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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.05.2022, RV/7400039/2022

Einsatzgebühren im Zusammenhang mit einer Alkoholintoxikation

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistratsabteilung 70, Fachbereich Gebühren vom betreffend Einsatzgebühren für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes, MA 70 - TZ201050629, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer die Zahlung einer Gebühr für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien die Gebühr von Euro 694,00 vorgeschrieben. In der Begründung wurde ausgeführt, dass derjenige Gebührenschuldner sei, für den der Rettungsdienst in Anspruch genommen worden sei, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieben sei. Es könne auch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger anstelle des Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger angebe, dass mangels eines bestehenden Anspruches auf Kostenübernahme seine Eintrittserklärung keine Anwendung finde, sei die Gebühr dem Gebührenschuldner vorzuschreiben.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, nach dem Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz (WRKG) komme dem Rettungsdienst die Aufgabe zu, Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder eine erhebliche Verletzung erlitten hätten, erste bzw. notärztliche Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern.

Zum Zeitpunkt der Alarmierung des Rettungsdienstes durch eine Passantin sei jedoch weder das Tatbestandsmerkmal der erheblichen Gesundheitsstörung noch das Erleiden einer erheblichen Verletzung oder gar einer notärztlichen Hilfe erfüllt gewesen. Vielmehr sei er alkoholisiert gewesen, aber sowohl ansprechbar und transportfähig als auch in der Lage, selbst Entscheidungen für sich zu treffen. Die Passantin habe somit die Möglichkeit gehabt, sich bei ihm persönlich über seinen Gesundheitszustand zu erkundigen und einzuschätzen, dass keine medizinische Hilfe erforderlich gewesen sei.

Aufgrund der falschen Einschätzung der Passantin sei beim Mitarbeiter der Einsatzstelle die (falsche) Überzeugung erweckt worden, es liege eine Situation vor, welche den Einsatz eines Rettungsdienstes erfordere.

Ein begründeter Verdacht einer erheblichen Gesundheitsstörung bzw. Verletzung sei zum Zeitpunkt der Alarmierung jedoch auszuschließen gewesen. Jeder vernünftige Mensch hätte in der vorliegenden Situation zur Überzeugung gelangen können, dass aufgrund seines Zustandes keine medizinische Hilfe erforderlich gewesen wäre.

Zum Zeitpunkt des Eintreffens bzw. des Einschreitens des Rettungsdienstes sei er ansprechbar gewesen und habe jegliche Hilfe abgelehnt. Wäre sein Alkoholisierungszustand tatsächlich besorgniserregend gewesen und hätte dieser Zustand den Eindruck einer erheblichen Gesundheitsstörung oder die Notwendigkeit erster Hilfe (oder gar notärztlicher Hilfe) verlangt, hätten ihm die Rettungssanitäter wohl nicht die Möglichkeit gegeben, den Transport abzulehnen. Ein medizinischer Notfall sei bereits aus dem Grund unwahrscheinlich, dass er bei vollem Bewusstsein gewesen sei. Wäre er bewusstlos gewesen, wäre es ihm wahrscheinlich nicht möglich gewesen, den Krankentransport zu verweigern.

Hätte die Behörde ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt, wäre sie zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass der Rettungsdienst mangels eines begründeten Verdachts nicht erforderlich gewesen sei und seinerseits keine Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr bestehe bzw. eine Zahlungserleichterung in Form einer Stundung oder Entrichtung in Raten zu bewilligen sei.

Mit Mail vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, die Berufsrettung Wien sei generell bestrebt, die anfallenden Einsatzgebühren mit dem jeweils zuständigen Sozialversicherungsträger zu verrechnen. Im gegenständlichen Fall sei die Übernahme seitens der Österreichischen Gesundheitskasse abgelehnt worden. Die belangte Behörde habe auf die Entscheidung des Sozialversicherungsträgers keinen Einfluss, weshalb angeraten werde, sich persönlich an die Leistungsabteilung zu wenden und die Notwendigkeit des Rettungseinsatzes darzulegen und auf diesem Wege eine nachträgliche Gebührenübernahme zu erwirken. Nur für den Fall einer Gebührenübernahme durch den zuständigen Sozialversicherungsträger sei von einer Einhebung seitens der MA 70 gänzlich abzusehen.

