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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.08.2022, RV/4100331/2020

Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom betreffend erhöhte Familienbeihilfe für Kind1, geb. xx, für den Zeitraum Februar 2016 bis Mai 2019, für Kind2, geb. yy, für den Zeitraum Juni 2015 bis Mai 2019, und für Kind3, geb. zz, für den Zeitraum Juni 2015 bis April 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am für ihre Söhne Kind1, geb. xx, und Kind2, geb. yy die erhöhte Familienbeihilfe ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung sowie mit Antrag vom für ihren am zz geborenen Sohn Kind3 die Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe ebenfalls ab dem vorgenannten Zeitpunkt.

In den daraufhin über Ersuchen des Finanzamtes und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurden unter Hinweis auf Anamnese, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund

1) für Kind1 die Gesundheitsstörung

diagnostiziert und dafür nach der o.a. Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 06/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt (GdB von 30% liegt seit 11/2014 vor).
Begründend wurde ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
Höherstufung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50% im Vergleich zum Vorgutachten vom , da nach Vorlage neuer Befunde das Leiden 1 neu bewertet werden musste
."
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
" Klinisch-psychologische Praxis, Mag. ***1***, Klinische Psychologin, ***2***
Klinisch-psychologische Bestätigung
Diagnosen: ausgeprägte Angststörung nach posttraumatischer Belastungsstörung
Klinisch-psychologische Praxis, Mag.
***1***, Klinische Psychologin, ***2***
Klinisch-psychologische Bestätigung
Diagnosen: Angst- und posttraumatische Belastungsstörung Schulbesuch nur eingeschränkt möglich.
"
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

2) für Kind3 die Gesundheitsstörung

diagnostiziert und dafür nach der o.a. Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 05/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt.
Begründend wurde ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
Höherstufung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50% im Vergleich zum Vorgutachten vom , da Leiden 1 nach Vollendung des 18. Lebensjahres neu bewertet werden musste.
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Schriftlicher Nachweis der posttraumatischen Belastungsstörung erstmals im Mai 2019.
Herr
Kind3 ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Kind3 erreicht keine Selbsterhaltungsfähigkeit."
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
" Ordination Dr. ***3***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, ***4***
Fachärztliches Attest
Diagnose: Depressives Zustandsbild im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung
Bundessozialamt für
***5***, ***4***
Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 30% (Entwicklungseinschränkung)
Bundessozialamt für
***5***, ***4***
Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 30% (Anpassungsstörung, Angst u. Depression gemischt)
."
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

In dem ebenfalls im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für 3) Kind2 erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, relevanter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund folgende Diagnose erstellt und dafür nach der angegebenen Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) ein Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 50 v. H. seit 06/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, (GdB von 30% liegt seit 07/2009 vor), festgestellt:

Begründend wurde ausgeführt:
"Stellungnahme zu Vorgutachten:
Höherstufung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 50% im Vergleich zum Vorgutachten vom , da Leiden 1 neu bewertet werden musste.
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Erstmaliger schriftlicher Nachweis einer posttraumatischen Belastungsstörung im Juni 2019
."
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
" Ordination Dr. ***3***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, ***4***
Fachärztliches Attest
Diagnose: Schweres depressives Zustandsbild im Rahmen einer Posttraumatischen Störung. Ausführliche psychologische und psychotherapeutische Begutachtung.
Bundessozialamt für
***5***, ***4***
Ärztliches Sachverständigengutachten: GdB 30% (Entwicklungsstörung
)"
Dieses Gutachten vidierte die leitende Ärztin am .

Im Bescheid vom wurde unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) der Antrag der Bf. für Kind3, geb. zz, für den Zeitraum Juni 2015 bis April 2019, für Kind1, geb. xx, für den Zeitraum Februar 2016 bis Mai 2019 und für Kind2, geb. yy, für den Zeitraum Juni 2015 bis Mai 2019 abgewiesen. In der Begründung führte das Finanzamt aus, dass die für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe erforderliche 50%ige Behinderung für Kind3 ab 05/2019, für Kind1 und Kind2 ab 06/2019 bescheinigt worden sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung ein, dass sie die rückwirkende Zuerkennung und Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe beantragt, da die Traumatisierung ihrer drei Söhne Kind2, Kind3 und Kind1 bereits im Jahr 2013 erfolgte.

