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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2022, RV/7101281/2022

Erhöhte Familienbeihilfe; in den Gutachten wurde bei der Erkrankung Depressio mit sozialer Phobie keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR. über die Beschwerde der ***1***, vertreten durch Rechtsanwalt vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für das Kind S. ab Dezember 2020, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin brachte beim Finanzamt am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages für ihren Sohn S., geb. ***3***, ein.

S. wurde am von Dr. Dok1 untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
Erstbegutachtung: Schwangerschaft und Geburt unauffällig
AE, Nasenpolypenop. 1994 VU mit Commotio und Zahnverlust
Depressionen seit ca. Anfang 2018 diagnostiziert, bisher keine stat. Aufenthalt diesbezüglich, keine Psychotherapie, unregelmäßig bei seinem Psychiater , ängstlich gefärbtes Krankheitsbild seit der Kindheit
Adipositas per magna seit ca. 2010
Arterielle Hypertonie bekannt

Derzeitige Beschwerden:
Er leide "unter Übergewicht mit Atembeschwerden, Antriebslosigkeit, Nebeligkeit, auch Traurigkeit - es komme und gehe, es sei oft daß er im Bett liege, oder wenn er etwas lese ihm die Emotionen kommen"; keine Allergie bekannt

Behandlung(en)/Medikamente/Hilfsmittel
Setralin, Wellbutrin

Sozialanamnese:

2014-8 Dr. J., HNO; klin. V.a. Schlafapnoesyndrom, keine Indikation für OP

Untersuchungsbefund: …

Psycho(patho)logischer Status:
allseits orientiert, gut kontaktfähig, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, psychomotorisch ausgeglichen, Merk- und Konzentrationsfähigkeit erhalten, keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Stimmung ausgeglichen

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Rückwirkung aufgrund des Befundes vom PSD gerechtfertigt

Herr S. K. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Es liegt keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vor, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge hat.X Dauerzustand

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit folgender Begründung ab:

"Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt.

Da für Ihr Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihrem Kind ist das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Da bei Ihrem Sohn S. It. Bescheinigung des Bundessozialamtes vom keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wurde, besteht für S. kein Anspruch auf Familienbeihilfe."

Die Bf. erhob gegen den Abweisungsbescheid am Beschwerde und ersuchte mit der Begründung um Erstellung eines neuen Gutachtens durch das Bundessozialamt, dass beim Erstellen des Gutachtens wesentliche Unterlagen nicht vorgelegt worden seien.

Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom legte die Bf. die unten angeführte klinische Bestätigung von Dr. B., Klinische Psychologin und Psychotherapeutin, Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien, Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, vor.

"S. wurde 1990 erstmals an unserer Klinik wegen fraglicher Schulreife vorgestellt. Von 31.1. - war S. an der heilpädagogischen Station der Kinderklinik stationär aufgenommen. Im Anschluß daran erfolgte eine weitere ambulante Betreuung an unserer Klinik. Es handelt sich bei S. um eine emotionale Störung im Kindes- und Jugendalter mit deutlichen Beziehungsschwierigkeiten, um Angstproblematik, sowie um eine Wahrnehmungsstörung im taktilkinästhetischen Bereich mit Auswirkungen in der Fein- und Grobmotorik."

Weiters legte die Bf. die Bescheinigung der Stellungskommission, Militärkommando Wien, vom vor, wonach S. für die Eignung zum Wehrdienst untauglich war.

Ergänzend merkte die Bf. im Schreiben vom an, dass ihr Sohn über kein eigenes Einkommen verfüge und er es krankheitsbedingt nie geschafft habe, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch ein Studium habe er krankheitsbedingt und auf Empfehlung seines behandelnden Psychiaters Dr. P., Chefarzt der Sozialen Dienste in Wien abbrechen müssen. Ihr Sohn wohne alleine in einer Gemeindewohnung und die gesamten Lebenserhaltungskosten würden von ihr und dem Vater getragen.

S. wurde am im Sozialministeriumservice neuerlich untersucht und von Dr.in Dok2, Ärztin für Allgemeinmedizin, folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
siehe auch VGA vom Diagnose Adipositas permagna 30%, Depressio mit sozialer Phobie 30% Gesamt-GdB 30%

GdB liegt rückwirkend vor 02/2017

Beschwerde aufgrund Abweisung Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe, da wesentliche Unterlagen nicht vorgelegt wurden.Ergänzend wäre anzumerken, dass S. über kein eigenes Einkommen verfügt und es krankheitsbedingt nie schaffe einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch das Studium musste er krankheitsbedingt abbrechen. S. wohnt alleine in einer Gemeindewohnung. Die gesamten Lebenserhaltungskosten werden von den Eltern übernommen.

