Unklare Haushaltszugehörigkeit
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag Markus Hager, Hafnerstraße 11, 4020 Linz, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Abweisung des Antrags vom auf Familienbeihilfe für die Monate August 2015, Jänner 2016, März 2016 und Juni 2016 beschlossen:
Der angefochtene Bescheid und die diesbezügliche Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom werden gemäß § 278 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen.
Gemäß § 278 Abs. 2 BAO tritt das Verfahren durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang
Der Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) wurde mit folgender Begründung abgewiesen:
"Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht, wenn das Kind im Kalendermonat zeitlich hintereinander zu unterschiedlichen Haushalten gehört hat, in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat oder der nach §2a FLAG 1967 als Haushaltsführender vermutet wird.
Für die beantragten Kalendermonate wurde die Familienbeihilfe nach vorangegangenen Erhebungen und aufgrund vorgelegter Nachweise dem anderen Elternteil gewährt."
Dagegen brachte die Bf. eine Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"In rechtlicher Hinsicht begründet die Erstbehörde ihren Bescheid mit der Anwendung des Überwiegensprinzips, wonach demjenigen Eltemteil die Familienbeihilfe zusteht, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat oder der nach § 2a FLAG 1967 als Haushaltsführender vermutet wird.
Diese Rechtsauffassung ist unrichtig.
Die minderjährige Mara ***1*** lebt in einer sogenannten Doppelresidenz. Diesbezüglich wurde der belangten Behörde mit Einschreiben vom die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 9 Ob 82/16y vom bekannt gegeben und auch übermittelt.
Aus dieser Entscheidung ergibt sich eindeutig, dass die faktische Betreuung der Minderjährigen durch beide Elternteile im zeitlich gleichen Ausmaß erfolgt. Dem gerichtlichen Ausspruch der hauptsächlichen Betreuung durch die Beschwerdeführerin kommt allerdings in zeitlicher Hinsicht keine Bedeutung zu, sondern ist dies ein Anknüpfungspunkt für Familienbeihilfe oder Wohnbeihilfe und dergleichen.
Transferzahlungen haben sich daher an diesen Ausspruch der hauptsächlichen Betreuung zu orientieren. Der Beschwerdeführerin steht daher die Familienbeihilfe für den gesamten Zeitraum des Familienbeihilfenbezugs zu.
Eine monatliche Berechnung der faktischen Betreuungszeiten ist nicht nur nicht administrierbar sondern führt zu abstrusen Ergebnissen und erfordert einen Verwaltungsaufwand der durch nichts zu rechtfertigen ist. Es müsste nämlich für jeden Monat die genaue Zeit der faktische Betreuung bestimmt werden und dann bei einem Überhang von einer Stunde für den anderen diese Familienbeihilfe eben demjenigen ausbezahlt werden, wobei fraglich ist, was dann passiert, wenn die faktische Betreuungszeit genau zeitgleich ist. Nicht ausgeschlossen werden kann naturgemäß auch, dass über das Ausmaß der tatsächlichen faktischen Betreuung keine Einigung erzielt wird.
Ein einzig sinnvolles Handhaben für den Bezug der Familienbeihilfe ist daher auch - wie dies der Oberste Gerichtshof auch ausfuhrt - diesen an den Hauptwohnsitz bzw. den Ausspruch anzuknüpfen, wem die hauptsächliche Betreuung zukommt.
Beantragt wird daher der Beschwerde Folge zu geben und der Beschwerdeführerin, [...], die Familienbeihilfe für die Monate August 2015, Jänner 2016, März 2016 und Juni 2016 auszubezahlen und zwar auf das für diese Zeiträume bekannt gegebene Konto der Beschwerdeführerin."
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung wurde wie folgt begründet:
"Die Bescheidbeschwerde verweist auf die Doppelresidenz, in der das als anspruchsbegründend eingewandte Kind lebt, sowie auf die Entscheidung des OGH 9 Ob 82/16y vom und postuliert eine Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Gesamtzeitraum.
Die Bescheidbeschwerde wendet auch ein, dass eine monatliche Berechnung der faktischen Betreuungszeiten nicht nur nicht administrierbar sei, sondern zu abstrusen Ergebnissen führe und einen Verwaltungsaufwand erfordere, der durch nichts zu rechtfertigen sei.
Gemäß § 2 Abs.2 FLAG 1967 knüpft ein Beihilfenanspruch primär an die Haushaltszugehörigkeit an.
Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine ev. Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit.
Lediglich dann, wenn ein Kind einem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das Familienlastenausgleichsgesetz einen "Konkurrenzfall, der in § 2a geregelt ist.
§ 2a FLAG 1967 stellt auf die überwiegende Haushaltsführung ab.
Auf die Rechtsfrage, welcher Beihilfenanspruch vorgeht, wenn das Kind innerhalb eines Monats zeitlich hintereinander unterschiedlichen Haushalten angehört, kann diese Wertungsentscheidung des Gesetzgebers nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes per Analogie zur Anwendung gebracht werden.
Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht daher in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum (für das Kind) den Haushalt geführt hat, oder nach § 2a FLAG 1967 als Haushaltsführender vermutet wird. 2007/15/0058; RV7102453/2013
Der daraufhin eingebrachte Vorlageantrag wurde wie folgt begründet:
"Begründend wird auf die vorzulegende Beschwerde vom verwiesen. Gegen die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung wird noch vorgebracht:
Für die Anwendung des Überwiegensprinzips wären exakte Feststellungen über das Ausmaß der tatsächlichen Haushaltsführung für das Kind erforderlich gewesen. Solche Feststellungen fehlen aber sowohl im bekämpften Bescheid als auch in der Berufungsvorentscheidung. Daher ist der Bescheid diesfalls mit einem Verfahrensfehler belastet. Ohne derartige Feststellungen aber hätte die belangte Behörde selbst nach ihrer eigenen Argumentation in sinngemäßer (analoger) Anwendung des § 2a Satz 2 FLAG 1967 ("Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt'') im Zweifel von der "überwiegenden Haushaltsführung" für das Kind durch die Mutter auszugehen gehabt."
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Bescheidbeschwerde postuliert für Zwecke der Beihilfengewährung an einen Hauptwohnsitz des Kindes anzuknüpfen, oder an einen Ausspruch, wem die hauptsächliche Betreuung zukommt.
Der Vorlageantrag rügt ein Fehlen exakter Feststellungen über das Ausmaß der tatsächlichen Haushaltsführung für das Kind und folgert, dass das Finanzamt "im Zweifel von der überwiegenden Haushaltsführung für das Kind durch die Mutter" auszugehen gehabt hätte.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung und Zurückverweisung)
Gemäß § 2 FLAG hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Der Anspruch auf Familienbeihilfe knüpft somit primär an die Haushaltszugehörigkeit des Kindes an. Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. Lediglich dann, wenn ein Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das FLAG einen "Konkurrenzfall", der in § 2a geregelt ist (; ; ). Ein solcher gemeinsamer Haushalt der Beschwerdeführerin und des Kindesvaters lag im beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht vor, die Bestimmung des § 2a FLAG gelangt daher nicht zur Anwendung.
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG näher umschrieben. Demnach kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ).
Zusätzlich regelt das FLAG in § 2 Abs. 5 lit. a, dass die Haushaltszugehörigkeit bei einem bloß vorübergehenden Aufenthalt des Kindes außerhalb der gemeinsamen Wohnung nicht als aufgehoben gilt.
Eine einheitliche Wirtschaftsführung setzt in Bezug auf die vorübergehend außerhalb der Wohngemeinschaft lebenden Kinder voraus, dass diese Kinder im Rahmen der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend bedacht und damit noch der elterlichen Obsorge teilhaftig werden ().
Die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) sind monatsbezogene Leistungen. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches kann je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ; ).
Der für einen Monat nur einfach gebührende Beihilfenanspruch steht in Anwendung des Überwiegensprinzips demjenigen zu, der für den längeren Zeitraum den Haushalt geführt hat oder nach § 2a FLAG als Haushaltsführender vermutet wird (vgl. ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei einem Kind, das von mehreren Personen jeweils in deren Haushalten betreut wurde, die Ansicht vertreten, dass die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, ganz wesentlich davon abhängt, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen im Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (z.B. Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt" (vgl. ).
Wird ein Kind von mehreren Personen jeweils in deren Haushalten betreut, ist für die Frage des Überwiegens der Haushaltszugehörigkeit in typisierender Betrachtungsweise im Sinne des Erkenntnisses darauf abzustellen, bei wem das Kind im jeweiligen Monat überwiegend genächtigt hat.
Dies entspricht auch dem Überwiegensprinzip: Rechnet man die Zeiten für Schulweg und Schulbesuch als neutrale Zeiten von den 24 Stunden eines Tages ab, ist die Zeit für Abendessen, Abendbetreuung, Nächtigung, Morgenbetreuung, Frühstück, die jedenfalls mit der Nächtigung verbunden ist, jedenfalls länger als die Zeit der Mittags- und Nachmittagsbetreuung. Auch die Kosten für Mittagessen und allfällige Jause sind nicht höher anzusetzen als die mit der Nächtigung verbundenen Kosten für Nachtmahl, Frühstück und allfällige Verpflegung für den Schulbesuch.
Das Beweisverfahren wird vor beherrscht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO). Dieser Grundsatz legt fest, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Randordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO-Kommentar, Tz. 2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167 mwN).
Weder der angefochtene Bescheid noch die BVE enthalten genaue Feststellungen zur Haushaltszugehörigkeit der Tochter der Bf. in den im vorliegenden Fall strittigen Monaten. Es wird im angefochtenen Bescheid lediglich auf vorangegangene Erhebungen und vorgelegte Nachweise verwiesen, aufgrund derer die Familienbehilfe dem Kindesvater für die beantragten Kalendermonate zuerkannt wurde.
