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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2022, RV/5100937/2017

Einkünfte eines Geflügelmastbetriebes / nachhaltiges Überschreiten des Höchstbestandes iSd § 30 Abs. 5 BewG

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/15/0082. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden***SenV***, die Richterin***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Stb***, ***AdrStb***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2015, Einkommensteuer 2012 und Einkommensteuer 2015, sowie vom betreffend Einkommensteuer 2013 und Einkommensteuer 2014, zu Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach erfolgter Außenprüfung im Jahr 2016 setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer 2012 bis 2015 mit Bescheiden vom fest und erließ hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2015 Nichtfestsetzungsbescheide.

Aufgrund eines Berechnungsfehlers bezüglich des Gewinnfreibetrages wurden die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 gem § 299 BAO aufgehoben und neue Sachbescheide erlassen.

Der steuerliche Vertreter brachte nach erfolgter Fristverlängerung mit Schreiben vom Bescheidbeschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 bis 2015 und gegen die Nichtveranlagungsbescheide betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2015 ein. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, es lägen ab dem Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom mit Verweis auf die Stellungnahme der Außenprüfung vom ab.

Dagegen brachte der steuerliche Vertreter mit Schreiben vom einen Vorlageantrag ein.

Am legte die Abgabenbehörde den Akt dem BFG zu weiteren Bearbeitung vor.

Am fand die beantragte mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat statt. In diesem wurde der Beschluss gemäß § 277 Abs. 4 BAO gefasst, dass die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hat im Streitzeitraum einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Vollerwerb geführt. Er ist nicht buchführungspflichtig, führt aber freiwillig Bücher. Bereits vom Vater des Beschwerdeführers wurde im Rahmen dieser Land- und Forstwirtschaft eine Geflügelmast betrieben. Die gesamten Futtermittel für die Geflügelmast werden zugekauft. Die produzierten pflanzlichen Produkte werden verkauft.

Der Beschwerdeführer befand sich vor dem streitgegenständlichen Zeitraum wegen psychischer Überlastung in stationärer Behandlung. Im Streitzeitraum selbst wurde der Beschwerdeführer medikamentös behandelt. Diese Behandlung war und ist ausreichend, um die Land- und Forstwirtschaft ohne Einschränkungen zu betreiben. Aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Erschöpfungszustandes hat sich der Beschwerdeführer dazu entschieden, im Streitzeitraum einen Umtrieb auszusetzen, was eine Pause von ca 2 Monaten bewirkt hat.

2012 hat der Beschwerdeführer 15.57 ha Grund eigenbewirtschftet. Zwischen April und Oktober 2012 wurde eine neue Stallung für die Geflügelmast errichtet und damit die Kapazität mehr als verdoppelt. Der alte Stall wird seither als Lager- und Abstellfläche genutzt.

Ebenfalls 2012 wurde eine neue Rahmenvereinbarung mit dem Auftraggeber für die Geflügelmast geschlossen, und der Rahmen der einzustellenden und abzunehmenden Masthühner auf 28.000 Stück je Umtrieb erhöht. Diese Lohnmastvereinbarung ist bis heute in Geltung. Bei der in dieser Vereinbarung angeführten Stückzahl sowie bei den vereinbarten Umtrieben handelt es sich um unverbindliche Orientierungsgrößen, die ohne vertragliche Konsequenzen vom Beschwerdeführer über- oder unterschritten werden können.

2013 wurde insgesamt 7,26 ha an landwirtschaftlicher Nutzfläche zugepachtet, um den produzierten Hühnermist auf eigenbewirtschafteten Flächen ausbringen zu können. Erst nach dem streitgegenständlichen Zeitraum wurde die Mistausbringen auf eigenbewirtschafteten Grund aufgegeben und ein Fremdunternehmen mit der Entsorgung des Mistes beauftragt.

In der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswertes und Festsetzung des Grundsteuermessbetrages land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zum (datiert mit ) wurde als Anzahl der Jahresproduktion für Jungmasthühner 118.500 eingetragen. Diese Erklärung ist vom Beschwerdeführer selbst erstellt und die Jahresproduktion auch selbst ermittelt worden. Die Berechnung der genannten Produktionszahl konnte vom Beschwerdeführer nicht erläutert werden, diese entspricht aber den produzierten Vieheinheiten im Jahr 2015.

