Zahlungsaufforderung an den Anmelder wegen unzulässiger Inanspruchnahme des Verfahrens gem. § 26 Abs. 3 Z 2 UStG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Adr.Bf***, als Masseverwalterin im Konkursverfahren der ***NNGesmbH***, ***Adr.1***, vertreten durch ***RA***, über die Beschwerden vom 26. und gegen die Bescheide des damaligen Zollamtes St. Pölten Krems Wiener Neustadt
Zl. ***1*** vom
Zl. ***2*** vom
Zl. ***3*** vom
betreffend die Zurücknahme von begünstigenden Entscheidungen gem. Art. 27 UZK und Zahlungsgebot zu Recht erkannt:
Der Spruchteil der angefochtenen Bescheide, mit dem das Zollamt jeweils ausgesprochen hat, dass begünstigende Entscheidungen zurückgenommen werden, wird aufgehoben.
Im Übrigen werden die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das jeweilige Zahlungsgebot betreffend die gem. Art. 221 ZK bzw. Art. 102 UZK mitgeteilte Einfuhrumsatzsteuer bleibt aufrecht.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Laut Eintragung im Firmenbuch, FN ***4***, wurde die ***NNGesmbH*** (kurz: ***NNGmbH***) am ***ttmmjjjj*** infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst und Rechtsanwältin ***Bf***, ***Adr.Bf***, als Masseverwalterin eingesetzt.
Frau ***Bf*** als Masseverwalterin im Konkursverfahren der ***NNGesmbH*** ist daher als Partei zu behandeln und das vorliegende Erkenntnis an sie als Beschwerdeführerin (Bf.) zu richten ().
a)
Mit dem an die ***NNGmbH*** gerichteten Bescheid Zl. ***1*** vom nahm das damalige Zollamt St. Pölten Krems Wiener Neustadt (kurz: Zollamt) zu den im Bescheid erwähnten Zollanmeldungen eine begünstigende Entscheidung zurück und forderte das Unternehmen auf, den gem. Art. 221 ZK bereits mitgeteilten Betrag an Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von € 42.079,55 zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom .
Das Zollamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***5***. Es nahm dabei hinsichtlich des Spruchpunktes der Rücknahme der begünstigenden Entscheidung eine ersatzlose Streichung vor und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom wurde der form- und fristgerecht eingebrachte Vorlageantrag gestellt.
b)
Mit dem an die ***NNGmbH*** gerichteten Bescheid Zl. ***2*** vom nahm das Zollamt zu den im Bescheid erwähnten Zollanmeldungen eine begünstigende Entscheidung zurück und forderte das Unternehmen auf, den gem. Art. 221 ZK bereits mitgeteilten Betrag an Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von € 2.283,73 zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom .
Das Zollamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***6***. Es nahm dabei hinsichtlich des Spruchpunktes der Rücknahme der begünstigenden Entscheidung eine ersatzlose Streichung vor und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom wurde der form- und fristgerecht eingebrachte Vorlageantrag gestellt.
c)
Mit dem an die ***NNGmbH*** gerichteten Bescheid Zl. ***3*** nahm das Zollamt zu den im Bescheid erwähnten Zollanmeldungen eine begünstigende Entscheidung zurück und forderte das Unternehmen auf, den gem. Art. 102 UZK bereits mitgeteilten Betrag an Einfuhrumsatzsteuer in der Höhe von € 3.160,66 zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom .
Das Zollamt entschied über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***7***. Es nahm dabei hinsichtlich des Spruchpunktes der Rücknahme der begünstigenden Entscheidung eine ersatzlose Streichung vor und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab.
Mit Schriftsatz vom wurde der form- und fristgerecht eingebrachte Vorlageantrag gestellt.
Am fand beim Bundesfinanzgericht in der Beschwerdesache ein Erörterungstermin statt.
Am fand beim Bundesfinanzgericht die mündliche Verhandlung statt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Bei der ***NNGmbH*** handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen, das für ihre Kunden Leistungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb und der Logistik (Versand, Umtausch, Reklamation, Rückwaren und Kundenservice) erbracht hat.