Andernfalls bestehe die Möglichkeit, aufgrund der finanziellen Situation die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 2 WRKG als besonders berücksichtigungswürdig zu beurteilen und von der Einhebung der Einsatzgebühr in Höhe von 694,00 € bis auf eine Zahlung von 119,12 € abzusehen. Das Mindesteinkommen und der daraus abgeleitete Richtsatz für Ausgleichszulagen für das Jahr 2022 belaufe sich auf 1.030,49 € und für Ehepaare auf 1.625,71 €; dieser Betrag sei für jedes Kind um 159,00 € zu erhöhen.

Nur wenn das Einkommen des Beschwerdeführers unter diesem Richtsatz liege, könne die belangte Behörde dem Antrag auf Herabsetzung der Einsatzgebühren nachkommen. Andernfalls werde eine monatliche Ratenzahlung von mindestens 50,00 € angeboten.

In Beantwortung dieses Schreibens teilte der Beschwerdeführer mit, dass diese Information nicht ausreichend sei; seine Eingabe vom sei als Beschwerde zu behandeln.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Zitat der §§ 28 bis 30 WRKG aus, die Berufsrettung Wien sei am um 1:45 Uhr nach 1010 Wien, Operngasse 8/1/Straße, berufen worden. Der Einsatzdokumentation sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am Boden sitzend angetroffen worden sei. Anwesende Passanten hätten sich Sorgen gemacht, weil der Beschwerdeführer auf einer Verkehrsfläche am Boden gesessen sei und anscheinend zuviel Alkohol konsumiert habe. Die Rettungsmannschaft habe aufgrund der Verweigerung keine Untersuchung durchführen und keine medizinischen Messwerte erheben können. Der angeratene Transport in ein Krankenhaus sei vom Beschwerdeführer ebenfalls verweigert worden.

Die belangte Behörde sei bestrebt gewesen, die entstandenen Einsatzgebühren mit der Österreichischen Gesundheitskasse zu verrechnen; eine Übernahme der eingereichten Einsatzgebühren sei aber abgelehnt worden. Auf diese Ablehnung habe die MA 70 keinen Einfluss. Ausschließlich im Fall einer nachträglichen Gebührenübernahme könne von einer Einhebung zur Gänze abgesehen und der Bescheid als gegenstandslos angesehen werden.

Aufgrund der geltenden Rechtslage seien daher die Einsatzgebühren dem Beschwerdeführer vorzuschreiben gewesen. Die Höhe der Gebühren für den Rettungseinsatz im Jahr 2021 seien durch den Wiener Gemeinderat mit 694,00 € festgesetzt und im Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 1/2019 kundgemacht worden.

Zur Prüfung, ob die Angelegenheit aufgrund der finanziellen Situation beurteilt und die Einsatzgebühren zum Teil nachgesehen werden könnten, sei die Übersendung von Unterlagen erforderlich, die das monatliche Familieneinkommen bzw. den Bezug etwaiger finanzieller Unterstützungen bescheinigen würden.

Der Beschwerdeführer brachte fristgerecht einen Vorlageantrag ein und wiederholte darin das Beschwerdevorbringen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am um 1:45 Uhr befand sich der Beschwerdeführer im alkoholisierten Zustand in 1010 Wien, Operngasse 8/1, auf der Straße sitzend. Eine Passantin alarmierte die Berufsrettung Wien. Als Einsatzgrund wurde Bewusstlosigkeit - abnorme Atmung vermerkt.