Die Arbeitsleistung in der Geflügelmast wurde und wird vom Beschwerdeführer, seiner Gattin und von seinem Sohn erbracht. Der Sohn betreibt eine eigene Land- und Forstwirtschaft. Die beiden Landwirte unterstützen sich wechselseitig bei der Bewirtschaftung. Die Anstellung zusätzlicher Arbeitskräfte war bisher nicht notwendig und ist zukünftig auch nicht geplant.

2017 hat der Beschwerdeführer 13,2475 ha zugepachtet, diesen Pachtvertrag aber bereits 2018 wieder aufgelassen, weil die Gesamtkonditionen für diese Fläche nicht entsprochen haben.

Laut vorliegenden Mastabrechnungen ergeben sich in den streitgegenständlichen Jahren und Folgejahren folgende produzierte Vieheinheiten:


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Jahr
2012
2013
2014
2015
VE
73,292
168,505
141,496
118,53


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2016
2017
2018
2019
2020
2021
VE
192,716
165,471
197.231
198,010
196,729
190,920

2016 ist der Beschwerdeführer aufgrund von einschlägigen Zeitungsartikeln darauf aufmerksam geworden, dass durch die getätigten Investitionen und der Steigerung der Kapazität die Geflügelmast ein eigenständiger Gewerbebetrieb außerhalb der Land- und Forstwirtschaft entstanden sein könnte. Auf Empfehlung hat er sich an seinen nunmehrigen steuerlichen Vertreter gewannt, welcher den Beschwerdeführer seit dem vertritt.

Der Beschwerdeführer hat mit seinen 2012 gesetzten Maßnahmen ursprünglich nicht beabsichtigt, einen Geflügelmastbetrieb außerhalb des seit jeher bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zu gründen. Vielmehr war es aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation notwendig, die Produktion in der Geflügelmast zu erhöhen, um weiterhin als Land- und Forstwirt im Vollerwerb tätig sein zu können.

Im Streitzeitraum fand weder ein sofortiger noch ein nachhaltiger Strukturwandel im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers statt.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus dem Ergebnis der Außenprüfung und den Ausführungen des Beschwerdeführers im Zuge der mündlichen Verhandlung.

Dem Beschwerdeführer ist insoweit zuzustimmen, dass - neben dem nachhaltigen (allmählichen) Strukturwandel - auch ein sofortiger Strukturwandel vorliegen kann, der die ursprünglich unstrittig im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft betriebene Geflügelmast zu einem Gewerbebetrieb außerhalb der Land- und Forstwirtschaft machen kann. Ob ein Strukturwandel vorliegt und ob dieser allmählich oder sofortig eingetreten ist, ist Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht.

Insoweit ist zu prüfen, ob die 2012 vom Beschwerdeführer gesetzten Maßnahmen einen sofortigen Strukturwandel bewirkt haben und bereits ab diesem Zeitpunkt ein Gewerbebetrieb vorliegt.

Der Beschwerdeführer hat erstmals durch seinen steuerlichen Vertreter im Jahr 2016 Steuererklärungen betreffend die streitgegenständlichen Jahre beim Finanzamt eingereicht. Dies begründet der Beschwerdeführer im Zuge seiner Befragung damit, weil ihm 2016 durch Zeitungslektüre und Hinweis eines Berufskollegen bewusst geworden sei, dass seine Tätigkeit nicht mehr als Land- und Forstwirtschaft anzusehen sein könnte. Daher nahm er 4 Jahre nach der Errichtung des neuen Stalles Kontakt mit dem vom Berufskollegen empfohlenen steuerlichen Vertreter auf.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Änderung der Struktur seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht beabsichtigt hat. Vielmehr hat er den neuen Stall errichtet, ohne die damit verbundenen steuerrechtlichen Konsequenzen zu bedenken oder diese bewirken zu wollen. Nach Errichtung des Stalles wurde der Betrieb, wie der Beschwerdeführer selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wie bisher fortgeführt. Die Errichtung erfolgte ua aus Praktikabilitätsgründen, um einen ebenerdigen Stall zu haben.