Die ***NNGmbH*** räumt in der Beschwerdeschrift ein, dass sie nie wirtschaftliche Eigentümerin der in Rede stehenden eingeführten Wirtschaftsgüter wurde.
a) zu Bescheid Zl. ***1***:
Dieser Bescheid betrifft die Einfuhr von Druckerpatronen laut den im Bescheid genannten 60 (und nicht wie vom Zollamt irrtümlich festgehalten 61) Zollanmeldungen. Im Feld 8 (Empfänger) dieser Zollanmeldungen ist die ***NNGmbH*** genannt. Als Versender ist die Firma ***NNLtd.***. mit Sitz in der Schweiz (in 58 Einfuhren zwischen und ) bzw. die ***NN1*** mit Sitz in Hong Kong (in 2 Einfuhren am und am ) vermerkt.
Die eingeführten Druckerpatronen standen im Eigentum der Firma ***NNLtd.***. mit Sitz im Vereinigten Königreich. Sie stammten aus einem Zolllager in Serbien. Die ***NNLtd.***. bot diese Druckerpatronen im Internet zum Kauf an. Nach Eingang einer entsprechenden Bestellung durch einen in der Union ansässigen Endabnehmer wurden die betreffenden Druckerpatronen aus dem Zolllager in Serbien abgerufen, nach Österreich befördert, hier im Auftrag der ***NNLtd.***. verzollt und anschließend von der ***NNGmbH*** an die Endabnehmer zum Versand gebracht.
Die ***NNGmbH*** war bei all diesen Lieferungen im Auftrag ihres Kunden, der Firma ***NNLtd.***., für die Logistik zuständig (Lagerhaltung in Serbien, Vorbereitung für den Versand, Import nach Österreich, Zollabfertigung in Österreich, Weiterleitung der eingeführten Wirtschaftsgüter an die Endabnehmer in der Union). Die ***NNGmbH*** hat die von ihr in diesem Zusammenhang erbrachten Leistungen der Firma ***XXGmbH*** mit Sitz in der Schweiz in Rechnung gestellt.
Der Aufforderung des Zollamtes, die Daten der Endabnehmer bekannt zu geben, hat die ***NNGmbH*** nicht entsprochen.
b) zu Bescheid Zl. ***2***:
Dieser Bescheid betrifft die Einfuhr von Modellautos (samt zugehörigen Prospektmaterial) laut den im Bescheid genannten fünf Zollanmeldungen. Im Feld 8 (Empfänger) dieser Zollanmeldungen ist die ***NNGmbH*** genannt. Als Versender ist die Firma ***NN.SA*** mit Sitz in der Schweiz (in der Zollanmeldung vom ) bzw. die ***NN1*** mit Sitz in Hong Kong (in 4 Einfuhren zwischen und ) vermerkt.
Die eingeführten Modellautos standen im Eigentum der Firma ***NN.SA***. Sie stammten aus einem Zolllager in Serbien. Die ***NN.SA*** bot diese Modellautos im Internet zum Kauf an. Nach Eingang einer entsprechenden Bestellung durch einen in der Union ansässigen Endabnehmer wurden die betreffenden Modellautos aus dem Zolllager in Serbien abgerufen, nach Österreich befördert, hier im Auftrag der ***NN.SA*** verzollt und anschließend von der ***NNGmbH*** an die Endabnehmer zum Versand gebracht.
Die ***NNGmbH*** war bei all diesen Lieferungen im Auftrag ihres Kunden, der ***NN.SA***, für die Logistik zuständig (Lagerhaltung in Serbien, Vorbereitung für den Versand, Import nach Österreich, Zollabfertigung in Österreich, Weiterleitung der eingeführten Wirtschaftsgüter an die Endabnehmer in der Union). Die ***NNGmbH*** hat die von ihr in diesem Zusammenhang erbrachten Leistungen der Firma ***NN.SA*** mit Sitz in der Schweiz in Rechnung gestellt.
Der Aufforderung des Zollamtes, die Daten der Endabnehmer (bzw. die Höhe der von diesen Personen jeweils bezahlten Kaufpreise) bekannt zu geben, hat die ***NNGmbH*** nicht entsprochen.
c) zu Bescheid Zl. ***3***:
Dieser Bescheid betrifft die Einfuhr von Modellautos (samt zugehörigen Prospektmaterial) im Zeitraum zwischen bis laut den im Bescheid genannten drei Zollanmeldungen. Im Feld 8 (Empfänger) dieser Zollanmeldungen ist die ***NNGmbH*** genannt. Als Versender ist die ***NN1*** mit Sitz in Hong Kong vermerkt. Im Übrigen gilt das zu Bescheid Zl. ***2*** Gesagte.
