Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.04.2022, RV/7104865/2020

Werkvertrag oder Arbeitskräftegestellung?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Tassilo Hubertus Püsant Wallentin, Gonzagagasse 14, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 8/16/17 (nunmehr Finanzamt Österreich, § 323b BAO) vom betreffend Haftung für Einbehalt und Abfuhr der Abzugsteuer (§ 99 EStG) gemäß § 100 Abs 2 EStG iVm §§ 202, 224 BAO für die Jahre 2014 und 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 279 BAO aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die beschwerdeführende GmbH (Bf) war bei einer Großbaustelle vom Generalunternehmer (GU) mit Schalungs- und Betonierarbeiten beauftragt, die sie an ein Subunternehmen (Sub) in der Slowakei weitergegeben hat. Strittig ist im Verfahren, ob zwischen dem GU und der Bf ein Werkvertrag oder eine bloße Arbeitskräftegestellung vereinbart war.

Die belangte Behörde nahm nach einer Baustellenkontrolle der Finanzpolizei und einer Außenprüfung zweiteres an, folgerte, dass dann auch der Vertrag mit dem slowakischen Sub Arbeitskräftegestellung sein müsse und schrieb der Bf im Haftungsweg gemäß § 100 Abs 2 EStG Abzugssteuer aufgrund von § 99 Abs 1 Z 5 EStG für das Entgelt vor, das die Bf dem slowakischen Sub geleistet hat.

Die belangte Behörde führt dabei für ihren Standpunkt ins Treffen:

  1. Der auf der Baustelle anwesende Polier der Bf habe ausgesagt, er sei der einzige Dienstnehmer der Bf auf der Baustelle, seine Tätigkeit beschränke sich auf das Bestellen von Beton und Terminabstimmungen mit dem GU. Er gebe das Wochenprogramm an den Polier des Sub weiter, Stundenaufzeichnungen und Bautagebücher würden von diesem geführt; er selbst wisse nicht einmal, wieviele Arbeiter des Sub auf der Baustelle seien.

  2. Baumaschinen, Kräne und zu verarbeitendes Material würden vom GU zur Verfügung gestellt, die Arbeiter des Sub verwendeten lediglich eigenes Werkzeug.

  3. Im Verhandlungsprotokoll vom zwischen dem GU und der Bf, das vorrangig auf das Vertragsverhältnis anzuwenden sei, seien ausdrücklich die Punkte Gewährleistung, Bauschäden und Ausweistragepflicht gestrichen worden sowie unter "Gewerbeberechtigung für Gewerk" neben Baumeister "Arbeitskräfteüberlassung" angeführt worden.

  4. Der Gewährleistungsausschluss könne unmöglich versehentlich erfolgt sein, das widerspreche der Sorgfalt bei einer Auftragssumme von gut 1,6 Mio Euro. Die Bf könne sich auch nicht darauf berufen, dass bei einem anderen beispielhaft genannten Bauvorhaben die Gewährleistung bis zur gemeinsamen Rohbauübergabe vereinbart gewesen sei und dies im Geschäftsverkehr zwischen der Bf und dem konkreten GU daher üblich gewesen sei, zumal das beispielhaft angeführte Bauvorhaben lediglich eine Auftragssumme von rd. 90.000 Euro gehabt habe.

  5. Auch das Anführen von Regiesätzen für Vor-, Fach- und Hilfsarbeiter spreche für die Gestellung, denn in Werkverträgen fixe Stundenlöhne zu vereinbaren, sei absolut unüblich. Leistungs- aber nicht erfolgsbezogene Entlohnung spreche gegen einen Werkvertrag.

