Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.05.2022, RV/7101473/2013

Werbungskosten einer Politikerin

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer 2011 (Arbeitnehmerveranlagung), Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2011. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Arbeitnehmerinnenveranlagung aufgrund der dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel und Meldungen durchgeführt wurde, da die Beschwerdeführerin (Bf.) trotz Erinnerung keine Erklärung zur Arbeitnehmerinnenveranlagung abgegeben habe. Es konnten daher mangels Bekanntgabe auch keine Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Gegen den Bescheid brachte die Bf. eine Berufung ein, welche sich gegen die Nichtberücksichtigung von Werbungskosten betreffend die Tätigkeit als Stadträtin und die Nichtberücksichtigung von Sonderausgaben richtete.

Die Bf. beantragte folgende Werbungskosten für die Tätigkeit als Stadträtin:


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Arbeitsmittel
811,12
Werbung, Fraktionsabgabe
475,00
Fahrtkosten
659,08
Werbungskosten gesamt
1.945,20

Weiters stellte die Bf. den Antrag ein Pendlerpauschale für die Fahrt von Wohnort zum Dienstort zu berücksichtigen.

In der Anlage übermittelte die Bf. eine detaillierte Zusammenstellung der Werbungskosten als Stadträtin, sowie der Sonderausgaben.

Im Zuge der Bearbeitung der Berufung sendete das Finanzamt am der Bf. einen Vorhalt und ersuchte einige Fragen zu beantworten.

Betreffend die beantragten Fahrtkosten von € 659,08 ersuchte das Finanzamt um Vorlage des Fahrtenbuches (Datum, Reisebeginn/-ende (Örtlichkeit und Uhrzeit), Zweck jeder einzelnen Reise, Art und Höhe der beantragten Kosten, Höhe erhaltener Ersätze).

Für die weiteren Werbungskosten (Arbeitsmittel und Fraktionsabgaben € 1.286,12) wurde um eine Aufstellung und um Übermittlung der Belege in Kopie ersucht. Weiters wurde um Erläuterung des beruflichen Zusammenhanges mit der Tätigkeit als Landtagsabgeordneter gebeten.

Die Bf. wurde gebeten das Formular L 34 ausfüllen und bekanntzugeben, welche öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden können, mit der Angabe der Kilometer. Es wurde um Bekanntgabe der Zeit vom Verlassen der Wohnung bis zur Arbeitsstätte und der Zeit vom Verlassen der Arbeitsstätte bis zum Eintreffen in der Wohnung ersucht. Außerdem um Bekanntgabe der Wegzeit und Wegstrecke von der Wohnung bis zum öffentlichen Verkehrsmittel und vom öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeitsstätte.

Betreffend die beantragten Sonderausgaben wurde die Bf. gebeten, diese anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

Am übermittelte die Bf. ein Antwortschreiben und legte diesem in der Anlage die Aufstellungen der Werbungskosten als Gemeinderätin bis Ende Oktober 2011 und ab November 2011 als Stadträtin bei und das ausgefüllte Formular L34.

Die Bf. führte aus, dass die Pokal- und sonstigen Spenden an lokale Vereine als unmittelbare Werbungsaufwendungen erfolgten, da mit der Spende auch eine entsprechende Werbungswirkung durch Durchsagen während der Veranstaltung sowie Ankündigungen in den Preislisten gegeben waren.

Betreffend die Berücksichtigung des Pendlerpauschales führte die Bf. aus, dass ihre Tätigkeit die Organisation von Veranstaltungen und Thementage beinhalte, sie verlasse ihre Arbeitsstätte zu unregelmäßigen Zeiten. Der letzte Zug ab Meidling fahre um 20:40 und sei für sie nicht mehr erreichbar.