Derzeitige Beschwerden:
Ich war schon in meiner Kindheit in psychiatrischer Behandlung. Allerdings habe ich vom Jahr 2000 bis 2017 keinerlei Therapien gemacht, erst seit 2017 bin ich nun wieder in ambulanter Behandlung. Ich glaube ich war auch von 2014 bis 2017 bei einem systemischen Psychotherapeuten in Behandlung, wobei ich das zeitliche Datum nicht genau weiß. Ich bin nun hier, weil Dr.
P. der Meinung ist, dass ich Anspruch habe auf eine rückwirkende erhöhte Familienbeihilfe. Ich nehme meine Medikamente und bin ca. einmal im Monat bei Dr. P. in Therapie. Dadurch bin ich auch einigermaßen stabil. Stationäre Aufenthalte hat es bei mir in den letzten Jahren keine gegeben und keine ambulanten Psychotherapien.

[…]

Psychosoziale Dienste Wien von Oktober 2020 Dr. P.

Der Patient befindet sich seit Anfang 2017 in ambulanter Behandlung. Es liegt ein ängstlich gefärbtes Krankheitsbild seit dem 18. Lebensjahr vor. Es gab bereits in der Kindheit und Jugend einige ambulante Therapien und einen fünfmonatigen Aufenthalt in einer heilpädagogischen Station der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters. Es mehrere Klassen- bzw. Schulwechsel und wenig funktionierende Sozialbeziehungen. In den letzten 10 Jahren kam es zu einer Adipositas per magna und zu immer wiederkehrenden depressiven Episoden. Das Krankheitsbild ist als chronisch anzusehen. Eine Arbeitsfähigkeit hat bislang noch nie bestanden.

Psychologischer Befundbericht vom
Institut für psychiatrische Frührehabilitation

Zusammenfassend zeigt die Analyse zum Zeitpunkt der Untersuchung eine hohe psychische und physische Belastung mit erhöhtem depressivem Schmerzerleben, großen Versagensängsten, phobischen Vermeidungsreaktionen sowie unterdurchschnittlich großen und Selbstvorwürfen.

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Eine Anhebung und weitere Rückdatierung des GdB ist aufgrund fehlender Brückenbefunde (2000-2017) nicht möglich.

Herr S. K. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:Es liegt keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vor, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge hat.

X Dauerzustand

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung ab:

"Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe zu, wenn das Kind wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist.

Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt.

Da für Ihr Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihrem Kind ist das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Ihr Sohn S. ist seit Nov. 2000 volljährig.

Auch laut neuerlicher Begutachtung durch das Sozialministeriumsservice vom wurde bei Ihrem Sohn S. keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt, sondern nur ein Behinderungsgrad von 30% ab .

Da somit S. nicht dauernd erwerbsunfähig ist, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe und folgedessen auch nicht für den Erhöhungsbetrag."

Die Bf. stellte am folgenden Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht (Auszug):

"… Gegen den Abweisungsbescheid vom richtete sich die Beschwerde der Antragstellerin vom . Die Antragstellerin argumentierte neuerlich, dass ihr Sohn über kein eigenes Einkommen verfüge und er es krankheitsbedingt nie geschafft habe, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Sohn der Antragstellerin musste auch sein Studium auf Empfehlung seines behandelnden Psychiaters Dr. P., Chefarzt der Sozialen Dienste in Wien, krankheitsbedingtabbrechen.

Vorgelegt wurden zudem von der Antragstellerin eine klinische Bestätigung der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters datiert vom , wonach der Sohn der Antragstellerin vom bis zum an der heilpädagogischen Station der Kinderklinik stationär aufgenommen war und im Anschluss eine weitere ambulante Behandlung an der Klinik erfolgte. Weiters wurde die Stellenkommission des Militärkommandos Wien vom übermittelt, mit der der Sohn der Antragstellerin aufgrund der klinischen Bestätigung vom für untauglich erkannt wurde.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde der Antragstellerin vom als unbegründet ab. Begründet wurde die Abweisung der Beschwerde damit, dass auch eine neuerliche Begutachtung durch das Sozialministeriumservice vom dem Sohn der Antragstellerin keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt habe, sondern lediglich einen Behinderungsgrad von 30% ab .

Die belangte Behörde stützt ihre Begründung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung auf die Ergebnisse der Begutachtungen durch das im Sozialministeriumservice vom und vom , mit denen dem Sohn der Antragstellerin keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt worden seien, sondern lediglich ein Behinderungsgrad von 30% ab .

Die der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden Gutachten vom sowie vom sind jedoch unvollständig, ergänzungsbedürftig und fehlerhaft und werden daher die im Rahmen der Begründung erhobenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde, dass der Grad der Behinderung 30% betrage und keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden könne, ausdrücklich bestritten.

Die Beschwerdevorentscheidung ist daher inhaltlich rechtswidrig.

Diesbezüglich ist auszuführen wie folgt:

3.1. Nach stRsp des VwGH ist der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen. Ein Gutachten ist die begründete Darstellung Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei von fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für ). Auch die Gutachten der Ärzte des ärztlichen Sachverständigengutachten haben den an stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen. Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind daher verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m.w.N.).

