Unzulässigkeit eines Vorlageantrages, Aufhebung einer nicht an den Beschwerdeführer ergangenen Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** - ***1***, und ***Bf2***, ***Bf2-Adr***, beide vertreten durch Johannes Majer (Steuerservice Majer GmbH), Prebuch 23, 8211 Albersdorf-Prebuch, über den Vorlageantrag vom betreffend die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben, vom zur Zahl MA 6/ARL - ***Zahl***, mit welchem der ***Bf1*** für das Halten von vier Glücksspielautomaten in ***Standort***, Glücksspielautomatenabgabe für die Monate Jänner und Februar 2017 in Höhe von 11.200,00 Euro und ein Säumniszuschlag in Höhe von 224,00 Euro vorgeschrieben wurde,
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerdevorentscheidung vom wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. beschlossen:
Der Vorlageantrag des ***Bf2*** wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückgewiesen.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Magistrat der Stadt Wien schrieb der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, mit Bescheid vom , zugestellt am , für die Monate Jänner und Februar 2017 gemäß § 1 Glücksspielautomatenabgabegesetz für das Halten von vier Spielapparaten der Type "ACT" am Standort in ***Standort***, Glücksspielautomatenabgabe in Höhe von 11.200,00 Euro und einen Säumniszuschlag in Höhe von 224,00 Euro vor.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien MA 6 vom wurde Herr ***Bf2*** gemäß § 2 Glücksspielautomatenabgabegesetz iVm § 80 Abs. 1 BAO als Geschäftsführer der ***Bf1*** u.a. auch für die genannten Abgaben zur Haftung mit der Begründung herangezogen, der Abgabenrückstand sei bei der Primärschuldnerin laut Auskunft der slowakischen Behörden uneinbringlich.
Herr ***Bf2*** sei im Firmenbuch als Geschäftsführer der Abgabepflichtigen eingetragen und daher verantwortlicher Vertreter. Die schuldhafte Verletzung der ihm gemäß § 80 BAO auferlegten Pflichten sei im gegenständlichen Fall dadurch gegeben, dass er es unterlassen habe, für die termingerechte Entrichtung der Steuern zu sorgen. Es sei daher die gesetzliche Voraussetzung für die Haftungs- und Zahlungspflicht gegeben.
Die Abgabepflichtige schulde den im Spruch zitierten Betrag. Die gegenständlichen Abgabenansprüche resultierten aus den zu den Vertragsgegenständen geführten und in Rechtskraft erwachsenen Bemessungsverfahren und den Kontoständen.
Herr ***Bf2*** brachte gegen den Haftungsbescheid am rechtzeitig eine Beschwerde ein, in der er einwandte, die ***Bf1*** sei vermögenslos und sei dies auch bei seinem Eintritt gewesen, die Steuern seien offensichtlich schon längst fällig gewesen und er sei auch nicht für deren rechtzeitige Abfuhr verantwortlich gewesen, da er erst im Jahr 2018 als Geschäftsführer eingetreten sei.
Bereits mit Eingabe vom hatte Herr ***Bf2*** unter anderem auch gegen den an die ***Bf1*** ergangenen Bescheid vom , in welchem dieser gemäß § 1 Glücksspielautomatenabgabegesetz für das Halten von vier Spielapparaten der Type "ACT" am Standort in ***Standort***, in den Monaten Jänner und Februar 2017, Glücksspielautomatenabgabe in Höhe von 11.200,00 Euro und einen Säumniszuschlag in Höhe von 224,00 Euro vorgeschrieben worden war, Beschwerde eingebracht.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde diese als unbegründet abgewiesen als Bescheidadressat aber nicht Herr ***Bf2*** sondern die ***Bf1*** zHd. Herrn ***Bf2*** angeführt und die Beschwerdevorentscheidung zuhanden deren rechtsfreundlichen Vertretung zugestellt.
Fristgerecht beantragte die rechtsfreundliche Vertretung sowohl als Vertreterin der ***Bf1*** als auch von Herrn ***Bf2*** die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Im Vorlageantrag hielt die rechtsfreundliche Vertretung fest, dass die Beschwerdevorentscheidung widersprüchlich sei, weil sie an die ***Bf1*** gerichtet sei, im Spruch aber Herr ***Bf2*** aufscheine. Der Vorlageantrag werde daher lediglich aus advokatorischer Vorsicht gestellt. Nach Ansicht der Antragsteller liege ein unlösbarer Zustellmangel vor.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und fasste im Vorlagebericht vom das Verwaltungsgeschehen zusammen, ging aber auf den Einwand im Vorlageantrag nicht ein.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Herr ***Bf2*** wurde mit Bescheid vom u.a. auch zur Haftung für die mit Bescheid vom gegenüber der ***Bf1*** festgesetzte Glücksspielautomatenabgabe in Höhe von 11.200,00 Euro und einen Säumniszuschlag in Höhe von 224,00 Euro für das Halten von vier Spielapparaten der Type "ACT" am Standort in ***Standort***, in den Monaten Jänner und Februar 2017 herangezogen.
Bereits vor Rechtswirksamkeit des Haftungsbescheides brachte Herr ***Bf2*** am eine Beschwerde gegen diesen gegenüber der ***Bf1*** ergangenen Bemessungsbescheid ein.
Über diese Beschwerde entschied der Magistrat der Stadt Wien, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, am mit Beschwerdevorentscheidung, die die belangte Behörde jedoch nicht an den Beschwerdeführer, Herrn ***Bf2***, sondern an die ***Bf1*** zu Handen ***Bf2*** adressierte und zustellte.
