., seine Zahlungsverpflichtung anerkennen, so werde Begleichung des genannten Rückstandes ersucht.

Mit Schreiben vom erklärte der rechtsfreundlich vertretene Bf. dass ihm, nach fast sieben Jahren, die geforderte Liquiditätsaufstellung naturgemäß nicht möglich sei. Aus seiner vagen Erinnerung heraus an die Zeit unmittelbar vor Konkurseröffnung könne er angeben, im relevanten Zeitraum keine Gläubigerforderungen mehr beglichen zu haben. Er habe sich nach Übernahme der Geschäftsführung überhaupt erst ein Bild über die ausgesprochen triste wirtschaftliche Lage der Primärschuldnerin machen müssen. Er habe nach dem Erkennen der absoluten Aussichtslosigkeit der weiteren Unternehmenstätigkeit von sämtlichen weiteren Geschäftsaktivitäten Abstand genommen und sich schon vor Konkurseröffnung physisch zurückgezogen.

In der Folge setzte die belangte Behörde, mit dem, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten, Bescheid gegenüber dem Bf. die Geschäftsführerhaftung, betreffend die genannte Abgabe und Nebengebühr für die genannten Fälligkeitszeiträume, im Gesamtbetrag von € 7.758,28 fest. Der Unterschiedsbetrag zu dem im Vorhalt vom ergibt sich dadurch, dass zwischenzeitlich für den Fälligkeitszeitraum die o.a. Nebengebühren und für den Fälligkeitszeitraum € 14,91 an Säumniszuschlag entrichtet worden ist.

Nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe sich der Geschäftsführer bei Übernahme seiner Geschäftstätigkeit darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die, von ihm nunmehr vertretene, Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Dem Geschäftsführer obliege die Beweislast, dass er sich in diesem Sinne unterrichtet hat. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass ein Vertreter für die nötigen Beweise Vorsorge zu treffen hat. Schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger sei es dem Bf. zumutbar gewesen, sich spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit Abgabenrückstände unberichtigt aushaften-jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorlage von Beweismittel zeitlich insofern beschränkt wäre. als diese nach dem Ablauf von sieben Jahren nicht mehr erforderlich wäre. Es sei am Bf. gelegen, geeignete Unterlagen bis zur Abstattung der Abgabenschulden aufzubewahren.

Der Bf. habe kein Vorbringen erstattet, wonach er von den Abgabenrückständen der Primärschuldnerin ohne sein Verschulden keine Kenntnis gehabt hätte. Er habe somit die, ihm, als m Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer, auferlegten Pflichten schuldhaft verletzt, und sei daher für den bescheidgegenständlichen, bei der Primärschuldnerin uneinbringlich gewordenen Rückstand haftbar.

Dagegen erhob der Bf., durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, fristgerecht Beschwerde. Er beantragte die Aufhebung des bekämpften Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Er habe sich nach Übernahme der Geschäftsführertätigkeit beim vormaligen Alleingesellschafter über allfällige Abgabenrückstände der Gemeinschuldnerin erkundigt und habe die sinngemäße Antwort erhalten, es sei alles bezahlt. Die vertragsgemäße Einsicht in die Buchhaltungs- und Geschäftsunterlagen hätten diese Auskunft bestätigt. Darüber hinaus habe sich der abtretende Gesellschafter verpflichtet, allfällig auftretende, noch von ihm zu vertretenden Verbindlichkeiten, zu berichtigen und den Erwerber diesbezüglich klag-und schadlos zu halten. Weiter Informationsquellen seien dem Bf. nicht zur Verfügung gestanden. Er sei daher seiner "Unterrichtungsverpflichtung" iSd einschlägigen Judikatur des VwGH ordnungsgemäß nachgekommen. Diese habe ohne sein Verschulden nicht zum korrekten Ergebnis geführt. Des Weiteren verwies der Bf. auf seine Äußerung vom .

Vorgelegt wurde der Abtretungsvertrag vom , wonach der Bf. als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden ist.

Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. In Pkt. zweitens des Abtretungsvertrages sei ausdrücklich festgehalten worden, dass sich der, für einen Geschäftsanteil von 35.000,00 Euro zu leistende, Abtretungspreis von 1,00 Euro aus der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens ergibt. Es sei für den Erwerber einer Baufirma naheliegend, dass im Baugewerbe tätige Unternehmen standardmäßig öffentlichen Grund benutzen und dafür in der Regel Gebrauchsabgaben zu leisten sind. Im Merkblatt für GmbH-Geschäftsführer, als Bestandteil des Abtretungsvertrages, sei der Bf. ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Geschäftsführer auch für Abgaben haften, die vor ihrer Geschäftsführungstätigkeit fällig geworden sind und dass insbesondere Abgabenbehörden und Sozialversicherungen von Haftungsbestimmungen extensiven Gebrauch machen. Der Bf. hätte somit den Beteuerungen seines Vorgängers keinen Glauben schenken dürfen, und sich bei der gebotenen kaufmännischen Vorsicht vor Übernahme der Geschäftsführertätigkeit bei eventuellen Gläubigern und der Abgabenbehörde über Rückstände informieren müssen.

Dem Bf. wäre es obliegen, vom Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit () bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung () Geschäftsaufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben der Primärschuldnerin zu führen und aufzubewahren. Die Umstände, dass dies nicht erfolgte und er auch keine Chronologie zur Liquidität der Primärschuldnerin aufbewahrt hatte, seien nicht geeignet, die von ihm behauptete Schuldlosigkeit an den verfahrensmaßgeblichen Abgabenrückständen zu untermauern.

Dagegen stellte der rechtsfreundlich vertretene Bf.-unter Aufrechterhaltung des Beschwerdevorbringens und der Beschwerdeanträge- fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 264 Abs.1 BAO

In der am vor dem Bundesfinanzgericht,(BFG), durchgeführten mündlichen Verhandlung verwies der rechtliche Vertreter des Bf. auf das bisherige Vorbringen im Beschwerdeverfahren und machte -aus anwaltlicher Vorsicht- das Vorliegen der Einhebungsverjährung nach § 238 BAO bzw. das Vorliegen der absoluten zehnjährigen Festsetzungsverjährungsfrist geltend.

Der Bf. gab an, beim Erwerb des Unternehmens der Primärschuldnerin als Strohmann fungiert zu haben. Er habe zu dieser Zeit in Ungarn seinen Job gehabt und nie für die Primärschuldnerin gearbeitet. Er habe weder als Geschäftsführer der Primärschuldnerin, noch davor mit dem Unternehmen etwas zu tun gehabt. Er könne daher zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens keine Auskunft geben. Man habe ihn erst zwei Jahre nach dem Konkurs mitgeteilt, dass gegenüber der Primärschuldnerin noch Sozialversicherungsforderungen offen seien. Diese seien auch beglichen worden. Nach Unterfertigung des Abtretungsvertrages habe er mit der Primärschuldnerin nichts mehr zu tun gehabt. Er habe daher auch ab diesem Zeitpunkt keine Feststellungen zur absoluten Aussichtslosigkeit der Unternehmensfortführung treffen können. Er habe Aufzeichnungen über die wirtschaftliche Lage der Primärschuldnerin weder bei Vertragsunterfertigung übernommen noch habe er danach solche Aufzeichnungen geführt, wie beispielsweise eine Aufstellung über die Schulden der Primärschuldnerin und die Begleichung derselben oder Aufzeichnungen über die vorhandenen liquiden Mittel und deren quotenmäßige Verwendung zur Schuldentilgung.

Der Vertreter der Amtspartei gab an, dass seitens der belangten Behörde seit dem Jahr 2010 versucht worden sei, mit dem Bf. Kontakt aufzunehmen. Dieser habe sich erst im Jahr 2013 im Zentralmelderegister gemeldet.

Der Vertreter der Amtspartei hielt in seinem Schlusswort deren Ausführungen im gesamten Beschwerdeverfahren aufrecht, und beantragte die Abweisung der Beschwerde,

Der Vertreter des Bf. erklärte in seinem Schlusswort das Beschwerdevorbringen formal aufrecht zu erhalten und verwies auf die Ergänzung der Verjährungseinrede. Was, seit 2010 an Unterbrechungshandlungen gemacht wurde, könne er nicht feststellen. Er beantragte namens seines Mandanten die Stattgabe seiner Beschwerde und die Aufhebung des Haftungsbescheides.

Das Bundesfinanzgericht, (BFG) hat hiezu erwogen:

Rechtslage:

§ 207 Abs.1 und 2 Bundesabgabenordnung, (BAO), lautet:

"(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe."

§ 208 Abs.1 lit.a BAO lautet:

"Die Verjährung beginnt

a) in den Fällen des § 207 Abs.2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht in Abs.2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird."

§ 238 Abs.1 und 2 BAO lautet:

Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

§ 209a gilt sinngemäß.

Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen"

§ 9 Abs. 1 Bundesabgabenordnung, (BAO), lautet:"

Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 80 Abs. 1 BAO lautet

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 224 Abs. 1 BAO lautet

"Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten."