Vom Finanzamt wurden unter Vorlage der Beschwerde nochmals Gutachten beim Sozialministeriumservice beantragt.
Sodann wurden weitere ärztliche Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen für Kind1 am , für Kind3 am und für Kind2 am unter Einbeziehung der von der Beschwerdeführerin zusätzlich vorgelegten Unterlagen erstellt:

1) für Kind1 wurde die Gesundheitsstörung

diagnostiziert und dafür nach der o.a. Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. seit 06/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt (GdB von 30% liegt vor seit 09/2014). Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Juni 19 Befund Mag
***1***, der Einschätzung auch rückwirkend bis dahin zulässt. Keine Befunde ab 2016, die rückwirkend höhere Einschätzung ermöglichen könnten.
Herr
Kind1 ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
gute Intelligenz, aber massive soziale und emotionale psychiatrische Problematik, derzeit unbehandelt."

Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
"18.10. + ***6***
zu Hause beschult, posttraumattische Belastungsstörung
***3***
Mutter: psychiatrische Erkrankungen, Panikstörung, Borderline
."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

2) für Kind3 wurde die Gesundheitsstörung

diagnostiziert und dafür nach der o.a. Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. seit 05/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt (GdB 30% liegt vor seit 09/2014). Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
mangels Befunde Arztbriefe im Zeitraum 2015 - 2019 keine rückwirkende Einschätzung möglich
Herr
Kind3 ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist nicht vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Persönlichkeitsstörung , Zn psychotischem Schub, Medikation abgesetzt, derzeit nicht arbeitsfähig oder in Arbeitswelt integrierbar
."
Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
" ***7***
F43.2 Anpassungsstörung, Angst und Depression gemischt, Homeschooling empfehlenswert Psychiatrie Klagenfurt
sonstige nichtorganische psychotische Störungen, psychische und Verhaltensstörung durch Cannabinoide: schädlicher Gebrauch, kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen.
Zyprexa VT 5 mg bei Bedarf, Biperiden 4 mg 0-0-0-1, Risperidon 4 mg 0-0-0-1, Zyprexa VT 10 mg 0-0-0-2. Regelmäßige Facharzt KO und Psychotherapie
."
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

3) für Kind2 wurde die Gesundheitsstörung

diagnostiziert und dafür nach der o.a. Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) wieder ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v. H. seit 06/2019, voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauernd, festgestellt (GdB 30% liegt vor seit 07/2009). Dazu wurde auszugsweise ausgeführt:
"Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Befunde oder Arztbriefe, die eine rückwirkende höhere Einschätzung ab 2015-2019 erlauben würden, wurden nicht vorgelegt
Herr
Kind2 ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
psychosomatische Beschwerden und psychosoziale Isolation ohne aktuell Therapieoptionen zu nützen (Medikation, Psychotherapie, berufliche Reha-Integration) werden Chronifizierung begünstigen."

Dem Gutachten wurden folgende von der Bf. vorgelegte Befunde (inkl. Datumsangabe) zu Grunde gelegt:
" Dr ***8***
Migräne mit Aura
"
Diesem Gutachten erteilte die leitende Ärztin am ihre Zustimmung.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ab und führte aus:
"Laut den neuen Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Klagenfurt für die Kinder Kind3, Kind1 und Kind2, wurde die rückwirkende erhebliche Behinderung nicht bescheinigt. Die erhebliche Behinderung wurde für Kind2 und Kind3 ab Mai 2019, und für Kind1 ab Juni 2019, wie bereits in den Vorgutachten, bescheinigt. Ein rückwirkender Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe ist für Kind2, Kind3 und Kind1 nicht gegeben. Die Beschwerde war abzuweisen."

Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) und führte ergänzend aus:
"Da meine drei Söhne bereits im Jahr 2013 durch die Fremdunterbringung vom Jugendamt schwer traumatisiert wurden {siehe Gutachten von Kind2, Kind3 und Kind1 von Dr. ***7*** sowie Schreiben von Dr. ***7*** zu Kind3, siehe Schreiben von Dr. ***6***), ist eine rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe im Sinne der Wahrheit gerechtfertigt."
Beigelegt wurden das fachärztliche Attest des Dr. ***3*** vom , das psychotherapeutische Attest der ***7*** vom und der klinisch-psychologische Befund der Dr. ***6*** vom (Untersuchungsdatum 18.10. + ).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der gemäß § 8 Abs. 2 und 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF zustehende Betrag an Familienbeihilfe erhöht sich gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Auf die Notwendigkeit der Vorlage entsprechender Beweismittel ("sämtliche Behandlungsunterlagen, im Fall der rückwirkenden Antragstellung auch die Vergangenheit betreffend") wird im Vordruck Beih 3 (Antragsformular für den Erhöhungsbetrag) deutlich hingewiesen.

Ein Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (vgl. etwa und mwN).

Im Erkenntnis vom (VwGH 2013/16/0170) hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf VwGH Ra 2014/16/0010 vom auszugsweise wörtlich ausgeführt:
"Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht."

Nach § 10 Abs. 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ist als materielle Voraussetzung des Anspruchs auf Familienbeihilfe in dem Monat zu erfüllen, für den Familienbeihilfe beantragt wird, nicht in dem Monat, in welchem der Antrag (rückwirkend) gestellt wird (vgl. und ). Denn die Bestimmung des § 10 Abs. 3 FLAG, wonach die Familienbeihilfe höchstens für fünf Jahre rückwirkend von Beginn des Monats der Antragstellung gewährt wird, betrifft ausschließlich das Recht zur Geltendmachung eines bereits entstandenen Anspruches, legt sohin lediglich eine Frist zur Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche auf Familienbeihilfe fest und ermöglicht nicht eine rückwirkende Erfüllung von Voraussetzungen zur Entstehung des Anspruches.

Die Bf. bemängelt, dass die Sachverständigen des Sozialministeriumservice in ihren Gutachten für ihre drei Söhne nicht einen Grad der Behinderung von zumindest 50% für fünf Jahre rückwirkend festgestellt haben, da deren Traumatisierung bereits 2013 durch die Fremdunterbringung durch das Jugendamt erfolgt sei.

Sämtliche von der Beschwerdeführerin bei den Sachverständigen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vorgelegten Befunde und sonstige Nachweise wurden in den Sachverständigengutachten berücksichtigt (siehe "Zusammenfassung relevanter Befunde").

Das betrifft auch die mit dem Vorlageantrag übermittelten Unterlagen. Diese widersprechen den Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice auch nicht, da damit ein Nachweis, dass eine Behinderung mit einem GdB von 50 v. H. der Kinder vor den in den Sachverständigengutachten genannten Zeitpunkten vorliegt, nicht erbracht werden kann.

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 mit einem Grad von mindestens 50 v.H. kann die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht.

In diesem Zusammenhang wird auch auf die ärztlichen Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice in den Jahren 2014, 2015 und 2016 verwiesen, in denen den Söhnen der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung von 30% bescheinigt wurde.

Die vorliegenden Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice berücksichtigen die vorgelegten Befunde und Unterlagen und tragen der nach diesen Unterlagen zu erfolgenden Einstufung nach der Einschätzungsverordnung, auch was die Rückwirkung betrifft, Rechnung.

Die Gutachten sind schlüssig, vollständig und widersprechen einander nicht.
Es wurde in den Gutachten übereinstimmend festgestellt, dass für Kind3 ein Grad der Behinderung von 50% - d.h. eine erhebliche Behinderung nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 - ab Mai 2019 sowie für Kind1 und für Kind2 ab Juni 2019 vorliegt.

Das Finanzamt hat sich rechtlich zutreffend an diese in den Gutachten enthaltenen Zeitpunkte gehalten, zu denen die bestehenden Erkrankungen der Kinder der Bf. einen Grad der Behinderung von 50 v.H. erreicht haben. sodass ab diesen Zeitpunkten, und nicht rückwirkend 5 Jahre ab Antragstellung, die erhöhte Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im Beschwerdefall kein Rechtsproblem strittig ist, sondern der als erwiesen anzunehmende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung festgestellt wurde, ist gegen dieses Erkenntnis eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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