Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen wegen fehlender Beschäftigung in Österreich
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung) und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist rumänische Staatsbürgerin und bezog auf Grund ihres Antrages vom im Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016 die Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe (plus Kinderabsetzbeträgen) für die Kinder
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A. | geb. tt.mm.2001 |
B. | geb. tt.mm.1998 |
C. | geb. tt.mm.2000 |
Mit Überprüfungsschreiben vom wurde die Bf. vom Finanzamt aufgefordert, folgende Unterlagen vorzulegen bzw. Fragen zu beantworten:
"Tätigkeitsnachweis
Welche selbständige Tätigkeit (Direktvertrieb) üben Sie aus?
Einzahlungsnachweise der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft ab dem 3. Quartal 2012 bis 4. Quartal 2015
Schulbestätigung der Kinder"
Folgende Unterlagen wurden am vorgelegt:
Gewerbeanmeldung, ausgestellte von der BH Gänserndorf am (Gewerbe: Direktvertrieb, Gewerbeart: Freies Gewerbe, Standort: Ort, Gasse 0).
Schreiben der BH Gänserndorf vom über die Verlegung des Betriebes nach Ort2, Gasse2.
Teilversicherungs-Bestätigung der SVA vom betreffend die Kranken- und Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) von bis laufend; die Unfallversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) vom bis laufend
Bestätigung des ***Schule*** in Rumänien vom betreffend den Schulbesuch der drei Kinder
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016 bezogenen Beträge unter Hinweis auf § 26 Abs. 1 FLAG 1967 mit der Begründung zurück, dass die Bf. in den oben angeführten Monaten in Österreich keine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe bzw. keine Geldleistung infolge dieser Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit bezogen habe. Es habe somit für diese Monate kein Anspruch auf Ausgleichszahlung bestanden.
Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland oder bei Bezug einer Geldleistung infolge dieser Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit. Kein Anspruch bestehe jedoch, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer ArbeitnehmerInnen verstoße. Einkünfte, die sich als völlig unwesentlich darstellen, würden dabei außer Betracht bleiben.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regle, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei.
Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.
Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen.
Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Unterschiedsbetrages (Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Werde in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet sei, kein Antrag gestellt, so könne der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
Laut hierortigen Unterlagen habe die Bf. keine Einnahmen in Österreich erzielt. Die vorgelegten Honorarnoten seien von der Fa. G..
Gegen den genannten Bescheid wurde von der Bf. mit Schreiben vom ohne nähere Begründung Beschwerde eingebracht. Gleichzeitig wurde ein Fristverlängerungsantrag gestellt und darauf hingewiesen, dass bis jetzt die Ausgangsrechnungen für die Jahre 2014 bis 2016, die Sozialversicherungs-Einzahlungsbelege sowie Schulbestätigungen vorgelegt worden seien.
Am wurde am Finanzamt Gänserndorf mit dem Unterkunftgeber S. als Auskunftsperson folgende Niederschrift aufgenommen:
"Die Familie P. sind sehr gute Freunde, wir gehören alle zur ***1*** Gemeinde und wir helfen uns immer gegenseitig. Die Familie kam 2012 zu uns und die Kinder haben die Schule fertig gemacht und anschließend sind sie mit ihrem Vater im August 2013 wieder zurück nach Rumänien gegangen. Frau P. blieb weiter gemeldet weil sie ihr Unternehmen in Österreich hat. Sie ist Ernährungsberaterin.
1.1. Welche Räume kann Frau P. im Einfamilienhaus benutzen?
Sie braucht kein eigenes Zimmer sie hat einen Laptop und mehr braucht sie nicht.
Wir haben zwei Schlafzimmer wobei ein kleines Nebengebäude von Frau P. genutzt wird zum Schlafen.
1.2. Besteht ein gesonderter eigener Zugang zu diesen?
1.3. Haben sie Zugang zu diesen Räumen oder besitzt nur Frau P. Schlüssel?
Es gibt keinen eigenen Schlüssel jeder weiß wo die Schlüssel sind es kann jeder alle Räumlichkeiten betreten.
1.4. Besteht ein Mietverhältnis?
Nein, es gibt kein Mietverhältnis, Frau P. bezahlt keine Miete und es werden keine Strom und Heizkosten geteilt. Frau P. kommt ca drei bis viermal im Jahr zu uns und dann immer mindestens zwei Wochen. Im Sommer bis zu einem Monat. Wenn sie nach Holland fährt kommt sie immer vorbei.
1.5. Werden von Ihnen auch Poststücke übernommen welche für Frau P. sind?
Jetzt nicht mehr die Post wird an ihren Steuerberater weitergeleitet, früher schon.
1.6. Darf Frau P. zB auch Telefon oder Internetanschlüsse von ihnen nutzen oder besitzt sie eigene?
Wir haben keinen Telefonanschluss."