  6. Hauptleistung eines Werkvertrages sei das Errichten eines Werkes. Aus dem Auftragsschreiben vom sei aber kein im Vorhinein konkret bestimmbares Werk erkennbar. Nach der Rsp des VwGH müsse ein Werkvertrag eine genaue Beschreibung des Leistungsumfanges enthalten und bereits bei Vertragsabschluss zu einer klar und eindeutig vorgegebenen Leistung verpflichten. Essentiell sei ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg. Mit der bloß pauschalen Umschreibung "Schalungs- und Betonierarbeiten" liege kein von anderen auf der Baustelle arbeitenden Firmen abgrenzbares Werk vor. Es sei auch nicht erkennbar, ob das gesamte Bauvorhaben oder welche Teile daraus an die Bf vergeben worden wären. Aus dem vorliegenden Vertrag sei es der Bf nur möglich gewesen, die für die Arbeiten notwendigen Arbeitskräfte zu gestellen.

  7. Ein vollständiger Haftungsausschluss sei nicht per se sondern nur im Einzelfall sittenwidrig, die von der Bf angeführten Judikate träfen nicht auf den vorliegenden Fall zu.

  8. Es sei stRsp, dass ein Gestellungsvertrag vorliege, ein Unternehmer einem anderen Unternehmer seine Dienstnehmer zur Verfügung stelle, ohne dass zwischen dem Gestellungsnehmer und den Dienstnehmern des Gestellers ein Dienstverhältnis begründet werde. Der Gesteller hafte nicht für die tatsächlichen Leistungen der gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung (; , 96/14/0126; , 2009/15/0174). Genau diese Rechtsfolge sei beabsichtigt gewesen, wie insbesondere der Gewährleistungsausschluss nahelege.

  9. Die Arbeitgebereigenschaft sei abkommensautonom auszulegen (), der wirtschaftliche Arbeitgeber liege im Inland. Es komme damit die 183-Tage-Klausel nicht zum Einsatz, und auch ein Entfall der Quellensteuer nach der DBA-Entlastungs-VO komme mangels erfüllter Voraussetzungen nicht in Betracht.

Dem hält die Bf entgegen:

  1. Bei der Streichung des Punktes "Gewährleistung" aus dem Verhandlungsprotokoll vom handle es sich um ein Versehen, weil die Parteien jedenfalls eine Gewährleistung bis zur gemeinsamen Rohbauübergabe vereinbart hätten und auch vereinbaren wollten. Das entspreche auch den ständigen geschäftlichen Gepflogenheiten der Vertragsparteien (unter Nennung eines beispielhaften Bauvorhabens).

  2. Der Polier der Bf habe bei der Befragung durch die Finanzpolizei auf der Baustelle auch richtig geantwortet, eine Haftung bestehe bis zur Übernahme durch den Bauherren.

  3. Dass diese Meinung auch seitens des GU geteilt werde, hätte sich bei Befragung des zuständigen Prokuristen ergeben. Es erscheine auch aus Sicht des GU unschlüssig, bei einem kleinen Bauvorhaben Gewährleistung zu vereinbaren, bei einem Großauftrag hingegen nicht.

  4. Es sei auch zwischen der Bf und dem Sub ein regulärer Werkvertrag geschlossen worden, bei dem alle einschlägigen Ö-Normen (insb. die rechtliche Norm B2110) greifen würden.

  5. Ein vollständiger Gewährleistungsausschluss wäre nach stRsp sittenwidrig (vgl u.a. 3 Ob 282/48=SZ21/139; Bl 1974, 261; 3 ob 313/23=SZ5/112; 1 Ob 100/33=SZ 15/27; JBl 1970, 201; ÖBA 1993/372). Eine derartige Abmachung wäre nicht rechtswirksam, es wäre auf die übrigen Bestimmungen, insb. die AGB des GU, zurückzugreifen.

  6. Die Bf habe ein bestimmtes Werk geschuldet, eine Eingliederung der Arbeitskräfte des Sub in den Betrieb der Bf sei nicht vorgelegen und auch nicht festgestellt worden. Die Arbeitskräfte seien nur in die Baustelle eingewiesen worden, ein Weisungsrecht sei nur für den Fall der nicht fristgerechten Fertigstellung vorgelegen.