Hat das Gutachten des Sozialministeriumsservice die Frage zu beantworten, ob das Kind wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, muss das Gutachten daher erstens feststellen, ob das Kind auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und zweitens, ob dafür der Grund darin liegt, dass diese körperliche oder geistige Behinderung bei dem Kind vor den im Gesetz genannten Zeitpunkten eingetreten ist. Diese Feststellung darf sich aber nicht in einer bloßen Behauptung erschöpfen, sondern muss sich mit den vorliegenden Beweismitteln so auseinandersetzen, dass dies für den Antragsteller, die belangte Behörde und das Gericht auch nachvollziehbar ist. Insbesondere muss eine Auseinandersetzung mit den aktenkundigen Befunden erfolgen und ist in einer Zusammenschau aller Beweismittel zu begründen, warum eine diagnostizierte, einer selbständigen Unterhaltsverschaffung entgegenstehende Behinderung vor oder nach dem im Gesetz genannten Zeitpunkt eingetreten ist.

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m. w. N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).

3.2. Die der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden Gutachten vom sowie vom sind unvollständig, ergänzungsbedürftig und fehlerhaft. Insbesondere erfolgte keine ausreichende Auseinandersetzung mit den aktenkundigen Befunden, konkret dem fachärztlichen Befundbericht vom , dem psychologische Befundbericht vom und der klinischen Bestätigung vom und erfolgte keine nachvollziehbare Begründung, warum von der im fachärztlichen Befundbericht vom dem Sohn der Antragstellerin ausdrücklich attestierten mangelnde Arbeitsfähigkeit abgegangen wurde.

3.3. Laut den vorgelegten Befunden ist die Krankheitsgeschichte des Sohnes der Antragstellerin zusammenfassend darzustellen wie folgt:

Beim Sohn der Antragstellerin liegt bereits seit dem 8. Lebensjahr eine emotionale Störung im Kindes- und Jugendalter mit deutlichen Beziehungsschwierigkeiten, Angstproblematik sowie Wahrnehmungsstörungen im taktil-kinästhetischen Bereich mit Auswirkungen in der Fein- und Grobmotorik vor. Im Zeitraum vom bis zum kam es bereits zu einem 5-monatigen Aufenthalt an der heilpädagogischen Station der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters und daran anschließender ambulanter Betreuung (siehe diesbezüglich klinische Bestätigung vom ).

In der Folge kam es zu mehreren Klassen- bzw. Schulwechsel und wenig funktionierenden Sozialbeziehungen und entwickelte sich in den letzten 10 Jahren beim und immer wiederkehrende Essattacken und eine Adipositas permagna ausgeprägte depressive Episoden mit Durchschlafstörungen, Panikattacken. Der Gesundheitszustand des Sohns der Antragstellerin verschlechterte sich massiv, sodass er aufgrund seiner ausgeprägten psychischen Beschwerden Suizidgedanken entwickelte und Suizidversuche konkret plante.

In der Zeit vom September 2012 bis Juli 2017 nahm der Sohn der Antragstellerin Psychotherapie in 14-tägiger Frequenz in Anspruch (siehe Bestätigung von Mag.art. Dr. phil. MAS MSc X. vom ). Seit Anfang 2017 befindet sich der Sohn der Antragstellerin in ambulanter Behandlung bei Dr. P., Chefarzt am Kuratorium für Psychosoziale Dienste in Wien.

Mittels einer antidepressiven Medikation mit Sertralin 100mg l-O-O-O und einer allmählich aufdosierten Medikation auf eine Tagesdosis von 450mg Wellbutrin konnte zumindest Großteils eine Besserung der schweren Depression und der sehr häufigen Panikattacken erreicht werden.

In seinem fachärztlichen Befundbericht vom kam der den Sohn der Antragstellerin seit 2017 betreuende Prim. Dr. P. zu dem Ergebnis, dass beim Sohn der Antragstellerin eine chronifizierte mittelschwere Depression mit starken phobischen Anteilen und Versagensängsten vorliegt.

Konkret lautete die Diagnose laut fachärztlichen Befundbericht vom wie folgt:

• Depressio mittelschwer (ICD 10 F 32.1)
GAD (ICD 10 F 41.1)
• Soziale Phobie (ICD 10 F 40.1)
• Essattacken -f Adipositas permagna (ICD 10 F 50.4.)

Weiters kam Dr. P. in seinem fachärztlichen Befundbericht zu dem Ergebnis, dass das seit vielen Jahren mit nur kurzen Unterbrechungen bestehende Zustandsbild längst chronifiziert sei, und Arbeitsfähigkeit bislang noch nie bestanden habe.

