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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.12.2021, RV/7106500/2016

Kind der Lebensgefährtin ist nicht Stiefkind

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag Ludwig Wochner, die Richterin Silvia Gebhart sowie die fachkundigen Laienrichter Christian Schuckert von der Wirtschaftskammer für Wien und Erwin Agneter von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Slowakei, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für das Kind ***K*** für den Zeitraum Februar 2014 bis November 2015, Abgabenkontonummer ***14711***, aufgrund der am in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, anberaumten Senatsverhandlung, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden Bf), einem Unionsbürger mit slowakischer Staatsbürgerschaft, auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages (im Folgenden Familienbeihilfe) für das minderjährige Kind ***K***, ebenfalls slowakischer Staatsbürger, mit der Begründung ab, dass das Kind nicht den Kindesbegriff der österreichischen Rechtsvorschriften erfülle. Gegen diesen Bescheid richtete sich die form- und fristgerecht im Wege von Finanzonline erhobene Bescheidbeschwerde vom , die die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abwies. Dagegen erhob der Bf form- und fristgerecht im Wege von Finanzonline mit elektronischem Schriftsatz Vorlageantrag, mit dem er die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Entscheidung durch den Senat beantragte. Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Strittig ist allein die Rechtsfrage, ob ***K*** in den persönlichen Geltungsbereich als Familienangehöriger gemäß Art 1 Buchst i) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , Amtsblatt der Europäischen Union vom , L 166/ S 1 bis 123 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1368/2014 der Kommission vom , Amtsblatt der Europäischen Union L 366, Seite 15, vom (im Folgenden VO 883/2004 oder Verordnung) iVm § 2 Abs 3 FLAG fällt.

Für das weitere Kind ***O***, von dem der Bf und seine Lebensgefährtin gemeinsame Eltern sind, gewährte die belangte Behörde die Familienbeihilfe.

Die Verhandlung des Senates fand am am Sitz des Bundesfinanzgerichts in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, Saal 0H10, von 10:20 Uhr bis 10:25 Uhr statt. Die Berichterin trug den Sachverhalt vor und erläuterte die Rechtslage. Sodann schritt der Senat zur Abstimmung, worüber das Abstimmungsprotokoll und Niederschrift angefertigt und unter Verschluss gelegt wurden. Der Senatsvorsitzende verkündete im Anschluss daran das Erkenntnis.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Bescheidbeschwerde und Vorlageantrag sind form- und fristgerecht. Mit dem Vorlageantrag begehrte der Bf ordnungsgemäß die Entscheidung durch den Senat. Die Beschwerde ist unbegründet.

Rechtsgrundlagen

Unionsrecht

Unionsbürgerrichtlinie

Erwägungsgrund 11 der RICHTLINIE 2004/38/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, Amtsblatt der Europäischen Union L 141 vom (im Folgenden Unionsbürgerrichtlinie) lautet:

"Das elementare und persönliche Recht auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erwächst den Unionsbürgern unmittelbar aus dem Vertrag und hängt nicht von der Einhaltung von Verwaltungsverfahren ab."

Verordnung 883/2004

Artikel 1 VO 883/2004 (Begriffsbestimmungen) lautet auszugsweise:

"Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

  1. ,Beschäftigung' jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

[…]

f) ,Grenzgänger' eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt;

i) ,Familienangehöriger'

1. i) jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird;

[…]

2. unterscheiden die gemäß Nummer 1 anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind, so werden der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder als Familienangehörige angesehen;

3. wird nach den gemäß Nummern 1 und 2 anzuwendenden Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird;"

Artikel 2 Abs 1 VO 883/2004 (Persönlicher Geltungsbereich) ordnet an:

"Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen."

Artikel 3 Abs 1 VO 883/2004 (Sachlicher Geltungsbereich) sieht in Buchstabe j) vor:

"Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

[…]

j) Familienleistungen."

Österreichisches Recht

§ 2 Abs 1 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

"Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

  1. für minderjährige Kinder,"

§ 2 Abs 2 FLAG 1967 sieht vor:

"Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. […]."