Über Ergänzungsersuchen vom teilte die steuerliche Vertretung der Bf. dem Finanzamt am Folgendes mit:
"Lt Angaben der Klientin gab es in Rumänien kein Einzelunternehmen. Bei der Einvernahme wurde ein Internetausdruck einer "P." vorgelegt. Diese Person hat offensichtlich einen ähnlichen Namen, ist aber unserer Klientin nicht bekannt. Ein rumänischer Registerauszug bestätigt das Vorliegen von zwei Personen mit dem gleichen Namen (Beilage 1). Der vorgelegte Internetausdruck betrifft daher offensichtlich nicht unsere Mandantin, dies ist ersichtlich anhand des Geburtsdatums.
Unsere Klientin war an dem Unternehmen ihres Mannes beteiligt, hat aber in den Zeiträumen 2013-2017 nie Bezüge erhalten (Beilage 2). Weiters legen wir eine Bestätigung vom rumänischen Finanzamt vor, dass Frau P. in Rumänien keine Einkünfte hatte (Beilage 3).
Frau P. erzielt Einkünfte von G.. Dabei handelt es sich um ein Multi-Level Marketing-System (Beilage 4). Frau P. war vor 2013 in Rumänien bereits für G. tätig und hat daher einen Code, der mit dem Ländercode RO beginnt. Zur Erschließung des westeuropäischen Marktes war eine Übersiedlung nach Österreich notwendig. Dies hatte allerdings keinen Einfluss auf den zugeordneten Ländercode. Dieser blieb weiterhin RO, daher gibt es keinen österreichischen Vermittlercode. Es können daher nur wegen dem Code keine Rückschlüsse auf die Ansässigkeit gezogen werden.
Aufgrund der unterschiedlichen Organisation von G. war eine Übersiedlung notwendig (Beilage 5).
In der Beilage übermitteln wir Ihnen die Provisionsabrechnungen von G. (Beilage 6).
Es ist nicht bekannt, dass eine Mitunternehmerschaft vorliegt.
Weiters finden Sie in der Beilage den Kontoauszug bis laufend (Beilage 7). Für den Zeitraum 2013 konnten keine Kontoauszüge mehr beschafft werden."
Vorgelegt wurden folgende Unterlagen:
Abrechnungen G. B.V.
Regelungen & Verfahren G.
Kontoauszüge ab 2014
Rumänischer Registerauszug
Dokument des Ministerul Finantelor Publice
Schreiben SC GesmbH
Übersiedlungsbestätigung
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde der Bf. gegen den Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Ausgleichszahlung (DZ) gemäß VO 883/2004 und KG für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016 für die drei Kinder mit folgender Begrünung als unbegründet abgewiesen.
"Sie sind rumänische Staatsbürgerin, verheiratet mit P., SVNR 123.
Der Familienwohnsitz in Rumänien ist Strada, an dem Sie mit dem Kindesvater P. und den im Spruch genannten Kindern wohnen.
Der Gewerbeschein- Gewerbeberechtigung ltd. auf "Freies Gewerbe-Direktvertrieb" wurde mit von der BH Gänserndorf ausgestellt.
Mit ihrer Familie gemeinsam haben Sie einen Wohnsitz in Österreich an der Adresse Gasse1, Ort, in der Zeit vom bis und an der Adresse Ort2, Gasse2, in der Zeit bis It. ZMR inne gehabt.
Schulbesuchsbestätigungen der drei Kinder -als außerordentliche Schüler- vom Schuljahr 2012/2013, ausgestellt am sind aktenkundig.
Die Kinder mit dem Kindesvater haben den Wohnsitz wieder zurück nach Rumänien verlegt. Mit Beginn des Schuljahres 2013/14 war ein Privatschulbesuch der Kinder gegeben.
Aktenkundig It. ZMR ist die Adresse Gasse2, Ort2 seit bis laufend als ihr alleiniger Hauptwohnsitz.
In diesem Haus steht Ihnen in einem kleinen Nebengebäude ein Raum zum Schlafen zur Verfügung, welcher von Ihnen bei Ihren Aufenthalten in Österreich unentgeltlich genutzt werden kann .Es besteht kein Mietverhältnis, Betriebskosten werden keine verrechnet. Ca. drei bis viermal im Jahr kämen Sie, mindestens für zwei Wochen; im Sommer (als Urlaub mit Familie) bis zu einem Monat.
Ihr Ehegatte übt in Rumänien eine Tätigkeit aus - E411, bescheinigt von der ausl. Behörde am .
Seit 2007 arbeiten Sie für G. Internationa l- zunächst als Distributor von SC G., registriert unter dem G. Member Code ROM 123; Vergütungen erhielten Sie gemäß dem Marketingplan und dem MLM System des Unternehmens.
Die Registrierung autorisiert zum Mitarbeiter Werben, zum Weiterverkauf und zum Betrieb der Vertriebspartnerschaft in dem Land, für den einer spezifiziert worden ist.
Lt. vorliegender Bestätigung der G. wurde dieser Code vom rumänischen G.-System im Juli 2012 an G.- B.V. System übertragen, wodurch sie ihr Netzwerk und ihre Geschäftstätigkeit neben Rumänien auch in anderen (west-)europäischen Ländern, von Österreich aus, ausbauen konnten.