Weiters unterzog sich der Sohn der Antragstellerin im Zeitraum vom bis zum einer psychologischen Untersuchung zur Klärung seiner psychischen Beschwerden. Der daraus resultierende psychologische Befundbericht vom kam zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass der Sohn der Antragstellerin im hohen Maß psychisch und physisch belastet ist. Die Resultate des differenziellen Depressionsfragebogens wiesen auf ein erhöhtes depressives Schmerzerleben hin, die Ergebnisse zeigten, dass der Sohn der Antragstellerin unter großen Versagensängsten, phobischen Vermeidungsreaktionen sowie zu überdurchschnittlich großen Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen neigt. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnte das Resultat des Becks Depressionsinventar auf das Vorliegen einer schweren Depression interpretiert werden und zeigte sich beim Sohn der Antragstellerin deutlich ein depressogener Atributionsstil. Es liegt ein negatives Selbstkonzept hinsichtlich der eigenen Leistungsfähigkeit sowie große Schwierigkeiten, sich auf Beziehungen einzulassen und anderen zu vertrauen, vor. Hinzu kommt, dass sich der Sohn der Antragstellerin sehr gering schätzt. Die Ergebnisse des Stait-Trait-Angstinventars zeigten, dass beim Sohn der Antragstellerin in deutlichem Ausmaß Gefühle der Anspannung, Besorgtheit, Nervosität, inneren Unruhe und Furcht vor zukünftigen Ereignissen vorhanden sind. Es liegt eine überdurchschnittlich hohe Tendenz vor, Situationen als bedrohlich zu bewerten und hierauf mit einem Anstieg der Zustandsangst zu reagieren. Im Rahmen der Persönlichkeitsdiagnostik zeigten sich deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer schizoiden Persönlichkeitsstörung mit abhängigen und selbstunsicher-ängstlichen Persönlichkeitsakzentuierungen.

3.4. Festzuhalten ist, dass in den Sachverständigengutachten vom und keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem oben geschilderten und dem Sohn der Antragstellerin diagnostizierten Gesundheitszustand erfolgte.

Die Ausführungen von Dr. P., Chefarzt der Psychosozialen Dienste Wien, der den Sohn der Antragstellerin bereits seit über drei Jahren ambulant behandelte, wonach beim Sohn der Antragstellerin Arbeitsfähigkeit bislang noch nie bestanden habe, werden kommentarlos übergangen und auch mit dem Umstand, dass tatsächlich ein 5-monatiger stationärer Aufenthalt an der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie vorlag, findet überhaupt keine Auseinandersetzung statt.

Die mangelnde Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Gesundheitszustand des Sohns der Antragstellerin zeigt sich allerdings insbesondere daran, dass beide im Verfahren eingeholten Gutachten von Ärzten der Allgemeinmedizin erstellt wurden, die die bestehenden psychischen Beeinträchtigungen schlicht nicht beurteilen konnten.

Auch wenn grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Zuziehung eines Facharztes aus einem bestimmten medizinischen Fachgebiet besteht, besteht ein Rechtsanspruch auf Durchführung eines qualifizierten Verfahrens. Vorliegendenfalls ist es zur Gewährleistung einer qualifizieren Beurteilung des Gesundheitszustandes des Sohns der Antragstellerin, dessen psychische Grunderkrankung erstmals 1990 diagnostiziert wurde, zwingend erforderlich, einen Facharzt der Psychiatrie beizuziehen und wird daher ausdrücklich der Antrag gestellt, ein Ergänzungsgutachten von einem Facharzt der Psychiatrie einzuholen, um den Gesundheitszustand abschließend beurteilen zu können.

Weiters werden im Sachverständigengutachten vom die relevanten Befunde unrichtig zusammengefasst:

So wird das Datum der klinischen Bestätigung der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie mit - statt mit - angeführt.

Der psychologische Befundbericht vom wird insofern falsch zitiert, als im Befundbericht vom (Seite 6) angeführt wird, dass der Sohn der Antragstellerin unter großen Versagensängsten, phobischen Vermeidungsreaktionen sowie zu überdurchschnittlich großen Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen neigt.

Diesbezüglich findet sich im Sachverständigengutachten vom das unrichtige Zitat: "... sowie unterdurchschnittlich großen und Selbstvorwürfen" .

Weiters findet sich im Sachverständigengutachten vom in der Begründung der Hinweis, dass eine Anhebung der Gesamtzahl der Behinderung aufgrund fehlender Brückenbefunde im Zeitraum 2000 bis 2017 nicht möglich sei und der Sohn der Antragstellerin im Zeitraum von 2000 bis 2017 keinerlei Therapien gemacht habe.

Tatsächlich gab der Sohn der Antragstellerin jedoch an, dass er - so seine Erinnerung - glaublich von 2014 bis 2017 bei einem systemischen Psychotherapeuten eine Behandlung gemacht habe. Diesbezüglich wird nunmehr eine Bestätigung vom vorgelegt, aus der hervorgeht, dass der Sohn der Antragstellerin von 09/12 bis 07/17 am Systemischen Institut Psychotherapien in 14-tägiger Frequenz in Anspruch genommen hat (siehe Bestätigung von Mag.art. Dr. phil. MAS MSc X. vom ).

psychologischer Befundbericht vom , Beilage ./H;
Klinischen Bestätigung vom , Beilage ./I;
fachärztlichen Befundbericht vom , Beilage ./J;
Bestätigung von Mag.art. Dr. phil. MAS MSc X. vom , Beilage ./K;
weitere Beweise vorbehalten.