Beweiswürdigung
Der dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt wird in freier Überzeugung als erwiesen angenommen und ergibt sich vor allem aus dem Inhalt der dem BFG vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten unter Bedachtnahme auf die Ermittlungsergebnisse des Zollamtes und die Angaben der Bf. Dabei wurden auch die im Rahmen des Erörterungstermins und der mündlichen Verhandlung (samt Zeugeneinvernahmen) gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung)
Rechtslage:
§ 26 Abs. 3 Z 2 UStG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2010, BGBl. I Nr. 34/2010, lautet:
"Abweichend davon sind für die Einhebung und zwangsweise Einbringung der Einfuhrumsatzsteuer unter folgenden Voraussetzungen die Finanzämter zuständig:
Die Einfuhrumsatzsteuerschuld ist nach Art. 201 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. Nr. L 302/1) entstanden und es handelt sich um keine nachträgliche Berichtigung,
der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist Unternehmer (§ 2), im Inland zur Umsatzsteuer erfasst und die Gegenstände werden für sein Unternehmen eingeführt und
der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer erklärt in der Zollanmeldung, dass er von dieser Regelung Gebrauch macht."
§ 26 Abs. 5 UStG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 134/2003 lautet:
"In den Fällen des Abs. 3 Z 2 gilt weiters Folgendes:
Die Einfuhrumsatzsteuer wird am 15. des Kalendermonates, der dem Tage der Verbuchung auf dem Abgabenkonto folgt, frühestens am 15. Tag des auf den Voranmeldungszeitraum, in dem die Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht, zweitfolgenden Kalendermonates fällig.
Die Gebarung der Einfuhrumsatzsteuer ist mit jener der Umsatzsteuer in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.
Einfuhrumsatzsteuerschulden, die in einem Kalendermonat entstanden sind, gelten für die Einhebung und zwangsweise Einbringung als eine Abgabe.
Wurde eine unrichtige Zollanmeldung eingereicht, so gilt ein sich daraus ergebender Fehlbetrag an Einfuhrumsatzsteuer als nicht entrichtete Abgabe im Sinne des Finanzstrafgesetzes.
Im Falle der indirekten Vertretung ist der Anmelder nicht Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer, wenn dem Anmelder ein schriftlicher Auftrag des Vertretenen zur Anwendung der Regelung des Abs. 3 Z 2 vorliegt. Dies gilt nicht, wenn der Zollanmeldung unrichtige Angaben zugrunde liegen und der Anmelder wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Angaben unrichtig sind."
Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABlEU Nr. L 269 vom (Unionszollkodex - UZK) lautet:
"Unbeschadet der Vorschriften in anderen Bereichen, in denen festgelegt ist, in welchen Fällen Entscheidungen unwirksam oder nichtig sind, können die Zollbehörden, die eine Entscheidung getroffen haben, diese jederzeit zurücknehmen, ändern oder widerrufen, sofern sie den zollrechtlichen Vorschriften widerspricht."
Art. 27 Abs. 1 UZK lautet:
"Die Zollbehörden nehmen eine den Inhaber der Entscheidung begünstigende Entscheidung zurück, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
die Entscheidung wurde auf der Grundlage unrichtiger oder unvollständiger Informationen getroffen,
der Inhaber der Entscheidung wusste oder hätte wissen müssen, dass die Informationen unrichtig oder unvollständig waren,
wären die Angaben richtig und vollständig gewesen, so wäre eine andere Entscheidung erlassen worden."
Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG DES RATES vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom , S. 1), bestimmt:
"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;
die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;
die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;
die Mehrwertsteuer, die für dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Artikeln 21 und 22 geschuldet wird;
die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist."
