Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.05.2022, RV/7100767/2022

Aussetzung der Einhebung, auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten, Verkauf von inländischen Vermögenswerten, Verrechnung des Verkaufserlöses mit Verrechnungskonten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die SenatsvorsitzendeR-1, die RichterinR-2 sowie die fachkundigen Laienrichter R-3 und R-4 in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch ECA Schreiner und Stiefler Steuerberatung GmbH, Wiener Straße 86-88/2/13, 3500 Krems/Donau, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer N-1, betreffend Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin P-1, des Geschäftsführers P-2 und des steuerlichen Vertreters P-3 und der Amtsbeauftragten P-5 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Im Vorlageantrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung folgender Abgaben, die bei Stattgabe ihrer Beschwerde auf € 0,00 herabgesetzt würden:


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Umsatzsteuer 2013
11.621,88
Umsatzsteuer 2015
2.267,47
Körperschaftsteuer 2012
5.590,82
Körperschaftsteuer 2013
3.253,00
Körperschaftsteuer 2014
3.686,00
Körperschaftsteuer 2015
18.712,67
Körperschaftsteuer 2016
10.411,00
Anspruchszinsen 2013
204,83
Anspruchszinsen 2014
213,26
Anspruchszinsen 2015
969,01
Anspruchszinsen 2016
345,37
Kapitalertragsteuer 01-12/2013
1.076,88
Kapitalertragsteuer 01-12/2014
254,85
Kapitalertragsteuer 01-12/2015
6.482,58
Aussetzungszinsen 2021
691,11
Aussetzungszinsen 2021
145,93
Säumniszuschlag 2014
88,62
Säumniszuschlag 2015
129,65
gesamt
66.144,93


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Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Aussetzungsantrag gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ab, da laut Schreiben der steuerlichen Vertretung vom die Vermietungstätigkeit ab Jänner 2021 von der Firma G-1 übernommen worden sei. Der daraus resultierende Wegfall der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sei objektiv geeignet, die Einbringlichkeit der Abgaben zu gefährden.

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In der dagegen am aufgrund des Fristverlängerungsantrages vom rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wies der steuerliche Vertreter der Bf. darauf hin, dass diese an der Adresse A-1, handels- und zivilrechtlich nicht existiere, da sich der Firmensitz der Bf. in A-2, Zypern, befinde.

Der Argumentation des Finanzamtes könne sie sich nicht anschließen, weshalb begründend vorgebracht werde, dass in der Literaturmeinung Ritz, BAO6, S. 809, Rz 18, nachzulesen sei, dass zum Unterschied zur Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO, bei der eine Gefährdung der Einbringlichkeit einer Bewilligung von Zahlungserleichterungen entgegenstehe, eine Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO grundsätzlich auch zulässig sei, wenn die Einbringung der Abgabe gefährdet sei.

Im gegenständlichen Fall habe die G-1 nicht nur die Vermietungstätigkeit übernommen, sondern habe auch die Bf. die ihr gehörenden österreichischen Liegenschaften an die G-1 veräußert. Diese Veräußerung stehe im Zusammenhang mit der Überlegung, dass schrittweise wirtschaftliche Aktivitäten der Bf. heruntergefahren würden, um eine Konzentration von wirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmensstruktur der "Firmengruppe G-2" vorzunehmen.

Die G-1 werde zu 100% von der Geschäftsführerin und Eigentümerin der GmbH-Anteile, Frau P-4, Wohnadresse in A-3, Österreich, Steuernummer N-2, beherrscht.

Gleichzeitig sei Frau P-4 ebenfalls Mehrheitsaktionärin der Bf. durch eine indirekte Beteiligung von 99%. Diese halte sie an der G-3 mit einem Kommanditanteil von 99%, dieses Unternehmen sei Eigentümer sämtlicher Aktien der Bf.

Das Finanzamt sei daher konfrontiert mit einer Strukturbereinigung einer "Unternehmensgruppe", nicht in steuerrechtlicher, jedoch in wirtschaftlicher und handelsrechtlicher Sicht, sodass man keine Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben ersehen könne.

Am habe ihre steuerliche Vertretung eine Beschwerdeeingabe beim Finanzamt Österreich gemacht, in der beantragt worden sei, die unhaltbare Situation zu bereinigen, dass die Bf. einen Sitz der Geschäftsleitung an der Adresse A-1, hätte. Sie habe bereits mehrmals dargelegt, dass die Adresse des Firmensitzes der Gesellschaft in A-2, Zypern, wäre.