Aber auch wenn der Beschwerdeführer keinen Strukturwandel der Geflügelmast bewusst herbeiführen wollte, kann es objektiv trotzdem dazu gekommen sein. Demzufolge ist zu untersuchen, welche Maßnahmen vom Beschwerdeführer 2012 tatsächlich gesetzt wurden.

Die Errichtung eines neuen Stalles und die damit verbundene Verdoppelung der Produktionskapazität ist eine Maßnahme, die dazu geeignet ist, einen sofortigen Strukturwandel zu bewirken, wenn diese Produktionskapazität auch tatsächlich genutzt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn 2013 eine deutlich erhöhte Produktion erfolgt ist, sind 2014 und 2015 die produzierten Vieheinheiten im Verhältnis zur genutzten Fläche wieder stark zurückgegangen. Die neu geschaffenen Produktionskapazitäten blieben zu einem erheblichen Teil ungenutzt.

Wie in der mündlichen Verhandlung festgestellt, kommt dem neu abgeschlossenen Rahmenvertrag für die Beurteilung eines Strukturwandels keine Bedeutung zu, weil die darin vereinbarten Stückzahlen nur unverbindliche Orientierungsgrößen sind und mit keiner tatsächlichen Erfüllungsverpflichtung verbunden sind. Demzufolge ist dem Rahmenvertrag zwar zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, zukünftig mehr Geflügel zu mästen, jedoch nicht im Sinne eines sofortigen Strukturwandels, sondern im Sinne einer allmählichen wirtschaftlich notwendigen Produktionssteigerung.

Im Streitzeitraum konnten - neben der Errichtung eines neuen Stalles - keine Maßnahmen festgestellt werden, die zu einem sofortigen Strukturwandel hätten führen können. So bleibt beispielsweise die Bewirtschaftung durch den Beschwerdeführer, seiner Gattin und mit Unterstützung des Sohnes unverändert. Eine Änderung war und ist nicht geplant. Auch die Entsorgung des Mistes durch Ausbringung auf eigenen Flächen bleibt im Streitzeitraum unverändert. Erst danach wird der Mist durch ein Fremdunternehmen entsorgt.

Der Beschwerdeführer hat 2012 nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts weder einen sofortigen Strukturwandel gewollt, noch einen solchen objektiv bewirkt. Auch den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Juli 2014 bei der Erstellung der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswertes und Festsetzung des Grundsteuermessbetrages land- und forstwirtschaftlicher Betriebe zum als Anzahl der Jahresproduktion für Jungmasthühner 118.500 angeführt hat, deren Berechnung nicht mehr nachvollziehen kann, dieser aber exakt dem Wert für 2015 entspricht, kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nur so gewürdigt werden, dass dem Beschwerdeführer die geplante Jahresproduktion für 2015 bereits im Juli 2014 bekannt war und diese in der Folge auch umgesetzt wurde. Auch daraus ist zu schließen, dass im Streitzeitraum kein Strukturwandel stattgefunden hat.

Im Beschwerdevorbringen wurde eingewandt, dass der 2014 und 2015 eingetretene Rückgang der Produktion krankheitsbedingt erfolgt sei, und die Nichtausnutzung der Produktionskapazität als außerordentlich angesehen werden kann.
Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er vor Errichtung des neuen Stalles in medizinischer Behandlung im Krankenhaus war. Im Anschluss wurde er medikamentös eingestellt. Als Begründung für den Rückgang 2014 und 2015 führte der Beschwerdeführer aus, er habe einen Umtrieb ausgelassen, weil es ihm zu viel geworden sei. Es konnten jedoch keine (außerordentlichen) krankheitsbedingten Ereignisse festgestellt werden, die den eingetretenen Produktionsrückgang in den Jahren 2014 und 2015 erklären würde. In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Beschwerdeführer, dass die nach seinem stationären Krankenhausaufenthalt erfolgte medikamentöse Behandlung ausreichend sei und er sich in der Bewirtschaftung seines Betriebes seither nicht eingeschränkt sehe.