Das Finanzamt erließ am eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung. In der Bescheidbegründung führte das Finanzamt wie folgt aus:

"Aufgrund der Erfahrung des täglichen Lebens und der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist bei Kosten im Zusammenhang mit der Nutzung von Telefon/Internet bei der Feststellung des privat genutzten Anteiles ein strenger Maßstab anzuwenden. Dabei ist davon auszugehen, dass eine diesbezügliche private Nutzung von mind. 40% vorliegt. Die diesbezüglich beantragten Kosten wurden daher korrigiert. Für die Fahrten nach ***W***, ***B*** und ***L*** konnte ein Zusammenhang mit Ihrer Tätigkeit als Stadträtin der Gemeinde ***A*** nicht hergestellt werden, weswegen die beantragten Reisekosten aus dem Antrag genommen wurden. Das kleine Pendlerpauschale steht zu, wenn die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel möglich und zumutbar ist. Möglich und zumutbar ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auch dann, wenn man einen Teil der Wegstrecke mit einem eigenen Fahrzeug zurücklegen muss, solange der Anfahrtsweg nicht mehr als die Hälfte der Gesamtfahrtstrecke beträgt. Für die Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte in Wien sind diese Voraussetzungen gegeben, weswegen das kleine Pendlerpauschale zu gewähren war."

Gegen diesen Bescheid brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein und ersuchte um Anerkennung, der nicht gewährten Teile, der geltend gemachten Telefon- und Internetkosten sowie der Fahrten nach ***W*** (384 km), ***B*** (176 km) und ***L*** (204 km) als Werbungskosten bei ihrer Tätigkeit als Stadträtin. Weiters richtete sich die Beschwerde gegen die Nichtanerkennung des geltend gemachten großen Pendlerpauschales. Die Bf. führte betreffend dieser Punkte im Vorlageantrag aus:

"Entgegen der angenommenen "Erfahrungen des täglichen Lebens" wird weder mein Mobiltelefon noch mein Internet tatsächlich privat genutzt. Es ist auf Grund meiner langen Arbeitszeiten als Verkaufsleiterin bei ***2*** und der überaus zeitaufwändigen Tätigkeit als Stadträtin auch praktisch unmöglich einen 40%-igen Privatanteil (rein zeitlich) zu schaffen. Überdies entspricht es gerade der zitierten Erfahrung des täglichen Lebens", dass gerade die Tätigkeit als Gemeindevertreter mit einer Vielzahl an telefonischen Kontakten verbunden ist - ein Umstand, der bereits aus diesem Grund eine 40%-ige Privatnutzung praktisch unmöglich macht. Eine ähnliche Situation ergibt sich hinsichtlich der Internetnutzung: hier ist es vielmehr so, dass ich das Internet ausschließlich für die Tätigkeit als Stadträtin bzw. für die Tätigkeit als Funktionärin der wahlwerbenden Gruppe "***3***" verwende. Dass überhaupt ein Privatanteil ausgeschieden wurde liegt lediglich darin begründet, dass eine ausschließliche berufliche Nutzung in der Nachweisführung aufwändig wäre. …..

Die Fahrten waren ausschließlich beruflicher Natur und stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit meiner Tätigkeit als Stadträtin in ***A***:

Fahrt nach ***W***: Bei diesem Termin wurde die "***A*** Eintracht" eine neu kreierte Trachtenmode im Auftrag der Stadtgemeinde vorgestellt.

Fahrt nach **B***: Hier erfolgte eine Besichtigung des Windparks ***B***, der als Beispiel für eine geplante Windparkerrichtung im Gemeindegebiet von ***A*** dienen sollte.

Fahrt nach ***L***: Hier erfolgte ein Meeting der Dorf- und Stadterneuerung, an dem ich als Vertreterin der Stadtgemeinde ***A*** teilgenommen habe.

Das beantragte Pendlerpauschale wird deshalb als großes Pendlerpauschale beantragt, weil meine Diensteinteilung eine Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel an mehr als der Hälfte der Arbeitstage nicht zulässt. Ein großes Pendlerpauschale steht dann zu, wenn die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Durch die oftmalige Einteilung zum Spätdienst, der Verantwortung für praktisch alle Abendveranstaltungen in der Innenstadtverkaufszentrale bin ich gezwungen mit dem Privat-PKW die Wegstrecke zur und von der Arbeitsstätte zurückzulegen. Eine alternative im Rahmen des öffentlichen Verkehrs, die Fahrten auch nach 22:00 Uhr nach ***A*** ermöglicht sind nicht verfügbar und können daher auch nicht genutzt werden."

Im Zuge der Bearbeitung der Berufung wurden auch Ermittlung betreffend die Fahrtstrecke für das beantragte Pendlerpauschale durchgeführt.