Dem gegenständlichen Verfahren wird nach o.a. Aktenlage nachstehender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Über das Vermögen der Primärschuldnerin ist mit Beschluss des HG Wien vom der Konkurs eröffnet worden. Mit Beschluss des HG Wien vom die Masseunzulänglichkeit festgestellt worden.

Für die Fälligkeitszeiträume 30,07.2009,,,, und haften bei der belangten Behörde Rückstände der Primärschuldnerin an Gebrauchsabgabe samt Nebengebühren im Gesamtbetrag von € 7.758,28 aus:

Der Bf. ist mit Abtretungsvertrag vom zum alleinigen Geschäftsführer bestellt worden, und hat mit diesem Vertrag das Unternehmen als alleiniger Gesellschafter übernommen. Die o.a Abgabenrückstände sind vor dessen Bestellung als Geschäftsführer fällig geworden. Bei der Unternehmensabtretung fungierte der Bf. als Strohmann.

Beweiswürdigung:

Im zu beurteilenden Fall ist unbestritten, dass der o.a. Abgabenrückstand existiert und bei der Primärschuldnerin aufgrund des o.a. Konkurses nicht mehr einbringlich ist. Es ist nach Einsichtnahme in den o.a. Abtretungsvertrag vom und in das Firmenbuch zu FN ***3*** als erwiesen anzusehen, dass der Bf mit diesem Abtretungsvertrag zum alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Primärschuldnerin bestellt worden ist und im Firmenbuch mit diesem Tag als alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen ist. In die Zeit dieser Bestellung fällt keine unternehmerische Tätigkeit.

Zur Einrede der Verjährung ist festzustellen:

Die Inanspruchnahme persönlich Haftender durch Haftungsbescheid stellt eine Einhebungsmaßnahme dar; Sie ist nur zulässig, wenn die Einhebungsverjährung gegenüber dem Hauptschuldner noch nicht eingetreten ist.(vgl.z.B. ).

Die Einhebungsverjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist. Sie endet keinesfalls jedoch früher als die Bemessungsverjährung. Dies hat insbesondere für hinterzogene Selbstbemessungsabgaben Bedeutung. (z.B. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 238 Anm 2))

Eine absolute Verjährung ist im Unterschied zur Bemessungsverjährung (vgl. § 209 Abs.3) für die Einhebungsverjährung nicht geregelt. (; ,95/14/0064)

Eine Amtshandlung als Unterbrechungshandlung nach § 238 Abs.2 BAO muss nach außen erkennbar sein. Sie muss dem Abgabepflichtigen nicht zur Kenntnis gelangt sein. (; , 89/13/0189;,2002/14/0151; ,2010/13/0153)

Mit Ablauf des Jahres, mit welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Anfragen an Meldebehörden, aus denen eindeutig hervorgeht, wem diese Anfrage betrifft, gelten nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. VwGH14.11.1996, 96/16/0217) als Verjährungsunterbrechung.

Im vorliegenden Fall ist eine Anfrage der belangten Behörde (ZMR-Abfrage) vom , also kurz vor Aufhebung des Konkurses der Primärschuldnerin, betreffend die österreichische Meldeadresse des Bf., aktenkundig. Diese Anfrage zielt somit auf die allfällige Begleichung der verfahrensgegenständlichen Abgabenrückstände durch den Bf. ab.

Im Lichte der vorstehenden rechtlichen Ausführungen bewirkte diese, nach außen erkennbare Amtshandlung, unbeschadet dessen, dass sie erfolglos war und der Bf. von dieser Amtshandlung keine Kenntnis hatte, (vgl. ; ,2005/16/0095; , 2010/13/0153), eine Verjährungsunterbrechung, die nach § 238 Abs.2 letzte Satz BAO zu Folge hatte, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2012 neu zu laufen begonnen hat; d.h. dass die Frist zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheides erst mit verjährt ist.

Da dieser Haftungsbescheid vom gegenüber dem Bf. mit Zustellung an seinen Zustellbevollmächtigten vom erlassen worden ist, war die belangte Behörde zu dieser Einbringungsmaßnahme noch berechtigt.

Der Verjährungseinrede war somit der Erfolg zu versagen.