Ein nachhaltiger Strukturwandel liegt schon alleine deshalb nicht vor, weil im Streitzeitraum nur 2013 die Grenzen des § 30 Abs. 5 BewG überschritten wurden und in den anderen Jahren keine außerordentlichen Gründe für das Nichtüberschreiten vorgelegen sind.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft

Gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus Tierzucht- und Tierhaltungsbetrieben im Sinne des § 30 Abs. 3 bis 7 des Bewertungsgesetzes 1955.

Gemäß § 30 Abs. 3 BewG 1955 gilt die Zucht oder das Halten von Tieren als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gewonnen worden sind.

Gemäß § 30 Abs. 5 BewG 1955 gilt die Zucht oder das Halten der in Abs. 7 genannten Tiere als landwirtschaftlicher Betrieb, wenn bezogen auf die reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche dieses Betriebes (Abs. 6),

für die ersten 10 ha nicht mehr als 8,
für die nächsten 10 ha nicht mehr als 6,
für die nächsten 10 ha nicht mehr als 4,
für die nächsten 10 ha nicht mehr als 3,
für die nächsten 10 ha nicht mehr als 2
Vieheinheiten (Abs. 7) und für die restliche reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche nicht mehr als 1,5 Vieheinheiten je Hektar im Wirtschaftsjahr durchschnittlich erzeugt oder gehalten werden. Wird jedoch dieser Höchstbestand nachhaltig überschritten, so ist hinsichtlich des gesamten Tierbestandes das Vorliegen eines gewerblichen Betriebes anzunehmen. Für die Anzahl der zulässigen Vieheinheiten und für die Ermittlung der reduzierten landwirtschaftlichen Nutzfläche ist das Gesamtausmaß der vom Betrieb aus bewirtschaften Flächen maßgebend; zugepachtete Flächen sind miteinzubeziehen, verpachtete auszuschließen.

Gemäß § 30 Abs. 7 BewG 1955 werden die Vieheinheiten nach dem zur Erreichung des Produktionszieles erforderlichen Futterbedarf bestimmt. Für die Umrechnung der Tierbestände in Vieheinheiten gilt für Jungmasthühner folgender Schlüssel: 0,001 VE.

Mit dem Verweis des § 21 Abs. 1 EStG 1988 auf das BewG stellt der Gesetzgeber eine einheitliche Rechtsanwendung im Steuerrecht sicher. Im Zuge der einkommensteuerlichen Beurteilung wird Bewertungsrecht angewandt und ausgelegt.

In der Einkunftsart "Land- und Forstwirtschaft" werden Erträge aus der Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Produkten mit Hilfe der Naturkräfte erfasst. Es muss sein Mindestmaß an Beziehung zu Grund und Boden gegeben sein ().

Tierzucht bedeutet die Vermehrung und Züchtung von Tieren unter Nutzung der Bodenbewirtschaftung zur Verwendung für die eigene Zucht und Tierhaltung oder für den Verkauf.

Die primäre Bestimmung für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes bei Tierhaltung und Tierzucht ist § 30 Abs. 3 BewG 1955. Ein landwirtschaftlicher Hauptbetrieb liegt vor, wenn zur Tierzucht oder Tierhaltung überwiegend Erzeugnisse verwendet werden, die im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gewonnen wurden. Die Erzeugnisse (insbesondere Futtermittel) müssen daher wertmäßig zu mehr als 50% aus der eigenen Bodenbewirtschaftung gewonnen werden.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der tatsächliche Futtermittelverbrauch über der Eigenproduktion der Futtermittel liegt.

Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, in denen zur Zucht oder Haltung der Tiere überwiegend zugekaufte Futtermittel verwendet werden, gelten aber noch als landwirtschaftliche Betriebe, wenn die im § 30 Abs. 5 bis 7 BewG 1955 angeführten Voraussetzungen vorliegen.