  7. Die Vereinbarung fixer Stundenlöhne sei keinesfalls unüblich. Der Werkbesteller schulde ein angemessenes Entgelt, dafür könnten Pauschalpreise genauso vereinbart werden wie Einheitspreise und Regiepreise (Verweis auf Repan/Kietaibl in Schwiemann/Kodek, ABGB4 V § 1165 Rz 61; Krejci, Baugrundrisiko 47 ff, JBl 1992, 387).

  8. Der Vertrag zwischen Bf und Sub sei zu eigenen Bedingungen formuliert, ein Haftungsausschluss finde sich darin nicht.

Auf formalrechtlicher Ebene ist strittig, ob das Ermittlungsverfahren von der belangten Behörde vollständig geführt worden ist. Insbesondere wird von der Bf gerügt, dass die Ablehnung der Zeugeneinvernahme des seitens des GU Verantwortlichen (Prokurist ***2***), des Vertreters des Sub (***3**), des Geschäftsführers der Bf (***4***) und des Poliers der Bf (***5***) - deren Telefonnummern in der Schlussbesprechung am bekanntgegeben worden seien - eine vorweggenommene Beweiswürdigung darstelle. Dem entgegnet die belangte Behörde, der Polier der Bf sei von der Finanzpolizei befragt worden, der Vertreter des Sub sei von der slowakischen Steuerbehörde einvernommen worden, sämtliche Verträge lägen vor und stimmten mit den Aussagen der befragten Personen überein. Weitere Ermittlungen seien daher nicht erforderlich gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf hat gegenüber dem GU den Auftrag übernommen, auf dessen Großbaustelle für das Baulos "***1***" alle Schalungs- und Betonierarbeiten im besagten Baulos mit einer Auftragssumme von 1.779.395,54 Euro durchzuführen. Baumaschinen und Beton - letzterer nach Bestellung durch den Polier der Bf - wurden vom GU zur Verfügung gestellt.

Zwischen GU und Bf war Gewährleistung bis zur gemeinsamen Rohbauübergabe vereinbart. Nähere Angaben zur Gewährleistung und zu Bauschäden fanden sich im Auftragsschreiben vom nicht, im Verhandlungsprotokoll für Subunternehmer vom waren die Punkte über nähere Modalitäten der Gewährleistung und eine Pauschale für nicht zurechenbare Bauschäden gestrichen. Als Zahlungsmodalitäten wurden 3 % Skonto binnen 14 Tagen und für Zwischenrechnungen ein Deckungsrücklass von 5 % vereinbart.

Zur Durchführung des Auftrages bediente sich die Bf eines slowakischen Einzelunternehmens als Subauftragnehmer. Dessen Arbeitnehmer nahmen die Schalungsarbeiten und Betonierungsarbeiten vor und hatten eigenes Handwerkzeug. Der Auftrag wurde derart erteilt, dass im Leistungsverzeichnis des GU Adaptierungen vorgenommen und von beiden Parteien unterschrieben wurden. Diese betreffen die Reduzierung der Unterposition "zeitgebundene Kosten der Baustelle" um 87.000 Euro und einen Nachlass von 5 %, womit sich eine Auftragssumme von 1.607.775,76 Euro ergibt. Ebenso wurden 3 % Skonto binnen 14 Tagen vereinbart, eine Vertragsstraffe für Terminverzug und die Geltung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Subunternehmer des GU. Besondere Abreden über die Gewährleistung oder ihren Ausschluss liegen nicht vor.

Sowohl der Vertrag zwischen GU und Bf als auch jener zwischen Bf und Sub wurde als Werkvertrag abgeschlossen.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt, insbesondere aus den bezughabenden Urkunden. Der Gewährleistungsumfang der Bf gegenüber dem GU ergibt sich aus den Vorbringen der Bf und der Einvernahme des Poliers der Bf auf der Baustelle.