Die Beschwerde vom sei noch immer anhängig und es wäre sinnvoll, wenn das Finanzamt innerhalb einer gebotenen 6-Monatsfrist über diese Beschwerde entscheiden würde, diese sei Ende August 2021 abgelaufen.

Die Bf. stelle aufgrund der oben angeführten Feststellungen und Überlegungen den Beschwerdeantrag, den Bescheid über die Abweisung der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO eines Gesamtbetrages von € 66.144,93 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Verletzung der tatsächlichen betrieblichen Umstände aufzuheben und diesen Bescheid rechtlich aus dem Bestand zu nehmen.

Materielle Begründung:

a) Aufgrund der Literaturmeinung sei die Einbringlichkeit der Abgabe nicht gefährdet, die Überlegungen dazu seien in der Erläuterung des Sachverhaltes wiedergegeben worden.

b) Die Übernahme der Vermietungstätigkeit der Firma G-1 sei auch dadurch begründet, dass diese Firma sämtliche in Österreich befindlichen Liegenschaften der Bf. angekauft habe und somit eine Konzentration der Aktivitäten der Bf. vorgenommen worden sei.

Durch diese Maßnahme und der Identität der Eigentümerstruktur bei beiden Unternehmen durch P-4 bestehe objektiv gesehen kein Grund, dass die Einbringlichkeit von Abgaben der Bf. gefährdet wäre.

Eine Gefährdung der Abgabeneinbringung wäre dann gegeben, wenn es zu einem Wechsel der Aktionäre komme und diese beschlössen, die gesamten in Österreich befindlichen Liegenschaften der Bf. an dritte Personen oder Firmen veräußern und somit die Firmengruppe "G-2" nicht mehr im Besitz dieser Liegenschaften sei.

Diese Vorgangsweise sei derzeit weder angedacht noch in Umsetzung, sodass bei objektiver Betrachtung keine Gefährdungseinschätzung im gegenständlichen Sachverhalt gegeben sei.

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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht zu bewilligen sei, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet sei.

Wie die Bf. unter Verweis auf Ritz, BAO, Rz 18 zu § 212a BAO, richtig ausführe, sei eine Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO grundsätzlich auch zulässig, wenn die Einbringung der Abgabe gefährdet sei.

Jedoch werde in dieser Literatur unter der folgenden Randziffer 19 ausgeführt, dass ein der Aussetzung nach § 212a entgegenstehendes Verhalten beispielsweise vorliege, wenn der Abgabepflichtige sein Vermögen an nahe Angehörige übertrage (Bibus, RdW 1987, 276; ) oder bei Verkauf einer Liegenschaft und von Wirtschaftsgütern sowie Überlassung der Erlöse ausschließlich an ihr nahestehende Gesellschaften ().

Beide Verhaltensweisen würden in der Beschwerde bestätigt - so sei die Vermietungstätigkeit von der nahestehenden G-1 übernommen sowie die der Beschwerdeführerin gehörenden Liegenschaften an die G-1 veräußert worden (A-4, Kaufvertrag , Kaufpreis 600.000 Euro, Verkäufer Bf., Erwerber G-1).

Auch das Naheverhältnis werde in der Beschwerde bestätigt - Gesellschafterin der G-1 sei Frau P-4, diese sei auch Mehrheitsaktionärin der Bf. durch eine indirekte Beteiligung von 99%.

Anmerkung: Zu den Ausführungen betreffend Firmensitz sei auf die sehr ausführliche Begründung im BP-Bericht vom , Beilage 1, hinzuweisen - diesbezüglich sei das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht unter der Verfahrenszahl RV/7102725/2021 anhängig.

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Mit Schreiben vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Beschwerdesenat. Weiters rege sie einen Erörterungstermin vor Abhaltung der mündlichen Verhandlung an.

Ergänzend brachte sie vor, dass in der Beschwerdevorentscheidung vom auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/14/0096, Bezug genommen worden sei.

In diesem Erkenntnis sei es um Verträge vom gegangen, in denen die seinerzeitige Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte ihr gemeinsames Vermögen an ihre beiden Söhne übertragen hätten. Darin habe die Finanzbehörde eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben erblickt.

In der Entscheidung sei ausgeführt worden, dass lediglich dieses Verhalten der Abgabepflichtigen, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet sei, gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ein Hindernisgrund für die Bewilligung der Aussetzung wäre.