G., gegründet im Jahr 1995, ist eines der führenden Network Marketing Unternehmen, das weltweit effektive und bedeutsame Fast Moving Consumer Goods (FMCG) anbietet.
G. International ist der einzige Anbieter von Ganoderma Lucidum weltweit.
Diesbezüglich hatten Sie einen Antrag für Internationales Sponsoring für dieses Land an die Comliance-Abteilung zu richten.
Das Verfahren dazu (lt. Regelungen & Verfahren G.) lautet:
Die Annahme des Vertriebspartnerantrags autorisiert die Person zum Mitarbeiter Werben, zum Weiterverkauf und zum Betrieb der Vertriebspartnerschaft in dem Land, für die sie spezifiziert worden ist. Wenn Sie in einem anderen Land, das nicht innerhalb derselben Zone liegt, Mitarbeiter werben, Weiterverkäufen oder die Vertriebspartnerschaft betreiben wollen, muss die Person den Antrag für internationales Sponsoring übermitteln und ihn für die Bearbeitung des Antrags für das gewünschte Land an die Compliance-Abteilung weiterleiten. Die Bearbeitung und Zustimmung für den Antrag auf internationales Sponsoring hängen alleinig von den lokalen Vorschriften und Regulierungen ab und ob diese die Bearbeitung eines solchen Antrags erlauben. Wenn der Vertriebspartner in ein anderes Mitgliedsland übersiedelt, muss der Vertriebspartner einen Beweis seines Wohnsitzes in diesem Land zur Verfügung stellen und einen Antrag auf Wechsel des Landes an die Compliance-Abteilung übermitteln. Sobald die Änderungen stattfinden, muss der …
D.h.: Wohnsitzmeldungen in Österreich seit ; seit Gewerbebeschein lt. auf Direktvertrieb, seit mit Standort Ort2, Gasse2; GSVG -Pflichtversicherung seit - Sachl sowie Einrichtung eines Bankkontos bei Raiffeisen-Regionalbank Gänserndorf.
Die monatlichen Vertriebspartnervergütungen/Boni werden einmal im Monat direkt auf dieses Bankkonto überwiesen.
In Rumänien sind Sie Gesellschafter der GesmbH (GesmbH), gegründet mit , Firmensitz ident mit der Wohnanschrift ihrer Familie Ru, Beteiligungsanteil an Vorteilen und Verlusten 50:50; weiterer Gesellschafter ist ihr Ehegatte P.
Strittig ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen (Differenzzahlung) in Österreich.
Dazu wird ausgeführt:
Unionsrecht
Das maßgebende Unionsrecht findet sich insbesondere in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO, Grundverordnung) und in der hierzu ergangenen Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (DVO, Durchführungsverordnung).
Diese Verordnungen sind anwendbar, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten berührt. Sie ist auf Unionsbürger, Staatenlose und Flüchtlinge anwendbar, und zwar für alle versicherten Personen und deren Angehörige.
Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates (Art. 11 Abs. 1 VO), wobei bei nachrangiger Zuständigkeit der andere Mitgliedstaat zu einer Differenzzahlung verpflichtet sein kann (Art. 68 VO). In der Regel sind dies gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, anzuwenden.
Die VO 883/2004 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchstabe j für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, welche Familienleistungen betreffen. Die in Rede stehende Familienbeihilfe ist eine Familienleistung.
Nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in dem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Zu den Familienangehörigen zählt Art. 1 Abs. 1 lit. i Z 1 Sublit. i VO 883/2004 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird. Wird nach den anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften eine Person nur dann als Familien- oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Versicherten oder dem Rentner in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. i Z 3 VO 883/2004 diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von dem Versicherten oder dem Rentner bestritten wird.
Art. 4 VO 883/2004 zufolge haben die Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen nach Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats.
Art. 11 VO 883/2004 lautet auszugsweise:
Artikel 11 Allgemeine Regelung
(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die aufgrund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben.
Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
Art. 13 VO 883/2004 lautet:
Ausübung von Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten
(2) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt
a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt,
oder
b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.
(3) Eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt, oder, wenn sie eine solche Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, den nach Absatz 1 bestimmten Rechtsvorschriften.
(5) Die in den Absätzen 1 bis 4 genannten Personen werden für die Zwecke der nach diesen Bestimmungen ermittelten Rechtsvorschriften so behandelt, als ob sie ihre gesamte Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat ausüben und dort ihre gesamten Einkünfte erzielen würden.
Nach Art. 67 VO 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Art. 68 VO 883/2004 lautet:
Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
Art. 14 VO 987/2009 lautet:
Artikel 14
Nähere Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung
(6) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte "eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt" insbesondere auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere gesonderte selbständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und zwar unabhängig von der Eigenart dieser Tätigkeiten.
(8) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.
Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:
a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und
b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.
Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.
(9) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird bei Selbständigen der "Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten" anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.
(10) Für die Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach den Absätzen 8 und 9 berücksichtigen die betroffenen Träger die für die folgenden 12 Kalendermonate angenommene Situation.
