Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2022, RV/7200047/2021

Ersatzlose Aufhebung eines, einen Antrag gemäß § 217 Abs.7 BAO abweisenden, Bescheides; der Abgabenbehörde ist kein Anspruch zur Festsetzung von Säumniszuschlägen im Zusammenhalt mit der nicht zeitgerechten Entrichtung der Mineralölsteuer für das Jahr 2010 entstanden - Unzulässigkeit einer Vorlageerinnerung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CENTURION Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Hegelgasse 8 Tür 14, 1010 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , betreffend, Abweisung eines Antrages gemäß § 217 Abs.7 BAO, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig

Entscheidungsgründe

Mit insgesamt 12 Bescheiden schrieb die belangte Behörde der Bf. für das Jahr 2010 die Mineralölsteuer sowie Säumniszuschläge wie folgt vor:

Bescheid vom , Zl: 320000/20317/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Jänner 2010 mit € 195.809,84 und des Säumniszuschlages mit € 3.916,20

Bescheid vom , Zl: 320000/20361/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Februar 2010 mit € 210.526,22 und des Säumniszuschlages mit € 4.211,24

Bescheid vom , Zl: 320000/20367/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für März 2010 mit € 203.610,96 und des Säumniszuschlages mit € 4.072,22

Bescheid vom , Zl: 320000/20368/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für April 2010 mit €231.224,64 und des Säumniszuschlages mit € 4.624,49

Bescheid vom , Zl: 320000/20369/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Mai 2010 mit €227.955,80 und des Säumniszuschlages mit € 4.559,12

Bescheid vom , Zl: 320000/20372/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Juni 2010 mit €296.428,55 und des Säumniszuschlages mit € 5.928,57

Bescheid vom , Zl: 320000/20777/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Juli 2010 mit € 301.779,47 und des Säumniszuschlages mit € 6.035,59.

Bescheid vom , Zl: 320000/20578/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für August 2010 mit € 190.312,66 und des Säumniszuschlages mit € 3.806,25

Bescheid vom , Zl: 320000/20580/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für September 2010 mit € 229.065,88 und des Säumniszuschlages mit € 4.581,32

Bescheid vom , Zl: 320000/20837/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Oktober 2010 mit € 198.025,75 und des Säumniszuschlages mit € 3.960,52

Bescheid vom , Zl: 20838/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für November 2010 mit € 183.778,89 und des Säumniszuschlages mit € 3.675,58

Bescheid vom , Zl: 320000/20840/2018 betreffend Festsetzung der Mineralölsteuer für Dezember 2010 mit € 200.216,10 und des Säumniszuschlages mit € 4.004,32

Dagegen erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde, die die belangte Behörde mit zwölf Berufungsvorentscheidungen als unbegründet abwies. Infolge der fristgerechten Einbringung eines Vorlageantrages gemäß § 264 Abs.1 BAO gab das Bundesfinanzgericht, (BFG), mit Erkenntnis vom , GZ RV/7200031/2018, diesen Beschwerden teilweise statt und änderte die Mineralölsteuer samt Säumniszuschläge für das Jahr 2010, aufgrund der, von der Bf. beigebrachten, Beweismittel und gemäß den, von der belangten Behörde dazu beigebrachten, Berechnungen ab.

Gegen das o.a. Erkenntnis des erhob die Bf. beim VwGH fristgerecht außerordentliche Revision.

Am langte bei der belangten Behörde der Antrag der Bf. gemäß § 217 Abs.7 BAO auf Abschreibung der, vom BFG mit dem o.a. Erkenntnis festgesetzten, Säumniszuschläge ein.

Mit dem, im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten, Bescheid, der am gegenüber der Bf. durch Zustellung wirksam geworden ist, wies die belangte Behörde diesen Antrag, als unbegründet ab.

Die, dagegen fristgerecht eingebrachte, Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab.

Den, in der Folge von der Bf., gemäß § 264 Abs.1 BAO. fristgerecht eingebrachten, Vorlageantrag vom legte die belangte Behörde dem BFG am vor.

Mit Schreiben vom brachte die Bf. beim BFG eine Vorlageerinnerung gemäß § 264 Abs.6 BAO, betreffend die Beschwerde gegen den, ihren Antrag gemäß § 217 Abs.7 BAO abweisenden, Bescheid ein.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0014-10 hob der VwGH das in Revision gezogene Erkenntnis des wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Nach Durchführung von, auf den Feststellungen des Erkenntnisses des -10 bezogenen, Ermittlungen gab das BFG im zweiten Verfahrensgang den Beschwerden gegen die Festsetzung der Mineralölsteuer 2010 samt Säumniszuschläge mit-mittlerweile rechtskräftig gewordenen- Erkenntnis vom , GZ: RV/7200061/2021 Folge.

Mit Schreiben vom zog die Bf. die o.a. Vorlageerinnerung zurück.