Ein solches Verhalten liege zB vor, wenn der Abgabepflichtige sein Vermögen im Treuhandweg an Angehörige zu übertragen im Begriff sei (vgl. Ritz, BAO, Rz 19 zu § 212a).

Die Argumentation des nahen Angehörigen sei bei der Übertragung der in Österreich gelegenen Liegenschaften zwischen der Bf., Sitz Zypern, und der G-1, Sitz Wien, nicht anwendbar.

Bei der Bf. sei P-4 indirekt zu 99% Eigentümerin dieser Gesellschaft, da bei der "G-3", die die gesamten Aktien bei der Bf. halte, 99% des Haftkapitals Frau P-4 besitze. Bei der G-1 sei Frau P-4 100%ige Eigentümerin sämtlicher GmbH-Anteile.

Die Gesellschaftsstruktur der Bf. und der "G-3" weise sie durch entsprechende beiliegende Dokumente nach. Frau P-4 sei eine physische Person, sie könne nicht Angehörige von ihr selbst sein, sodass diese zitierte VwGH-Entscheidung als Begründung ausscheide.

In der Beschwerdevorentscheidung sei eine weitere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/14/0088, zitiert worden. Bei diesem Fall sei es um einen Liegenschaftsverkauf und eine Betriebseinstellung eines Einzelunternehmens und eine Mitteilung an das Finanzamt durch eine Beschwerdeführerin am gegangen. Die Beschwerdeführerin habe alle im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter an eine D-GmbH verkauft. In einem Vorhalteverfahren der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin bekanntgegeben, dass negative Kapitalkonten ihres Betriebes nach dem Verkauf aller ihrer Wirtschaftsgüter einen Betrag von ATS 101 Mio. betrügen. Sie habe weiter ausgeführt, dass die Liegenschaft samt Zubehör an eine TE-GmbH verkauft worden wäre. Es seien auch Übertragungen von Wirtschaftsgütern an eine TAB-GmbH sowie an eine GS-GmbH erfolgt. Aus allen Verkäufen seien Erlöse von ATS 19 Mio. erzielt worden. Es sei in weiterer Folge nicht zu Zahlungen, sondern nur zum teilweisen Ausgleich von Verrechnungskonten gekommen. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten sei danach ersichtlich geworden, dass nicht die Beschwerdeführerin alleine, sondern sie selbst und ihr Ehemann zu je 50% am Stammkapital der TE-GmbH beteiligt gewesen seien. Sie selbst und ihr Ehegatte hätten als Geschäftsführer an der auch in Rede stehenden TAB-GmbH fungiert und seien die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann und ihre beiden Kinder zu je 25% am Stammkapital beteiligt gewesen. Ihr Ehemann sei alleiniger Geschäftsführer gewesen.

Dieser geschilderte Sachverhalt und die beschriebene VwGH-Entscheidung sei in keiner Art und Weise auf die Situation der Liegenschaftsübertragung zwischen der Bf. und der G-1 umzulegen und eigne sich nicht als sachliche Begründung.

Als drittes wesentliches Argument sei noch anzuführen, dass die Bf. trotz Übertragung von Liegenschaften in Österreich noch in Zypern eine betrieblich und privat gemischt genutzte Betriebs- und Wohnliegenschaft im Besitz habe. Sie befinde sich in A-5, ihr jetziger Schätzwert, der rund 30% über dem Buchwert liege, betrage rund € 130.000,00 und habe somit einen doppelten Wert als der mit dem heutigen Aussetzungsbegehren dargestellte beantragte Aussetzungsbetrag von € 65.723,84.

Die Bf., die in Zypern tätig sei, habe keine Bankverbindlichkeiten und keine sonstigen offenen Lieferantenverbindlichkeiten oder sonstige Verbindlichkeiten und sei daher aufgrund dieses Umstandes nicht als Gefährdungsfall anzusehen, sodass keine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden vorliege.

Sie habe die Verfasserin der Beschwerdevorentscheidung noch hingewiesen, dass sie jederzeit das EU-Rechtshilfeverfahren in Anspruch nehmen könnte, um die Stichhaltigkeit ihrer Informationen von Seiten der zyprischen Finanzverwaltung zu erhalten, damit sie sich ein Bild von ihren Behauptungen machen könne. In einem mit der Verfasserin des "Vorlageantrages" (Anmerkung BFG: gemeint wohl "Vorlageberichtes") geführten Telefonates über die zwei zitierten VwGH-Entscheidungen habe die Bf. kein Verständnis für ihren Standpunkt bei ihr finden können, auch nicht hinsichtlich der Existenz von Vermögenswerten ihrer Wohnung in A-5. Nach mehrmaligen Rückfragen in diesem Telefonat habe sie von ihr die Antwort erhalten, sie solle einen Vorlageantrag stellen und das Bundesfinanzgericht in dieser Frage entscheiden.