Rechtliche Würdigung:
Es stellt die Zurverfügungstellung/ Mitbenützung eines Wohnraumes bei der Familie S. an der Adresse Gasse2, Ort2 (ZMR seit als HWS) keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO dar.
Der Nachweis der Begründung eines "Firmen/wohnsitzes" in Österreich, genauso auch in einem anderen westeuropäischen Land möglich gewesen, war erforderlich, um unabhängiger Vertriebspartner der Fa. G. Netherlands B.V. Vertriebslinie Europa West, werden zu können.
Die Wohnsitzverlegung der Familie, die als außerordentliche Schüler/-in geführten Schulbesuche ihrer Kinder im Schuljahr 2012/2013, die Lösung des Gewerbescheines mit ltd. Auf freies Gewerbe-Direktvertrieb und der damit begründete Beginn der Pflichtversicherung in der GSVG, die Einrichtung eines Bankkontos bei Raiffeisen-Regionalbank Gänserndorf ermöglichten diesen Einstieg als Vertriebspartner bei G.- Europe Netherlands B.V., die Öffnung für Kundenaquise in diesen Ländern ( von Ihnen bekanntgegeben ( bereits) in Rumänien, Österreich, Deutschland, Spanien und Holland).
Die Bonuskalkulation wird von G. -Europe Netherlands B.V. auf monatlicher Basis durchgeführt und an Sie per Banküberweisung bis zum 20. des Folgemonats gezahlt.
Angesichts der Eigenart des MLM Vertriebssystems, Sie sich des Internets bedienen, Sie über das Netz von jedem Ort der Welt ihre Aktivitäten setzen könnten, der "Firmensitz" in Österreich (genauso gut auch in einem anderen westeuropäischen Land möglich gewesen), geknüpft an die Lösung des Gewerbescheines ltd. auf "Freies Gewerbe Direktvertrieb" verbunden mit dem gesetzlichen Eintritt in die Pflichtversicherung nach dem GSVG, eigentlich nur zum weiteren Ausbau ihrer Vertriebspartnerschaft neben Rumänien auch in westeuropäischen Ländern gegründet wurde, Sie einen wesentlichen Teil ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit von Rumänien aus bzw. in Rumänien, dem Wohnmitgliedstaat ausüben, Sie Gesellschafter der GesmbH ,Vertriebspartner der rumänischen Vertretung von G. Rumänien, sind unterliegen Sie gem. Art. 13 (2) VO 883/2004, Art. 14(6) DVO 987/2009 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates.
Nicht bedarf es der Ausführung der innerstaatlichen Rechtsgrundlagen des FLAG 1967 igF infolge alleiniger Zuständigkeit für Familienleistungen des Wohnmitgliedstaates Rumänien.
Es war spruchgemäß zu entscheiden."
Die Bf. stellte am folgenden Vorlageantrag:
"Der Vorlageantrag richtet sich gegen die Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, da
die belangte Behörde den den gegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegten Sachverhalt mangelhaft ermittelt hat;
die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt hat, weil Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen worden sind und eine Würdigung der von uns vorgebrachten Beweismittel einerseits und der rechtlichen Argumente andererseits nicht stattgefunden hat;
die auf Basis der aktenkundigen Beweismittel vorgenommene Beweiswürdigung den logischen Denkgesetzen bzw der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht;
die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheiden damit einen aktenwidrigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat;
die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Rückforderung mangelhaft begründet ist, weil die Erwägung der belangten Behörde, auf Basis welcher konkreten Beweismittel und welcher daraus gezogenen logischen Schlussfolgerungen sie zu dem Sachverhalt gelangt ist, den sie der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegt hat, daraus nicht ersichtlich ist;
Begründung:
Sachverhalt:
Frau P. war in den gegenständlichen Jahren 2013 bis 2016 in Österreich im Direktvertrieb selbständig tätig und erzielte Gewinne. Aufgrund einer Auskunft vom Finanzamt hat sie für die betreffenden Jahre keine Steuererklärungen abgegeben, da die Einkünfte jeweils unter EUR 11.000,-- lagen.
Der Mittelpunkt des Lebensinteresses von Frau P. lag in Österreich. Die Kinder von Frau P. werden überwiegend von Ihrem Mann bzw ihrer Familie in Rumänien betreut.
Für den gegenständlichen Zeitraum liegt ein Gewerbeschein für Direktvertrieb vor.
Frau P. war durchgängig bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.
In diesem Zusammenhang legen wir unsere Schreiben an das Finanzamt samt allen Beilagen vom (Beilage 1), vom (Beilage 2) und vom (Beilage 3) vor.
2) Rechtliche Würdigung:
Mangelhafte Sachverhaltsermittlung
Wie der Beschwerdevorentscheidung zu entnehmen ist, konnte die belangte Behörde nicht abschließend klären, ob ein Wohnsitz in Österreich vorgelegen hat.