Es erscheint realitätsfern, aus der bloßen Streichung eines Punktes in einem "Verhandlungsprotokoll", der mit "5.) Gewährleistung" betitelt ist und lediglich in Punkt 5.1) besondere Bestimmungen über die Gewährleistungsfrist ["a) 39 Monate; b) 63 Monate; c) … Monate"] sowie ihren Beginn vorsieht und in Punkt 5.2) einen Haftungsrücklass bzw eine Bankgarantie beinhaltet, auf den Ausschluss jeglicher Gewährleistung schließen zu wollen. Gleiches gilt für das Nichtvereinbaren eines Einbehalts einer Pauschale für nicht zuordenbare Bauschäden (Punkt 6).

Nähere (vom Gesetz abweichende) Modalitäten über die Gewährleistung nicht zu regeln kann für sich alleine nicht als Erklärung verstanden werden, die Gewährleistung auszuschließen.

Die Aussage des Poliers der Bf bei der Einvernahme am auf der Baustelle: "Eine Haftung besteht nur bis zur Übernahme durch den Bauherren", erfolgte völlig unbeeinflusst durch die erst später von der belangten Behörde getroffene steuerrechtliche Feststellung. In Verbindung mit den Überlegungen im Vorabsatz steht damit für das erkennende Gericht eindeutig fest, dass kein Gewährleistungsausschluss zwischen GU und Bf vorgelegen ist. Dafür bedarf es somit auch nicht mehr der Einvernahme der von der Bf beantragten Zeugen.

Es besteht seitens des auftraggebenden GU kein vernünftiger Grund, bei derart großen Summen auf Gewährleistungsansprüche zu verzichten und seitens der auftragnehmenden Bf wohl auch kein hinreichendes wirtschaftliches Gewicht, dem GU einen solchen Verzicht abzuringen. Was abbedungen - bzw einfach nicht in Anspruch genommen - wurde, waren bloß von den Allgemeinen Vertragsbedingungen und gesetzlichen Bestimmungen abweichende Vereinbarungen.

Ein Gewährleistungsausschluss zwischen der Bf und dem Sub ist seitens der belangten Behörde nie festgestellt worden und auch sonst den Akten nicht ansatzweise entnehmbar.

Dass der Umfang des übernommenen Werkes die Durchführung sämtlicher Schalungs- und Betonierarbeiten des im Leistungsverzeichnis genannten Bauloses ist, ergibt sich aus den Vorbringen der Bf und dem Auftragsschreiben in Zusammenhang mit der Einvernahme des Poliers der Bf auf der Baustelle am , der befragt nach den konkret durchgeführten Arbeiten ausgesagt hat: "Die kompletten Schalungs- und Betonierarbeiten am Bauvorhaben ***1***."

Nach dem Auftragsschreiben sind Auftragsgrundlagen a) das Auftragsschreiben; b) Verhandlungsprotokoll vom ; c) Leistungsverzeichnis und Leistungsbeschreibung samt Technischen Vorbemerkungen und Beilagen sowie Regiesatzliste; d) Bau- und Konstruktionspläne samt technischen Unterlagen sowie Ausführungs- und Detailpläne; e) Allgemeine Vertragsbestimmungen für Subunternehmer (Fassung 2013); Baubewilligungen und sonstige behördliche Bewilligungen bzw. Auflagen; g) sämtliche technische und rechtliche Bedingungen des Bauherrn, soweit sie auf die Arbeiten des Auftragnehmers zutreffen; h) die einschlägigen technischen und rechtlichen ÖNORMEN, subsidiär die technischen DIN oder sonstige technische Vorschriften.

Die Ansicht der belangten Behörde, mit der bloß pauschalen Umschreibung "Schalungs- und Betonierarbeiten" sei kein im Vorhinein konkret bestimmbares Werk erkennbar, greift zu kurz. Schließlich gehen die Auftragsgrundlagen über das Leistungsverzeichnis hinaus und umfassen unter anderem auch Ausführungs- und Detailpläne. Darüber hinaus war es offenkundiger Wille der Vertragsparteien, mit "Schalungs- und Betonierarbeiten" eben alle diesbezüglichen Arbeiten des entsprechenden Bauloses abzudecken, wie aus den Zeugenaussagen ebenso einwandfrei hervorgeht.