Laut dem Michelin-Routenplaner zufolge beträgt die Wegstrecke Wohnung - Dienstort 36 km und kann mit einem PKW in einer Fahrtdauer von 37 Minuten zurückgelegt werden.

Im Akt des Finanzamtes ist der von der Bf. übermittelte Fahrplanausdruck enthalten. Danach fuhr der letzte Zug um 20:40 von Meidling nach ***A*** (Ankunft 21:01). Somit eine Fahrtzeit von 21 Minuten. Weiters wurde die Fahrtzeit vom Dienstort nach Wien Meidling (20 Minuten) mit der U-Bahn erhoben und die Fahrtzeit von ***A*** Bahnhof zum Wohnsitz der Bf. beträgt laut Michelin-Routenplaner rund 6 Minuten. Dies ergibt somit eine Gesamtfahrtzeit von 60 Minuten, wenn man für die Wartezeiten und Gehwege 13 Minuten rechnet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im vorliegenden Fall sind noch die nicht gewährten Kosten für Telefon und Internet, die Fahrtkosten nach ***W***, ***B*** und ***L*** strittig, sowie das Pendlerpauschale.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Telefon- und Internetkosten

Kosten für beruflich veranlasste Telefonate sind in tatsächlichem Umfang als Werbungskosten absetzbar. Telefongebühren unterliegen nicht dem Aufteilungsverbot (auch nicht die Grundgebühr). Sofern eine genaue Abgrenzung gegenüber dem privaten Teil nicht möglich ist, hat sie im Schätzungsweg zu erfolgen (vgl. ).

Was das Ausmaß der Schätzung anlangt, vermag das BFG nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde den ihr zustehenden Spielraum überschritten hätte. Da bei einer Politikerin die beruflich veranlasste Telefon- und Internetnutzung in gewissem Umfang grundsätzlich glaubhaft erscheint, schließt sich das BFG der im Schätzungswege durchgeführten Kürzung der Aufwendungen der Telefon- und Internetkosten durch das Finanzamt (abgezogen Privatanteil von 40%) an.

Fahrtkosten

Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988 stellen auch Kosten für beruflich veranlasste Fahrten dar. Eine beruflich veranlasste Fahrt liegt bei einem Politiker nicht nur bei Fahrten zu politischen Veranstaltungen im engeren Sinne, sondern bei allen durch seine Funktion bedingten Fahrten vor (Wiesner/Grabner/Knecht/Wanke, EStG, Rz 31 zu § 16, m.w.N.).

Nach den Ausführungen der Bf. im Vorlageantrag, handelt es sich bei den nun noch berufungsgegenständlichen Fahrten, um solche welche im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit der Bf. stehen. Die Richterin des BFG kennt diese beruflich bedingt gefahrenen Kilometer (764 km) an. Es werden somit zusätzlich (764 km x € 0,42/km) € 320,88 an Kilometergeld gewährt.

Pendlerpauschale

Nach § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zählen zu den Werbungskosten die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Intention des Gesetzgebers des EStG 1988 war es, durch Neuregelung der Absetzbarkeit von Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte den bis dahin steuerlich begünstigten, aus umweltpolitischer Sicht aber unerwünschten Individualverkehr einzudämmen und die Bevölkerung zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen (, 0003). Vor diesem Hintergrund wurde § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 geschaffen und ist diese Bestimmung daher so zu verstehen und auszulegen.

Die Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Arbeitsweg) sind grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 EStG 1988) abgegolten, der allen aktiven Arbeitnehmern unabhängig von den tatsächlichen Kosten zusteht.

Werbungskosten in Form des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 stehen grundsätzlich nur dann zu, wenn

- entweder der Arbeitsweg eine Entfernung von mindestens 20 Kilometer umfasst (sog. kleines Pendlerpauschale) oder

- die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumindest hinsichtlich des halben Arbeitsweges nicht möglich oder nicht zumutbar ist und der Arbeitsweg mindestens zwei Kilometer beträgt (sog. großes Pendlerpauschale).

In zeitlicher Hinsicht müssen die entsprechenden Verhältnisse im Lohnzahlungszeitraum überwiegend (dh. an mehr als der Hälfte der Arbeitstage im Lohnzahlungszeitraum) gegeben sein.

Beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20 Kilometer und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann sind die in § 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 genannten Pauschbeträge zu berücksichtigen.

Ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden die gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 angeführten Pauschbeträge (sog. großesPendlerpauschale) berücksichtigt.

Die Z 6 des § 16 Abs. 1 EStG wurde hinsichtlich der Höhe der Pauschbeträge öfter geändert bzw. angepasst.

In der folgenden Übersicht werden die gültigen Pauschbeträge für das berufungsgegenständliche Jahr aufgelistet:

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. b EStG 1988 (kleines Pendlerpauschale)


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Entfernung
ab bis
ab 20 km
696,00 €
ab 40 km
1.356,00 €
ab 60 km
2.016,00 €

§ 16 Abs. 1 Z 6 it. c EStG 1988 (großes Pendlerpauschale)


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Entfernung
ab bis
ab 2 km
372,00 €
ab 20 km
1.476,00 €
ab 40 km
2.568,00 €
ab 60 km
3.672,00 €

Was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu verstehen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Nach der geltenden Verwaltungspraxis für den Streitzeitraum wird folgende Auslegung vertreten:

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel nicht mehr als 90 Minuten beträgt.

Die Benützung des Massenbeförderungsmittels ist jedenfalls unzumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 2,5 Stunden beträgt.

Beträgt die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel mehr als 90 Minuten, aber nicht mehr als 2,5 Stunden, ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels zumutbar, wenn die Wegzeit für die einfache Wegstrecke mit dem Massenbeförderungsmittel höchstens dreimal so lange dauert wie die Fahrzeit mit dem Kfz.

Wie oben bereits ausgeführt wurde die Fahrtzeit mit dem PKW (37 Minuten) für die Strecke Wohnung - Dienstort erhoben. Die dreifache Fahrtdauer würde 111 Minuten betragen.

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte - im öffentlichen Interesse - nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden ().

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XVII. GP, 75) ist die Zumutbarkeit der Benützung von Massenverkehrsmitteln auf Grund der Fahrzeiten zu prüfen: Unzumutbar seien im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit dem Massenbeförderungsmittel als mit dem eigenen Kfz; im Nahbereich von 25 km sei die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Eine Gesamtwegzeit (in einer Richtung) von eineinhalb Stunden wird aber nicht nur im Nahbereich, sondern allgemein als zumutbar anzusehen sein (-I/12).

Unzumutbarkeit liegt beispielsweise bei tatsächlicher Unmöglichkeit vor, wenn zumindest auf dem halben Arbeitsweg ein Massenverkehrsmittel überhaupt nicht oder nicht zur erforderlichen Zeit (Nachtarbeit) verkehrt. Unzumutbarkeit liegt auch wegen langer Anfahrtszeit vor. Wird bei einer einfachen Wegstrecke ab 40 km eine Wegzeit von 2,5 Stunden überschritten ist die Unzumutbarkeit gegeben. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt aber auch dann vor, wenn die Fahrt zur Arbeitsstätte und retour mit öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als drei Mal so lange dauert wie mit dem privaten Pkw.

Nach steht der Umstand, dass ein Teil der Gesamtwegstrecke nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden und die Benützung eines Individualverkehrsmittels deshalb unerlässlich ist, der Annahme der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel so lange nicht entgegen, als der Anfahrtsweg bis zur Einstiegstelle des öffentlichen Verkehrsmittels zuzüglich sonstiger erforderlicher Gehwege bei ansonsten aber gegebener Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz weniger als die Hälfte der Gesamtwegstrecke beträgt. Bei Ermittlung der Gesamtwegzeit ist vom schnellsten verfügbaren öffentlichen Verkehrsmittel auszugehen und eine optimale Kombination von Massen- und Individualverkehrsmittel zu unterstellen ("park and ride"; ; - W/08).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , 2011/15/0132 auf das Erkenntnis , verwiesen. Darin führt der Verwaltungsgerichtshof zur Zumutbarkeit der Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln für den täglichen Arbeitsweg aus:

"Eine nähere ausdrückliche Bestimmung, was unter dem Begriff der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG zu verstehen ist, ist dem Gesetz - wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat - nicht zu entnehmen (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0053).