Zwischen 01:45 Uhr (Alarm) und 02:19 Uhr (Einsatzende) wurde der Beschwerdeführer vom öffentlichen Rettungsdienst am Berufungsort betreut. Er verweigerte jede Untersuchung sowie die Erhebung medizinischer Messwerte und den angeratenen Transport in ein Krankenhaus.

Die vom Rettungsdienst zum Einsatzzeitpunkt vorgenommene Diagnose lautete "Intoxikation Alkohol".

Die Österreichische Gesundheitskasse als zuständiger Sozialversicherungsträger des Beschwerdeführers hat im Verfahren eine Gebührenübernahme abgelehnt.

Zu seinem monatlichen Einkommen machte der Beschwerdeführer trotz eines ausdrücklichen Hinweises in der Beschwerdevorentscheidung keine Angaben.

Beweiswürdigung

Die Ort- und Zeitangaben des Rettungseinsatzes sind dem aktenkundigen Einsatzbericht entnommen und wurden auch vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht bestritten.

Auch die Diagnose Alkoholintoxikation ist dem aktenkundigen Einsatzbericht entnommen. Auch sie wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Im Einsatzbericht findet sich folgende auszugsweise Anamnese:

"Pat. Sitzend vorgefunden; Passanten haben den Herrn auf dem Boden sitzend gesehen und bemerkt das anscheinend zuviel Alkohol getrunken wurde. Bei Ansprache des RDs hat der Pat. Mehrmalig erwähnt das er keinen RD benötigt und keine Hilfe in Anspruch nehmen will."

Dass die Wiener Gebietskrankenkasse die Gebührenübernahme im vorliegenden Fall abgelehnt hat, wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde vorgehalten und hat auch der Beschwerdeführer im Verfahren nicht bestritten.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsstellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Rechtliche Grundlagen:

§ 1 WRKG lautet:

"Allgemeine Bestimmungen
Rettungsdienst

§ 1. Aufgaben eines Rettungsdienstes sind:

1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen;

2. Personen wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortige erste notärztliche Hilfe zu leisten, die anders nicht gewährleistet ist;

3. den Transport von Personen durchzuführen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrecht erhalten werden müssen;

4. akute Blut-, Blutprodukte- oder Organtransporte durchzuführen;

5. Sanitätsdienste zur Behandlung von akuten Erkrankungen oder Verletzungen bei Veranstaltungen mit dem hiefür erforderlichen Personal, den erforderlichen Einrichtungen und erforderlichen Transportmitteln bereit zu stellen;

6. die Bevölkerung in erster Hilfe zu schulen;

7. im zivilen Katastrophenschutz mitzuwirken."

§ 28 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz (WRKG) lautet wie folgt:

"(1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.

(2) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann von der Einhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden.

(3) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen. Eine Gebührenordnung kann bis zu einem Monat rückwirkend erlassen werden.

(4) In der Gebührenordnung sind für jede einzelne Art oder eine Mehrheit ähnlicher Arten einer Inanspruchnahme Gebühren vorzusehen. Diese Gebühren sind nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach Anzahl der gefahrenen Kilometer, nach Anzahl und Art des eingesetzten Personals sowie nach Art und Dauer des Einsatzes abzustufen. Insoweit es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gebühren zweckmäßig ist, sind diese für bestimmte Arten der Inanspruchnahme oder Teile davon in Pauschbeträgen festzusetzen.

(5) Die Höhe der Gebühren ist unter Zugrundelegung der sich in einem Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Zahl von Einsätzen und des auf ein Kalenderjahr entfallenden Gesamtaufwandes derart festzusetzen, dass die Summe der zur Einhebung gelangenden Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb des öffentlichen Rettungsdienstes sowie für die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten nicht übersteigt.

(6) Für Einsätze außerhalb Wiens können unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Mehraufwandes Zuschläge pro gefahrenem Kilometer festgesetzt werden.

(7) Die Gebührenordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen."