Aus der Tatsache, dass im Verhandlungsprotokoll für Subunternehmer vom im Punkt "12.) Sonstiges" unter 12.2) "Gewerbeberechtigung für Gewerk:" handschriftlich "Baumeister, Arbeitskräfteüberlassung" eingetragen ist, lässt sich nicht ableiten, dass es sich um einen Arbeitskräfteüberlassungsvertrag handeln soll. Für die Durchführung der Bauarbeiten wäre zwar die Gewerbeberechtigung für Arbeitskräfteüberlassung unerheblich, für die Arbeitskräfteüberlassung wäre aber umgekehrt die Gewerbeberechtigung für Baumeisterarbeiten unerheblich. Daher sind die unter 12.2) vermerkten Gewerke nicht als Voraussetzung seitens des GU zu sehen, den Auftrag zu vergeben, sondern als bloße Aufzählung, welche Gewerbeberechtigungen die Bf besitzt. Damit kommt diesem Punkt aber keine normative Kraft bezogen auf die Art des abgeschlossenen Vertrages zu.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Zentraler Argumentationspunkt der belangten Behörde ist, der aus ihrer Sicht gegebene Haftungsausschluss führe dazu, dass kein Werkvertrag vorliege. Dieser Punkt wurde bereits auf Ebene der Beweiswürdigung anders gesehen. Ergänzend dazu ist anzumerken, dass Gewährleistungsverzichte im Zweifel restriktiv auszulegen sind (Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 929 Rz 8 mit zahlreichen Judikaturverweisen). Aus der Streichung von Bestimmungen über Modalitäten der Gewährleistung in einem Formblatt kann daher nicht - wie von der belangten Behörde ohne weiteres (und insbesondere, ohne Zeugen der zweiten Vertragspartei zu hören) - geschlossen werden, dass auf die Gewährleistung selbst verzichtet wird.

Freilich können Gewährleistungsverzichte als Teil eines entgeltlichen Geschäftes (Zöchling-Jud aaO Rz 8/1 mwN) im Abtausch für ein niedrigeres Entgelt erfolgen; dies erscheint aber im konkreten Fall ausgeschlossen, weil die Entgeltstruktur im Vertrag zwischen der Bf und dem Sub nur geringfügig abweicht und hier kein Gewährleistungsverzicht stattgefunden hat.

Selbst bei tatsächlich vereinbartem gänzlichem Gewährleistungsausschluss wäre dieser für die Herstellung einer neuen Sache sittenwidrig (Zöchling-Jud aaO Rz 14). Für das zwischen GU und Bf vereinbarte neue Werk der geschaffenen Betongebilde wäre daher ein solcher Ausschluss unzulässig.

Auch der nächste Argumentationspunkt der belangten Behörde - nach der Rsp des VwGH müsse ein Werkvertrag eine genaue Beschreibung des Leistungsumfanges enthalten und bereits bei Vertragsabschluss zu einer klar und eindeutig vorgegebenen Leistung verpflichten, wobei ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg essentiell sei - ist schon auf Sachverhaltsebene entsprechend gewürdigt worden. Die von der belangten Behörde geforderten Merkmale für ein Werk liegen demnach vor. Es ergibt sich aus der Zusammenschau der umfassenden Auftragsunterlagen.

Dass auf der Baustelle befindliche Maschinen und Kräne des GU verwendet werden und auch der zu verarbeitende Beton vom GU gestellt wird, steht der Qualifikation als Werkvertrag nicht entgegen (vgl auch § 1166 ABGB).

Inwiefern es bei einem Werkvertrag "absolut unüblich" wäre, die Leistung nach Regiekosten abzurechnen, kann vom erkennenden Gericht nicht nachvollzogen werden, zumal die im Voraus vereinbarten Auftragssummen offenbar eingehalten worden sind.