Aus § 16 Abs. 1 Z 6 lit. a und b EStG 1988 ergibt sich jedoch, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 grundsätzlich für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht den Individualverkehr und die Benützung eines Kfz, sondern die Benützung eines Massenbeförderungsmittels steuerlich berücksichtigt wissen will. Nur wenn die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht möglich oder nicht zumutbar ist, können im Wege der Pauschbeträge nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 Kosten des Individualverkehrs geltend gemacht werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0001, und vom , 2007/15/0053).

Der Begriff der Unzumutbarkeit in § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 handelt dabei - entgegen der offenbaren Annahme der belangten Behörde und der Mitbeteiligten - nicht von der Zumutbarkeit des Pendelns an sich, sondern davon, ob den Pendlern ein in der Benützung von Massenbeförderungsmitteln statt einer Teilnahme am Individualverkehr gelegener Verzicht auf eine Verkürzung der Fahrzeiten zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0132).

Dies setzt allerdings grundsätzlich einen Vergleich zwischen den Fahrzeiten im öffentlichen Verkehr und im Individualverkehr voraus.

Die im angefochtenen Bescheid zitierte Spruchpraxis der belangten Behörde, die ab Erreichen einer gewissen Fahrzeitdauer eine absolute Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich mit dem Individualverkehr vornimmt, entspricht damit nicht dem Gesetz. Sie würde dazu führen, dass beispielsweise auf Strecken mit sehr gut ausgebauten Eisenbahnschnellverbindungen die Benützung eines Massenbeförderungsmittels "unzumutbar" wäre, selbst wenn dieses schneller als der Individualverkehr wäre.

Die Notwendigkeit eines Vergleichs zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der "Zumutbarkeit" iSd lit. c des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG herangezogen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0319, und , 2006/15/0001). Die Erl RV zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG (621 BlgNR XVII. GP, 75) führen diesbezüglich aus:

"'Unzumutbar' sind im Vergleich zu einem Kfz jedenfalls mehr als dreimal so lange Fahrzeiten (unter Einschluss von Wartezeiten während der Fahrt bzw. bis zum Arbeitsbeginn) mit den Massenbeförderungsmitteln als mit dem eigenen KFZ; im Nahbereich von 25 km ist die Benützung des Massenbeförderungsmittels entsprechend den Erfahrungswerten über die durchschnittliche Fahrtdauer aber auch dann zumutbar, wenn die Gesamtfahrzeit für die einfache Fahrtstrecke nicht mehr als 90 Minuten beträgt. Kann auf mehr als der halben Strecke ein Massenbeförderungsmittel benützt werden, dann ist die für die Zumutbarkeit maßgebliche Fahrtdauer aus der Gesamtfahrzeit (Kfz und Massenbeförderungsmittel) zu errechnen."

Auch nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der Unzumutbarkeit somit grundsätzlich ein relationaler Begriff ("im Vergleich zu einem Kfz"), wobei die Erläuterungen zudem eine Fahrzeit von 90 Minuten jedenfalls für zumutbar halten. Diese Zumutbarkeitsvermutung tritt zum grundsätzlich gebotenen Vergleich hinzu ("aber auch dann zumutbar, wenn ..."). Keinesfalls ergibt sich daraus jedoch ein "Umkehrschluss", wonach bei insgesamt längerer Fahrzeit die Benützung von Massenbeförderungsmitteln unabhängig von einem Vergleich zum Individualverkehr von Vornherein unzumutbar sei.

Im Beschwerdefall ergibt sich nach den Feststellungen der belangten Behörde an vier von fünf Arbeitstagen der Mitbeteiligten nur eine Differenz der Gesamtfahrtdauer zwischen Massenbeförderungsmittel (3 Stunden 25 oder 22 Minuten) und Individualverkehr (3 Stunden) von 25 oder 22 Minuten. Damit beträgt die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel, wie das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht herausstreicht, lediglich das 1,2fache der Wegzeit mit dem Kfz.

Gerade in solchen Fällen geringfügiger Differenz der Fahrzeiten ist nach der eindeutigen gesetzlichen Wertung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 und seiner vorrangigen Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr der Verzicht auf die Benutzung des Individualverkehrs zumutbar. Die Mitbeteiligte räumt im Übrigen auch ein, dass sie tatsächlich nicht mit dem Pkw, sondern mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist.

