FABO Plus und AVAB unionsrechtswidrig indexiert
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Eingabe vom (Steuererklärung L1 für das Jahr 2019) beantragte der Beschwerdeführer unter anderem für seine beiden Kinder den Familienbonus Plus.
Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 2019 mit einer Gutschrift von 743,00 Euro fest.
In der Begründung wurde ausgeführt:
"Derzeit wird keine österreichische Familienbeihilfe ausbezahlt. Sollte die Familienbeihilfe nachträglich gewährt werden, kann der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Familienbonus Plus, im Zuge eines Ansuchens um Wiederaufnahme, gewährt werden.
Wir haben den Alleinverdienerabsetzbetrag nicht berücksichtigt.
Der Grund: Es gibt keine Kinder, für die Sie oder Ihre Ehepartnerin/Ihr Ehepartner oder Ihre Partnerin/Ihr Partner mindestens 7 Monate den Kinderabsetzbetrag erhalten haben. Dieser wird mit der Familienbeihilfe ausbezahlt."
Mit Eingabe vom bekämpfte der Beschwerdeführer den Einkommensteuerbescheid 2019 und führte aus:
"Innerhalb offener Frist erhebe ich diese elektronisch eingebrachte Beschwerde, welche ich wie folgt begründe. Für meine Kinder ***Bf1*** und ***2*** ***1*** wurde die Familienbeihilfe am per Post beantragt und wurde bis heute leider seitens Ihres Finanzamtes nicht entschieden. Ich beantrage die Berücksichtigung der diesbezüglich geltend gemachten Positionen (Familienbonus Plus, Alleinverdienerabsetzbetrag). Aus Vorsicht erhebe ich noch eine Eventualbeschwerde betreffend die Höhe der einzelnen steuerlichen Begünstigungen.
Sehen Sie bitte im Anhang."
Im Anhang wurde ausgeführt:
[...]
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Bescheid vom abgeändert und die Einkommensteuer 2019 mit einer Gutschrift von 3.015,00 Euro (bisher Gutschrift von 743,00 Euro) festgesetzt. Die Differenz von (gerundet) 2.272,00 Euro ergab sich aus der Berücksichtigung eines Alleinverdienerabsetzbetrages von 414,12 Euro sowie eines Familienbonus Plus von 1.857,12 Euro.
In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom führte die belangte Behörde aus:
"Gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 ist abweichend von Z 1 für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30.9. nach dem Stichtag gern, lit.a kundzumachen.
In der "Familienbonus Plus -Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung" (BGBl II 257/2018) wird ua fürKinder im EU/EWR-Raum bzw. in der Schweiz der Familienbonus Plus indexiert und damit an dasPreisniveau des Wohnsitzstaates angepasst.
Dies gilt auch für Alleinverdienerabsetzbetrag/Alleinerzieherabsetzbetrag,Unterhaltsabsetzbetrag und Kindermehrbetrag.
Da also für Kinder im EU/EWR-Raum bzw. in der Schweiz der Familienbonus Plus und derAlleinverdienerabsetzbetrag/Alleinerzieherabsetzbetrag indexiert und damit an das Preisniveau desWohnsitzstaates angepasst werden, war spruchgemäß zu entscheiden."
Mit Vorlageantrag vom bekämpfte der Beschwerdeführer die Entscheidung der belangten Behörde.
In der Begründung wurde ausgeführt:
"Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes ist aus meiner Sicht mangelhaft. Zu den einzelnen Themen meiner Beschwerde wurde keine Stellung genommen. Es wurde lediglich die gesetzliche Lage noch einmal dargestellt, welche aus meiner Sicht eindeutig zu einer materiellen Diskriminierung aufgrund sowohl nationaler als auch supranationaler Rechtsquellen führt. Es kann doch nicht generell rechtmäßig sein, dass zwei faktisch vergleichbare Steuersubjekte in demselben System steuerlich gleich belastet jedoch nicht begünstigt werden, außerdem aufgrund von Kriterien, welche eine materielle Ungleichbehandlung überhaupt nicht rechtfertigen.