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Das Finanzamt nahm im Vorlagebericht vom zum Vorlageantrag Stellung und führte aus:

Gemäß § 212a Abs. 2 BAO sei die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, a) insoweit die Berufung nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheine, oder b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten werde, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweiche, oder c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet sei.

Dass das Verhalten der Bf. auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet sei, ergebe sich aus mehreren Handlungen:

1) In der Spontaninformation vom gemäß Artikel 7, 15, 16, 25, 26 und 27 der Verordnung 904/2010/EU habe die zypriotische Finanzverwaltung der österreichischen Steuerbehörde schriftlich mitgeteilt, dass es sich bei der Bf. um eine "International Business Company" (= Domizilgesellschaft) handle. Seitens der Außenprüfung sei festgestellt worden, dass der Ort der Geschäftsleitung der Beschwerdeführerin in Österreich gelegen und daher in Österreich unbeschränkte Steuerpflicht gegeben sei (siehe dazu den BP-Bericht in den hochgeladenen Aktenteilen). Daraus wäre unmittelbar abzuleiten, dass das Verhalten der Bf. von Beginn ihrer Geschäfte an auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtet gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als inländische Geschäfte unter dem Deckmantel einer ausländischen Domizilgesellschaft betrieben worden seien und nunmehr im Inland kein Vermögen mehr vorhanden sei. Aus dieser Gestaltung der Geschäfte durch die Bf. sei zu erkennen, dass diese stets bestmöglich verschleiert worden seien (siehe Erkenntnis des ).

2) Die Veräußerung der inländischen Liegenschaften an ein nahestehendes Unternehmen sowie die Einstellung der Geschäftstätigkeit erfüllten zweifelsfrei, alleine schon im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang den Tatbestand der Gefährdungshandlung.

3) Insoweit durch das Liegenschaftsvermögen in Zypern die Einbringlichkeit der Abgabennachforderung nicht gefährdet sei: Diese Vorgangsweise habe im Gegenteil zur Folge, dass die für die Entrichtung der geschuldeten Abgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Vermögensbindung im Ausland dem Zugriff der österreichischen Finanzverwaltung entzogen worden seien. Auch dadurch sei der Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO erfüllt.

Zur angeblichen Nichtanwendbarkeit der "Nahen-Angehörigen-Judikatur": Auch wenn Frau P-4 bei allen involvierten Gesellschaften Eigentümerin sei, sei trotzdem zwischen der Bf. und der G-1 ein Naheverhältnis gegeben. Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern würden an jenen Kriterien gemessen werden, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien. Für Verträge, die zwischen Gesellschaften abgeschlossen würden, die von der gleichen Person vertreten oder wirtschaftlich dominiert würden, seien wegen des in solchen Fällen typischerweise zu besorgenden Wegfalls der sonst bei Vertragsabschlüssen zu unterstellenden Interessengegensätze aus dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung die gleichen Anforderungen zu erheben (vgl. ; , 99/13/0039, 0072; ; ).

Abschließend werde auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen sowie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

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In der am durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung wurde vorgebracht:

"Vertreter: Die Bf. ist Teil einer Unternehmensgruppe unter den Namen G-4. Es ging hauptsächlich um die Vermarktung eines Produktes mit dem eine Haarentfernung besonders einfach möglich ist, dazu hat es sich empfohlen, einen Ort für den Einsatz dieses Produktes zu haben, der unter dem Meeresspiegel liegt, dies wäre beispielsweise das Tote Meer gewesen.

Daher wurde als Sitz der Firma zunächst ein Ort gesucht, der diese Bedingungen erfüllt hätte, letztlich sind wir aber mit dem Sitz in Zypern gelandet.

Die Bf. hatte Liegenschaften in Österreich und mit ihrer Geschäftstätigkeit in Österreich eine Steuernummer beim Finanzamt 09.