Das BFG hat hiezu erwogen:

Rechtslage:

§ 279 Abs.1 Bundesabgabenordnung, (BAO), lautet:

"Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen."

§ 264 Abs.6 BAO lautet:

"Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten."

§ 217 Abs.7 BAO lautet:

"Erfolgt die Vorlage der Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von zwei Monaten ab Einbringung des Vorlageantrages bzw. in den Fällen des § 262 Abs. 3 und 4 (Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung) ab Einbringung der Bescheidbeschwerde, so kann die Partei (§ 78) beim Verwaltungsgericht eine Vorlageerinnerung einbringen. Diese wirkt wie eine Vorlage der Beschwerde. Sie hat die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdevorentscheidung und des Vorlageantrages zu enthalten."

Erwägungen:

Eingangs ist-der guten Ordnung halber- festzustellen, dass der (mittlerweile zurückgenommene) Vorlageerinnerung vom , die beim BFG am eingelangt ist, nicht die Wirkung eines Vorlageantrages nach § 264 Abs.1 BAO zugekommen ist. Die belangte Behörde hat, aufgrund des, bei ihr am eingebrachten, Vorlageantrages, die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Abschreibung der Säumniszuschläge dem BFG bereits am vorgelegt. Die Vorlage der Beschwerde durch die belangte Behörde erfolgte sohin iSd § 264 Abs.6 BAO rechtzeitig. Die am beim BFG eingebrachte Vorlageerinnerung war daher unzulässig .

Eine Bescheidaufhebung (als meritorische Beschwerdeerledigung) iSd § 279 Abs.1 BAO darf nur dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht (z.B. VwGH18.05.2006,2003/16/0009; ,2010/15/0108; ,2011/16/0184); sie darf somit nur ersatzlos erfolgen;(; ,2001/16/0472-0475: ,2004/17/0089,0090 und 0159)

Solche ersatzlose Bescheidaufhebungen haben beispielsweise zu erfolgen, wenn eine Abgabe vorgeschrieben wurde, obwohl kein Abgabenanspruch entstanden ist.(z,B, VwGH12.08.2002,2001/17/0717)

Im zu beurteilenden Fall geht es um die Frage der Rechtmäßigkeit der Abweisung eines Antrages auf "Abschreibung von Säumniszuschlägen" gemäß § 217 Abs.7 BAO, im Zusammenhalt mit der Vorschreibung der Mineralölsteuer samt Säumniszuschläge für das Jahr 2010.

Dazu hat das BFG mittlerweile mit Erkenntnis vom GZ rechtskräftig festgestellt:

"Bezogen auf den Zeitraum Jänner 2010 bis Dezember 2010 sind nachträglich keine Umstände hervorgekommen, die die Inanspruchnahme der Mineralölsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs.1 Z 1 MinStG für das Jahr 2010 als rechtswidrig erscheinen lassen. Die Bf. hat die, dafür im Zeitraum Jänner bis Dezember 2010ausreichenden Nachweise gesammelt und der belangten Behörde vorgelegt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Beweismittel einer späteren Überprüfung der in Rede stehenden Steuerbefreiung durch die Abgabenbehörde, nicht standhalten können, lagen nicht vor.

Die bekämpften Festsetzungen an Mineralölsteuer gemäß § 201 Abs.2 Z 3 BAOsowie an Säumniszuschlägen gemäß § 217 Abs.1 und 2 BAO, als Folge einer nicht zeitgerechten Entrichtung der Mineralölsteuer, erfolgte sohin zu Unrecht."

Somit ist der belangten Behörde kein Anspruch zur Festsetzung der Mineralölsteuer für das Jahr 2010 und daher auch kein Anspruch zur Festsetzung von Säumniszuschlägen, im Zusammenhalt mit der nicht zeitgerechten Entrichtung dieser Steuer entstanden.

Die. dem Antrag auf Abschreibung gemäß § 217 Abs.7 BAO zugrundeliegende, Festsetzung der Säumniszuschläge im Zusammenhalt mit der nicht zeitgerechten Entrichtung der Mineralölsteuer für das Jahr 2010 erfolgte somit rechtswidriger Weise.

Im Lichte vorstehenden rechtlichen Ausführungen, war der verfahrensgegenständliche Bescheid, mit dem der Antrag auf Abschreibung dieser Säumniszuschläge abgewiesen worden ist, ersatzlos aufzuheben.

Mit dieser Aufhebung konnte der darauf hinzielenden Beschwerde, auch ohne Durchführung der, von der Bf. beantragten, mündlichen Verhandlung entsprochen werden Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist daher- zweckmäßiger Weise-Abstand genommen worden.

Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die für die spruchgemäße Erledigung dieser Beschwerde maßgeblichen Rechtsfragen wurde durch die im Erkenntnis aufgezeigte Judikatur gekklärt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 264 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7200047.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at