Verletzung des Parteiengehörs
Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens wurde von Seiten unserer Mandantin (siehe Eingabe vom bzw ) im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitwirkungspflicht folgende Unterlagen vorgelegt:
- rumänischer Registerauszug
- Bestätigung des rumänischen Finanzamts
- Stellungnahme zur Einvernahme vom
Diese Unterlagen wurden von Seiten der belangten Behörde in keinster Weise gewürdigt. Des Weiteren hat es die belangte Behörde unterlassen Frau P. mitzuteilen, aus welchen konkreten Gründen diese als Nachweis in den strittigen Punkten als nicht ausreichend erachtet werden.
Die oben dargestellte Vorgehensweise der belangten Behörde verletzte Frau P. im Recht auf Parteiengehör.
Rechtswidrige Beweiswürdigung
Da - wie bereits oben dargelegt - die belangte Behörde die oben angeführten Unterlagen in keinster Weise gewürdigt hat, ist die vorgenommene Beweiswürdigung auf Basis der vorliegenden Unterlagen und Informationen nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nachvollziehbar.
Annahme eines aktenwidrigen Sachverhalts
Da wie oben bereits ausführlich dargelegt, der der gegenständlichen Beweiswürdigung zugrunde gelegte Sachverhalt im Einzelfall nur mangelhaft ermittelt wurde, war es der belangten Behörde nicht möglich in der Bescheidbegründung darzulegen, aus welchen konkreten Gründen sie den Wohnsitz von Frau P. in Österreich verneint.
Zusammenfassung
Die angefochtenen Bescheide erweisen sich, wie ausführlich dargestellt, somit in mehrfacher Hinsicht als rechtswidrig.
Wir stellen daher den Antrag, die angefochtenen Bescheide durch Bescheide zu ersetzen, die den untenstehenden Beschwerdegründen Rechnung tragen.
Weiters stellen wir an das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem § 212a BAO in Höhe von insgesamt EUR 20.579,99 gem der folgenden Aufstellung bis zur Entscheidung über die Beschwerde …"
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Folgender unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt:
Die Bf., ihr Ehegatte und die drei Kinder sind rumänische Staatsbürger.
Die Bf. hat seit einen Aufenthaltstitel (Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer Bürger/-innen gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als Selbständige gemäß § 51 Abs. 1 Z. 1.
Sie war laut ZMR-Abfrage vom bis mit einem Hauptwohnsitz in Ort, Gasse 0, vom bis in Ort, Gasse1, gemeldet.
Seit ist sie mit einem aufrechten Hauptwohnsitz in ***Bf1-Adr***, gemeldet (Unterkunftgeber: S.). Der Unterkunftgeber S. ist an der angeführten Adresse seit mit einem Hauptwohnsitz gemeldet.
Der Bf. steht in dem Haus in einem kleinen Nebengebäude ein Raum zum Schlafen zur Ver-fügung, welcher von ihr bei ihren Aufenthalten in Österreich unentgeltlich genutzt werden kann. Es besteht kein Mietverhältnis, Betriebskosten werden keine verrechnet.
Die Adresse Ort2 ist auch der Firmensitz.
Der Ehegatte war vom bis und die drei Kinder vom bis mit einem Hauptwohnsitz in Ort gemeldet.
Die Familie übersiedelte zurück nach Rumänien. Die Kinder wohnten im Streitzeitraum mit dem Kindesvater in Rumänien im gemeinsamen Haushalt und besuchten nachweislich in Rumänien die Schule.
Der Ehegatte der Bf. übt in Rumänien eine Tätigkeit aus (E 411, bescheinigt von der ausländischen Behörde am ) und bezog für die Kinder in Rumänien Familienleistungen.
Der Gewerbeschein- Gewerbeberechtigung ltd. auf "Freies Gewerbe-Direktvertrieb" wurde für die Bf. mit von der BH Gänserndorf ausgestellt.
Die Bf. ist seit 2012 durchgängig bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert und hat ein Bankkonto bei der Raiffeisen-Regionalbank Gänserndorf.
Sie arbeitet seit 2007 für G. International- zunächst als Distributor von SC G., registriert unter dem G. Member Code ROM 123. Die Registrierung autorisiert zum Mitarbeiter Werben, zum Weiterverkauf und zum Betrieb der Vertriebspartnerschaft in dem Land, für den einer spezifiziert worden ist.
Laut vorliegender Bestätigung der G. wurde dieser Code vom rumänischen G.-System im Juli 2012 an G.- Europe Netherlands B.V. System übertragen, wodurch die Bf. ihr Netzwerk und ihre Geschäftstätigkeit neben Rumänien auch in anderen (west-)europäischen Ländern, von Österreich aus, ausbauen konnte.
Die Vergütungen erhielt die Bf. gemäß dem Marketingplan und dem MLM System des Unternehmens. Die monatlichen Vertriebspartnervergütungen/Boni werden einmal im Monat direkt auf dieses Bankkonto überwiesen.
In Rumänien ist die Bf. Gesellschafterin der GesmbH (GesmbH), gegründet mit , der Firmensitz ist ident mit der Wohnanschrift ihrer Familie Ru, Beteiligungsanteil an Vorteilen und Verlusten 50 : 50; weiterer Gesellschafter ist ihr Ehegatte P..