§ 2a FLAG lautet:

"(1) Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, daß die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

(2) In den Fällen des Abs. 1 kann der Elternteil, der einen vorrangigen Anspruch hat, zugunsten des anderen Elternteiles verzichten. Der Verzicht kann auch rückwirkend abgegeben werden, allerdings nur für Zeiträume, für die die Familienbeihilfe noch nicht bezogen wurde. Der Verzicht kann widerrufen werden."

§ 2 Abs 3 FLAG 1967 ordnet an:

"Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,

b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,

c) deren Stiefkinder,

d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)."

§ 3 Abs 1 FLAG lautet:

"Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, […], rechtmäßig in Österreich aufhalten."

Sachverhalt

Der Bf ist ein in Österreich als Grenzgänger nichtselbstständig beschäftigter Unionsbürger mit slowakischer Staatsbürgerschaft. Der Bf wohnt mit seiner Lebensgefährtin ***L***, dem gemeinsamen Kind ***O***, geboren 2009, und mit dem von der Lebensgefährtin aus einer früheren Beziehung stammenden Kind ***K***, geboren 2005, das diese in die Lebensgemeinschaft mitgebracht hat, in der Slowakei (SK-***Bf1-Adr***). Sämtliche Familienangehörigen sind slowakische Staatsbürger. Die Kinder besuchen in der Slowakei die Schule. Der Bf bezeichnet ***K*** als sein Stiefkind und bringt vor, dass er für es sorge. Die Kindesmutter hat eine schriftliche Verzichtserklärung auf die österreichische Familienbeihilfe abgegeben.

Die Kindesmutter war im Streitzeitraum weder in Österreich noch in der Slowakei berufstätig.

Beweiswürdigung

Verwaltungsakt, Parteienvorbringen, Formulare E401 und E411

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig aus den dem Verwaltungsakt einliegenden Beweismitteln und ist zwischen den Parteien unstrittig.

Der Bf spricht in seinen Eingaben selbst von seiner Lebensgefährtin und als solche wird die Kindesmutter vom Slowakischen Träger in den Formularen E401 und E411 bezeichnet. Das gemeinsame Kind ist in den Formularen E401 und E411 vom zuständigen slowakischen Träger mit dem Kürzel "A" versehen worden. "A" steht in der deutschen Sprache für "eheliches Kind", was mangels Ehe als "gemeinsames Kind" zu verstehen ist. Für ***K*** wurde vom slowakischen Träger kein Kürzel eingesetzt, sondern die Wortfolge "dieťa partnerky" eingetragen. Für ein von einem Lebensgefährten in eine Beziehung mitgebrachtes Kind aus einer früheren Beziehung sehen die EU-Formulare E401 und E411 kein Kürzel vor.

Es ist demnach nicht davon auszugehen, dass der Bf das Kind K als Wahlkind angenommen hat (es adoptiert hat), wofür die SED-Formulare das Kürzel "C" vorsehen.

Die EU-Formulare E401 und E411 wurden vom zuständigen Slowakischen Träger ausgestellt und genießen als Öffentliche Urkunden gem § 292 Abs 1 ZPO erhöhte Beweiskraft, da sie vollen Beweis begründen.

Rechtsstandpunkte:

Beschwerdeführer:

Das Kind K sei das leibliche Kind der Lebensgefährtin des Bf und gehöre dem gemeinsamen Haushalt an. Die Lebensgefährtin sei nicht berufstätig. Er sei als Grenzgänger in Österreich mit Verpflichtung zum vollen Lohnsteuerabzug beschäftigt. Aus diesen Gründen sei ersichtlich, dass "uns" die Familienbeihilfe für das Stiefkind ***K*** zustehe, weil es im gemeinsamen Haushalt lebe und der Bf für es sorge.