Die belangte Behörde führt zutreffend aus, dass ein Gestellungsvertrag vorliegt, wenn ein Unternehmer einem anderen Unternehmer seine Dienstnehmer zur Verfügung stellt, ohne dass zwischen dem Gestellungsnehmer und den Dienstnehmern des Gestellers ein Dienstverhältnis begründet wird. Der Gesteller hafte nicht für die tatsächlichen Leistungen der gestellten Arbeitnehmer, sondern nur für ihre grundsätzliche Qualifizierung (; , 96/14/0126; , 2009/15/0174).

Dass aber genau diese Rechtsfolge beabsichtigt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Weder fehlt es an einer Haftung, noch lässt sich erschließen, dass die Bf dem GU nicht die Fertigung eines Werkes - hier aller Schalungs- und Betonierarbeiten des vertragsgegenständlichen Bauabschnittes - schuldet. Hingegen finden sich im Vertragswerk keinerlei Hinweise zur Vereinbarung, Arbeitskräfte zu überlassen. Dies zeigt sich schon daran, dass die Bf in Person ihres Poliers gar nicht wusste, wie viele Arbeiter des Sub auf der Baustelle tätig waren, womit es eben nicht Sache des Sub war, Arbeitskräfte zu gestellen, sondern das vereinbarte Werk mit dem von ihm für nötig erachteten Personaleinsatz zu vollbringen.

Im Unterschied zum Werkvertrag liegt beim Gestellungsvertrag das Gefahrenrisiko ausschließlich beim Gestellungsnehmer (). Diese Ausschließlichkeit lässt sich weder aus der Vertragsbeziehung zwischen Bf und Sub, noch aus jener zwischen GU und Bf gewinnen. Die Verträge verpflichten den Sub zur Fertigung der vereinbarten Schalungen und Betonteile unter Einhaltung insbesondere der entsprechenden bautechnischen Normen, wofür der Sub auch einzustehen hat.

Nach der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung () ist als Arbeitgeber jener anzusehen, der die Last der Lohnzahlung wirtschaftlich trägt. Das wäre in diesem Fall der GU. Stellte sich der Sachverhalt so dar, wie von der belangten Behörde angenommen, dann hätte die belangte Behörde nach Ansicht des BMF auch zu prüfen gehabt, ob das als Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen auftretende Unternehmen nicht in wirtschaftlicher Betrachtungsweise bloß als Arbeitskräftevermittler wirkt (vgl EStR 2000 Rz 8004a). Es wäre dann wohl der Schluss zu ziehen gewesen, der Bf käme eine reine Vermittlerposition zu. Ihr Polier wäre nur zur Weiterleitung der Aufträge an die Arbeitnehmer des Sub da gewesen ohne eigene Befugnisse, die sich nicht von der Weisungssphäre des GU abgeleitet hätten. Dass trotz anderslautender Allgemeiner Auftragsbedingungen des GU dieser die Subvergabe nicht beanstandet sondern gutgeheißen hat, legte auch nahe, dass seitens des GU nichts anderes intendiert gewesen wäre, als die Bf als bloße Vermittlerin - oder überhaupt als reinen "Strohmann" - zwischenzuschalten. Letztlich wäre daher die Bf völlig funktionslos in der Auftragskette, und das Gestellungsverhältnis wäre wirtschaftlich betrachtet zwischen GU und Sub zustande gekommen. Adressat eines Haftungsbescheides hätte folglich nicht die Bf sondern der GU sein müssen. Daher wäre auch dann, wenn es sich um reine Arbeitskräftegestellung gehandelt hätte, nicht die Bf rechtmäßige Adressatin eines Haftungsbescheides nach § 100 Abs 2 EStG gewesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die wesentliche Streitfrage war auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösen und somit keine Rechts- sondern eine Sachfrage. Im Übrigen bewegt sich das Erkenntnis im Rahmen der bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104865.2020

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