§ 29 Abs. 1 bis 3 WRKG besagen Folgendes:

"(1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.

(2) Bei Zahlungsunfähigkeit des Gebührenschuldners haften für die Entrichtung der Gebühr nach Abs. 1 Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht. Ist die Verletzung oder Gesundheitsstörung, die zu einer Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes geführt hat, auf ein Ereignis zurückzuführen, für das zufolge gesetzlicher Vorschrift ein Dritter einzustehen hat, haftet dieser bis zur Höhe der noch unbeglichenen Gebühr.

(3) Unbeschadet eintretender Straffolgen und privatrechtlicher Schadenersatzpflicht sind Gebührenschuldner die Personen, die einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlassen, obwohl kein Anlass für einen Einsatz besteht."

§ 30 Abs. 1 und 2 WRKG lauten wie folgt:

"(1) Mit Zustimmung der Stadt Wien können die hiefür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter durch schriftliche Erklärung an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Nach Abgabe dieser Erklärung sind die Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter allein die Gebührenpflichtigen (-schuldner).

(2) Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs. 1 vorzuschreiben."

§ 1 Abs. 1 der Verordnung des Wiener Gemeinderates betreffend die Festsetzung der Gebühren gemäß §§ 28 Abs. 3 und 29 Abs. 4 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG lautet wie folgt:

"Für jede Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien innerhalb des Gebietes der Stadt Wien, auch wenn wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes desjenigen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, sowohl eine Hilfeleistung als auch ein Transport unterblieben sind, ist eine Gebühr von 694 Euro zu entrichten."

Würdigung:

Das Tatbestandsmerkmal, dass mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 WKRG angenommen werden konnte, bezieht sich auf die Person, die den Anruf auf Seiten des öffentlichen Rettungsdienstes entgegengenommen hat ().

Die Gebührenpflicht für die Person, für die der Rettungsdienst gerufen wurde, entsteht auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Einsatz zwar ursprünglich, also im Zeitpunkt der Herbeirufung, nicht vorgelegen sind, deren Vorliegen jedoch auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte ().

Es kommt also nicht darauf an, ob der Einsatz ursprünglich medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen der Voraussetzungen durch jenen Mitarbeiter des Rettungsdienstes, der die Anforderung entgegennahm, mit gutem Grund angenommen werden konnte.

Die Anforderung der Wiener Berufsrettung erfolgte aufgrund eines Notrufs, wobei als Berufungsgrund "Bewusstlosigkeit - abnorme Atmung im Einsatzprotokoll vermerkt wurde. Als Diagnose war in diesem Protokoll "Intoxikation Alkohol" vermerkt. Für den Mitarbeiter des Wiener Rettungsdienstes war damit jedoch eindeutig ein Zustand als gegeben anzunehmen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen werden kann.

Es steht daher fest, dass sowohl seitens des Berufers der Rettung (des Anrufers), als auch von dem die Berufung entgegennehmenden Mitarbeiter des Rettungsdienstes mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 WKRG angenommen werden konnte. Maßgeblich ist dabei allein, dass eine Gesundheitsstörung vorlag oder mit gutem Grund angenommen werden konnte.

Grundsätzlich muss ein Einsatz der Wiener Berufsrettung von der Patientin beziehungsweise dem Patienten bezahlt werden. Es kommt dabei nicht darauf an, wer die Rettung gerufen hat. Im Normalfall werden die entstandenen Kosten jedoch durch die Krankenkasse übernommen.

