Zulässigkeit der Indexierung des Alleinverdienerabsetzbetrages, des Familienbonus Plus bzw. des Kindermehrbetrages?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache Bf., B-Straße-xx, Gde X, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich, Postfach 126, 1000 Wien, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2020 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe betragen:
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Die Einkommensteuer für das Jahr 2020 wird festgesetzt mit: Das Einkommen im Jahr 2020 beträgt: | - 3.052,00 € 13.988,00 € | |
Berechnung der Einkommensteuer: | ||
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: ABC GmbH AA GmbH BB GmbH Pendlerpauschale laut Lohnzettel Pendlerpauschale laut Veranlagung Pauschbetrag für Werbungskosten | 10.916,99 € 2.173,62 € 2.913,39 € 408,00 € - 2.130,00 € - 132,00 € | 14.150,00 € |
Gesamtbetrag der Einkünfte | 14.150,00 € | |
- 60,00 € - 102,00 € | ||
Einkommen | 13.988,00 € | |
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt: 0% für die ersten 11.000,00 20% für die restlichen 2.988,00 | 0,00 € 597,60 € | |
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 597,60 € | |
Familienbonus Plus Alleinverdienerabsetzbetrag Verkehrsabsetzbetrag Pendlereuro | - 597,60 € - 889,00 € - 800,00 € - 72,27 € | |
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | - 1.761,27 € | |
Erstattung: Alleinverdienerabsetzbetrag und SV-Beträge (50%, maximal 900,00 €) in Höhe von 1.789,00 € Davon erstattungsfähig gemäß § 33 Abs. 8 EStG 1988 Kindermehrbetrag gemäß § 33 Abs. 7 EStG 1988 | - 1.761,27 € - 152,40 € | |
Erstattungsbetrag gesamt | - 1.913,67 € | |
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt: 0% für die ersten 620,00 6% für die restlichen 2.062,97 | 0,00 € 123,78 € | |
Einkommensteuer | - 1.789,89 € | |
Anrechenbare Lohnsteuer | - 1.262,01 € | |
Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988 | - 0,10 € | |
Festgesetzte Einkommensteuer | 3.052,00 € |
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) ist tschechische Staatsbürgerin und hatte im Beschwerdejahr ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Tschechischen Republik. Sie erzielte im Streitjahr in Österreich aus ihren Beschäftigungen als XX bei der ABC GmbH ( - ), bei der BB GmbH ( - ) und bei der AA GmbH ( - ) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr optierte sie gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 in die unbeschränkte Steuerpflicht.
Nach elektronischem Einlangen ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 am und einem daraufhin im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Alleinverdienerabsetzbetrag durchgeführten abgabenbehördlichen Vorhalteverfahren [vgl. dazu das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom sowie die am eingelangte Ergänzungsbeantwortung samt Meldebestätigung ihres Gatten sowie der Bescheinigung (E9) betreffend Einkünfte des (Ehe)Partners] wurde die Bf. mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2020 veranlagt. Dabei anerkannte die Abgabenbehörde ua. den beantragten Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den jeweils für ihre drei in Tschechen lebenden minderjährigen Kinder, für welche die Bf. die Familienbeihilfe bezog, geltend gemachten ganzen Familienbonus Plus bzw. Kindermehrbetrag lediglich in indexierter Höhe gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988.
Mit dagegen am elektronisch erhobener Beschwerde brachte die Bf. begründend vor, dass der angefochtene Bescheid aus ihrer Sicht insofern unrichtig sei, als sie sich durch die Indexierung der steuerlichen Begünstigungen (Absetzbeträge, Freibeträge) in ihren gesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere den unmittelbar und vorrangig anwendbaren europäischen Rechten und den Grundrechten, verletzt fühle. Die von Seiten der Abgabenbehörde vorgenommene Beurteilung gleicher Lebenssituationen unter Anwendung differenzierender Kriterien führe eindeutig zur direkten Diskriminierung. In ihrem konkreten Fall sei der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Kindermehrbetrag nicht in voller Höhe berücksichtigt worden, in welcher die Steuerbegünstigung einem österreichischen Staatsbürger mit einem in Österreich lebenden Kind "ihrer Basis nach" zustehe. Sie beantrage daher die Anpassung des Alleinverdienerabsetzbetrages und des Kindermehrbetrages für ihre drei Kinder NI, SI und LI an den jeweiligen vollen Grundbetrag, dh. den Betrag ohne die sogenannte Indexierung. Auf das Zitieren der Gesetzesstellen sei an dieser Stelle aus pragmatischen Gründen verzichtet worden.
Mit Einkommensteuerbescheid 2020 (Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO) vom wies das Finanzamt die Beschwerde unter Verweis auf § 33 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 und § 33 Abs. 7 Z 2 EStG 1988 iVm § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 als unbegründet ab.