Belangte Behörde:

Nach Wiedergabe der § 2 Abs 2 und § 2 Abs 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (im Folgenden FLAG) wird in den Bescheiden ausgeführt, dass das von der Lebensgefährtin in die Lebensgemeinschaft mitgebrachte nicht unter den Kindesbegriff des FLAG falle. Es bestehe für den Bf auch keine Verpflichtung zur Leistung des Kindesunterhalts.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Der Bf fällt als slowakischer Staatsbürger in den persönlichen Geltungsbereich gemäß Art 2 Abs 1 der Verordnung. Die Tätigkeit als Chef de Rang in einem Hotel in Österreich ist eine unselbstständige Beschäftigung iSd Art 1 Buchst a) der Verordnung, die der Bf als Grenzgänger iSd Art 1 Buchst f) der Verordnung ausübt. Damit fällt der Bf auch in den sachlichen Geltungsbereich gemäß Art 3 der Verordnung. Die Familie hat den Wohnort in der Slowakei, sodass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, wodurch das räumliche Element ebenfalls erfüllt wird. Für den Bf sind aufgrund der in Österreich ausgeübten Tätigkeit gemäß Art 11 Abs 3 Buchst a) VO 883/2004 die österreichischen Rechtsvorschriften heranzuziehen.

Auch wenn ein Aufenthaltstitel im Hinblick auf § 3 Abs 1 FLAG nicht aktenkundig ist, so ist aufgrund der tatsächlich ausgeübten Beschäftigung davon auszugehen, dass sich der Bf im Streitzeitraum rechtmäßig in Österreich zu Arbeitszwecken als Grenzgänger aufgehalten hat. An der Rechtsmäßigkeit des Aufenthaltes des Bf in Österreich besteht somit kein Zweifel, sodass § 3 Abs 1 FLAG im konkreten Fall nicht anwendbar ist (vgl , Europäische Kommission vs Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland; , der § 3 Abs 1 und 2 FLAG durch Art 4 VO 883/2004 zur Gänze verdrängt sieht).

Aufgrund der Verzichtserklärung der Kindesmutter nach § 2a FLAG ist die Parteistellung des Bf in einem Beihilfenverfahren nach den österreichischen Rechtsvorschriften gegeben. Art 60 Abs 1 Satz 2 und 3 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Text von Bedeutung für den EWR und die Schweiz), EU-ABl , L/284, in der Fassung der Verordnung (EU) 2017/492 der Kommission vom zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004), EU-ABl , L 76/13 (im Folgenden VO 987/09) sind im konkreten Fall nicht anzuwenden.

Strittig ist, ob ***K*** im Verhältnis zum Bf unter den Begriff des Familienangehörigen gemäß Art 1 Buchst i) VO 883/2004 iVm § 2 Abs 3 FLAG fällt.

Art 1 Buchst i) Abs 1 sublit i) VO 883/2004 verweist zum Begriff der Familienangehörigen auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten. Art 1 Buchst i) Abs 2 der Verordnung kommt nicht zum Tragen, weil die österreichischen Rechtsvorschriften die Familienangehörigen in § 2 Abs 3 FLAG deutlich von anderen Personen unterscheiden. Art 1 Buchst i) Abs 2 zählt die Kinder des Lebensgefährten aus einer früheren Beziehung nicht zum unionsrechtlichen Begriff der Familienangehörigen und könnte der Beschwerde auch nicht zum Erfolg verhelfen. Art 1 Buchst i) Abs 3 VO 883/2004 ist ebenfalls nicht einschlägig, weil in der Ausgangssituation die Haushaltszugehörigkeit ohnedies gegeben ist.

Der Bf bezeichnet das Kind, um das es geht, als sein Stiefkind. Der Begriff des "Stiefkindes" ist ein juristischer Begriff. Darunter ist das Kind eines Elternteils (hier der Kindesmutter) zu verstehen, das dieser aus einer früheren Ehe durch Heirat in die Ehe mitbringt und die unehelichen Kinder dieses Ehepartners (Verfassungsgerichtshof ). Der Stiefvater ist aufgrund der Heirat mit der Kindesmutter mit dem Stiefkind verschwägert. Da laut Sachverhalt der Bf und die Kindesmutter nicht verheiratet sind, ist ***K*** im Verhältnis zum Bf nicht Stiefkind im Rechtssinn. Für ein Stiefkind ist in den Formularen E401 und E411 das Kürzel "E" vorgesehen. Es ist beschrieben als das "Kind des Ehegatten, das im Haushalt des Arbeitnehmers lebt" (Hervorhebung durch BFG).