Dazu wurde erwogen:
Zur Änderung des Spruchs der angefochtenen Bescheide:
Die Zuständigkeit zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer obliegt gemäß § 26 Abs. 1 UStG grundsätzlich den Zollämtern. Die Zuständigkeit der Finanzämter zur Einhebung und zwangsweisen Einbringung der Einfuhrumsatzsteuer wird gemäß § 26 Abs. 3 Z 2 UStG - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - durch (bloße) Erklärung des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer in der Zollerklärung begründet (vgl. auch Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz5, § 26 Tz 6/1). Eines besonderen Antrages bedarf es dazu nicht. Eine begünstigende Entscheidung oder ein Bescheid darüber ist für den Eintritt der Rechtswirkungen dieser Erklärung nicht erforderlich und gesetzlich nicht vorgesehen. Die in § 26 Abs. 5 lit. a UStG normierte Fälligkeit einer solchen Einfuhrumsatzsteuer tritt ohne Entscheidung (Bescheid) der Abgabenbehörde ein.
Die Mitteilung der buchmäßigen Erfassung des Eingangsabgabenbetrages gilt lediglich kraft gesetzlicher Fiktion als Abgabenbescheid, vgl. § 74 Abs. 1 ZollR-DG in der Fassung vor BGBl I 2015/163 (bis zum ) bzw. § 59 ZollR-DG in der Fassung BGBl I 2015/163 (ab dem ). Eine in dem die Mitteilung über die buchmäßige Erfassung enthaltenden Schriftstück getroffene allfällige, darüber hinaus gehende Aussage über die von der Regelung des Art. 222 ZK (bis zum ) bzw. Art. 108 UZK (ab dem ) abweichend gemäß § 26 Abs. 5 lit. a UStG gesetzlich eintretende Fälligkeit der Abgabenschuld erlangt keine normative Qualität.
Solcherart sind die bei den Mitteilungen nach Art. 221 ZK (bis zum ) bzw. des Art. 102 UZK (ab ) des Zollamtes enthaltenen Erläuterungen "5EV ... EUSt-Anwendung von § 26 Abs. 3 Z 2 UStG" und die Hinweise auf den Regelungsinhalt des § 26 Abs. 5 UStG kein normativer Bestandteil eines Bescheidspruches und stellen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine begünstigenden Entscheidungen im Sinn des Art. 27 UZK dar (siehe ).
Damit entbehrt aber jener Spruchbestandteil der angefochtenen Bescheide, der die Rücknahme begünstigender Entscheidungen ausspricht jeglicher Rechtsgrundlage. Der entsprechende Spruchbestandteil war daher in allen drei angefochtenen Bescheiden aufzuheben.
Zur Frage der Inanspruchnahme der Sondervorschrift des § 26 Abs. 3 Z 2 UStG:
Entscheidend für die rechtmäßige Anwendung der Bestimmungen des § 26 Abs. 3 Z 2 zweiter Anstrich UStG ist u.a. ob die Gegenstände für das Unternehmen des Schuldners der Einfuhrumsatzsteuer eingeführt werden.
Der eingeführte Gegenstand muss dabei entweder zum Gebrauch, zum Verbrauch oder zum Verkauf bestimmt sein (vgl. , mwN). Artikel 168 Buchstabe e der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Abzug der vom Beförderer der betreffenden Waren, der nicht deren Einführer oder Eigentümer ist, sondern sie lediglich befördert und die Zollabfertigung ihres Versands im Rahmen seiner mehrwertsteuerpflichtigen Beförderungstätigkeit vorgenommen hat, geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer ausschließt ().
Zu prüfen ist demnach, ob die eingeführten Gegenstände für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet wurden. Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die Kosten der Eingangsleistungen Eingang in den Preis der Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten liefert bzw. erbringt (vgl. neuerlich , Rn. 49).
Die ***NNGmbH*** selbst erklärt in den o.a. Beschwerdeschriften, hinsichtlich der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter nicht als Händler fungiert zu haben. Damit steht fest, dass diese Waren nicht wie gefordert für das Unternehmen der ***NNGmbH*** eingeführt worden sind und dass diese nicht als Erwerberin an den in den Zollanmeldungen abgebildeten Kaufgeschäften beteiligt war. Die ***NNGmbH*** räumt ausdrücklich ein, (bloß) als Dienstleistungsunternehmen für die Firmen ***XXGmbH*** (Schweiz) bzw die ***NNLtd.***. (GB) und die ***NN.SA*** aufgetreten zu sein und für diese Unternehmen den Vertrieb und die Logistik (Versand, Umtausch, Reklamation, Rückwaren, Kundenservice) vorgenommen zu haben.
