Ansuchen um Nachsicht für Eingabegebühren beim Verfassungsgerichtshof.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom , ***2***, betreffend die Abweisung einer Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 720,00 Euro (Gebühren gemäß § 17a VfGG sowie Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs.1 GebG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt und Verfahrensgang
Auf Grund des amtlichen Befundes des Verfassungsgerichtshofes vom über die Verkürzung von Gebühren betreffend eine Beschwerde samt Verfahrenshilfe-Antrag der ***3*** vom (***4*** des VfGH) wurde mit Bescheiden des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom (***5***) sowohl eine Gebühr in Höhe von EUR 240,-- als auch eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr, d.s. EUR 120,-- festgesetzt.
Auf Grund des amtlichen Befundes des Verfassungsgerichtshofes vom über die Verkürzung von Gebühren betreffend einer Beschwerde der ***3*** vom (***6*** des VfGH) wurde mit Bescheiden des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom (***7***) sowohl eine Gebühr in Höhe von EUR 240,-- als auch eine Gebührenerhöhung im Ausmaß von 50 vH der verkürzten Gebühr, d.s. EUR 120,-- festgesetzt.
Grundlage für die Gebührenfestsetzungen war § 17a VfGG.
Am richtete die Beschwerdeführerin (Bf) einen "Antrag auf Verfahrenshilfe" sowie einen "Antrag auf Zahlungsbefreiung" an den Verfassungsgerichtshof, welchen dieser zuständigkeitshalber an das Finanzamt Österreich weiterleitete. Das Finanzamt wertete den "Antrag auf Zahlungsbefreiung" als Nachsichtsansuchen, welches es nach erfolgter Mängelbehebung mit Bescheid vom abwies. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen, wogegen die Bf. mit Schreiben vom einen Vorlageantrag einbrachte und gleichzeitig den Antrag auf Verfahrenshilfe stellte.
Vorgebracht wird neben nicht verfahrensrelevanten Argumenten, das Dokument sei nicht von einem bevollmächtigen Rechtsanwalt unterschrieben worden, somit sei keine "gültige Beschwerde" vorgelegen und es bestehe kein Gebührenanspruch. Im Schreiben seien keine Angaben gemacht worden, wofür der Betrag von 240,- EUR zu bezahlen sei. Der Verfassungsgerichtshof Wien und das ***8*** hätten alle Beschwerden der Bf als unbegründet abgewiesen. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig gewesen. Der Brief an den Verfassungsgerichtshof Wien sei keine Beschwerde gewesen, die Bf habe vor allem ihr Recht verlangen wollen.
Eine persönliche Unbilligkeit liege aufgrund mangelnden Einkommens - dieses betrage zur Zeit nur 350,- EUR monatlich - vor, da die Einhebung die Existenz gefährdet sei.
Eine sachliche Unbilligkeit sei darin gelegen, dass die Bf nicht mit der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom übereinstimme, dass sie die Summe von 720,- EUR bezahlen könne und sie bestehe auf der Stornierung der Zahlung. Der Hauptgrund sei das mangelnden Einkommen, welches niedriger als das Existenzminimum sei.
Weiters bringt die Bf. vor, sie habe die Entscheidung vom Verfassungsgerichtshof Wien ***9***, nicht erhalten. Die Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments habe sie als Beilage an das Finanzamt geschickt. Sie sei in dieser Zeit krankgemeldet gewesen.
Beweiserhebung
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akten des Finanzamtes.
Rechtslage und Erwägungen
Gemäß § 236 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben ().
Hinsichtlich des Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit ist dem Finanzamt recht zu geben, dass eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung anzunehmen wäre, wenn im Einzelfall auf Grund eines außergewöhnlichen Geschehensablaufes und in einer vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbaren Weise bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten ist und die dadurch ausgelöste Abgabenschuld auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt wäre. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Steuervorschreibung eine Auswirkung genereller Normen darstellt. In vorliegendem Fall liegt eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor, die alle Abgabenpflichtigen (in vergleichbarer Situation) in gleicher Weise trifft.
Gemäß § 17a Z 1 VfGG ist für Anträge gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. einschließlich der Beilagen eine Gebühr in Höhe von 240 Euro zu entrichten.
Auf Grund der amtlichen Befunde des und , über die Nichtentrichtung der genannten Gebühren, wurden mit Bescheiden vom und die Gebühren in Höhe von je 240,00 Euro gem. § 17a Z 1 VfGG, inkl. der Erhöhung von je 120,00 Euro gem. § 9 (1) GebG vorgeschrieben.
Die Gebührenschuld entsteht gemäß § 17a Z 3 VfGG im Zeitpunkt der Überreichung der Eingabe. Mit dem Einlangen der Eingaben vom und ist somit der gebührenpflichtige Tatbestand erfüllt. Wird die Gebühr für derartige Eingaben jedoch nicht, wie in § 17a Z 4 VfGG geregelt, ordnungsgemäß entrichtet, ist gemäß § 17a Z 6 VfGG das Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, für die Erhebung der Gebühr zuständig.
Entsprechend waren auf Grund der Bestimmungen des § 203 BAO die Gebühren samt Erhöhung bescheidmäßig festzusetzen.
Die Gebührenerhöhung wird gemäß § 9 Abs. 1 GebG als objektive Rechtsfolge einer nicht vorschriftmäßigen Entrichtung von Gebühren in einer im § 3 Abs. 2 GebG vorgesehenen Weise zwingend angeordnet. Infolge der Ausgestaltung der Gebührenerhöhung nach § 9 Abs. 1 GebG als objektive Säumnisfolge bleibt für eine Berücksichtigung von Billigkeitsgründen kein Raum.
Es würde dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit widersprechen, würde man das Instrument der Nachsicht zur Korrektur der mit der gesetzlichen Regelung des § 17a Z 1 VfGG typischerweise verbundenen Auswirkungen benützen.
Weiters sind Fragen der Rechtmäßigkeit einer Abgabenfestsetzung ausschließlich im Festsetzungsverfahren zu klären. Die Nachsicht dient nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Bescheidbeschwerden nachzuholen (). Der Unbilligkeitstatbestand des § 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinn von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen nicht mit Erfolg gestützt werden (). Die Nachsicht dient auch nicht dazu, im vorangegangenen Festsetzungsverfahren allenfalls unterlassene Einwendungen nachzuholen (; , Ra 2015/16/0109; , Ra 2017/15/0102; , Ra 2019/15/0117 mwH). Das gilt auch für allfällige Zustellmängel.
Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Die Notwendigkeit, Vermögenswerte zur Steuerzahlung heranzuziehen, lässt für sich allein die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig erscheinen. Bei einer Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes liegt eine persönliche Unbilligkeit (Existenzgefährdung durch eine drohende Abgabeneinhebung) im Sinne des § 236 BAO nicht vor. Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur auch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (zB ; , 2006/15/0278; , 2013/15/0173;, 2013/16/0114). Dies trifft nach der Darstellung der Vermögenslage auf die Bf. zu.
Da weder eine sachliche noch eine persönliche Unbilligkeit gegeben sind, bleibt für eine Ermessensentscheidung kein Raum ().
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
IV. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da dem Erkenntnis keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
samt E-Akt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101099.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at