Deshalb hat die Abgabenbehörde zu ermitteln, ob die Tochter der Bf. im Streitzeitraum von ihr überwiegend betreut wurde (Feststellen der Anzahl der Nächtigungen pro Monat) und sie darum bei ihr haushaltszugehörig war oder nicht. Daraus ergibt sich dann, ob sie für den Streitzeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 oder auf Kinderabsetzbeträge hat.
In diesem Zusammenhang bedarf es hinreichender Sachverhaltsfeststellungen bezüglich des Überwiegens der Anzahl der Nächtigungen zur Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit der Tochter der Bf. in den streitgegenständlichen Monaten. Auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts vom , BFG RV/7105224/2016, wird ausdrücklich hingewiesen. Weiters sind die Ergebnisse der Ermittlungen der Abgabenbehörde im Verfahren betreffend den Kindesvater (für einen anderen Zeitraum) zu berücksichtigen. Derartige Feststellungen für den Streitzeitraum bzw. sind aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich.
Ermessensübung zur Aufhebung und Zurückverweisung
§ 278 Abs. 1 BAO lautet:
Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die Regelung des § 278 BAO über die Aufhebung unter Zurückverweisung entspricht im Wesentlichen jener im bisherigen § 289 Abs. 1 BAO. Es liegt daher ein Bescheidaufhebungsgrund vor, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Ob tatsächlich ein anders lautender Bescheid (nach der Aufhebung) zu erlassen sein wird, hängt vom Ergebnis des nach Erlassung des Aufhebungsbescheides durchgeführten Ermittlungsverfahrens ab. Im Sinne des § 278 Abs. 1 BAO ist dann vorzugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ermittlungen zu einem anders lautenden Bescheid hätten führen können oder eine Bescheiderlassung unterlieben wäre.
Im vorliegenden Fall wurde nicht ermittelt, ob die Tochter der Bf. in den streitgegenständlichen Monaten bei ihr überwiegend genächtigt hat und somit Haushaltszugehörigkeit gegeben war. Sollte sich nach einem durchgeführten Ermittlungsverfahren herausstellen, dass Haushaltszugehörigkeit der Tochter bei der Bf. im Streitzeitraum gegeben war, wäre der Bf. die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zuzuerkennen und vom Kindesvater die zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zurückzufordern.
Die Bescheidaufhebung iSd § 278 Abs. 1 BAO liegt im Ermessen des Bundesfinanzgerichtes. Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes ist es, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen, nicht hingegen Sachverhaltsermittlungen erheblichen Umfangs, deren Vornahme vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides, spätestens aber nach Einbringung der Beschwerde geboten war, erstmals vorzunehmen. Die im Aufgabenbereich der Abgabenbehörde gelegene Ermittlungstätigkeit würde ansonsten - dem Wesen der nachprüfenden Tätigkeit des Bundesfinanzgerichtes zuwiderlaufend - schwerpunktmäßig in das Verfahren vor dem Gericht verlagert. ()
An dieser Stelle ist auch auf § 115 Abs. 2 BAO zu verweisen, wonach den Parteien Gelegenheit zu geben ist, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen. Würde das noch notwendige Ermittlungsverfahren vom Bundesfinanzgericht geführt, müsste beachtet werden, dass jede Stellungnahme und Erklärung, die von Seiten der Beschwerdeführerin einlagen würde, der Abgabenbehörde als Amtspartei zur Gegenstellungnahme übermittelt und jede Stellungnahme seitens des Finanzamtes der Beschwerdeführerin zur Gegenäußerung bekannt gegeben werden müsste. Außerdem wäre auch die Einholung einer Stellungnahme des Kindesvaters wahrscheinlich geboten und sinnvoll. Diese Vorgangsweise würde das Verfahren beim Bundesfinanzgericht erheblich verzögern.
Auch wenn die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben (vgl. etwa ), erweist sich im gegenständlichen Fall im Hinblick auf die nicht entscheidungsreife Vorlage und den Umfang der noch durchzuführenden Ermittlungen die Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt als zweckmäßig.
Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl. Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm. 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (entweder nach § 278 BAO, oder bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs. 2 BAO) durchzuführen.
Da es nicht Sache des Verwaltungsgerichts ist, anstelle der Verwaltungsbehörde erstmals ein brauchbares Ermittlungsverfahren zu führen, ist der angefochtene Bescheid gemäß § 278 BAO aufzuheben und die Sache an das Finanzamt zurückzuverweisen. Dies ist sowohl im Interesse der Raschheit der Entscheidung gelegen als auch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Sollte das Finanzamt im weiteren Verfahren das Vorliegen eines Anspruchs der Bf. auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Beschwerdezeitraum feststellen, kann dieses verwaltungsökonomisch mit der Auszahlung von Familienbeihilfe vorgehen, ohne dass eine Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu treffen und diese dann erst vom Finanzamt umzusetzen ist (vgl. ).
Die Bf. erhält somit schneller und kostengünstiger eine Entscheidung, wenn das Finanzamt nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides unter Beachtung der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht des Gerichts neuerlich entscheiden kann (vgl. ).
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufzuheben.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich.
Wien, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103148.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at