Beweis:

3.5. Um den beiden mangelhaften Vorgutachten zusätzlich inhaltlich entgegenzutreten, holte die Antragstellerin eine ergänzende fachärztliche Stellungnahme von Dr. P. ein, der zusammengefasst zu dem Ergebnis kommt, dass beim Sohn der Antragstellerin keine Arbeitsfähigkeit im Sinne einer Erwerbsfähigkeit vorliegt.

Verwiesen wird diesbezüglich insbesondere auf den psychologischer Befundbericht vom und neuerlich hervorgehoben, dass das Zustandsbild längst ein chronifiziertes ist, das bereits in der Kindheit begonnen und sogar zu einem mehrmonatigen stationären Aufenthalt an einer Kinder- und Jugendpsychiatrie geführt hat, was bei Kindern unter 10 Jahren selten vorkomme.

ergänzende fachärztliche Stellungnahme von Dr. P. vom , Beilage ./L;
weitere Beweise Vorbehalten.

Beweis:

3.6. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei dem Sohn der Antragstellerin S. K. jedenfalls eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist (siehe diesbezüglich insbesondere die klinische Bestätigung vom über den 5-monatiqen Aufenthalt an der heilpädagogischen Station und die daran anschließende ambulante Behandlung), weshalb der Antragstellerin auch die beantragte (erhöhte) Familienbeihilfe zusteht.

4. Anträge:

Es werden daher gestellt die nachstehenden

ANTRÄGE:

Das Bundesfinanzgericht der Republik Österreich möge

1. gegenständliche Beschwerdevorentscheidung abändern und in der Sache selbst entscheiden, sodass der Antragstellerin (erhöhte) Familienbeihilfe rückwirkend ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den die/der medizinische Sachverständige feststellt, im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung ausbezahlt wird;

in eventu

2. gegenständliche Beschwerdevorentscheidung aufheben und der Behörde erster Instanz zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Der Sohn der Bf. ist am ***3*** geboren und vollendete am ***2*** das 21. Lebensjahr.

S. wurde im Zuge des Beihilfenverfahrens zwei Mal untersucht.

In den Gutachten vom und vom bescheinigten die Ärzte dem Sohn der Bf. eine "Depressio mit sozialer Phobie" und "Adipositas permagna".

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30 vH festgesetzt und keine voraussichtlich vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetretene Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.

Diese Feststellungen werden vom Bundesfinanzgericht als schlüssig erachtet.

Nähere Ausführungen hierzu finden sich um dem Punkt Beweiswürdigung.

Gesetzesgrundlagen

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 haben bestimmte Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (während einer späteren Berufsausbildung bis zum 25. Lebensjahr) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 werden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs 4 FLAG) höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Gemäß § 8 Abs 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind. Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vor-übergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind (für Begutachtungen nach dem Stichtag ) § 14 Abs. 3 des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Be-stimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärzt-lichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Volljährige Kinder

Die Norm des § 8 FLAG 1967 bestimmt in ihren Abs. 3 bis 6, unter welchen Bedingungen der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zusteht.

Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967 sowie jene des § 6 Abs. 2 lit. d leg. cit. (bezüglich des Eigenanspruches) regeln weiters, unter welchen Voraussetzungen bei Behinderungen der Grundbetrag an Familienbeihilfe gewährt werden kann:

Dieser steht für volljährige Kinder zu, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufs­ausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Hierbei ist auch eine Behinderung im psychischen Bereich als geistige Behinderung iSd obigen Bestimmungen anzusehen (s ). Für die Verlängerung der Frist bis zum 25. Lebensjahr ist entscheidend, dass eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b oder lit h vorliegt.

Demgegenüber ist bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung, und würde er auch 100 % betragen (s auch ; ).

Es ist auch bei einer Behinderung von 100 % nicht ausgeschlossen, dass der Betreffende imstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (). Allerdings ist bis zum 25. (27.) Lebensjahr auch § 2 Abs 1 lit h (§ 6 Abs 2 lit g) zu beachten (s § 2 Rz 33). Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu. Besteht eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, steht sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung [Rz 10 - 35]).

Erwerbsunfähigkeit

In den Erkenntnissen vom , 99/12/0236, und vom , 2003/12/0174, stellte der VwGH zum Begriff der Erwerbsfähigkeit im Pensionsgesetz fest, dass dieser im allgemeinen Sprachgebrauch bedeute, in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit sei nach der Rechtsprechung zwar abstrakt zu beurteilen (dh, es sei nicht entscheidend, ob die in Frage kommenden Tätigkeiten gerade am Arbeitsmarkt verfügbar seien oder nicht, es müsse sich aber um eine Beschäftigung handeln, die grundsätzlich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes sei); es komme aber sehr wohl darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Einsatzfähigkeit für bestimmte Tätigkeiten (Berufsbilder) vorliegen.