Die in allen verfahrensgegenständlichen Einfuhren direkt vertretene ***NNGmbH*** hat als Anmelderin durch unrichtige Eintragungen in den Zollanmeldungen vorgetäuscht, die von diesen Anmeldungen umfassten Wirtschaftsgüter seien für ihr Unternehmen eingeführt worden und sie sei hinsichtlich aller Waren zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Damit gleicht der hier zu beurteilende Sachverhalt jenen Vorgängen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Ro 2017/15/0022 zu prüfen hatte:
In jenem Fall sollte nach den Vereinbarungen mit den Lieferanten die Zahlung des Rechnungsbetrags (für die eingeführten Waren) ebenfalls unmittelbar vom Endabnehmer, bei dem es sich nicht um den Einführer handelte, erfolgen. Der Einführer übernahm hiefür keine Haftung. Er konnte bloß für seinen Aufwand ein Entgelt an den Lieferanten verrechnen (bei Lieferkondition "CIF": Verrechnung an den Empfänger). Dabei handelte es sich ausschließlich um Leistungen zur Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports.
Vor diesem Hintergrund bestand der wirtschaftliche Gehalt jenes Vorganges darin, dass der Einführer Leistungen im Zusammenhang mit der Abwicklung des grenzüberschreitenden Transports zu erbringen hatte (zum Teil an die chinesischen Lieferanten, zum Teil an die italienischen Abnehmer), während die Lieferung der Ware als unmittelbar vom chinesischen Lieferanten an den jeweiligen Kunden zu werten war. Soweit in diesem Zusammenhang dem Einführer auch die Verfügungsbefugnis an Gegenständen - etwa durch Übergabe von Traditionspapieren - eingeräumt wurde, so diente dies lediglich dazu, diese Abwicklung durch den Einführer zu ermöglichen.
Der VwGH kam bei diesem Sachverhalt zum Ergebnis, dass der Wert der beförderten Waren nicht zu den Kosten gehört, die in die vom Einführer erbrachte Leistung einfließen, sodass die darauf entfallende Vorsteuer nicht abgezogen werden konnte ().
Seitens des Bundesfinanzgerichtes besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Es ist daher auch im Streitfall vom Fehlen der Voraussetzungen sowohl für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug als auch für die Anwendung des § 26 Abs. 3 Z 2 zweiter Anstrich UStG auszugehen, zumal die Gegenstände zweifellos nicht für den laut Zollanmeldungen als Einführer auftretenden Unternehmer (die ***NNGmbH***) eingeführt worden sind.
Zu den Einwänden, die ***NNGmbH*** habe Sondervorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer gem. § 26 Abs. 3 Z 2 UStG in gutem Glauben in Anspruch genommen, die Zollbehörden hätten dies nie beanstandet und weder der Steuerberater noch der "Verzollungsagent" (gemeint zweifellos die von der ***NNGmbH*** beauftragte und als deren direkte Vertreterin einschreitende Spedition ***8***) hätten dagegen Bedenken geäußert wird ausgeführt:
Auf Antrag der Bf. wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung Herr ***9*** von der Spedition ***8*** als Zeuge einvernommen. Der Zeuge erklärte dabei auf Befragen, dass es immer der Kunde (im vorliegenden Fall also die Firma ***NNGmbH***) sei, die darüber entscheide, ob die Bestimmungen des § 26 Abs. 3 UStG zur Anwendung komme, zumal die Spedition nicht wissen könne, ob die dafür geforderten Voraussetzungen erfüllt werden.
Der Zeuge verwies auf seine Einvernahme vom durch Organe des Zollamtes Wien. Demnach habe die Spedition über eine Vollmacht der ***NNGmbH*** verfügt. Diese Vollmacht sei vom damaligen Geschäftsführer der ***NNGmbH***, der bei der Verhandlung ebenfalls anwesend war, am unterfertigt worden.
Dem Bundesfinanzgericht liegt diese Vollmacht vor. Die ***NNGmbH*** hat durch das Ankreuzen des entsprechenden Feldes auf dem Vordruck den Antrag gestellt, § 26 Abs. 3 Z 2 UStG zur Anwendung zu bringen.