Wird eine Übernahme der Kosten seitens der Krankenkassen jedoch abgelehnt, müssen die Kosten von jener Person bezahlt werden, für die das Einsatzfahrzeug gerufen wurde. Aus nachstehenden Gründen wird eine Kostenübernahme abgelehnt:

•kein Versicherungsanspruch zum Zeitpunkt des Rettungseinsatzes

•keine medizinische Notwendigkeit

•Alkohol- und Drogenmissbrauch

•Todesfeststellung

Um eine nachträgliche Gebührenübernahme abzuklären, können sich die in Anspruch genommenen Gebührenschuldner an die Leistungsabteilung oder an die Ombudstelle ihrer Krankenkasse (bspw ombudstelle-11@oegk.at) wenden, und die medizinische Notwendigkeit des Rettungseinsatzes, warum die Rettung gerufen wurde, ob in weiterer Folge eine ärztliche Abklärung erfolgt ist oder ob Unterlagen und Befunde vorgelegt werden können, die mit dem Rettungseinsatz in Zusammenhang stehen, klären. Für den Fall einer neuerlichen Ablehnung der Kostenübernahme seitens der OEGK kann die Ausstellung eines Bescheides betreffend die Ablehnung beantragt werden. Zur Bekämpfung dieses Bescheides kann der Rechtsweg beschritten werden.

Die Einsatzgebühren entstehen mit der Ausfahrt des Einsatzfahrzeuges unabhängig davon, ob eine Betreuung vor Ort oder ein Transport in ein Krankenhaus erfolgt.

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werden die Gebühren durch den Gemeinderat als Pauschalbetrag festgesetzt und im Amtsblatt der Stadt Wien kundgemacht.

Die Einsatzgebühr kann unter Umständen ganz oder teilweise erlassen werden. Dabei können folgende Kriterien berücksichtigt werden:

•Unbilligkeit: Einsatzhandlungen waren möglicherweise nicht zwingend notwendig (z. B. Aufbrechen der Wohnungstür, obwohl kein medizinischer Notfall vorlag).

•Besondere Berücksichtigungswürdigkeit (z. B. Todesfeststellungen, Betthebungen)

•Einkommenssituation (z. B. Bezug von Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung)

Ein Rechtsanspruch auf eine Herabsetzung oder den Erlass der Gebühr besteht jedoch nicht.

Der Rettungsdienst wurde für den Beschwerdeführer gerufen, er ist also der Patient und damit der Gebührenschuldner. Es kam auf Grund dieses Anrufes zu einer Ausfahrt. Dass der Beschwerdeführer die Alarmierung des Rettungsdienstes durch eine Passantin nicht für erforderlich erachtete, ist dabei nicht maßgeblich, da das Gesetz für die Feststellung des Gebührenschuldners alleine darauf abstellt, für wen der Rettungseinsatz erfolgte.

Da der Sozialversicherungsträger die Übernahme der Gebühren ablehnte und diese Ablehnung seitens des Beschwerdeführers noch nicht erfolgreich bekämpft wurde, war die Gebühr dem Beschwerdeführer als Gebührenschuldner und als Patienten, für den der Rettungseinsatz erfolgte, vorzuschreiben.

Die Gebühr wurde in der in der Verordnung festgelegten Höhe für Einsätze in Wien festgesetzt.

Gemäß § 28 Abs. 2 WRKG kann von der Einhebung der Gebühr "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" abgesehen werden. Da im Verfahren jedoch trotz Vorhalts der belangten Behörde keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe iSd § 28 Abs. 2 WRKG vorgebracht wurden bzw. hervorkamen, bestand keine Grundlage, von der Einhebung der Gebühr ganz oder teilweise abzusehen.

Es steht dem Beschwerdeführer frei, bei der belangten Behörde (MA 70) einen Antrag auf Ratenzahlung einzubringen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, wann eine Einsatzgebühr nach dem WRKG vorzuschreiben ist, ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes und wurde darüber hinaus durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt (; ; ; ).

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor. Die ordentliche Revision wurde aus diesem Grunde für unzulässig erklärt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 28 Abs. 2 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§§ 28 bis 30 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 167 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 29 Abs. 1 bis 3 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 30 Abs. 1 und 2 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004
§ 1 Abs. 1 Gebühren gemäß Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, ABl. Nr. 52/2013
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400039.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at