Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2022, RV/7100571/2020

Familienbeihilfe - kein gemeinsamer Haushalt, Heimunterbringung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Abweisung des Antrags vom auf Familienbeihilfe zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Familienbeihilfe der Beschwerdeführerin (Bf.) vom für den Zeitraum ab April 2018 mit folgender Begründung abgewiesen:

"Zu S:

Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist."

Dagegen brachte die Bf. eine Beschwerde mit folgender Begründung ein:

"Ich, Mutter von S, geb. am 2006, Versicherungsnr. 000, wurde für die Familienbeihilfe abgelehnt. Ich würde gerne wissen warum, fehlt noch eine Bestätigung oder dgl., es hat sich nichts bis jetzt geändert. Bitte um Nachhholung. Er lebt so wie früher in einer WG, ist bei mir an Wochenenden, Urlaub und Feiertagen, wie auch bei seiner Großmutter ***1***, geb. ***2***, wohnhaft in der ***3*** Wien. Die Unterhaltskosten werden von mir getragen. Danke. Bitte um einen Bescheid".

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) wurde wie folgt begründet:

"Sie haben einen Antrag auf Familienbeihilfe für Ihr Kind S (gemeint: S) am gestellt. Ihr Kind S befindet sich seit im Heim der MAG 11 Jugend und Familie in der Pfarrgasse 34-44/12/1 in 1230 Wien. Der Nachweis über tatsächlich geleistete Heim- bzw. Unterhaltskosten für Ihr Kind S wurde von Ihnen nicht erbracht.

Gemäß § 2 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt."

Dagegen brachte die Bf. einen Vorlageantrag mit folgender Begründung ein:

"Mein Sohn S, geb. 2006, ist wie folgt in einer WG seit 2016. Seitdem beziehe ich keine Familienbeihilfe. Er ist an den Feiertagen, Wochenenden, Ferien bei mir. Ich bezahle auch Alimente, alle anderen Kosten wie auch Urlaub, Essen, Kleidung. Und bitte in der Wohngemeinschaft gibt es auch solche Fälle wie S, die beziehen sie auch."

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Sachverhalt

Beantragt wird die Familienbeihilfe für den Sohn S ab 4/2018. S lebt seit in einer Wohngemeinschaft der Wiener Kinder- und Jugendhilfe. Wochenausgänge und Urlaubsaufenthalte zur Beschwerdeführerin (Bf.) fanden statt.

Im Oktober 2019 stellte S, vertreten durch das Magistrat 11 der Stadt Wien (MA11), einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe gem. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ab 4/2018. In den Unterlagen zu diesem Antrag befindet sich ein Zahlungsnachweis der von der Bf. geleisteten Zahlungen i.H.v. € 250,- im Jahr 2018. Ein Nachweis über zusätzlich geleistete Kosten wurden trotz Aufforderung dem ho Finanzamt nicht vorgelegt.

Die hier anhängige Beschwerde betrifft das Verfahren der Kindesmutter.

Beweiswürdigung

Der Sohn der Beschwerdeführerin ist seit 2/2016 nicht ihrem Haushalt zugehörig. Aufgrund ähnlich gelagerter Unterbringungen in Wohngemeinschaften der MA11 ist dem Finanzamt bekannt, dass die Kosten dafür mehrere tausend Euro pro Monat betragen. Dies ist auch hier der Fall und wurde von der MA11 im Antrag von S (Dok. 12) mit "mindestens EUR 80.-- täglich" bestätigt/angegeben.

Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens in freier Beweiswürdigung nach § 167 Abs 2 BAO zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (siehe , ).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweislastregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisseder Beweisaufnahmen (Ritz, BAO, § 167 Tz 6).

Zur freien Beweiswürdigung gehört insbesondere auch, ob die im Laufe eines Verfahrensgemachten Angaben mit den Erfahrungen des täglichen Lebens übereinstimmen oder nicht.

Das Bundesfinanzgericht geht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der überwiegende Teil des Unterhaltes durch die öffentliche Hand getragen wird, auch wenn die Bf. die auf sie übergangenen Unterhalts- bzw. Kostenersätze leistet.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung:

Haushaltszugehörigkeit

Nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 wird der Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nach der Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind bestimmt. Voraussetzung für das Vorliegen einer Haushaltszugehörigkeit eines Kindes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft.

Im vorliegenden Fall war der Sohn der Bf. war im Streitzeitraum in einer Wohngemeinschaft der MA 11 in Vollbetreuung untergebracht.

Laut Angaben der Bf. verbringe ihr Sohn Feiertage, Wochenende und Ferien bei ihr.

Bei diesem Sachverhalt liegt jedoch keine Haushaltszugehörigkeit zur Bf. (Mutter) iSd § 2 Abs. 5 FLAG 1967 vor. Daran ändern auch mehr oder weniger regelmäßige Aufenthalte an den Wochenenden bei den Eltern nichts (vgl. ).

Der Sohn galt daher bei der Bf. nicht als haushaltszugehörig.

Nachweis der überwiegende Unterhaltsleistung

Als Alternative zur Haushaltszugehörigkeit sieht § 2 Abs. 2 FLAG 1967 einen Familienbeihilfenanspruch auch dann vor, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin die Unterhaltskosten des Kindes überwiegend trägt und das Kind bei niemandem sonst haushaltszugehörig ist (, ).

Zu den Kosten des Unterhaltes gehören nicht nur die Kosten für die Unterbringung, sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie zB Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur dann anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen werden (vgl. Nowotny in Csazsar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 2 Rz 150, vgl auch -I/08).

Voraussetzung für diesen alternativen Anknüpfungspunkt ist die überwiegende Tragungder Unterhaltskosten, nicht die überwiegende Leistung des - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigenund dessen weiteren Sorgepflichten abhängigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm. 100) - Unterhalts.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, hängt die Beurteilung, ob jemand die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab.

Dem von der Bf. in der Beschwerde zitierten Erkenntnis () ist zu entnehmen (Rechtssatz des VwGH), dass die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, ganz wesentlich davon abhängt, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt. Im vorliegenden Fall hat jedoch der Sohn der Bf. im Streitzeitraum (ab April 2016) bei der Bf. nicht (regelmäßig) übernachtet.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass eine Haushaltszugehörigkeit im Streitzeitraum unbestritten nicht vorgelegen ist. Es kommt daher die gesetzliche Fiktion der Haushaltszugehörigkeit nicht zur Anwendung.

Da die Bf. auch keinerlei Nachweis für eine überwiegende Kostentragung erbracht hat, lagen die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nicht vor.

Die belangte Behörde hat daher den Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe zu Recht abgewiesen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfragen ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz bzw. handelt es sich um Fragen der Beweiswürdigung, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at