Laut Bescheinigung des Ministerul Finantelor Publice (Certificat oe Atestare Fiscala Nr. 000 vom bezog die Bf. in Rumänien keine Einkünfte.
Strittig ist, ob das Finanzamt von der Bf. zu Recht die für den Zeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurückgefordert hat.
Gesetzliche Grundlagen:
Nationales Recht
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Gemäß § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben gemäß § 3 Abs. 1 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 3 Abs. 2 leg. cit. für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Internationales Recht
Die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABlEU Nr. L 284 vom , (Verordnung Nr. 987/2009) trat ihrem Art. 97 zufolge am in Kraft.
Nach Art. 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet für Zwecke dieser Verordnung der Ausdruck "selbständige Erwerbstätigkeit" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt.
Familienangehöriger ist nach Art. 1 Buchstabe i Nr. 1 sublit. i der Verordnung Nr. 883/2004 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.
Nach Art.1 Buchstabe j der Verordnung Nr.883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Wohnort" den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person.
Nach Art. 1 Buchstabe z der Verordnung Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck "Familienleistungen" alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen.
Die Verordnung Nr. 883/2004 gilt nach ihrem Art. 2 Nr. 1 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose oder Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Die Verordnung Nr.883/2004 gilt nach ihrem Art.3 Abs.1 Buchstabe j auch für die Familienleistungen.
Gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 haben - sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist - Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Sofern in der Verordnung Nr. 883/2004 nichts anderes bestimmt ist, dürfen gemäß ihrem Art. 7 Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt oder wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Artikel 68 Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durcheine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaatenaus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien: i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten; iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriftengewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird. ..."
Art. 11 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet auszugsweise:
"(1) Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Für die Zwecke dieses Titels wird bei Personen, die auf Grund oder infolge ihrer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit eine Geldleistung beziehen, davon ausgegangen, dass sie diese Beschäftigung oder Tätigkeit ausüben. Dies gilt nicht für Invaliditäts-, Alters- oder Hinterbliebenenrenten oder für Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten oder für Geldleistungen bei Krankheit, die eine Behandlung von unbegrenzter Dauer abdecken.
(3) Vorbehaltlich der Art. 12 bis 16 gilt Folgendes:
a) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:
"(2) Eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und die eine ähnliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Tätigkeit 24 Monate nicht überschreitet."
Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 987/2009 mit näheren Vorschriften zu den Artikeln 12 und 13 der Grundverordnung (Verordnung Nr. 883/2004) lautet:
"(3) Bei der Anwendung von Artikel 12 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte "eine Person, die gewöhnlich in einem Mitgliedstaat eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt" auf eine Person, die üblicherweise nennenswerte Tätigkeiten auf dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats ausübt, in dem sie ansässig ist. Insbesondere muss die Person ihre Tätigkeit bereits einige Zeit vor dem Zeitpunkt, ab dem sie die Bestimmungen des genannten Artikels in Anspruch nehmen will, ausgeübt haben und muss während jeder Zeit ihrer vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat in dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig ist, den für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Anforderungen weiterhin genügen, um die Tätigkeit bei ihrer Rückkehr fortsetzen zu können."
(6) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich die Worte "eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbs-tätigkeit ausübt" insbesondere auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere gesonderte selbständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und zwar unabhängig von der Eigenart dieser Tätigkeiten.
…
(8) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheb-lichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.
(9) Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird bei Selbständigen der "Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten" anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeiten ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.
(10) Für die Festlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften nach den Absätzen 8 und 9 be-rücksichtigen die betroffenen Träger die für die folgenden 12 Kalendermonate angenommene Situation.
Rechtliche Beurteilung:
Die Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt ab Mai 2010 und ist dann anwendbar, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten berührt.
Im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 finden die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, sowie des § 2 Abs. 8 FLAG, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, zufolge des Art. 7 der Verordnung Nr. 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs keine Anwendung (, ).
Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO 883/2004 gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates (Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004). Welche Rechtsordnung hierfür in Frage kommt, ist unter Titel II Art. 11 ff VO 883/2004 geregelt.
In der Regel sind dies gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. c VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt.
Beschäftigungsland - Feststellung, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird
Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:
a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und
b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.
Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25 % erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.
Anspruch auf österreichische Familienleistungen besteht grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit im Inland.
Zu den Beschäftigungen können auch geringfügige Beschäftigungen gehören. Erforderlich ist, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich "als völlig untergeordnet und unwesentlich" darstellen.
Bei einer Beschäftigung unter der Geringfügigkeitsgrenze ist stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Dazu sind die Dauer, die Nachhaltigkeit/Qualität und die Regelmäßigkeit der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgeltes, die Anzahl der wöchentlichen Arbeitszeit und die Dauer des Arbeitsvertrages heranzuziehen. Eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von acht Stunden mit entsprechender Entlohnung ist hierbei Grundvoraussetzung.
Völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeiten sind nicht als Beschäftigung im Sinne der Verordnung EG 883/2004 zu werten.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich bereits mehrfach mit Fragen auseinandergesetzt, ob bestimmte Arbeitsverhältnisse, bei welchen es sich nicht um solche mit einer längeren Dauer und einer 40-stündigen Arbeitsverpflichtung handelt, noch geeignet sind, von den Bestimmungen betreffend die Arbeitnehmerfreizügigkeit erfasst zu werden.
Nach dem Raulin, C-357/89, Slg. 1992, I-1027, Randnr 14, kann der Umstand, dass im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleistet werden, ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind.
In seiner ständigen Judikatur vertritt der EuGH die Rechtsauffassung, dass der Begriff des Arbeitnehmers iSd von Artikel 45 (ex-Artikel 39 der EGV) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in welchem die Freizügigkeit der Arbeitnehmer festgelegt wurde, nicht eng auszulegen sei. Arbeitnehmer sei jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübe, wobei aber Tätigkeiten außer Betracht blieben, die einen so geringen Umfang hätten, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl , ).
Zusammenfassend wird Folgendes festgestellt:
Die Bf. hat laut Zentralem Melderegister an der Adresse Gasse2, Ort2 seit bis laufend eine Meldung als Hauptwohnsitz.
Unterkunftgeber und Bewohner des Hauses ist S., ein rumänischer Staatsbürger. In dem Haus steht der Bf. zufolge der Angaben des Unterkunftgebers (Niederschrift vom ) in einem kleinen Nebengebäude ein Raum zum Schlafen zur Verfügung, welcher von ihr bei ihren Aufenthalten in Österreich unentgeltlich genutzt werden kann. Die Bf. benötige kein eigenes Zimmer. Sie habe einen Laptop und mehr brauche sie nicht. Es gebe für die Bf. keinen eigenen Schlüssel, da sie alle Räumlichkeiten betreten könne. Es gibt keine Infrastruktur, wie z.B. ein eigenes Büro oder einen Telefonanschluss.
Es besteht weder ein Mietverhältnis noch werden Betriebskosten verrechnet.
Die Bf. kommt ca. drei bis viermal im Jahr mindestens für zwei Wochen; im Sommer (als Urlaub mit Familie) bis zu einem Monat, nach Österreich.
Laut S. sind die Familie P. sehr gute Freunde, gehören zur ***1*** Gemeinde und es besteht immer gegenseitige Hilfe. Die Familie sei 2012 zu ihm gekommen. Die Kinder hätten die Schule (Anm.: in Ort) fertig gemacht und seien anschließend mit ihrem Vater im August 2013 wieder zurück nach Rumänien gegangen. Die Bf. sei weiter gemeldet gewesen, weil sie ihr Unternehmen in Österreich hat. Sie sei Ernährungsberaterin.
Bei diesem Sachverhalt kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Streitzeitraum in Österreich ein Wohnsitz iSd § 26 Abs. 1 BAO oder der Mittelpunkt der Lebensinteressen vorgelegen ist. Die Behauptung die Bf. haben den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich ist nach Überzeugung des Gerichtes vielmehr schlicht unwahr. Die Bf. hält sich den weit überwiegenden Teil des Jahres nicht in Österreich auf. Sie verfügt in den kurzen Aufenthalten in Österreich lediglich über einen Schlafplatz. Von einem dauerhaften Aufenthalt in Österreich kann ohnedies keine Rede sein. Es existiert auch keinerlei Infrastruktur die es glaubhaft erscheinen ließe, dass die Bf. ihre Tätigkeit in Österreich ausübt.
Der Bf. stand daher nach nationalem Recht die Familienbeihilfe nicht zu.
Ausübung einer Beschäftigung in Österreich
Fest steht, dass die Bf. seit 2012 einen Gewerbeschein- Gewerbeberechtigung ltd. auf "Freies Gewerbe-Direktvertrieb besitzt und bereits vor 2013 in Rumänien für G. tätig war.
Zur Erschließung des westeuropäischen Marktes war eine Übersiedlung nach Österreich bzw. eine österreichische Adresse erforderlich. Dies hatte keinen Einfluss auf den zugeordneten Ländercode RO.
Ihre Provisionen bezieht die Bf. von der G. Netzerlands B.V***2***.
Das Finanzamt begründete die Rückforderung der Familienbeihilfe für den Streitzeitraum damit, dass die Bf. ihre Tätigkeit, angesichts der Eigenart des Vertriebssystems, der sich die Bf. mittels Internet bediente, von jedem Ort der Welt betrieben werden kann. Das Gericht kommt zur Überzeugung, dass die Bf. schon wegen der bloß sporadischen und kurzfristigen Aufenthalten in Österreich, den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit keinesfalls in Österreich hat. Es existiert hier auch an der Schlafstelle der Bf. keinerlei Infrastruktur, die es glaubhaft erscheinen ließe, dass die Bf. ihre Tätigkeit in Österreich ausübt.
Der Gewerbeschein ("Freies Gewerbe Direktvertrieb") verbunden mit dem gesetzlichen Eintritt in die Pflichtversicherung nach dem GSVG, sei eigentlich nur zum weiteren Ausbau ihrer Vertriebspartnerschaft neben Rumänien auch in westeuropäischen Ländern gegründet worden.