Zur inhaltlichen Rechtmäßigkeit des bekämpften Haftungsbescheides ist festzustellen:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären. (vgl. ; ,99/14/0218; , 2009/15/0013)

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung (vgl. )

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden. Abgesehen von der Abgabenentrichtung gehören zu den abgabenrechtlichen Pflichten vor allem

die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen (z.B. )

die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen (z.B. ; ,2001/14/0006)

die Offenlegungs-und Wahrheitspflicht ()

Der Zeitpunkt für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären. (Z.B. )

Bei Übernahme einer Vertretungstätigkeit hat sich der Übernehmer darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß der von ihm nunmehr Vertretene bisher seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. (,0006,0007; ,2006/13/0094; ,2011/16/0079)

Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Verpflichtungen berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert (es genügt auch leichte Fahrlässigkeit), z.B. ,0038; , 95/15/0137)

Unkenntnis vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren. ()

Der Vertreter hat nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung iSd § 9 Abs 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war. Für die Haftung nach § 6a KommStG und nach

Dem Vertreter obliegt dabei kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die zB der gebotenen rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (; , 2005/17/0259, 2006/17/0002; zumindest "qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast" nach ; , 99/14/0120) (Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 9 Rz 22).

Der Bf, hat als ausgewiesener Geschäftsführer der Primärschuldnerin, keine der o.a. Pflichten erfüllt und hat dazu in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht beim Abschluss des verfahrensgegenständlichen Abtretungsvertrages, lediglich als Strohmann fungiert zu haben. Gemäß dieser Verantwortung ist er sohin, im Interesse einer anderen Person bzw. anderer Personen, als Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin vorgeschickt worden.

Im zu beurteilenden Fall ist dem Bf. die Primärschuldnerin zum Symbolpreis von € 1,00-expliziet aufgrund deren schlechter wirtschaftlicher Lage-vertraglich abgetreten worden. Mit diesem Abtretungsvertrag ist der Bf. ausdrücklich als Geschäftsführer bestellt worden. Nahezu zwei Monate nach Abschluss dieses Abtretungsvertrages und Bestellung des Bf.,als Geschäftsführer, ist über dieses Unternehmen-ohne Aufnahme einer weiteren Unternehmenstätigkeit --der Konkurs eröffnet worden-

Aufgrund der allgemeinen Lebens-und Amtserfahrung erscheint, aufgrund dieser aufgezeigten Tatsachen, es wahrscheinlicher, dass die Abtretung des Unternehmens der Vorschickung des Bf., als Strohmann, als der Unternehmensfortführung diente.

Somit nahm der Bf. zu Beginn seiner Bestellung als Geschäftsführer eine Beschränkung in Kauf, die ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen als Geschäftsführer verunmöglichten.

Erklärt sich ein Vertreter bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden (oder nimmt er eine solche Beschränkung in Kauf) die ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen unmöglich macht, so liegt hierin ein haftungsrelevantes Verschulden. (Z.B. ;, 2001/13/0168; , 2006/13/0052; 16.10,2014, Ra 2014/16/0026). Das Fungieren als Strohmann bei der Übernahme der Funktion des Geschäftsführers schließt somit kein haftungsrelevantes Verschulden aus.

Der Bf. konnte somit keine Gründe darlegen, die für den Ausschluss seines geschäftsführerhaftungsrelevanten Verschuldens an der Nichtentrichtung des gegenständlichen Abgabenrückstandes sprechen.

Die Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung ist eine Ermessenentscheidung, welche die belangte Behörde, iSd § 20 BAO, in Abwägung des Kriteriums der Zweckmäßigkeit gegenüber dem der Billigkeit zu treffen hatte.

Unter Zweckmäßigkeit ist im Allgemeinen das öffentliche Interesse insbesondere an der Einbringung der Abgaben zu verstehen. (; ,2009/16/0085).

Unter Billigkeit kann primär und im Allgemeinen die Bedachtnahme auf die Interessen der Partei also auf die Angemessenheit einer Lösung in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei verstanden werden. (; ,2003/17/0132; , 2009/15/0161).

Im zu beurteilenden Fall wurden Billigkeitsgründe von dem Bf. weder geltend gemacht noch ergeben sie sich aus der Aktenlage.

Sohin räumte die belangte Behörde zu Recht Zweckmäßigkeitserwägungen- insbesondere dem grundsätzlich gegebenen Interesse der Allgemeinheit an der Vermeidung von Abgabenausfällen- gegenüber Billigkeitserwägungen den Vorrang ein. Die Erlassung des Haftungsbescheides im Rahmen des dafür gebotenen Ermessens erfolgte sohin zu Recht.

Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Zulässigkeit der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht stützt die Entscheidung auf die o.a. einschlägigen des Verwaltungsgerichtshofes.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist nicht zulässig.

Aus den aufgezeigten Gründen war spruchgemäß zu entscheide

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400174.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at