In dem dagegen mit am eingebrachtem Anbringen (FinanzOnline) erhobenen Vorlageantrag wandte sich die Bf. gegen die vom Finanzamt vorgenommene Indexierung und erklärte unter Verweis auf das Beschwerdevorbringen, dass zu den einzelnen Themen ihrer Beschwerde in der Beschwerdevorentscheidung nicht Stellung genommen worden sei. Es sei lediglich die gesetzliche Lage noch einmal dargestellt worden, welche aus ihrer Sicht eindeutig zu einer materiellen Diskriminierung aufgrund sowohl nationaler als auch supranationaler Rechtsquellen führe. Es könne doch nicht generell rechtmäßig sein, dass zwei faktisch vergleichbare Steuersubjekte in demselben System steuerlich gleich belastet jedoch nicht begünstigt würden, außerdem aufgrund von Kriterien, welche eine materielle Ungleichbehandlung überhaupt nicht rechtfertigten. Erwähnt sei an dieser Stelle der Gleichheitssatz, das Grundrecht des Eigentums, die Grundrechte in der Charta der EU, etc. In Anknüpfung an die Begründung des Finanzamtes werde nur ergänzt, dass sie von der vorrangigen Anwendung des Europarechtes ausgehe.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt schließlich - wie der Bf. mitgeteilt wurde - die in Rede stehende Beschwerde mit dem Hinweis, dass die Indexierung des Familienbonus Plus dem § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 entspreche, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:
Im konkreten Fall war von nachstehendem in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Finanzgerichtes abgebildetem Sachverhalt auszugehen:
Die Bf. ist tschechische Staatsbürgerin, damit Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, und hatte im Beschwerdejahr ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Tschechischen Republik. Sie erzielte im Streitjahr in Österreich aus ihren Beschäftigungen als XX bei der ABC GmbH ( - ), bei der BB GmbH ( - ) und bei der AA GmbH ( - ) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Streitjahr optierte sie gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 in die unbeschränkte Steuerpflicht.
Sie bezog im Jahr 2020 als Familienbeihilfenberechtigte für ihre im gemeinsamen (tschechischen) Haushalt lebenden minderjährigen Kinder NI, SI und LI ganzjährig Familienbeihilfe (Differenzzahlung).
Der im selben (tschechischen) Haushalt lebende Ehegatte und Kindesvater, DI, bezog im Beschwerdejahr Einkünfte iHv 3.286,24 €.
Die Bf. hat in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 den Alleinverdienerabsetzbetrag, für ihre Kinder jeweils den ganzen Familienbonus Plus bzw. den Kindermehrbetrag geltend gemacht.
Die Abgabenbehörde hat mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2020 unter Verweis auf § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 den beantragten Alleinverdienerabsetzbetrag sowie den jeweils für seine drei in Tschechen lebenden minderjährigen Kinder geltend gemachten vollen Familienbonus Plus bzw. Kindermehrbetrag lediglich in indexierter Höhe berücksichtigt.
Im konkreten Fall besteht nunmehr ausschließlich Streit darüber, ob der Alleinverdienerabsetzbetrag sowie der Familienbonus Plus bzw. der Kindermehrbetrag in voller oder in indexierter Höhe zusteht.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Eine Anpassung der Höhe des Alleinverdienerabsetzbetrages sowie des Familienbonus Plus bzw. des Kindermehrbetrages im Sinn des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 ("Indexierung") kommt nicht in Betracht, zumal der Gerichtshof der Europäischen Union () wie folgt entschieden hat:
"1. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
2. Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen."
Der EuGH stellte dabei ua. fest, dass der Anpassungsmechanismus, nach dem das für die Höhe der Familienleistungen sowie der sozialen und steuerlichen Vergünstigungen maßgebliche Kriterium der Auslandswohnsitz der Kinder ist, Wanderarbeitnehmer stärker als österreichische Staatsbürger betreffe. Er stelle daher eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nur zulässig sei, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist, was aber nicht der Fall sei (Rnen. 103 ff).
Zu Folge dieses EuGH-Urteils wurde das vom Bundesfinanzgericht bereits vor der diesbezüglichen Klage gestellte Vorabentscheidungsersuchen (/2020, C-163/20), mit Beschluss vom , RE/7100001/2020, zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht erklärte in diesem Zusammenhang ua., dass dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union zufolge Art. 67 VO 883/2004 dahingehend auszulegen sei, dass die Familienleistungen, die ein Mitgliedstaat Erwerbstätigen gewähre, deren Familienangehörige in diesem Mitgliedstaat wohnten, exakt jenen entsprechen müssten, die er Erwerbstätigen gewähre, deren Familienangehörige in einem anderen Mitgliedstaat wohnten. Kaufkraftunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigten im Hinblick auf diese Bestimmung nicht, dass ein Mitgliedstaat dieser zweiten Personengruppe Leistungen in anderer Höhe gewähre als der ersten Personengruppe (Rn. 47). Die Mitgliedstaaten dürften gemäß dieser Verordnung die Familienleistungen nicht nach Maßgabe des Wohnstaats der Kinder des Begünstigten anpassen (Rn. 51).
Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 AEUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt (vgl. zB , mwN).
Die vom Gerichtshof der Europäischen Union festgestellte Unionsrechtswidrigkeit des in Rede stehenden Anpassungsmechanismus in Bezug auf österreichische Familienleistungen (Indexierung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrages, des Familienbonus Plus und weiterer familienbezogener Absetzbeträge) war entsprechend den obigen Ausführungen auch in diesem Beschwerdeverfahren zu beachten und stand der Anwendung des § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 entgegen [vgl. dazu ua. auch ; ; ; ; (Anlassfall zu EuGH C-163/20)].
Dem gegenständlichen Beschwerdebegehren war sohin Folge zu geben und waren damit der beantragte Alleinverdienerabsetzbetrag wie auch (jeweils) der geltend gemachte Familienbonus Plus bzw. der Kindermehrbetrag in voller Höhe zu berücksichtigen.
Zulässigkeit der Revision:
Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.
Die hier zu lösenden Rechtsfragen sind durch die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung abschließend und eindeutig geklärt, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100190.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at