Hierbei sei weiters zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (zB Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) noch gegeben sei.

Einschätzungsverordnung

Die Anlage zur EinschätzungsVO wurde in Zusammenarbeit mit den leitenden Ärztinnen und Ärzten des Sozialministeriumservice und ihrer Gutachterteams unter der Leitung der medizinischen Fachabteilung des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz erstellt. Bei der Ausarbeitung der Einschätzungskriterien haben wissenschaftlich tätige Ärztinnen, Ärzte und erfahrene Gutachterärztinnen und Gutachterärzte mitgearbeitet. Weiters wurden im Zuge der Erarbeitung zu problematischen, strittigen oder divergierenden Ansichten in den Arbeitsgruppen Experten und Expertinnen aus dem universitären Bereich beigezogen. Abschließend wurden Expertisen einzelner Fachgesellschaften eingeholt. Diese Vorgehensweise gewährleistet, dass sowohl Erkenntnisse der wissenschaftlichen Lehrmeinung als auch praktische Erfahrung der medizinischen Begutachtung in das Einschätzungsinstrument eingeflossen sind (ErlRV 770 BlgNR 24. GP).

Gutachten Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sach-verhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Bescheinigung des Sozialministeriumservice

Der Nachweis des Grades der Behinderung bzw. die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. , ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht.

Im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt bzw. für diesen die erhöhte Familienbeihilfe beantragt wird, haben sich die Feststellungen darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Es dürfen dabei andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) für die Beurteilung ebenso wenig herangezogen werden wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres.

Im Erkenntnis vom , Ra 2014/16/0010 stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine geistige oder körperliche Behinderung durchaus die Folge einer Krankheit sein könne, die schon seit längerem vorliege (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiere. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führe, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirke, sei der Tatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußere noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führe. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintrete, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirke.

Berufsbefugnis - Ärzte im Sozialministeriumservice

Festgehalten wird zunächst, dass die allgemeinärztliche Berufsbefugnis den gesamten Bereich der Medizin auf allen Fachgebieten der medizinischen Wissenschaft umfasst, sofern der Arzt über die entsprechenden Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt und nicht bestimmte Tätigkeiten besonders qualifizierten (Fach-)Ärzten vorbehalten sind. Ein Arzt für Allgemeinmedizin ist daher grundsätzlich zur Erstattung eines Gutachtens befugt (vgl. ).

Es ist nicht rechtswidrig, wenn das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen sich bei der Erstattung von Bescheinigungen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 zur Berufsausübung berechtigter Ärzte, die in die bei dieser Behörde gem § 90 KOVG 1957 zu führende Sachverständigenliste, nicht aber in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Seite 337 Sachverständigen und Dolmetscher nach dem SDG eingetragen sind, als Amtssachverständige bedient. Weder das Behinderteneinstellungsgesetz noch das FLAG enthalten eine Regelung aus der erschlossen werden kann, dass ein Anspruch auf die Beiziehung von Fachärzten bestimmter Richtung bestünde. Es besteht demnach kein Anspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt vielmehr auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an ().

Diagnoseerstellung durch die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice:

Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab ().

Die sachverständigen Ärzte des Sozialministeriumservice ziehen für ihre zu treffenden Feststellungen (Höhe des Grades der Behinderung, Zeitpunkt des Eintrittes des Behinderungs-grades, Feststellungen, ob und seit wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt) neben der Anamnese und Untersuchung die Kenntnisse der Medizin und ihr eigenes Fachwissen heran.

Geht es um die Feststellung des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit, hat der Sachverständige nur die Möglichkeit, neben seiner ärztlichen Erfahrung allenfalls vorhandene andere Hinweise wie Befunde, Krankenhausaufenthalte etc. heranzuziehen.

Der Sachverständige kann aufgrund seines medizinischen Fachwissens ohne Probleme den aktuellen Gesundheitszustand des Erkrankten beurteilen. Bei einem Antragsteller, der zum Untersuchungszeitpunkt bereits älter als 40 Jahre ist, lässt sich aber kaum oder nur in Ausnahmefällen die Feststellung zu treffen, ob die Erwerbsunfähigkeit tatsächlich bereits vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Nach der Judikatur des VwGH dürfen aber Sachverständige die Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für ).

Psychische Erkrankungen zählen zu den Krankheiten, die in unterschiedlicher Intensität auftreten, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen und sich mit zunehmendem Alter verschlechtern (können). Daher ist die Feststellung, ob die psychische Erkrankung bereits vor dem 21. Lebensjahr zu einer Erwerbsunfähigkeit geführt hat, besonders schwierig ().

Somit wird es primär am Antragsteller oder der Antragstellerin, allenfalls vertreten durch ihre Sachwalter, liegen, den behaupteten Sachverhalt, nämlich dass bereits vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eine Erwerbsunfähigkeit vorgelegen ist, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (siehe ; ).