Der Verkauf der Liegenschaften ist auf Complianceschwierigkeiten mit der Volksbank Wien zurückzuführen und steht in keinem Zusammenhang mit dem noch offenen Prüfungsverfahren.

Die Bf. hat in Österreich nunmehr keine Umsätze mehr und auch kein Vermögen.

Die Gesellschaft verfügt jedoch über eine Liegenschaft in A-5 mit einem Wert von ca. € 130.000,00. Die Abgabenfestsetzung wurde mit Beschwerde bekämpft. Sollte im Zuge der Entscheidung durch das BFG eine Abgabenforderung aufrecht bleiben, würde diese entrichtet werden. In der Entscheidung der Behörde wird auf zwei Erkenntnisse des VwGH Bezug genommen, ich habe dazu ein Erkenntnis des BFG aus dem Jahr 2020, bei dem bei einem unserem Fall gleichzuhaltenden Sachverhalt eine Stattgabe erzielt wurde.

Über Befragen durch die Berichterstatterin, was mit dem Verkaufspreis der Liegenschaften in der Größenordnung von € 600.000,00 geschehen sei:

Vertreter: Der Verkaufsreis wurde dem Verrechnungskonto der Gesellschafter zugerechnet, die zuvor bedeutende Einlagen in die Gesellschaft getätigt haben. Er steht daher nicht mehr für eine Verrechnung von offenen Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft zur Verfügung.

Die Amtsbeauftragte verweist auf Beilage 1 zum Betriebsprüfungsbericht, wonach der auch heute vorgebrachte Handel mit Kosmetikprodukten durch die Prüfung widerlegt wurde. Zu dem heutigen Vorbringen zu den Verrechnungskonten gibt es keine Feststellung im Betriebsprüfungsbericht.

Vertreter: Ergänzend verweise ich darauf, dass der Auditor (Zypriotischer Steuerberater) bei Erstellung des letzten Jahresabschlusses eben das Verrechnungskonto mit dem Verkaufserlös ausgeglichen hat und diese Unterlagen in Zypern auch der Abgabenverwaltung vorgelegt wurden.

Zu meinem Vorbringen zur Gründungsgeschichte möchte ich noch ergänzen, dass eben Zypern als Sitz gewählt wurde, da ein Sitz in Israel oder im Libanon oder Irak, also in Gegenden, die über Bereiche verfügen, die unter dem Meeresspiegel liegen, noch weniger in Frage gekommen wäre. Die Abgabenbehörde hat von jeher auch ein Problem darin gesehen, dass diese Cremen von der Bf. nicht erzeugt wurden. Sie wurden in Zypern erzeugt und gingen als innergemeinschaftliche Lieferungen an die G-5.

Die Amtsbeauftragte verweist darauf, dass im Prüfungsbericht keine Feststellung zu einer Cremeproduktion in Zypern enthalten ist."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Sachverhalt:

Die Bf. ist eine in Zypern eingetragene Gesellschaft, die in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2020 in Österreich befindliche Liegenschaften zur Vermietung erwarb.

Aufgrund der Feststellungen einer bei der Bf. durchgeführten Betriebsprüfung wurden mit Bescheiden vom 19. und die der beantragten Aussetzung der Einhebung zugrundeliegenden Abgaben festgesetzt und der Ort der Geschäftsleitung in Österreich bestimmt.

Mit Kaufvertrag vom wurden sämtliche in Österreich befindliche Liegenschaften der Bf. an die österreichische G-1 um einen Kaufpreis von € 600.000,00 verkauft.

Die Bf. verfügt seither in Österreich über kein Vermögen und erzielt auch keine Einkünfte.

Der Verkaufspreis steht ebenfalls unbestritten nicht für eine Entrichtung der Abgabennachforderung zur Verfügung.

Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die von der Abgabenbehörde vorgelegten Akten und das damit (mit Ausnahme der hier nicht relevanten Fragen der Ansässigkeit und des Naheverhältnisses) nicht im Widerspruch stehende Vorbringen der Bf. berücksichtigt.

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist.

Erwägungen:

Unstrittig ist das Bestehen einer Abgabennachforderung nach einer abgabenbehördlichen Prüfung sowie der Umstand, dass die Bf. nunmehr weder über Vermögen noch Einkommen in Österreich verfügt.