Dass ein tägliches Pendeln von rund 3 Stunden sowohl mit dem Pkw als auch mit dem Massenbeförderungsmittel an sich belastend ist, ist unzweifelhaft. Insoweit finden auch in anderen Rechtsbereichen - wie etwa in dem von der Mitbeteiligten vorgebrachten Arbeitslosenversicherungsrecht oder bei der Berücksichtigung von Aufwendungen berufsbedingter doppelter Haushaltsführung - andere Unzumutbarkeitsbegriffe Anwendung. Nimmt ein Arbeitnehmer das Pendeln dennoch in Kauf, ist allerdings gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zur Bestimmung des zumutbaren Verkehrsmittels ein Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr notwendig.

Indem die belangte Behörde ohne das Anstellen eines solchen Vergleichs allein aufgrund einer absoluten Gesamtfahrzeit von über 3 Stunden schon von einer Unzumutbarkeit der Benützung von Massenbeförderungsmitteln ausgegangen ist und bereits deshalb eine Relevanz der neu hervorgekommenen öffentlichen Anreisemöglichkeiten ausgeschlossen hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet."

Damit hat der Verwaltungsgerichtshof deutlich gemacht, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Vergleich zwischen Massenbeförderungsmittel und Individualverkehr ausschlaggebend ist und eine Fahrzeit von 90 Minuten für die einfache Strecke unter Zugrundelegung einer Kombination von Massenbeförderungsmitteln und PKW jedenfalls zumutbar ist. Die Heranziehung von Unzumutbarkeitsbegriffen aus anderen Rechtsbereichen wie zB dem Arbeitslosenversicherungsrecht hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt.

Stehen verschiedene öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung, ist bei Ermittlung der Wegzeit immer von der Benützung des schnellsten öffentlichen Verkehrsmittels (zB Schnellzug statt Regionalzug, Eilzug statt Autobus) auszugehen (vgl. Atzmüller/Lattner in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG [Stand ], § 16 Anm 81).

Bei Feststellung der für die Zumutbarkeit maßgeblichen Fahrtdauer mit Massenbeförderungsmitteln ist im gegenständlichen Fall von den vom Bundesfinanzgericht ermittelten Verkehrsverbindung auszugehen.

Wie oben bereits dargestellt ergibt sich bei Kombination von Individualverkehr und Massenbeförderungsmittel eine Fahrtzeit von 1 Stunde. Dies ist somit eine Gesamtfahrtzeit pro Tag von 120 Minuten (2 Stunden).

Die Fahrtzeit für die Strecke Wohnung - Dienstort mit dem PKW beträgt, wie bereits ausgeführt, laut Michelin-Routenplaner 37 Minuten, somit pro Tag 74 Minuten (1 Stunden 14 Minuten).

Die Wegzeit mit dem Massenbeförderungsmittel beträgt somit das 1,62 fache der Wegzeit mit dem PKW.

Auch wenn die Bf. ausführt, dass sie für Abendveranstaltungen zuständig war, so sind diese nicht täglich und bei normalem Geschäftsschluss kann der letzte Zug erreicht werden.

Ausschlaggebend ist, ob das öffentliche Verkehrsnetz benützt werden konnte, nicht von Bedeutung ist, ob es auch tatsächlich verwendet wurde.

Der Bf. ist einzuräumen, dass die Abhängigkeit von den Fahrzeiten öffentlicher Verkehrsmittel aus Sicht des jeweiligen Arbeitnehmers unbefriedigend sein kann, doch liegt dies im - dem Gesetzgeber bekannten - Wesen öffentlicher Verkehrsmittel und führt diese Abhängigkeit allein noch nicht zur Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.

Maßgebend ist, ob bei einer zumutbaren Gestaltung der Arbeitszeiten öffentliche Verkehrsmittel mit einer zumutbaren Gesamtwegzeit verwendet werden können ().

Nach den obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes steht somit das große Pendlerpauschale nicht zu.

Das Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit b EStG 1988 für eine Wegstrecke über 40 km wurde im Zuge der Erlassung der Berufungsvorentscheidung bereits berücksichtigt.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung folgt der Rechtsprechung des VwGH (siehe oben), weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

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