Fehlen derartige Befunde, warum auch immer, können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen naturgemäß nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen (, vgl. auch ).

Erhöhte Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften - Möglichkeiten des Antragstellers:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungs-pflicht.

Der Antragsteller hat die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gut-achtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , ).

Werden vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin Beweismittel vorgelegt, ist es Sache des Sachverständigen, die Tauglichkeit an Hand seiner Sachkunde zu beurteilen (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung [Rz 10 - 35] unter Verweis auf ).

Bindung an die Gutachten des Sozialministeriumservice:

Der Grad der Behinderung und die Feststellung, ob bzw. ab wann eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, ist gemäß den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Be-hinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. , ) und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht.

Die Beihilfenbehörden und das Gericht dürfen die Gutachten nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Ein Abweichen ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (, ).

Ein Gutachten ist

  1. vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

  2. nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

  3. schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint


Im vorliegenden Fall wurden den Ärzten im Sozialministerium von der Bf. folgende Befunde vorgelegt:

Befundbericht des Institutes für psychiatrische Frührehabilitation vom

Dem Befundbericht ist zu entnehmen, dass S. die Matura absolvierte und danach im Alter von 20 Jahren ein Jurastudium begann, welches er nach zwei Semestern abgebrochen und zum Geschichtsstudium gewechselt hat. "Herr K. beschreibt, dass sich im Zuge des Geschichtsstudiums seine psychischen Probleme massiv verschlechterten und er begann unter starken Depressionen zu leiden. Er beschoss das Geschichtsstudium abzubrechen und nahm erneut das Jurastudium auf." … "Zusammenfassend zeigt die Analyse der Testergebnisse, dass Herr K. zum Zeitpunkt der Untersuchung in hohem Maße psychisch und physisch belastet ist."

Klinischen Bestätigung der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters vom

Aus der klinischen Bestätigung geht hervor, dass S. erstmals 1990 an der Klinik wegen fraglicher Schulreife vorgestellt wurde, vom 31. Jänner bis an der heilpädagogischen Station der Kinderklinik stationär aufgenommen wurde und im Anschluss daran eine weitere ambulante Betreuung an der Klinik erfolgt ist. Es handle sich bei S. um eine emotionale Störung im Kindes- und Jugendalter mit deutlichen Beziehungsschwierigkeiten, um Angstproblematik, sowie um eine Wahrnehmungsstörung im taktilkinästhetischen Bereich mit Auswirkungen in der Fein- und Grobmotorik.

Fachärztlicher Befundbericht von Primar Dr. P. vom

Dr. P. traf in seinem fachärztlichen Befundbericht folgende Feststellungen:

"Anamnestisch liegt ein ängstlich gefärbtes Krankheitsbild seit dem 8. Lebensjahr vor, es gab bereits in der Kindheit und Jugend einige ambulante Therapien und auch einen 5 Monate Aufenthalt an der heilpädagogischen Station der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters. Es gab mehrere Klassen- bzw. Schulwechsel und wenig funktio-nierende Sozialbeziehungen. In den letzten 10 Jahren kam es zu einer Adipositas permagna und immer wiederkehrenden ausgeprägt depressiven Episoden. In einer solchen Verfassung kam Herr K. auch Anfang 2017 zu mir. Mittels einer antidepressiven Medikation mit Sertralin 100mg 1-0-0-0 und einer allmählich auf dosierten Medikation auf eine Tagesdosis von 450mg Wellbutrin ist Herr F. zumindest großteils von der schweren Depression und sehr häufi-gen Panikattacken gebessert. Allerdings liegt dennoch eine chronifizierte mittelschwere De-pression mit stark phobischen Anteilen und Versagensängsten vor.

Depressio mittelschwer (ICD 10 F 32.1)
GAD (ICD 10 F 41.1)
Soziale Phobie (ICD 10 F 40.1)
Essattacken + Adipositas permagna (ICD 10 F 50.4)

Diagnostisch:

Das seit vielen Jahren mit nur kurzen Unterbrechungen bestehende Zustandsbild ist längst chronifiziert, Arbeitsfähigkeit hat bislang noch nie bestanden (Patient lebt von den Zuwen-dungen der Eltern, hat diesbezüglich auch massive Schuldgefühle und versucht durch Be-scheidenheit gegenzusteuern) und das Studium hat seit Jahren weder Fortschritt noch Abschluss. Da die Erkrankung im jugendlichen Alter begonnen hat, ersuchen wir um Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe."