Dem Zeugen wurde im Rahmen der Verhandlung eine Zollanmeldung vom vorgelegt. Auf Befragen erklärte der Zeuge dazu, dass er die Einschätzung des Bundesfinanzgerichtes teile, wonach die Eintragung der ***NNGmbH*** als Empfänger im Feld 8 der Zollanmeldung zu Unrecht erfolgt sei, zumal nach dem derzeitigen Kenntnisstand davon auszugehen sei, dass die ***NNGmbH*** die Waren nicht gekauft habe.
Auf Antrag der Bf. wurde im Zuge der Verhandlung auch die damalige Steuerberaterin der ***NNGmbH*** als Zeugin einvernommen. Auch ihr wurde diese Zollanmeldung vom (und nicht wie in der Niederschrift auf Grund eines offensichtlichen Tippfehlers irrtümlich erwähnt vom ) vorgelegt. Die Zeugin erklärte auf Befragen und unter Hinweis auf die nun bekannten Umstände, wonach die Wirtschaftsgüter nicht für die ***NNGmbH*** bestimmt waren, dass ihrer Ansicht nach das letztgenannte Unternehmen in diesen Fällen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war.
Es zeigt sich also, dass die zu Unrecht gewährte Anwendung der Bestimmungen des § 26 Abs. 3 Z 2 UStG in den beschwerdegegenständlichen Fällen auf unrichtige Angabe der ***NNGmbH*** beruhen.
Das Abfertigungszollamt hatte - so wie die involvierte Spedition und die von der SMS befasste Steuerberaterin - ebenfalls keine Kenntnis über die wahren Hintergründe im Zusammenhang mit den gegenständlichen Einfuhren. Denn aufgrund der vorgelegten Handelsdokumente und Fakturen (die sich als Scheinrechnungen entpuppten) und auf der Basis der Angaben in den Zollanmeldungen musste das Zollamt davon ausgehen, dass es sich bei der ***NNGmbH*** tatsächlich um die Einführerin handelte und dass die Waren für ihr Unternehmen eingeführt wurden.
Dass die ***NNGmbH*** im Auftrag ihrer Kunden (der ***NNLtd.***. und der ***NN.SA***) bloß als Dienstleisterin tätig wurde, blieb dem Zollamt mangels entsprechender Offenlegung durch die ***NNGmbH*** verborgen. Da die Vorlage gefälschter Rechnungen oder die unzutreffende Angabe hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung auch nicht im Rahmen einer Zollbeschau (Art. 68 Buchstabe b ZK bzw. Art. 189 UZK) festzustellen sind, kann die Bf. auch mit ihrem Einwand nichts gewinnen, das Zollamt habe in einigen Einfuhrfällen Zollkontrollen vorgenommen, die zu keinen Beanstandungen geführt hätten.
Die Bf. kann daher die Verantwortung für ihr zollunredliches Verhalten nicht auf die Spedition, die Steuerberaterin oder das Zollamt abwälzen.
Der Umstand, dass nach der Überzeugung des Bundesfinanzgerichts die Eintragung der ***NNGmbH*** im Feld 8 der Zollanmeldung zu Unrecht erfolgt ist, bleibt ohne Auswirkung auf die Entstehung des Abgabenanspruches. Denn die falschen Erklärungen der ***NNGmbH*** und die unrichtigen Handelsdokumente lassen die Existenz der tatsächlich angemeldeten und in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren und die für diese Waren abgegebenen Anmeldungen unberührt. Der Tatbestand der Entstehung der Zollschuld nach Art. 201 ZK besteht in der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr und ist vom Bestehen von Rechtsgeschäften über die Waren unabhängig (). Gleiches gilt für die Verwirklichung des Tatbestands des Art. 77 UZK.
Die in den drei angefochtenen Bescheiden jeweils an die ***NNGmbH*** gerichtete Zahlungsaufforderung erging daher aus den angeführten Gründen zu Recht und es war wie im Spruch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Entscheidung kann sich auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen. Es musste daher der Revisionsausschluss zum Tragen kommen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 23 Abs. 3 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1 Art. 168 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 § 74 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 Art. 168 Buchstabe e RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7200021.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at