Der in § 2 Abs 3 FLAG verwendete Begriff "Wahlkind" entspricht wie in Österreich dem Adoptivkind. Nach den vom slowakischen Träger vorgenommenen Eintragungen in die Formulare E401 und E411 hat der Bf ***K*** nicht adoptiert, sodass das Kind nicht als Wahlkind dem österreichischen FLAG unterfällt.

Da das Kind das leibliche Kind der Lebensgefährtin des Bf ist, kann es sich nicht um ein Pflegekind handeln, denn als Pflegekind müsste es beiden Pflegeeltern von einer staatlichen oder staatsnahen Einrichtung zur Obsorge übergeben sein. Die Lebensgefährtin ist aber bereits als Mutter zur Obsorge für ***K*** verpflichtet und als leibliche Mutter kann sie nicht Pflegemutter sein.

Auf den Umstand, dass der Bf für ***K*** sorge, kommt es bei der Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Beziehung zwischen dem Bf und dem Kind nicht an. Wäre der Bf infolge Eheschließung mit der Kindesmutter Stiefvater von ***K***, wäre seine Leistung als freiwillige Unterhaltsleistung anzusehen, denn die gesetzliche Unterhaltspflicht träfe nach wie vor den Kindesvater. Den Rechtsanspruch auf die Familienbeihilfe räumt § 2 Abs 3 FLAG dem Stiefvater bei Haushaltsgemeinschaft jedoch bereits aufgrund seiner Rechtsstellung ein.

Die Kindesmutter war im Streitzeitraum laut Sachverhalt nicht in Österreich berufstätig und fällt nicht als wirtschaftlich aktive Unionsbürgerin in den Geltungsbereich der Verordnung 883/2005. Zutreffendenfalls hätte das Bundesfinanzgericht keine Bedenken, ihrer Verzichtserklärung Rechtswirksamkeit dahingehend zuzuerkennen, dass sie in der Ausgangssituation zugunsten des Bf - als formlosen Lebensgefährten - hätte rechtswirksam verzichten können.

***K*** fällt nicht in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung 883/2004, sodass das Unionsrecht Österreich nicht zur Leistung der Familienbeihilfe verpflichtet. Da das Unionsrecht zum Begriff der Familienangehörigen auf die österreichischen Rechtsvorschriften verweist, ist damit zugleich entschieden, dass nach § 2 Abs 3 FLAG 1967 kein alternativer Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe nach rein nationaler Beurteilung besteht. Darüber hinaus knüpft Österreich bezüglich der Familienbeihilfe allein an die Gebietsansässigkeit im österreichischen Hoheitsgebiet durch die antragstellende Person und deren Kinder an. Da der Familienwohnsitz und damit verbunden der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf und seiner Familie in der Slowakei liegen, besteht nach rein nationalen Gesichtspunkten auch aus diesem Grund kein alternativer Anspruch auf die österreichische Familienbeihilfe.

Weder der Bf noch die Kindesmutter haben weder nach Unionsrecht noch nach rein österreichischem Recht Anspruch auf die Familienbeihilfe für ***K***.

***K*** fällt betreffend die Familienleistungen ausschließlich in die Zuständigkeit der Slowakischen Republik.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Falllösung war der Rechtsbegriff des Stiefkindes zu definieren, wozu auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , zurückgegriffen werden konnte. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen. Der Rechtsbegriff des Stiefkindes hat innerhalb der Union dieselbe Bedeutung, was sich aus den EU-Formularen E401 und E411 ergibt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Art. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 2 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.7106500.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
HAAAC-30965