Ergänzungsbericht von Dr. P. vom

Im Ergänzungsbericht hält Dr. P. (auszugsweise) fest, dass der Erstkontakt im Jahre 2017 in einem ausgeprägt schwer depressiven Zustand von S. erfolgt sei. Er sei von Zwangsweinen und schwersten Selbstvorwürfen gezeichnet, er sei beginnend suizidal und auch in alltäglichen Lebensbereichen (Versorgung der Wohnung, des Einkaufs, des eigenen Körpers) massiv eingeschränkt sei. Vom Antrieb bis zur Schlaffähigkeit, vom körperlichen bis zum psychischen Befinden, von den Gedankenmustern, alles im schwer depressiven Bereich. Dieser Zustand habe bereits mehrere Monate bestanden und dementsprechend sei sowohl eine depressive Einengung, als auch der Beginn einer suizidalen Komponente vorgelegen. Das Zustandsbild sei längst chronifiziert und habe bereits in der Kindheit begonnen und sei auch damals kein leichtes Leiden gewesen. Mehrmonatige stationäre Aufenthalte an Kinder- und Jugendpsychiatrien bei unter 10 - Jährigen seien (und sind) selten.

Bestätigung von Mag.art. Dr.phil. MAS MSC X. vom

Mag.art. Dr. phil. MAS MSc X. bestätigt, dass S. von September 2012 bis Juli 2017 am Systemischen Institut Psychotherapie in 14-tägiger Frequenz in Anspruch nahm.

Die Sachverständigen im Sozialministerium trafen in ihren Gutachten folgende Feststellungen:

Dr. Dok1 reihte in seinem Gutachten vom die Erkrankung Adipositas permagna unter die Pos.Nr. mit einem Behinderungsgrad von 30vH und die Erkrankung "Depressio mit sozialer Phobie" unter die Pos.Nr. . Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30 vH rückwirkend ab Februar 2017 festgesetzt.

Dr.in Dok2 nahm in ihrem Gutachten vom dieselbe Einschätzung vor und hielt fest, dass sich zum Vorgutachten keine Änderung ergeben habe.

Die Feststellung, dass keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, wurde in beiden Gutachten damit begründet, dass keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vorliege, die die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zur Folge habe.

Beweiswürdigung:

Gutachten im Bereich des Familienbeihilfenrechts sind Beweismittel in einem gerichtlichen Verfahren. Sie unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/richter-lichen Beweiswürdigung (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Das Bundesfinanzgericht sieht nach eingehender Befassung mit dem vorliegenden Fall, insbesondere mit den von der Bf. vorgelegten Befunden, die in den Gutachten getroffene Feststellung, dass der Sohn der Bf. nicht vor dem 21. (bzw. 25. Lebensjahr) voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig wurde, als schlüssig, nachvollziehbar, vollständig und widerspruchsfrei an.

Die Gutachter bezogen bei ihrer Beurteilung die von der Bf. vorgelegten Befunde - der früheste Befund datiert vom Oktober 2019 - mit ein und sahen diese mit der Begründung, dass keine zweifelsfrei dokumentierte Gesundheitsschädigung vorliege, als nicht als ausreichend an, ihrem Sohn auf Grund seiner unstrittig seit Kindheit bestehenden Depressionen eine bereits vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit zu bescheinigen.

Durch diese Feststellung kann aber den Gutachten nicht die Schlüssigkeit abgesprochen werden. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des , verwiesen, wo der Gerichtshof festgestellt hat, dass sich Sachverständige bei der Beurteilung und Feststellung nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen dürfen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reiche dabei keinesfalls aus (vgl. auch ; ).

Auch die eigenen Angaben von S. sprechen dafür, dass die in den Gutachten getroffene Feststellung, dass er nicht vor dem 21. Lebensjahr bzw. 25. Lebensjahr erwerbsunfähig wurde, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

So gab S. im Zuge der am durchgeführten Untersuchung (Befundbericht des Institutes für psychiatrische Frührehabilitation vom ) an, dass sich seine psychischen Probleme, nachdem er das Jusstudium nach zwei Semestern abgebrochen und zum Geschichtsstudium wechselte, während dieses Studiums verschlechtert hätten und er unter starken Depressionen zu leiden begonnen habe.

Im Zuge der von Frau Drin. Dok2 am durchgeführten Untersuchung gab S. an, dass er schon in seiner Kindheit in psychiatrischer Behandlung gewesen sei, allerdings vom Jahr 2000 bis 2017 keinerlei Therapien gemacht habe; erst seit 2017 sei er nun wieder in ambulanter Behandlung. Er glaube, dass er auch von 2014 bis 2017 bei einem systemischen Psychotherapeuten in Behandlung gewesen sei, wobei er die exakten Daten nicht genau wisse.

Das Gericht geht in Zusammenschau mit den von der Bf. vorgelegten Befunden und den eigenen Angaben von S. in freier Beweiswürdigung von der Richtigkeit, respektive der Schlüssigkeit der in den Gutachten getroffenen Feststellung aus, wonach der Grad der Behinderung bei S. 30 vH beträgt und keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr vorgelegen ist.

Da aber die erhöhte Familienbeihilfe nur zusteht, wenn der Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr bescheinigt wurde, hat die belangte Behörde den Antrag zu Recht abgewiesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, ob eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegt, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das Bundesfinanzgericht an das vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten de facto gebunden. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Da das gegenständliche Erkenntnis der geltenden Gesetzeslage sowie der hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichts-hof nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101281.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at