1. "Vorlageantrag" als Beschwerde 2.Unzuständigkeit des BFG wegen unterlassener Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Stb***, ***Stb-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:
Es wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt.
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wird eingestellt.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Österreich im gem. § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommenen Verfahren die Einkommensteuer für das Jahr 2019 ohne Berücksichtigung des beantragten Alleinerzieherabsetzbetrages fest. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass der Beschwerdeführer (Bf.) im Veranlagungsjahr mehr als 6 Monate in einer Gemeinschaft mit seiner Ehepartnerin gelebt habe.
In seiner Eingabe vom , bezeichnet als "Einbringung eines Vorlageantrags beim Bundesfinanzgericht betreffend der Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO zum Einkommensteuerbescheid 2019" brachte der Bf. vor, dass er von der Mutter seiner minderjährige Tochter ***M*** geschieden sei und dass er mit ***M*** in ***Bf1-Adr*** lebe. Er habe 2019 wieder geheiratet. Seine neue Gattin lebe mit ihren beiden Söhnen, die beide über kein eigenes Einkommen verfügten, weiterhin in einem Haus in ***A***, das ihre Söhne nach dem Tod des Vaters geerbt hätten. Ein gemeinsamer Haushalt sei nicht möglich, da an beiden Wohnsitzen nicht ausreichend Platz zur Verfügung stünde, um allen Kindern ordentliche Wohnverhältnisse bieten zu können. Außerdem würde It. dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts zum Fall GZ RV7101229/2013 das Wohnrecht der beiden Söhne seiner Ehefrau in ***Bf1-Adr*** nur bis zu deren Volljährigkeit zustehen. Umgekehrt könne er nicht auf einem Wohnrecht mit seiner Tochter in ***A*** bestehen, da das Haus nicht seiner Gattin, sondern deren Söhnen gehöre.
Aus den genannten Gründen liege zwar eine eheliche Gemeinschaft vor, welche aber nur nach außen hin sichtbar sei (Ehering, gemeinsamer Name). Eine tatsächliche Lebensgemeinschaft sei unter den derzeitigen Bedingungen leider ausgeschlossen.
Abschließend beantragte der Bf. die Zuerkennung des "Alleinverdienerabsetzbetrages".
Das Finanzamt legte die als Vorlageantrag bezeichnete Eingabe dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht vom finden sich folgende Ausführungen:
"Sachverhalt: Der Beschwerdeführer beantragt den Alleinerzieherabsetzbetrag obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß Ansicht Finanzamt nicht gegeben sind.
Da den Veranlagungsjahren 2019 und 2020 der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, werden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2019 und 2020 gemeinsam vorgelegt.
Für das Veranlagungsjahr 2019 wurde seitens Finanzamt keine BVE erlassen, sondern gemäß Antrag des steuerlichen Vertreters die Beschwerde zur Entscheidung dem BFG übermittelt."
II. Sachverhalt
Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 brachte der Bf. mit Eingabe vom eine Beschwerde ein.
Das Finanzamt hat über die Beschwerde vom nicht mittels Beschwerdevorentscheidung abgesprochen.
Das Finanzamt legte diese Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vor.
III. Rechtslage und Erwägungen
1. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind gemäß § 243 BAO Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Die Bescheidbeschwerde hat gemäß § 250 Abs. 1 BAO die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet (lit. a), die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird (lit. b), die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (lit. c) und eine Begründung (lit. d) zu enthalten.
Eine Bescheidbeschwerde muss nicht als solche bezeichnet werden. § 250 normiert, welchen Inhalt eine Beschwerde haben muss; gegebenenfalls ist gemäß § 85 Abs. 2 (Mängelbehebungsauftrag) vorzugehen (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), § 243, Rz 5).
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (Ritz/Koran, a.a.O., § 85, Rz 1, und die dort zitierte Judikatur).
Im vorliegenden Fall hat der Bf. am eine als "Vorlageantrag betreffend der Beschwerdevorentscheidung zum Einkommensteuerbescheid 2019" bezeichnete Eingabe eingebracht.
Für das BFG besteht kein Zweifel, dass es sich bei diesem Anbringen - ungeachtet der Bezeichnung als "Vorlageantrag" - nach seinem erkennbaren Ziel um eine Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 handelt; wurde das Schreiben doch innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung des Einkommensteuerbescheides 2019 vom angeführten Beschwerdefrist eingebracht und eine Beschwerdevorentscheidung von der Abgabenbehörde gar nicht erlassen. Auch das Finanzamt geht - wie sich den Ausführungen im Vorlagebericht an das BFG entnehmen lässt - augenscheinlich vom Vorliegen einer Beschwerde aus.
2. Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gemäß Abs. 2 hat die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben,
a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und
b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.
Wird in der Bescheidbeschwerde lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet, so ist gemäß Abs. 3 keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, sondern die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Gemäß Abs. 4 ist weiters keine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, wenn der Bundesminister für Finanzen den angefochtenen Bescheid erlassen hat.
Im Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0001, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass (unter Hinweis auf § 291 Abs. 1 BAO) der Entscheidungspflicht des Bundesfinanzgerichtes die von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Bescheidbeschwerde unterliegt. Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) sei das Bundesfinanzgericht freilich im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde.
Gegenständlich hat das Finanzamt die als "Vorlageantrag" bezeichnete Beschwerde des Bf. ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung mit Vorlagebericht vom dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.
Zu den Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht, wonach für das Veranlagungsjahr 2019 gemäß Antrag des steuerlichen Vertreters die Beschwerde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zur Entscheidung dem BFG übermittelt worden sei, ist festzuhalten, dass in der Eingabe vom kein Antrag auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung gestellt wurde. Vielmehr kann der im Betreff angeführten Bezeichnung des Schriftsatzes entnommen werden, dass der Bf. offensichtlich vom Vorliegen einer Beschwerdevorentscheidung (auch für das Jahr 2019) ausgegangen ist.
Der Umstand, dass den Veranlagungsjahren 2019 und 2020 der gleiche Sachverhalt zu Grunde liegt und mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde des Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid 2020 als unbegründet abgewiesen wurde, stellt keinen Grund im Sinne des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO dar, dass im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben hätte.
Es wurden auch nicht lediglich die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen oder die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen behauptet. Der angefochtene Bescheid wurde auch nicht vom Bundesminister für Finanzen erlassen.
Da im Beschwerdefall weder eine Beschwerdevorentscheidung erlassen noch ein Vorlageantrag gestellt wurde, trifft das Bundesfinanzgericht in dieser Sache keine Entscheidungspflicht iSd § 291 Abs. 1 BAO, vielmehr ist die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festzustellen (siehe ) und das Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht einzustellen.
Nichtzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich die Verpflichtung der belangten Behörde zur Beschwerdevorentscheidung unmittelbar aus dem Gesetz (§ 262 Abs. 1 BAO) ergibt, das Nichtvorliegen eines der in § 262 Abs. 2 bis 4 BAO normierten Ausnahmetatbestandes eine reine Sachverhaltsfrage darstellt und schließlich die nicht vorhandene Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2015/15/0001, entspricht, war gemäß § 25a Abs. 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 291 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101192.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at