Es wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen. Erwähnt an dieser Stelle sei der Gleichheitssatz, das Grundrecht des Eigentums, die Grundrechte in der Charta der EU etc. In Anknüpfung an die Begründung Ihres Finanzamtes wird nur ergänzt, dass ich von der vorrangigen Anwendung des Europarechtes ausgehe.
Ferner bitte ich Sie aufgrund Ihrer Empfehlung um die Einleitung des entsprechenden Verfahrens im Instanzenzug."
Im Vorlagebericht vom führte die belangte Behörde aus, dass strittig wäre, ob das Finanzamt berechtigt sei, den Alleinverdienerabsetzbetrag und den Familienbonus Plus, für Kinder, die sich in Tschechien aufhalten, zu indexieren, beantragte eine abweisende Entscheidung und verwies auf das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu C-163/20.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer arbeitet in Österreich und hat seinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik. Seine beiden im Beschwerdezeitraum minderjährigen Kinder (Geburtsdatum ***3*** und ***4***) leben ebenfalls in der Tschechischen Republik.
Die Einkünfte der (Ehe)Partnerin des Beschwerdeführers im Jahr 2019 betrugen weniger als 6.000,00 Euro.
Der Beschwerdeführer hat gemäß § 1 Abs 4 EStG zur unbeschränkten Steuerpflicht optiert.
Beweiswürdigung
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 33 Abs 3a Z 1 lit a EStG 1988 steht für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus zu, der bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro beträgt.
Gemäß § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 steht, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, Alleinverdienenden ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu, der jährlich 494,00 Euro bei einem Kind und 669,00 Euro bei zwei Kindern beträgt.
Gemäß § 33 Abs 2 EStG 1988 sind von dem sich nach Abs. 1 leg. cit. sich ergebenden Betrag Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
1. Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a leg. cit.; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 leg. cit. zu versteuernde Einkommen entfällt.
2. Die Absetzbeträge nach Abs. 4 bis 6 leg. cit..
Im Fall des Beschwerdeführers sind die abzuziehenden Absetzbeträge der Alleinverdienerabsetzbetrag, der Verkehrsabsetzbetrag und der Pendlereuro.
Gemäß § 33 Abs 8 Z 1 EStG 1988 ist, wenn sich nach Abs. 1 und 2 leg. cit. eine Einkommensteuer unter null ergibt, insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.
Gemäß § 33 Abs 8 Z 2 EStG 1988 sind, wenn sich bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Verkehrsabsetzbetrag haben, nach Abs. 1 und 2 leg. cit. eine Einkommensteuer unter null ergibt, 50% der Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a leg. cit. (ausgenommen Betriebsratsumlagen) und des § 16 Abs. 1 Z 4 und 5 leg. cit., höchstens aber 400 Euro jährlich rückzuerstatten (SV-Rückerstattung). Bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 haben, sind höchstens 500 Euro zurückzuerstatten.
Mit Urteil vom , C-328/20, hat der EuGH ausgesprochen:
Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen.
Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt und bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbarem Unionsrecht gegeben ist, wobei sich die Verdrängungswirkung des Unionsrechts auf jenes Ausmaß beschränkt, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (zB ; ).
Im Beschwerdefall kann der unionsrechtskonforme Zustand nur durch Nichtanwendung der dem Unionsrecht widersprechenden Bestimmungen des nationalen Rechts erreicht werden.
Die von der belangten Behörde vorgenommenen und vom Beschwerdeführer bekämpften Anpassungen (Indexierung) der betraglichen Höhe des Familienbonus Plus auf Grund der Bestimmung des § 33a Abs 3a Z 2 EStG 1988 sowie des Alleinverdienerabsetzbetrages auf Grund der Bestimmung des § 33a Abs 4 Z 4 EStG 1988 sind wegen ihrer Unionsrechtswidrigkeit nicht anzuwenden. Dem Beschwerdeführer steht somit der volle Familienbonus Plus und der volle Alleinverdienerabsetzbetrag zu.
Zu den Besteuerungsgrundlagen und der Höhe der Einkommensteuer ist auf das als Beilage angeschlossene und einen Bestandteil des Spruches dieses bildende Berechnungsblatt zu verweisen.
Somit war der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung beruht auf dem , sowie der zitierten Rechtsprechung des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag daher nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 33 Abs. 3a Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100230.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at