Die rechtsfreundliche Vertretung stellte im Auftrag von Herrn ***Bf2*** und der ***Bf1*** fristgerecht einen Vorlageantrag.
Beweiswürdigung
Das geschilderte Verwaltungsgeschehen ergibt sich aus den von der belangten Behörde - unvollständig - vorgelegten Unterlagen sowie aus den im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid vom ergangenen Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7400027/2021, festgehaltenen Daten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung der Berufungsvorentscheidung):
Gemäß § 248 erster Satz BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1 BAO) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.
Über Bescheidbeschwerden ist gemäß § 262 Abs. 1 BAO nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Ist in der Beschwerdevorentscheidung die Bescheidbeschwerde
weder als unzulässig oder als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260 BAO) noch
als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 86a Abs. 1 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3 BAO, § 261 BAO) zu erklären,
so ist der angefochtene Bescheid gemäß § 263 Abs. 1 BAO nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 263 Abs. 3 BAO wirkt eine Beschwerdevorentscheidung wie ein Beschluss (§ 278 BAO) bzw. ein Erkenntnis (§ 279 BAO) über die Beschwerde.
Ein Erkenntnis über das Bestehen und die Höhe einer Abgabenschuld, das auf Grund einer vom Haftungspflichtigen eingebrachten Bescheidbeschwerde (§ 248 BAO) ergeht, wirkt gemäß § 281 Abs. 2 BAO auch für und gegen den Abgabepflichtigen. Gemäß § 263 Abs. 4 BAO gilt § 281 BAO sinngemäß für Beschwerdevorentscheidungen.
Damit ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes oder eine Beschwerdevorentscheidung auch Wirkung gegenüber dem Erstschuldner erlangen kann, muss eine den angefochtenen Abgabenbescheid abändernde oder aufhebende Erledigung auch allen Personen zugestellt werden, denen der zugrundeliegende Abgabenbescheid bekannt gegeben worden ist. Die Entscheidung über die Beschwerde des Haftenden gegen den Anspruch kann gegenüber dem vorangehenden Bescheid, damit auch gegenüber dem Erstschuldner verbessernd aber auch verbösernd wirken. Wiewohl er nicht Erstberufener war, ist der Erstschuldner nunmehr berechtigt, einen Antrag auf Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes über die Beschwerde des Haftenden zu stellen (vgl. Stoll, BAO, 2559; sowie Ritz, BAO7, § 248, Rz 11)
Im gegenständlichen Fall hat der Haftungspflichtige noch vor Ergehen des Haftungsbescheides eine Beschwerde gegen den Abgabenbescheid eingebracht, die jedoch den in § 250 Abs. 1 BAO festgelegten Anforderungen an eine Beschwerde nicht in vollem Umfang gerecht wird. Eine Beschwerdevorentscheidung über diese Beschwerde ist aber bis dato nicht an ihn, sondern lediglich an die Abgabenschuldnerin ergangen. Damit aber eine Beschwerdevorentscheidung der Abgabenschuldnerin gegenüber wirksam werden kann, muss sie zunächst an den beschwerdeführenden Haftungspflichtigen ergehen.
Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdevorentscheidung gegenüber dem Haftungspflichtigen nicht wirksam geworden ist, kann sie auch keine Wirkung gegenüber der Abgabenschuldnerin im Sinne des § 281 Abs. 2 BAO entfalten, weshalb eine Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dieser gegenüber im Hinblick darauf, dass sie gar keine Beschwerde eingebracht hat, unzulässig ist.
Die Beschwerdevorentscheidung vom war daher ersatzlos aufzuheben.
Anzumerken ist, dass über die Beschwerde des Herrn ***Bf2*** damit bislang nicht entschieden wurde.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Zurückweisung)
Gemäß § 78 Abs. 1 BAO ist Partei im Abgabenverfahren der Abgabepflichtige (§ 77 BAO), im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259 BAO) oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag (§ 264 BAO) gestellt hat.
Andere als die genannten Personen haben gemäß § 78 Abs. 3 BAO die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.
Für schriftliche Bescheide gelten gemäß § 93 Abs. 1 BAO außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6 leg. cit., wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO bei schriftlichen Erledigungen abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen durch Zustellung.
Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Gemäß § 264 Abs. 2 BAO ist zur Einbringung eines Vorlageantrages
der Beschwerdeführer, ferner
jeder, dem gegenüber die Beschwerdevorentscheidung wirkt,
befugt.
Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO für Vorlageanträge sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht zulässiger oder nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.
Unzulässig ist ein Vorlageantrag insbesondere wegen mangelnder Befugnis des Antragstellers.
Erging an den Beschwerdeführer keine Beschwerdevorentscheidung, so ist dieser nach § 264 Abs. 2 BAO auch nicht zur Einbringung eines Vorlageantrags betreffend eine an ihn nicht ergangene Beschwerdevorentscheidung legitimiert. Die Beschwerdevorentscheidung wirkt auch nicht gegen ihn (vgl. Ritz BAO7, § 264 Rz 17; sowie bspw. ).
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde zwar über die Beschwerde des Herrn ***Bf2*** abgesprochen, die Beschwerdevorentscheidung aber an die ***Bf1*** adressiert und zugestellt. Sie konnte daher gegenüber Herrn ***Bf2*** niemals rechtswirksam werden.
Aus diesem Grund ist dieser auch nicht berechtigt, einen Vorlageantrag zu stellen. Der Vorlageantrag war daher gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm. § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.
3.3. Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die rechtliche Beurteilung der Fragen, an wen eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen hat, und wer berechtigt ist, gegen eine Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag zu stellen, bereits aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 263 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 281 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400049.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at