Zu prüfen ist in diesem Beschwerdeverfahren lediglich die wirtschaftliche Lage der eine Aussetzung anstrebenden Abgabepflichtigen im Verhältnis zur Abgabennachforderung und nicht auch die Einkommens- und/oder Vermögenslage von Gesellschaftern, daher war auf das Vorbringen zu weiteren Firmen der Gesellschafter und deren Betriebsgegenstand in diesem Verfahren nicht einzugehen.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Bf. gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO ein Verhalten gesetzt hat, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet war, womit bei Vorlage der Voraussetzungen des § 212a Abs. 1 BAO eine Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen ist.

Dem Einwand der Bf., dass sie weder Bankverbindlichkeiten noch sonstige Verbindlichkeiten habe, hingegen eine zypriotische Liegenschaft, deren Wert mit € 130.000,00 beziffert worden sei, ist zu entgegnen, dass gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen ist, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 212a Abs. 2 lit. c BAO bereits ausgesprochen, dass die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig macht. Vielmehr schließe erst ein bestimmtes auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabenpflichtigen die Bewilligung der Aussetzung aus ().

Lehre, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis stimmen darin überein, dass der Umstand, dass die Einbringlichkeit der Abgabe an sich gefährdet ist oder durch die Bewilligung der Aussetzung gefährdet wird, im Rahmen der Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO unbeachtlich ist. Dies ist offensichtlich der Preis, den der Gesetzgeber für die Erreichung des Normzwecks, nämlich der faktischen Effizienz von Beschwerden verfassungskonform zu dienen, zu zahlen bereit war bzw. zu zahlen hatte. Bloße Gefährdung der Einbringlichkeit oder deren Anstieg im maßgeblichen Beobachtungszeitraum berechtigen daher nicht zur Abweisung des Aussetzungsantrages. Hiefür ist eine dem Abgabepflichtigen zuzurechnende Gefährdungshandlung erforderlich.

Bedeutsam ist nicht nur ein im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag stehendes Verhalten des Abgabepflichtigen, sondern auch ein zeitlich davor liegendes Verhalten ().

Da der Antrag auf Aussetzung der Einhebung am eingebracht wurde, steht der Verkauf der österreichischen Liegenschaften mit Kaufvertrag vom damit im engen zeitlichen Zusammenhang und kommt daher grundsätzlich als aussetzungsschädliches Verhalten in Betracht.

Dazu ist festzustellen, dass durch den Verkauf der in Österreich gelegenen Liegenschaften der Bf. ein gänzlicher Verlust von Vermögenswerten in Österreich eingetreten ist, da zwar ein Kaufpreis in Höhe von € 600.000,00 erzielt wurde, der jedoch der Bf. für die Abgabenentrichtung nicht zur Verfügung steht, da der Verkaufserlös, folgt man dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG, vollständig mit den Verrechnungskonten der Gesellschafter verrechnet wurde.

Die Veräußerung der in Österreich gelegenen Liegenschaften als alleiniger im Inland befindlicher Vermögenswert, in Kenntnis der offenen Abgabennachforderung und gänzlicher Verwendung des Verkaufserlöses ohne Berücksichtigung, dass Geldmittel für die Abgabenentrichtung zurückbehalten werden sollen, stellt ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten der Bf. dar, da durch diese Vorgangsweise der Zugriff der Finanzverwaltung auf im Inland befindliche Vermögenswerte hintangehalten wurde.

Aus dem Hinweis des Vertreters der Bf. auf das Erkenntnis des , lässt sich dazu nichts gewinnen, weil in dieser Rechtssache geplant war, den Verkaufserlös einer Liegenschaft zur Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, was verfahrensgegenständlich so eben nicht möglich ist.

Dass sich noch weiteres Grundvermögen in Zypern im Besitz der Bf. befindet, ist unerheblich, da zwar im Wege der EU-Rechtshilfeabkommen die Eintreibung des Rückstandes erfolgen könnte, es jedoch bei der Bestimmung des § 212a Abs. 2 lit. c BAO eben nicht auf die tatsächliche Gefährdung der Einbringlichkeit ankommt, sondern nur auf ein darauf gerichtetes Verhalten, wenn also darauf abgezielt wird, das Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen.

Der Verkauf der Grundstücke mit der Folge, dass die Bf. nunmehr in Österreich weder über Vermögen noch über Einkünfte verfügt, berechtigte daher zur Schlussfolgerung, das Verhalten der Bf. ist auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschuld gerichtet gewesen (vgl. ).

Da somit ein aussetzungsschädliches Verhalten der Bf. vorlag, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt verfahrensgegenständlich nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der ständigen Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 2 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100767.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at