Die Abs. 5 bis 7 BewG stellen eine Sonderregelung gegenüber der Grundregel des Abs. 3 dar. In den Fällen der Abs. 5 bis 7 handelt es sich um an sich landwirtschaftliche Einrichtungen, die jedoch, um ihre gebotene Einstufung als gewerblich zu verhindern, vom Gesetz ausdrücklich als landwirtschaftliche Betriebe qualifiziert werden.

Ist die Verwendung von Futtermitteln anhand der Berechnung der Abs. 5 bis 7 theoretisch möglich, liegt unabhängig vom tatsächlichen Futtermitteleinsatz ein landwirtschaftlicher Betrieb vor (vgl. Twaroch/Frühwald, Bewertungsgesetz, 29. Lfg, § 30 Rz 49).

Mit Budgetbegleitgesetz 2001 (BGBl I 142/2001) erfolgte eine Änderung des § 30 Abs. 7 BewG und Anpassung der Vieheinheiten bei Jungmasthühnern von 0,0015 auf 0,001. In den erläuternden Bemerkungen wird diesbezüglich ausgeführt, dass der bisherige VE-Schlüssel auf den Produktionszielen der frühen 70er Jahre basierte. Die Neuregelung des Vieheinheiten (VE)-Schlüssels trug den aktuellen Produktionszielen und dem hiefür erforderlichen Futterbedarf Rechnung. Der neue Schlüssel stellte auf die Verhältnisse der energetischen Futterwertmaßstäbe ab.

Es ist dem steuerlichen Vertreter beizupflichten, dass die Veränderung der Kommastelle Auswirkungen auf das Überschreiten der gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen hätte, nichts desto trotz sieht die geltende Gesetzeslage gemäß § 30 Abs. 7 BewG bei Jungmasthühnern nunmehr 0,001 VE vor. Die Höhe der gesetzlichen Vieheinheiten ist somit definiert und rechtsverbindlich.

Um das Vorliegen eines Gewerbebetriebes überhaupt anzunehmen, müssten die gesetzlich vorgesehenen Vieheinheiten nachhaltig überschritten werden.

Nach den im Eigentum befindlichen und den zugepachteten Flächen des Beschwerdeführers ergeben sich bezogen auf die reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche folgende gemäß § 30 Abs. 5 BewG (gesetzlich vorgesehenen) Höchstgrenzen für das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2012
2013
2014
2015
VE
113
113 (120)
150
150



Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
2016
2017
2018
2019
2020
2021
VE
150
199
116
116
116
116

Der gesetzlich bestimmte Höchstbestand in den streitverfangenen Jahren 2012 bis 2015 wurde allerdings nur einmal - nämlich im Jahr 2013 - überschritten, von einem dem Gesetz nach geforderten, nachhaltigen Überschreiten kann demzufolge nicht gesprochen werden.

Auch der im Beschwerdevorbringen angeführte sofortige Strukturwandel, der aufgrund des Stallbaus eingetreten sein soll und demzufolge beim Beschwerdeführer bereits ab dem Jahr 2012 gewerbliche Einkünfte vorliegen sollen, hat nicht stattgefunden.

Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen, dass er mit Bau des Stalles eine Maßnahme gesetzt hat, die grundsätzlich zu einem sofortigen Strukturwandel führen hätte können. In Zusammenschau mit den Vorbringen, der Aussage in der mündlichen Verhandlung und dem Verhalten des Beschwerdeführers ist jedoch ersichtlich, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine Landwirtschaft geführt hat und ein sofortiger Strukturwandel nicht eingetreten ist.

Wie aus der Beweiswürdigung ersichtlich, war zunächst die Beibehaltung des landwirtschaftlichen Betriebes vorgesehen, der in den Folgejahren durchaus aufgrund der langjährigen Entwicklung und Steigerung der Produktion in einen Gewerbebetreib fußen kann.

Auch der Verweis auf die deutsche Judikatur, dass es sich im konkreten Fall um einen Strukturwandel handle, der in der deutschen Judikatur zu Einkünften aus Gewerbetrieb führen würde, wird nicht gefolgt.
Die Entscheidungen des BFH wurden alle unterm dem Aspekt des (nachhaltigen) Überschreitens der Tierbestände getroffen. Wurde doch auch bei den entscheidungsrelevanten Sachverhalten in der deutschen Rechtsprechung die Vieheinheitsgrenze (wenn auch nur unwesentlich) mehrmals überschritten. Erst aufgrund dieses Überschreitens wurde in einem weiteren Schritt das Vorliegend eines Gewerbebetriebes geprüft.