Es entspricht auch der Überzeugung des Gerichts, dass die Bf. den weit überwiegenden und damit wesentlichen Teil ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit von Rumänien aus bzw. in Rumänien, dem Wohnmitgliedstaat ausgeübt. Sie ist Gesellschafterin der GesmbH, Vertriebspartner der rumänischen Vertretung von G. Rumänien und unterliegt gemäß gem. Art. 13 (2) VO 883/2004, Art. 14(6) DVO 987/2009 den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates Rumänien.
Das Bundesfinanzgericht hat nach Maßgabe der Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO in Auseinandersetzung mit den bisherigen Verfahrensergebnissen und den Parteienvorbringen den entscheidungswesentlichen Sachverhalt festzustellen (vgl. ).
Die Bf. hat im Zuge des Verfahrens weder ein Vorbringen erstattet, von wo aus sie ihre Tätigkeit ausgeübt hat oder in welchem zeitlichen Rahmen dies geschehen ist. Sie tritt den diesbezüglichen Ermittlungsergebnissen überhaupt nicht entgegen.
Bei dem hier vorliegenden Sachverhalt geht auch das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die Bf. am formalen Firmensitz in Österreich keine relevante Beschäftigung ausgeübt hat.
Da die Bf. somit in Österreich im Streitzeitraum keine Beschäftigung iSd Verordnung EG 883/2004 ausgeübt hat, bestand nach internationalem Recht kein Anspruch auf Familienleistungen.
Selbst wenn man von einer Beschäftigung in Österreich ausginge, wären die Einkünfte im Streitzeitraum zu gering gewesen (im Durchschnitt 150 Euro pro Monat) und würden außer Betracht bleiben (vgl ).
Das Finanzamt hat daher zu Recht die für den Streitzeitraum Oktober 2013 bis Juni 2016 ausbezahlten Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge zurückgefordert.
Verfahrensmängel, mangelnde Sachverhaltsermittlung, fehlendes Parteiengehör
Die diesbezüglichen Vorwürfe der Bf. vermag das Gericht nicht zu teilen.
Sämtliche Ermittlungsergebnisse wurden der Bf. zur Kenntnis gebracht. Diesbezüglich ist auch darauf zu verweisen, dass der BVE des Finanzamtes diesbezüglich Vorhaltscharakter zukommt. Eine Verletzung des Parteiengehörs liegt also nicht vor.
Es ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, welche weitere Sachverhaltsermittlungen geboten und zielführend sein könnten. Substanzlose Einwendungen und beweislose und offenkundig unzutreffende Behauptungen, wie z.B. der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf. und deren Tätigkeit läge in Österreich, lösen keine weiteren Ermittlungspflichten seitens des Finanzamtes aus. Zumal die Bf. sich zu den bereits erfolgten Ermittlungen des Finanzamtes, nicht einmal ansatzweise geäußert hat oder diese gar entgegengetreten wäre.
Die Rüge, dass das Finanzamt nicht abschließend feststellte, ob ein Wohnsitz im Inland vorläge, geht ins Leere und kann schon deshalb dahingestellt bleiben, da es nunmehr am Gericht war, dies eindeutig zu verneinen.
Rückzahlungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967
Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 und § 33 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich eine objektive Rückzahlungs-pflicht desjenigen, der Familienbeihilfe (allenfalls in Form einer Ausgleichszahlung / Differenz-zahlung) und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. die bei Wanke in Lenneis /Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 12 zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einem Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichszahlung / Differenzzahlung), ist auch der Kinderabsetzbetrag zurückzufordern.
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs der Familienleistungen an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; ). Subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der Familienleistungen (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gemäß § 10 FLAG 1967 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gemäß § 25 FLAG 1967), Gutgläubigkeit des Empfangs der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags oder die Verwendung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl. etwa , ). Einer Rückforderung steht auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (die bei Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 16 zitierte Rechtsprechung). Allerdings kann ein Grund für eine Nachsicht nach § 236 BAO vorliegen (vgl. ; ).
Diese objektive Erstattungspflicht hat zur Folge, dass der Behörde, sobald die Anspruchsvor-aussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag nicht mehr gegeben sind, hinsichtlich der Rückforderung von bereits bezogener Familienbeihilfe und Kinderabsetz-betrag kein Ermessensspielraum bleibt (vgl. ).
Zur Rückzahlung eines unrechtmäßigen Bezuges an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ist nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 derjenige verpflichtet, der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zu Unrecht bezogen hat (vgl. ). Die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag müssen demjenigen, von dem sie zurückgefordert wird, tatsächlich ausbezahlt worden sein.
Es war daher wie im Spruch zu befinden.
Unzulässigkeit der Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit gegenständlichem Erkenntnis wurde nicht über eine derartige Rechtsfrage befunden. Vielmehr standen Feststellungen auf der Sachverhaltsebene und die Beweiswürdigung im Zentrum. Beides ist grundsätzlich einer Revision nicht zugänglich.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7106142.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at