Auch § 30 BewG 1955 bestimmt, dass erst wenn der Höchstbestand (überhaupt) nachhaltig überschritten wird, das Vorliegen eines Gewerbetriebes zu prüfen ist. Erst ab diesem Zeitpunkt wäre zu klären, ob die Tätigkeit in weiterer Folge nachhaltig ausgeübt wird und Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen würden.

Da im konkreten Fall in den streitgegenständlichen Jahren der Höchstbestand lediglich einmal und somit nicht nachhaltig überschritten wurde, und der Bau des Stalles in Zusammenschau mit dem sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers keinen sofortiger Strukturwandel darstellt, war spruchgemäß zu entscheiden.

2. Umsatzsteuer

Gem. § 22 Abs. 1 UStG 1994 (in der in den streitgegenständlichen Jahren geltenden Fassung) wird bei nichtbuchführungspflichtigen Unternehmern, die Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführen, die Steuer für diese Umsätze mit 10% der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Soweit diese Umsätze an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erbracht werden, wird die Steuer für diese Umsätze mit 12% der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge werden jeweils in gleicher Höhe festgesetzt.

Die Buchführungspflicht richtet sich nach §§ 124 und 125 BAO.

Soweit sich eine Verpflichtung zur Buchführung nicht schon aus § 124 BAO ergibt, sind gemäß § 125 BAO (in den streitgegenständlichen Jahren) Unternehmer für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31), dessen Umsatz in zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren jeweils 400 000 Euro überstiegen hat, oder dessen Wert zum 1. Jänner eines Jahres 150 000 Euro überstiegen hat, verpflichtet, für Zwecke der Erhebung der Abgaben vom Einkommen Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen.

Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb ist gemäß § 22 Abs. 3 UStG 1994 ein Betrieb anzusehen, dessen Hauptzweck auf die Land- und Forstwirtschaft gerichtet ist. Als Landwirtschaft gelten insbesondere der Acker-, Garten-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich der Wanderschäferei, die Fischzucht einschließlich der Teichwirtschaft und die Binnenfischerei, die Imkerei sowie Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe im Sinne des § 30 des Bewertungsgesetzes 1955.

Gem. § 22 Abs. 6 UStG 1994 (in der in den streitgegenständlichen Jahren geltenden Fassung) kann der Unternehmer bis zum Ablauf des Veranlagungszeitraumes gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, daß seine Umsätze vom Beginn dieses Kalenderjahres an nicht nach den Abs. 1 bis 5, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Bundesgesetzes besteuert werden sollen. Diese Erklärung bindet den Unternehmer für mindestens fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären.

Besteht keine Buchführungspflicht, werden aber Bücher freiwillig geführt, ist die Pauschalierung nach § 22 UStG 1994 anzuwenden, sofern der Unternehmer nicht für die Regelbesteuerung optiert (vgl. Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) zu § 22 UStG Rz 13).

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen nichtbuchführungspflichtigen Unternehmer, der Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausführt und freiwillig Bücher führt. Ein fristgerechter Antrag gemäß § 22 Abs. 6 UStG 1994 wurde nicht gestellt.

Die steuerliche Vertretung hat für die die Jahre 2012 bis 2015 erstmals am Umsatzsteuererklärungen übermittelt.

Gemäß § 92 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Eine Veranlagung ist in § 22 UStG 1994 nicht vorgesehen, weshalb die Abgabenbehörde zu Recht Bescheide gemäß § 92 BAO erlassen hat.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das gegenständliche Erkenntnis war nicht von der Lösung einer Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes.

Die Frage, ob ein sofortiger Strukturwandel eingetreten ist und somit gewerbliche Einkünfte vorliegen, oder ob weiterhin ein landwirtschaftlich geführter Betrieb vorliegt, ist auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfragen und sohin keine Rechtsfrage.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100937.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at